editorial Heft 63

Nach seiner Entlassung warnte der Verteidigungsminister Israels sein Land vor einem Abgleiten in »moralische Finsternis«. Am Tag danach gewann Donald Trump die US-Wahl. Sein Erfolg beruht auf der Methode, die Medien mit Lügen und Obszönitäten zu stopfen, und diese Methode ist zum Modell zahlreicher Wahlkämpfe in aller Welt geworden. Nicht nur autoritäre, anti-demokratische Parteien bedienen sich ihrer, auch einige ehemals respektable Parteien scheinen sich um Anstand und Aufrichtigkeit nicht länger zu scheren. Womit Silvio Berlusconi noch schockierte, ist 30 Jahre nach seinem ersten Wahlsieg hemmungslose Gepflogenheit. Nach dem Ampel-Aus werden wir im anstehenden Bundestagswahlkampf Gelegenheit haben, das Phänomen aus der Nähe zu bestaunen.

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Inhalt Heft 63

Winter 2024

Heftseite/Titel/AutorIn/Online-Datum

editorial · Sebastian Gerhardt · 13.12.24

bedürfnis & interesse

06 Wohnfläche: Umverteilung im Bestand · Andrej Holm · 18.12.24

eingeblättert…

08 …in den Alltag des systematischen Wahnsinns · 20.12.24

konjunkturpegel

10 Das deutsche Exportmodell · Sebastian Gerhardt · 22.12.24

bilderstrecke

12 WanderFotos – Schnappschüsse vom Wegesrand · Joachim Römer · 24.12.24

soziales & gegenwehr

14 Vor 40 Jahren: Kampf für die 35-Stunden-Woche – West · Bernd Köhler · 26.12.24

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Es ist noch nicht vorbei. Heft 63 jetzt

Am Tag nach den US-Präsidentschaftswahlen ist unklar, wie es politisch in dem noch immer mächtigsten Land der Erde weitergehen wird. Sicher ist, Donald Trumps steht vor einer zweiten Amtszeit. In einem Beitrag im neuen Heft 63 von Lunapark21 erörtert Harold James, Wirtschaftshistoriker in Princeton, Möglichkeiten und Grenzen eines „Faschismus in unserer Zeit“. Im Märchen heißt es, wer mit dem Teufel speisen will, sollte einen langen Löffel haben. Aber so lange Löffel, dass sich mit ihnen gefahrlos am Tische des Kapitals speisen ließe, haben die Reformer aller Länder noch nicht erfunden. In den letzten 20 Jahren ging es bei Reformen in den Metropolen des Weltmarktes regelmäßig um die Entfesselung, und nicht um eine Bändigung des Kapitals. Selbst die Klimakatastrophe soll mit den Mitteln des Marktes bekämpft werden. Was tun? Mit guten Absichten ist der Weg zur Hölle gepflastert.

Wissen ist noch nicht Macht. Aber Unwissen ist Ohnmacht. Material für eine Zeitschrift „zur Kritik der globalen Ökonomie“ liegt reichlich herum. Es zu verarbeiten ist genau das: Arbeit. Dafür haben sich Menschen aus der letzten und vorletzten Generation der Lunapark21-Redaktion Ende letzten Jahres zusammengetan. Um weiter Einsichten, Fragen und Vorschläge veröffentlichen zu können war es nötig, einiges zu ändern. Im September hat Sebastian Gerhardt die Herausgeberschaft der Zeitschrift übernommen. „Lunapark21“ wird auch künftig wirtschaftliche Zusammenhänge verständlich erklären und unterschiedliche Positionen abbilden, die in ihrer Grundhaltung kapitalismuskritisch, humanistisch, anti-autoritär und demokratisch sind.

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Siebter Oktober

Antisemitismus und internationale Solidarität

Palästinenserinnen und Palästinenser brauchen unsere Solidarität. Das schien schon eine Zeit lang in Vergessenheit geraten zu sein. Doch seit dem vergangenen Herbst haben sich viele Menschen weltweit wieder besonnen und sich lautstark für Palästina und die Palästinenser eingesetzt. Der Zeitpunkt dieser Rückbesinnung ist bemerkenswert.

Nachdem Bewaffnete der Hamas, einer palästinensischen Organisation, die die Tötung aller Juden zu ihrem Ziel erklärt, an die 1200 Menschen in Israel mordeten und mehr als 5000 verletzten, Zivilist:innen zumeist, Alte wie Kinder, die sie oft in entsetzlichster Weise quälten und verstümmelten, da antworteten Demonstrierende auf der halben Welt, als ob eine Forderung nach Solidarität mit Palästina am Himmel aufgeleuchtet hätte.

Solidarität, Anteilnahme, Mitleid mit den Opfern dieses Massakers und mit deren Angehörigen wurden nur spärlich und zögernd laut.

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Und doch: Etwas Neues zum Paragraphen 218

[erscheint im Heft 63, vorab online]

Im April hat eine Kommission zu Schwangerschaftsabbruch und Leihmutterschaft ihre Ergebnisse vorgelegt

„Die Strafbarkeit der Abtreibung ist zumindest in den ersten zwölf Wochen auch verfassungsmäßig nicht haltbar“ – so lautet das einstimmige Votum der von der Ampelkoalition Ende 2022 eingesetzten Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und zur Fortpflanzungsmedizin. Der Kommissionsbericht fiel also ganz zugunsten einer Liberalisierung aus, wie sie die Ampel in ihren Koalitionsvereinbarungen angeregt hatte. Doch Jubel blieb bei SPD, Grünen und FDP aus.

80 Prozent der Bevölkerung befürworten eine Liberalisierung oder Abschaffung des § 218. Doch Marco Buschmann (FDP) und Karl Lauterbach (SPD), die Minister für Justiz und Gesundheit, gaben sich zurückhaltend. Man werde lesen, prüfen und nachdenken.

Genau das hat die Kommission ja nun über ein Jahr gemacht, dazu Fachleute aus der ärztlichen Praxis und der Beratung angehört, NGOs konsultiert und um die Sache gestritten, und ist am Ende einstimmig zu dem vorliegenden Ergebnis gekommen.

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Boxheim und Potsdam

Am 25. November 2023 trafen sich Nazis, AfD-Funktionäre und zwei CDU-Mitglieder in einem Hotel bei Potsdam und schmiedeten Deportationspläne gegen Menschen mit Migrationshintergrund. Als dies im Januar 2024 ans Licht kam, antwortete eine breite Welle von Demonstrationen gegen die AfD.

Baerbock, Habeck, Lindner, Scholz, Söder und Steinmeier begrüßten das, auch der Oppositionsführer Merz.

In der Frage der Immigration besteht zwischen der AfD einerseits, CDU/CSU, FDP, den Grünen und der SPD andererseits verstohlene Einigkeit. Die EU, die Großen Koalitionen unter Merkel und die Ampel-Regierung von Scholz haben den Schengen-Raum so abgeschottet, dass Zehntausende im Mittelmeer zu Tode kommen. Auch darüber, dass künftig mehr abgeschoben werden soll, gibt es wenig Streit. In der Potsdamer Tafelrunde wurde daraus allerdings völkische Politik.

Seit Jahren bekämpfen antirassistische, antifaschistische und humanitäre Bewegungen die Abschließungs- und Abschiebepolitik der EU und der deutschen Regierungen. Damit standen und stehen sie ziemlich allein. Plötzlich sehen sie sich vom Mainstream erfasst. Befinden sie sich im falschen Film?

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Lunapark21 macht weiter

Liebe ehemalige Abonnent:innen, Unterstützende und Lunapark21-Interessierte,

Lunapark21 soll wieder erscheinen.

Das Heft Nr. 62 vom Sommer vergangenen Jahres war unserem verstorbenen Chefredakteur Winfried Wolf gewidmet. Sein Tod hatte uns – seine redaktionell Mitarbeitenden – bestürzt und entmutigt. Eine weitere Herausgabe der Lunapark21 konnten wir uns ohne Winnies Energie, ohne seine wissenschaftliche Kompetenz, ohne seine zahlreichen Kontakte und seine organisatorische Arbeit nicht vorstellen.

Mit Nummer 62 war Schluss. – Zunächst.

Im Juli fand in Stuttgart mit rund 200 Gästen die Trauerfeier für Winnie statt. Die hohe Wertschätzung, die dort für seine Lunapark21 bekundet wurde, hat uns überrascht wiewohl gefreut. „Ihr müsst weitermachen“, wurden wir ein ums andere Mal aufgefordert.

Das hat uns im Nachhinein zu denken gegeben. Die Bedeutung, die ihre Leser:innenschaft der Lunapark21 beimaß, hatten wir offenbar unterschätzt. So verabredeten wir für November 2023 in Berlin ein Treffen der bisherigen Redaktionsmitglieder und einigen Unterstützenden, um abzuklären, ob eine Weiterarbeit eventuell möglich sei. Die Debatte stimmte optimistisch, vor allem, da mehrere Personen bereit waren, bei der Herstellung einer vierteljährlichen Zeitschrift verantwortlich mitzuarbeiten. – Wir beschlossen, es zu versuchen.

Die Ankündigung eines möglichen Neustarts im weiteren Kreis fand eindrückliche Resonanz:

„Toll, dass Ihr das wieder aufnehmt.

 „Nix wie los! 

„Freut mich, dass Lunapark 21 aufrecht erhalten bleibt .

.„Glückwunsch zu Eurem Mut! Diese Zeiten brauchen Lunapark.

„Ich vermute, dass Eure Initiative ganz im Sinne von Winnie gewesen wäre,

„Freue mich sehr über eure Initiative und werde die Lunapark21 natürlich gern wieder abonnieren.

„Klasse, dass ihr es zusammen wieder anpackt.

„Das sind richtig erfreuliche Informationen für dieses Frühjahr! Vielen Dank für Eure Bereitschaft.

„Großartig!, dass ihr weiter machen wollt. Es war/ist eine wichtige Zeitschrift.

„Ihr wollt also weitermachen? Nur zu!

Wir bringen also eine Nummer 63 raus. Und da wir nicht das Geld haben, eine große Werbekampagne zu machen, werden wir das neue Heft im Kreis bisheriger Abonnent:innen und Interessierten, zu denen wir Kontakt haben, zur begutachtenden Lektüre versenden mit der Bitte:

– den Heftpreis bei Gefallen zu erstatten,

– das Heft bei Gefallen im Bekanntenkreis zu bewerben,

– die Lunapark21 sogar zu abonnieren oder wieder zu abonnieren.

Eine Ausgabe können wir finanzieren. Ob Lunapark21 danach weiter erscheint, hängt von Ihren und Euren Reaktionen ab.

Du willst / Sie wollen unter den ersten Unterstützer:innen eines Neuanfangs dabei sein und das Heft 63 bestellen? Teilen Sie uns ihre Postanschrift unter abo@lunapark21.com mit und wir halten Sie auf dem Laufenden!

„Lunapark21 – Zeitschrift zur Kritik der globalen Ökonomie“ wird weiterhin ein Magazin sein, das den Zielen verpflichtet ist, Wirtschaft verständlich zu erklären, unterschiedliche Sichtweisen im Spektrum Kapitalismus-kritischer, humanistischer, demokratisch-antiautoritärer Positionen abbilden.

Mit freundlichen Grüßen

Ihre Heino Berg, Jürgen Bönig, André Geicke, Sebastian Gerhardt, Jürgen Hahn-Schröder, Joachim Römer, Susanne Rohland

Thomas Kuczynski ist gestorben

Trauerrede von Sebastian Gerhardt

Liebe Annette,

liebe Mitglieder der Kuczynski-Großfamilie,

liebe Freunde und Weggefährten,

liebe Nachbarn von Thomas und Annette,

verehrte Trauergäste,

heute haben wir uns eingefunden, um gemeinsam Abschied zu nehmen, indem wir uns an Thomas erinnern. Jede und jeder hat viele Gründe, hier zu sein. Viele sind hier, die Thomas länger kennen als ich, und ihn ganz anders kennengelernt haben. Mein Name ist Sebastian Gerhardt. Dass ich allein hier vorn stehe und rede, heißt nicht, dass ich für alle sprechen könnte. Ich stehe hier, weil wenige Tage vor seinem Tod Thomas mich in einem Gespräch mit Annette danach gefragt hat. Und es gibt Fragen, auf die kann man nicht mit „Nein“ antworten.

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strichcode

Bilder Schreiben: Während ich am Layout dieses Heftes saß – es war heiß in Köln und ich hatte die Tür des Ladenlokals offen, in dem mein Rechner steht – kam ein Nachbarsjunge rein und sah auf meinem Bildschirm die hier abgebildete Montage. Er kannte das da-Vinci-Bild mit dem rätselhaften Lächeln von Abbildungen und war spürbar irrtiert. „Mama, der Joachim hat der Mona Lisa einen I-Mac anstelle des Kopfes gemacht,“ sagte er zu seiner Mutter.

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Veranwortung

Die Bundesrepublik soll nur für 1,8 Prozent des weltweiten Ausstoßes an Treibhausgasen verantwortlich sein.

Schade nur, dass diese Auskunft lediglich die Treibhausgase registriert, die bei der Produktion und dem Konsum in der BRD selbst entstehen.

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