Am vergangenen Wochenende gab es eine ungewöhnliche Zwangsehe zwischen zwei Großbanken. Die größte Bank der Schweiz, die UBS, wurde seitens der Schweizer Regierung und der Schweizer Zentralbank (SNB) massiv unter Druck gesetzt, die Nr.2, Credit Suisse (CS), zu übernehmen – ohne dass dabei den CS-Großaktionären eine angemessene Zeit eingeräumt worden wäre für eine eigenständige Entscheidung. Die UBS zahlt für die Übernahme 3 Milliarden Schweizer Franken, was weniger als der Hälfte des Marktwertes zum gegebenen Zeitpunkt entspricht. Ergänzend erhält die UBS vom Schweizer Staat eine Garantie in Höhe von neun Milliarden Schweizer Franken und „Liquiditätshilfen“ in einer Höhe von „bis zu 200 Milliarden Franken. Die Schweizer Nationalbank wiederum gewährt ergänzend ein Darlehen in Höhe von 100 Milliarden Franken.
Inhalt Heft 61
“Zum Abschuss freigegeben”
Auslieferung ab 24.3.23
Heftseite / Titel / AutorIn / Online-Datum
3 – Editorial · Winfried Wolf – 22.3.23
globaler lunapark
6 – Eingeblättert in den Alltag des systematischen Wahnsinns – 25.3.23
quartalslüge I/MMXXIII
8 – „Wir sind keine Kriegsgewinnler“ – 28.3.23
Das Eisenbahnunglück in Griechenland und die Verantwortung der EU
Der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis äußerte nach dem schweren Eisenbahnunglück im Tempi-Tal auf der Strecke Athen – Thessaloniki: „Wir werden die Auslöser dieser Tragödie herausfinden.“

Sicher gibt es einen aktuellen, konkreten „Auslöser“ für das Unglück. Das ist aller Wahrscheinlichkeit nach die Entscheidung des Stellwerkers oder Fahrdienstleiters, der einen der beiden Züge auf das falsche Gleis lenkte. Und es gibt auch die in diesem Zusammenhang auch bei Bahnunfällen in Deutschland immer wieder bemühte Formel vom „menschlichen Versagen“, das „nie auszuschließen“ sei. Womit von den eigentlich Verantwortlichen abgelenkt wird.
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Die Politik hat den Ernst der Lage nicht begriffen
Gemeinsame Erklärung von Wissenschaftlern, Autoren, Politikern, Klimaaktivisten und Bürgerrechtlern zur gewaltsamen Räumung von Lützerath
Schon die ersten Tage des Jahres erinnerten uns daran, dass 2023 viel auf dem Spiel steht. Bei sommerlichen Temperaturen zu Silvester und einem bisher etwa 10 Grad zu warmen Januar hat jeder empfindende und denkende Mensch mittlerweile das mulmige Gefühl, dass wir ganz bestimmt keine 20 Jahre Zeit mehr haben um die Klimakatastrophe noch zu verhindern.
Doch die Stimmen des fossilen „Weiter so!“ sind noch viel zu laut in der Gesellschaft und die Macht der Fossillobby scheint ungebrochen.
Es macht uns fassungslos, dass sich die Politik entgegen der wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Klimakatastrophe für die Zerstörung des Dorfes Lützerath und weitere Braunkohleverstromung entschieden hat. Lützerath ist ein Beleg dafür, wie wenig ernst die Politik den Klimaschutz und ihre eigenen Gesetze nimmt.
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Ausgeblättert
Auf Ärmellänge
Wir rätseln, ob die einstigen Vertreter einer sozialistischen Gesellschaft, Russland und China, inzwischen echte kapitalistische Staaten geworden sind. Kennzeichen wäre die Herausbildung einer Bourgeoisie, die die Funktion der herrschenden Klasse ausfüllte. Immerhin suchen ihre ersten Repräsentanten sich in Stil und Habit als Angehörige jener Klasse darzubieten: dunkler Anzug, weißes Hemd, Krawatte, durchaus respektabel. Doch bei genauerer Betrachtung fallen Unzulänglichkeiten ins Auge. Ausgerechnet der Kleinere reckt Kopf und Kragen weit hervor, so dass das Sakko wirkt, wie zur ersten Tanzstunde erworben.
Konsum-Klima
Am 28. Juli 2022 war Erdüberlastungstag. Die Nachrichten-Redaktionen meldeten einen Tag früher als 2021 den Tag im Jahr, an dem weltweit alle Ressourcen verbraucht waren, die sich auf der Erde innerhalb eines Jahres regenerieren.
Der ökologische Fußabdruck verschiedener Gesellschaften und Länder ist durchaus unterschiedlich und die Daten ihres jeweiligen Erdüberlastungstages fallen entsprechend weit auseinander. Würden alle Bewohner der Erde leben wie die Menschen im Emirat Katar, wäre schon am 10. Februar all das aufgezehrt, was innerhalb eines Jahres nachwächst. Konsum auf dem Niveau von Deutschland brauchte drei Erden, um auszukommen – der Erdüberlastungstag für die Bundesrepublik ist bereits der 4. Mai.
Das Geheimnis des Krieges
Der Schock eines Kriegsbeginns bewirkt auf der Linken fast immer Verwirrung und Sprachlosigkeit
Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass, wer nach Beginn der russischen Aggression gegen die Ukraine das weitgehende Schweigen linker Friedensbewegungen in Europa beklagt, zwar recht, aber wenig von der realen Situation verstanden hat.
Beispielsweise fanden in der Woche vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs allein in Deutschland mehr als 250 Kundgebungen mit insgesamt fünf- bis siebenhunderttausend Teilnehmern gegen die drohende Kriegsgefahr statt, aber nach Kriegsausbruch schlug die Stimmung in der Bevölkerung binnen Tagen in eine allgemeine Kriegsbegeisterung um, und es war nur noch von Vaterlandsverteidigung die Rede, vor allem vom Sieg gegen Franzosen, Briten, Russen und Serben. Am 4. August stimmten im Reichstag alle Fraktionen geschlossen für die Bewilligung der Kriegskredite, einschließlich der Sozialdemokratie. Das Diktum von Kaiser Wilhelm II., er kenne keine Parteien mehr, er kenne nur noch Deutsche, ging in Erfüllung. Die revolutionäre Linke war paralysiert, und es dauerte bis zum 10. September, bis vier von ihnen (Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg, Franz Mehring und Clara Zetkin) eine Erklärung ver-fassten, dass ihr Standpunkt zwar dem parteioffiziellen der SPD „nicht entspricht“, aber: „Der Belagerungszustand macht es uns vorläufig unmöglich, unsere Auffassung öffentlich zu vertreten“ – eine Erklärung, die erst am 30. Oktober im neutralen Ausland publiziert werden konnte.
Lunapark21 macht weiter
Brief an unsere Abonnenten
Potsdam, den 19. Dezember 2022
Liebe Leserinnen und Leser,
Sie haben im Oktober im Editorial des Doppelhefts Nr. 59/60 sicher gelesen, dass wir aktuell eine Pause einlegen und dass dies vor allem „einer Erkrankung meinerseits“ geschuldet ist. Ich schrieb auch, dass „es erst Ende dieses Jahres abzusehen (ist), wie es weitergeht“. Heute kann ich Ihnen die – auch für mich positive – Mitteilung machen: Es geht weiter. Die nächste Ausgabe erscheint am 15. März. Auch im Namen der LP21-Redaktion bedanke ich mich für Ihr Verständnis für die notwendig gewordene Pause.
Aufbruch zu einer Revolution für das Klima
Wir Menschen haben unsere optimale ökologische Nische in der Mitte des Holozäns gefunden. Seit ca. 6000 Jahren ermöglichen durchschnittliche Jahrestemperaturen um 13°C das Wachsen und Gedeihen der menschlichen Zivilisation.1 Doch der Anteil der Erdoberfläche mit diesen lebensfördernden Bedingungen schrumpft. In den kommenden 50 Jahren werden ein bis drei Milliarden entweder fliehen müssen oder tödlichen Bedingungen ausgesetzt sein.2
Die Ursachen für den Zusammenbruch unserer Lebensgrundlagen, das Massensterben der Arten und die Zerstörung von Ökosystemen sind bekannt. Trotzdem verbrennen wir weiter Öl, Gas und Kohle, verbrauchen riesige Flächen mit intensiver Agrarindustrie, tränken Land in Pestizide und Mineraldünger und holzen Wälder großflächig ab.
10 Downing Street
Wahrzeichen des britischen Exzeptionalismus
Wer etwas über die Geschichte der Number 10, des Amtssitzes britischer Premiers, lernen möchte, der findet sich vielleicht auf der offiziellen Homepage ebenjener Regierung wieder. Dort ist von der Tendenz zum Understatement, welches den Menschen auf den britischen Inseln gerne nachgesagt wird, wenig zu spüren. Es wird geklotzt, nicht gekleckert. „10 Downing Street, der Sitz der britischen Premiers seit 1735, konkurriert mit dem Weißen Haus als das wichtigste politische Gebäude der Welt in der Neuzeit. Hinter seiner schwarzen Tür wurden in den letzten 275 Jahren die wichtigsten Entscheidungen getroffen, die Großbritannien betreffen“, schreibt der Historiker Sir Anthony Seldon.
Das wichtigste politische Gebäude der Neuzeit also, nur durch das Weiße Haus in Washington übertroffen, und auch das nur vielleicht, man konkurriert um den Alphastatus auf der Welt. Da können Berlin und Paris einpacken, Beijing und Moskau erst recht. Dafür steht es aber recht bescheiden da, es zeigt seine Macht nicht offen. Wieder Sir Anthony: „Das Gebäude ist viel größer, als es von der Fassade her scheint.“ Da ist er doch wieder, ein Schatten des Understatements.