… wie im alten Rom

Kapitalismus ohne Wachstum?

Als Georg Fülberth 2005, in der Erstauflage seines Buchs „G-Strich – kleine Geschichte des Kapitalismus“, die Prognose abgab, der Kapitalismus könne noch 500 Jahre existieren, fand ich die Voraussage allzu pessimistisch. Inzwischen bin ich mir da nicht mehr so sicher. Vielleicht geht der Kapitalismus doch so unter wie das alte Rom, das nach dem Eintritt in die Krise der Sklavenhalterordnung im dritten Jahrhundert noch weitere Jahrhunderte brauchte, ehe sich dort, nach seiner Zerstörung durch die „Barbaren“, ein auf Leibeigenschaft basierter Feudalismus entwickelte. Das ist zwar eine wenig erfreuliche Aussicht, jedenfalls für mich, aber dass es so kommen wird, ist leider nicht auszuschließen.

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Das Geheimnis des Krieges

Der Schock eines Kriegsbeginns bewirkt auf der Linken fast immer Verwirrung und Sprachlosigkeit

Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass, wer nach Beginn der russischen Aggression gegen die Ukraine das weitgehende Schweigen linker Friedensbewegungen in Europa beklagt, zwar recht, aber wenig von der realen Situation verstanden hat.

Beispielsweise fanden in der Woche vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs allein in Deutschland mehr als 250 Kundgebungen mit insgesamt fünf- bis siebenhunderttausend Teilnehmern gegen die drohende Kriegsgefahr statt, aber nach Kriegsausbruch schlug die Stimmung in der Bevölkerung binnen Tagen in eine allgemeine Kriegsbegeisterung um, und es war nur noch von Vaterlandsverteidigung die Rede, vor allem vom Sieg gegen Franzosen, Briten, Russen und Serben. Am 4. August stimmten im Reichstag alle Fraktionen geschlossen für die Bewilligung der Kriegskredite, einschließlich der Sozialdemokratie. Das Diktum von Kaiser Wilhelm II., er kenne keine Parteien mehr, er kenne nur noch Deutsche, ging in Erfüllung. Die revolutionäre Linke war paralysiert, und es dauerte bis zum 10. September, bis vier von ihnen (Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg, Franz Mehring und Clara Zetkin) eine Erklärung ver-fassten, dass ihr Standpunkt zwar dem parteioffiziellen der SPD „nicht entspricht“, aber: „Der Belagerungszustand macht es uns vorläufig unmöglich, unsere Auffassung öffentlich zu vertreten“ – eine Erklärung, die erst am 30. Oktober im neutralen Ausland publiziert werden konnte.

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Multitalent – Monopolist – Minister

Walther Rathenau (1867-1922)

Walther Rathenau wird von der Forschung mit einer wissenschaftlichen Gesamtausgabe seiner Schriften, Briefe und Notizen bedacht, eine Ehre, die wohl keinem anderen deutschen Kapitalisten zuteil geworden ist und auch nur wenigen deutschen Politikern.

Der hundertste Jahrestag seiner Ermordung gibt Anlass, auf sein vielfältiges Werk zu blicken, zu dem auch der zwischen Deutschland und Sowjetrussland geschlossene Vertrag von Rapallo gehört, den er als Außenminister im April 1922 unterzeichnet hatte und der neuerdings aus durchsichtigen Motiven ein „verhängnisvolles Abkommen“ genannt worden ist (Zeit 13. 4.).

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Vielvölkerstaaten in Europa und ihr Schicksal

Ein Rückblick auf das 20. und ein Ausblick auf das 21. Jahrhundert

Am Vorabend des Ersten Weltkriegs existierten in Kontinentaleuropa drei Staatsgebilde, die mit vollem Recht als Vielvölkerstaat bezeichnet werden können – das Osmanische Reich, das Russische Reich und Österreich-Ungarn –, im Unterschied etwa zu solchen multinationalen Gebilden wie der Schweiz und Belgien oder auch Staaten, in denen nationale beziehungsweise ethnische Minderheiten bis heute um ihre Unabhängigkeit vom Zentralstaat kämpfen oder wenigstens um einen autonomen Status innerhalb desselben, wie die Katalanen, die Basken, die Korsen. Im Unterschied zu den anderen europäischen Großmächten, insbesondere Frankreich und Großbritannien, hatten diese Vielvölkerstaaten ihre Kolonien nicht in Übersee, sondern sozusagen im eignen Land, denn die vom Kernland eroberten oder ihm angeschlossenen Gebiete standen unter der Herrschaft des türkischen Sultans, des russischen Zaren, des österreichischen Kaisers.

Nach dem Ersten Weltkrieg existierte keines dieser Großreiche mehr. Zwar entstanden der Vielvölkerstaat Jugoslawien und der Zweivölkerstaat Tschechoslowakei, aber beide hatten niemals die Bedeutung eines Großreiches; im Gefolge der Beendigung des Kalten Krieges zerfielen beide wieder in mehrere Nationalstaaten, wobei nur die Sezession von Tschechen und Slowaken friedlich verlief.

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Steuern zum Umsteuern?

Ein reformistischer Vorschlag zur Abwendung einer Katastrophe

Um es gleich vorauszuschicken: Marx war schon 1850 der Auffassung, die Steuerreform sei „das Steckenpferd aller radikalen Bourgeois, das spezifische Element aller bürgerlich-ökonomischen Reformen.“ Die Ver-teilungsverhältnisse, „die Verhältnisse zwischen Arbeitslohn und Profit, Profit und Zins, Grundrente und Profit, können durch die Steuer höchstens in Nebenpunkten modifiziert, nie aber in ihrer Grundlage bedroht werden“ (Marx/Engels: Werke [MEW], Bd. 7. S. 285). Wohl auch deshalb haben sich linke Ökonomen nur selten mit dem Problem einer Steuerreform befasst, denn es geht vordergründig „nur“ um die Umverteilung schon produzierten Mehrwerts, und Verteilungskämpfe, da nicht an die Substanz gehend, sind immer mit dem Geruch des Reformismus behaftet. Allerdings hatten Marx und Engels im Frühjahr 1850 ein baldiges Wiederaufflammen der Revolution (von 1848/49) erwartet, und das allein rechtfertigte das abschätzige Urteil ð cber eine Steuerreform. In nichtrevolutionären Zeiten wie den jetzigen ist es meines Erachtens keine Schande, über radikale Reformen nachzudenken. Rosa Luxemburg nannte so etwas revolutionäre Realpolitik.

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Neoliberale Mangelwirtschaft

Der Terminus Mangelwirtschaft (shortage economy, defizitnaja ekonomika) wurde 1980 von dem ungarischen Wirtschaftswissenschaftler János Kornai in die ökonomische Literatur eingeführt. Er bezeichnet eine Wirtschaft, in der auf den verschiedensten Gebieten die Nachfrage ständig (und nicht nur ausnahmsweise) das Angebot übersteigt, so dass Mangel herrscht und die Käufer Schlange stehen.

Kornai sah ein Grundmerkmal sozialistischer Planwirtschaft sowjetischen Typs in der Tatsache, dass wegen fehlender Anreize für die Produzenten zu wenig produziert wird, und er stellte ihr jene Marktwirtschaften gegenüber, in denen ständig Überfluss produziert wird. Letzteres erinnert an einen schon damals zwanzig Jahre alten Bestseller, „Gesellschaft im Überfluss“ (The affluent society), geschrieben von dem linksliberalen Keynesia-ner John Kenneth Galbraith. Beide Merkmale hatte schon Marx vorausgesehen, den Mangel als Haupthindernis und den Überfluss (Überproduktion) als Hauptregulator künftiger (sozialistischer) Produktion.

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Pflege- und Bewahrarbeit

Einige politökonomische Aspekte

Auch in einer kapitalistischen Wirtschaft gibt es Bereiche, in denen bezahlte Arbeit verrichtet wird, die keinen Wert und daher auch keinen Mehrwert produziert. In der professionalisierten Altenpflege beispielsweise leisten die dort beschäftigten Arbeitskräfte eine sehr wichtige – und zumeist völlig unzureichend bezahlte – Arbeit, aber sie fügen den von ihnen Gepflegten keinen Wert hinzu – wie es ja überhaupt unzulässig sein sollte, einem Menschen Wert im politökonomischen Sinne zu- oder abzusprechen (unbeschadet der historischen Tatsache, dass Menschen in die Sklaverei verkauft wurden und ihr Verkäufer eine Summe Geldes bekam, die den Preis der in die Sklaverei Verkauften repräsentierte). Dasselbe gilt für die professionalisierte Krankenpflege, in der allenfalls, sofern es sich bei den Gepflegten um Berufstätige handelt, der Wert von deren Arbeitskraft wiederhergestellt wird, aber die sie Pflegenden haben der Arbeitskraft der von ihnen Gepflegten keinen Wert hinzugesetzt. Pflege produziert keinen Arbeitswert, die Gepflegten werden durch die Pflege nicht wertvoller.

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Selbstregierung der Arbeitenden

quartalsbericht 02/2021 150 jahre pariser kommune

Vor 150 Jahren wehrte sich die Nationalgarde von Paris gegen ihre Entwaffnung, und die Kommune von Paris begann vom 18. März bis zu ihrer Niederschlagung am 28. Mai 1871, die Stadt in einer neuen Form zu verwalten. Der erste Quartalsbericht in Lunapark21 Heft 53 beschäftigte sich mit der Rolle der Frauen in der Pariser Kommune.

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Deutscher Bund und deutsche Frage: Kleindeutschland oder Großösterreich?

Ein Rückblick auf Entstehung und Entwicklung des Deutschen Reichs

Österreich hatte nicht nur einen Doppeladler als Wappen, sondern kurzzeitig auch einen Doppelkaiser: Von 1804 bis 1835 stand Franz I. dem von ihm begründeten Kaisertum Österreich vor, von 1792 bis 1806 hingegen war er als Franz II. der letzte Kaiser des „Heiligen Römischen Reichs“ (der mit dem Ende des 15. Jahrhunderts in Gebrauch gekommene Zusatz „Deutscher Nation“ bedeutete übrigens nicht, dass es auf seinem Territorium einen Frankreich vergleichbaren Nationalstaat gegeben hätte).

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Dreißig Jahre Einheitsversprechen

Auch 2019 hatten Ostlöhne nur 71 Prozent des Westniveaus

Als der am 18. Mai 1990 geschlossene Staatsvertrag über eine Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der BRD und der DDR sechs Wochen später, am 1. Juli, in Kraft trat, war das Ende der DDR besiegelt, auch wenn ihr staatspolitisches Ableben erst drei Monate später, am 3. Oktober, stattfand. Der damit verbundene Abbruch des sozialistischen Experiments war im Grunde schon unter der Regierung von Hans Modrow angekündigt worden – spätestens als dieser am 1. Februar 1990 die Losung „Deutschland einig Vaterland“ ausgab – und war im Übrigen Teil jener Kette von Ereignissen in Osteuropa, die im Frühjahr 1989 in Ungarn und Polen ihren Anfang nahm und Ende 1991 mit der Auflösung der Sowjetunion ihren Abschluss fand. Der von der ganz überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung all dieser Länder, wenn nicht begeistert begrüßte, so doch – ungeachtet der nachfolgenden „Kollateralschäden“ auf sozialem Gebiet – weitgehend wider standslos hingenommene „Systemwechsel“ war ebenfalls ein gemeinsames Charakteristikum. Rückblickend scheint das Geschehen in der DDR also dem allgemeinen Lauf der Dinge entsprochen zu haben und seine Analyse kaum problematisch zu sein.

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