Die Macht der Frauen

Von der Mittäterschaft zur Tat?

Unter den Verordnungen, die Donald Trump am ersten Tag seiner erneuten Präsidentschaft erließ, ist auch ein Dekret zur Erneuerung der Geschlechterdualität, wonach es »nur noch Männer und Frauen geben« werde.

Ist das nur die unbeholfene Replik auf die zunehmende Weigerung der Frauen, ihren Platz in der Geschlechterhierarchie einzunehmen, und die »gesichtslose« First Lady bei der Inauguration ein Vorgeschmack darauf, welchen er für Frauen vorgesehen hat? Es ist wohl komplizierter.

Im Getöse um die drohenden wirtschafts- und verteidigungspolitischen Konsequenzen und des Migrationsdesasters, die die Experten verzweifelt herunterzudimmen bemüht sind, mag das Dekret »Zur Verteidigung der Frauen vor dem geschlechterideologischen Extremismus …«1 als Petitesse erscheinen, nur eine kurze Erwähnung wert. Dabei hat der Präsident es offenbar sehr wichtig damit, gleich am ersten Tag der objektiv doch recht kleinen LGBTIQ+-Community den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Womit er auch einigen unserer rechtskonservativen und ultrarechten Möchtegern-Machthaber:innen aus der Seele sprechen dürfte.

Doch welche Relevanz hat diese Rekonstruktion des Eindeutigen für ihre Kernanliegen? Es geht vermutlich weniger um eine gar nicht mehr erreichbare »Bereinigung« der Bevölkerung. Wer sich als Führer:in aus dem gesellschaftlichen Chaos inszeniert, muss Komplexität reduzieren und »Woke« lassen sich nicht mit einfachen Wahrheiten abspeisen, wer für Diversität steht, stützt keine Antimigrationspolitik. Also weg mit Gender-Gaga, weg mit allem Uneindeutigen – mit Konsequenzen auch für cis- und Heterofrauen. Dann sind, so das recht schlichte Kalkül, auch die Positionen und Aufgaben wieder klar und die Hierarchien wieder hergestellt, Männer die Macher und Frauen schutzbedürftig, was das Dekret nahelegt, das geschickt mit dem Schutz der Frauen argumentiert und sich nicht scheut, dazu die unselige feministische Diskussion auszuschlachten. Mit der Austreibung des Genderpopanz nicht nur die Geschlechter- sondern die Ordnung insgesamt »wieder«  herstellen – mit dem »Genderismus« auch den »Multikulturalismus« und womöglich auch noch Klimawahn und Gleichmacherei austreiben? Eine Menge Leute scheint das zu beruhigen.

Dabei hätten die reaktionären Kräfte gar nicht so viel zu fürchten, zeigt doch unsere sogenannte Zeitenwende, wie labil die kleinen Erfolge im Bemühen um einen anderen Politikstil waren, wie schnell die in 50 Jahren Frauen-, Alternativ- und Friedensbewegungen erreichten Anfänge anderer Formen der Konfliktlösung, des Umgangs mit dem anderen und auch mit politischen Gegnern, zum Irrtum der Geschichte werden konnten. Dass die alte Verteidigungs- und Unterwerfungslogik, ohne Gedanken für andere Optionen zuzulassen, in kürzester Zeit das Einverständnis einer Mehrheit der Bevölkerung fand, auch Grüner und Linker, und dass auch reflektierte Frauen auf die Panikmache der nächstens bei uns marodierenden Russen einstiegen und sich womöglich demnächst vor Flüchtlingen nicht mehr sicher fühlen – während sie heute gegen den Rechtsruck demonstrieren –, deutet darauf, wie tief die patriarchalen Strukturen sitzen, die einer feministischen W ende im Weg stehen.

So viel schien erreicht und doch sind wir nicht weiter? Abgründig genug, wenn sich amerikanische Männer an der Omnipotenz-Protzerei des Kandidaten aufgeilten und sich mit seiner sexistischen Unverschämtheit identifizierten. Aber Frauen, womit haben sie sich da identifiziert?

Wie konnten sie nur Trump wählen?

Überhaupt, so ein gern vorgebrachtes Ablenkungsmanöver, wenn es um verfehlte oder Frauen schädigende Politik geht, Frauen selbst dulden doch, unterstützen oder vertreten sogar in eigener Person häufig ihren Interessen zuwiderlaufende Handlungen! Noch immer auch im globalen Norden, wo ihnen inzwischen ganz andere Möglichkeiten offenstehen. Die gibt’s, das ist nicht von der Hand zu weisen. Beste Beispiele die in der Ampel ungewöhnlich große Zahl an Ministerinnen und führenden Abgeordneten, unter denen manche sich berufen fühlt, nicht nur ihren Mann, sondern ihren Macho zu stehen, von der Grenzschützerin bis zur Waffenexpertin.

Die Frage, warum das so ist, wird selten und wenn, dann eher rhetorisch gestellt. Warum votieren manche gegen die Beseitigung des §218, küren einen Kriegstreiber zum beliebtesten Politiker oder rufen selbst nach Waffen, positionieren sich gegen Quoten, wählen einen ausgewiesen frauenverachtenden Sexisten zum Präsidenten oder influencen als »Trad-Wife« für ein Dasein als traditionelle Hausfrau? Um nur einige Beispiele aus den sogenannt zivilisierten Regionen zu nennen. Internalisierter Masochismus oder selbstverletzender Antifeminismus? Läuft es ihren Interessen am Ende gar nicht zuwider – wie die Rechten und die Religiösen behaupten, zumal in den USA, dem gelobten Land der Sekten und christlichen Fundamentalisten? Stockholmsyndrom, die »positive« Beziehung, die das Opfer zum Täter aufbaue, dem es nicht entkommen kann, läge nahe angesichts der gewaltvollen Geschichte der Geschlechter-Beziehungen.

Diese »freiwillige« Selbstunterwerfung, wurde in der westdeutschen Frauenbewegung anhand der Mittäter-These2 bereits in den 1980ern diskutiert. Die »Bereitschaft zur Duldung, Unterstützung oder Nichtzuständigkeit«, über die Frauen den Triumpf des Patriarchats permanent mit reproduzieren und direkt oder indirekt daran partizipieren. Die Fähigkeit zu extremer Selbst- und Realitätsverleugnung, im Extrem die der nationalsozialistischen Mütter, die ihre heile Familie von der Massenvernichtungsrealität abzuspalten vermochten. Eine Analyse – keine Entschuldigung, für keine Seite –, die die zur Betroffenheit neigenden Diskutantinnen buchstäblich allein ließ und in ihrer Erbarmungslosigkeit keinen Ausweg anbot.

Welche Machtstrukturen hinter diesem Phänomen stehen, machen unter anderem die Frauenhaus- und Anti-Gewalt-Initiativen sicht- und die Schwierigkeiten, aus dem System auszuscheren, verstehbar. Das ganze Ausmaß psychischen, physischen und ökonomischen Machtmissbrauchs, den Männer gegen »ihre« Frauen richten, und das besonders häufig mit tödlichem Ausgang, wenn diese sich zu entziehen suchen, wird erst in den letzten Jahren wahr- und ernster genommen. 360 Femizide in 2023 gingen nicht auf das Konto von durchgedrehten »Ausreisepflichtigen«und sexualisierte Gewalt geht am wenigsten von Transfrauen in Frauensaunen aus. Erschütternd das Fehlen jeglichen Unrechtsbewusstseins ganz einfacher Männer, wie es im Prozess der Gisèle Pelicot deutlich wurde, so wie auch die Selbstverständlichkeit, mit der sexualisierte Gewalt allüberall im Alltag hingenommen und geduldet war und trotz MeToo noch immer ist: auf Bewerbungscouchen oder den After-Show-Parties  egomaner Popstars und heute im Netz, wo die Silicon-Valley-Bros nicht nur Incels und Maskulisten – die erbärmlichste Variante des Frauenhasses – eine wohlwollende Bühne bieten, um Frauen zu erniedrigen. Das führt zu der Frage, welche kognitive Dissonanz, es Männern seit Jahrhunderten erlaubt, Frauen klein zu halten, zu verunsichtbaren, zu demütigen und zugleich versessen darauf zu sein, mit den so Verachteten Tisch und zumindest Bett zu teilen? Einer Antwort darauf bedarf es allerdings nicht, um das böse Spiel zu durchbrechen.

Frauen sind schon seit einer Weile dran. Doch bislang bleiben die Bemühungen um Veränderung einseitig, bleiben bei den Frauen, während die Jungs vor Selbstgerechtigkeit strotzen und Rückenwind von echten und falschen Denunziantinnen bekommen. Solange aber das Gros der Männer seinen Anspruch auf mindestens eine und möglichst willfährige Frau nicht hinterfragt und es nach wie vor nicht für nötig befindet oder nicht dazu genötigt wird, sich mit den eigenen irrigen bis irrsinnigen Vorstellungen von Mannsein auseinanderzusetzen, nutzen auch Gewaltschutzgesetze nur sehr begrenzt, als Notversorgung. Deshalb ist es an den doch nicht mehr so ganz seltenen Gutwilligen, ihren Geschlechtsgenossen Dampf zu machen.

Rechtsnationale Frauen-Power

Statt einer Massenbewegung selbstreflektierender Männer aber wird mit der Zeitenrückwende gerade wieder die echte Männlichkeit hervorgekramt.

Zwar dürfte sowas wie das Trump’sche Schmierentheater mit seinen Tech-Groupies im hochkultur-verwöhnten Europa – noch – die Massen nicht in Jubel versetzen, jedenfalls solange die spaßorientierte Jugend nicht mitwählt. Aber das Patriarchat ist beharrlich, auch in weiblicher Gestalt. Denn während in USA noch der offene Machismo zelebriert wird, steigen in den drei großen EU-Ländern Frauen in den Ring für einen rechtsnational-antifeministischen Kurs. Dabei machen sie nicht den Eindruck, als würden sie von ihren Parteien vorgeschickt, um das weibliche Wählenden-Potenzial besser auszuschöpfen oder das Image der Parteien zu polieren – was sie gleichwohl auf raffinierte Weise tun. Allerdings auf eigenen Impuls, denn die aufstrebenden rechtsextremen Powersisters sind Überzeugungstäterinnen. Aber überzeugt wovon? Angenommen, sie sind schlicht an der Macht interessiert, ist dann die ideologische Basis zweitrangig? Giorgia Melonis Hauptbest reben einer Verfassungsänderung etwa, die durch Direktwahl die Position der Ministerpräsidentin an der parlamentarischen Kontrolle vorbei erheblich stärken würde, würde diese These stützen.

Zu dumm, dass Marine Le Pen sich womöglich die Chancen, die erste Präsidentin Frankreichs zu werden, fast vermasselt hat mit einer drohenden Verurteilung wegen missbräuchlicher Verwendung von Europa-Geldern. Und Frankreich ist nicht USA. Derweil die Zeit ob der Meloni‘schen EU-Politik hofft: Warum sollte das nicht auch mit Le Pen gehen, punktet Alice Weidel angeblich mit ihrer bürgerlichen Anmutung, die zwar dem neuen Unterstützer Elon Musk schon bald zu dröge sein könnte, dafür ebnen ihr die Merz-Strategien womöglich den Weg zur Kanzlerschaft noch vor ‹33.

Pikanterweise sind die drei der lebende Widerspruch zwischen ihren proklamierten Zielen und ihrer Persönlichkeit. Sie sind in ganzer Person etwas anderes, als sie für die Masse der Bürgerinnen bereithalten. Mutter beziehungsweise Co-Mutter ändert das nicht. Wozu aber brauchen sie Männern unterwürfige Frauen? Weil sie die Männer brauchen und die ihre Pfründen erhalten wollen? Nehmen wir mal an, Frauen seien ihnen eigentlich relativ egal. Sie brauchen – anders als ein Trump oder Merz – die ganze Anti-Gender-Chose nur als Teil ihrer Ermächtigung, zu dem das vereindeutigte Geschlechterbild samt der Frau als Mutter en paquet dazugehört, etwa zum Ausländer-raus-Kurs. Wenn Weidel da mal nicht in Verlegenheiten kommt mit ihrer Regenbogenfamilie.

Bei ihrem Alleingang an die Macht – nix mehr Sisterhood is powerful – könnten die Donne früher oder später stolpern, weil sie auf die, seit jeher sorgsam gepflegten patriarchalen Netzwerke verzichten müssen. Es sei denn, sie werden von den Männern ihrer Parteien ohnehin nicht als Frauen gesehen und nur so dort geduldet, wie so manche Karrierefrau, die es ohne sexualisierte Spielchen nach oben schafft. Aber warum suchen sie ihren Erfolg ausgerechnet ganz rechts? Weil die Mitte schon besetzt ist und die Linken mit ihrem proklamierten Egalitarismus, ihrer Hierarchiefreiheit, mit der sie selbst nicht fertigwerden, solchem Ehrgeiz keine Bühne bieten? Darauf hat ja die linke Powerfrau – auch sie eine Verächterin von Gender-Themen – reagiert, der zwar keine rechtsradikalen, gleichwohl aber gewisse autoritäre Tendenzen zu unterstellen, nicht ganz abwegig ist.

Gleich also, ob sie tatsächlich überzeugt sind und sich damit als empathie- und skrupellos erweisen, oder ob sie um des Aufstiegs Willen eine besondere Form der Mittäterschaft entwickeln, es ist ein Supergau des Feminismus. Um das Patriarchat auszuhebeln reicht es nicht, dass die starken Frauen aus dem Schatten großer Männer treten und ihr eigenes Ding machen. Es kommt schon auf das Ding an. Es gibt also noch eine Menge zu tun – für alle Geschlechter.

Eveline Linke ist Diplom-Ingenieurin, Feministin, freie Autorin. Sie lebt in Hamburg und Berlin.

Anmerkungen:

1 Die Executive Order Donald Trumps zum Schutz von Frauen gegen Gender-Ideologie findet sich unter: https://www.whitehouse.gov/presidential-actions/2025/01/defending-women-from-gender-ideology-extremism-and-restoring-biological-truth-to-the-federal-government/

2 Die Mittäter-These wurde von Christina Thürmer-Rohr entwickelt. Der ausgezeichnete Film »The Zone of Interest« zeichnet diese anhand von Hedwig Höß nach.

Bloß Frauensachen?

SPD, Grüne und FDP haben die Chance vertan, Schwangerschaftsabbrüche vernünftig zu regeln

Das vollständige Verbot von Abtreibungen ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Zu diesem Ergebnis kam die von der Ampelkoalition eingesetzte Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und zur Fortpflanzungsmedizin in ihrem Abschlussbericht vom März vergangenen Jahres.

Der resultierende Gesetzentwurf zur Streichung des § 218 kam jedoch nicht ins parlamentarische Verfahren. Weiterhin gilt: Auch der Abbruch bis zur 12. Schwangerschaftswoche ist ein rechtswidriger Akt, müsse aber nicht strafrechtlich verfolgt werden. Lunapark21 berichtete.*

Nach dem Bruch der Ampelkoalition formulierte eine überfraktionelle Gruppe einen weiteren Gesetzentwurf zur Streichung des § 218 aus dem Strafgesetzbuch unter Beibehaltung einer Beratungspflicht.

Am 5. Dezember schließlich, einen Monat nach dem Ampel-Aus, debattierte der Bundestag über eine Neuregelung und schaffte es, den Kommissionsbericht dabei zu ignorieren.

Es wurden die bekannten Argumente vorgetragen. Die CDU beschwor den gesellschaftlichen Frieden und den Schutz des Lebens, die strafrechtliche Bewertung müsse bestehen bleiben. Die FDP wollte jetzt nicht entscheiden, stattdessen schnell Eizellspende und Leihmutterschaft liberalisieren. »Wenn Sie immer noch keine Meinung zu dem Thema haben, dann ist vielleicht Politik nicht das Richtige für Sie«, kommentierte die Abgeordnete der Linkspartei Heidi Reichinnek.

Das Thema wurde in den Rechtsausschuss überwiesen, der die Anhörung auf den 10. Februar terminierte, einen Tag vor der letzten Sitzung des Bundestages in dieser Legislaturperiode. Für die Anhörung im Rechtsausschuss hatten die Fraktionen von SPD und Grünen Expertinnen aus der Kommission berufen. CDU und AfD fuhren bekennende Lebensschützer auf.

Die von der CDU benannten Expert:innen beriefen sich auf die Verfassungsgerichtsurteile von 1975 und 1992. Die Jurist:innen der anderen Seite verneinten eine Bindungspflicht an diese Urteile unter einer neuen Bewertung der Rechte der Schwangeren und zeigten die Widersprüchlichkeit der geltenden Regelungen auf: Wenn das Recht des Ungeborenen immer Vorrang hätte, dürfte es keine Ausnahmen wie die kriminologische oder medizinische Indikation geben. Ferner widerspräche es jeder Systematik, das Strafgesetz zu bemühen um gleichzeitig die Nichtstrafbarkeit zu regeln. Somit diene die geltende Regelung nur der Stigmatisierung aller Beteiligten.

Und wie gewohnt sprachen die Gegner einer Liberalisierung den Schwangeren ab, die Tragweite ihrer Entscheidungen erfassen zu können.

Das Ergebnis: Keine Rückverweisung in den Bundestag, der auf einer außerordentlichen Sitzung noch über den Gesetzentwurf hätte abstimmen können. Ende der Debatte.

80 Prozent der Bevölkerung sprechen sich für eine Liberalisierung des Abtreibungsrechtes aus. Die Streichung des § 218 hätte zumindest die Voraussetzung geschaffen, dass die medizinische Behandlung Teil der von den Kassen zu zahlenden Gesundheitsversorgung würde und Schwangere und Behandelnde nicht eine eigentlich strafbare Handlung begehen.

Die Koalitionsregierung aber hat den Kommissionsbericht nicht genutzt und das Ganze verschleppt bis zum Bruch der Koalition. Es fehlte schlicht der Mut zur Umsetzung. Zumindest die Führungen der Koalitionspartner hatten es sich mit einem zukünftigen potenziellen Koalitionspartner wohl nicht verscherzen wollen.

Aber der § 218 wird weiter in der Diskussion bleiben. Eine Aktivistin sagte: »Wir sind nicht so weit gekommen, als dass wir jetzt aufhören.«

Silke Koppermann war bis vor zwei Jahren praktizierende Frauenärztin und Psychotherapeutin in Hamburg und ist im Arbeitskreis Frauengesundheit aktiv.

* »Und doch: Etwas Neues zum Paragraphen 218« in Lunapark21, Heft 63 vom Winter 2024, Seite 28. https://www.luna
park21.net/und-doch-etwas-neues-zum-218/

Care oder Computer

Wie das Sorge-Paradigma Frauen weiter aus wesentlichen Einflussbereichen heraushält

Es gibt keine Ausrede mehr. Welche sich in den Ländern des globalen Nordens als Frau definiert oder als solche gesehen wird, ist nicht mehr entlastet durch ihre Nähe zur Natur, zur materiellen Basis des Menschseins, die sie »unschuldig« bleiben lässt an den Zerstörungen der Technik, die mitzugestalten Frauen jahrhundertlang vorenthalten wurde.

Vor ziemlich genau 50 Jahren begannen Feministinnen in der Bundesrepublik das kostengünstige patriarchal-kapitalistische Reproduktions-Arrangement aufzukündigen, den umfassenden Gratis-Service – von Kinderproduktion über Koch- und Putzdienste bis zur Psycho-Betreuung und Sexarbeit. Sie wollten »die Welt aus den Angeln heben« und zumindest mal die Männerdomänen erobern, aus denen sie, mit Ausnahmen, sorgsam ferngehalten worden waren. Alsbald aber erwuchs aus der Erkenntnis, dass die Arbeiten am Menschen doch einen ganz besonderen Wert haben, ja dass sie fundamental für alles menschliche Handeln sind, eine feministische Theorierichtung mit einer ziemlich einseitigen Fixierung auf deren gesellschaftliche Anerkennung und Aufwertung.

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Und doch: Etwas Neues zum § 218

Nach den Ergebnissen der Kommission zu Schwangerschaftsabbruch und Leihmutterschaft liegt nun auch ein Gesetzentwurf vor.

»Die Strafbarkeit der Abtreibung ist zumindest in den ersten zwölf Wochen auch verfassungsmäßig nicht haltbar« – so lautet das Votum der von der Ampelkoalition Ende 2022 eingesetzten Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und zur Fortpflanzungsmedizin. Der Kommissionsbericht fiel also ganz zugunsten einer Liberalisierung aus, wie sie die Ampel in ihren Koalitionsvereinbarungen angeregt hatte. Doch Jubel blieb bei SPD, Grünen und FDP aus.

80 Prozent der Bevölkerung befürworten eine Liberalisierung oder Abschaffung des § 218. Doch Marco Buschmann (FDP) und  Karl Lauterbach (SPD), die Minister für Justiz und Gesundheit, gaben sich zurückhaltend. Man werde prüfen und nachdenken. Das hatte die Kommission gemacht, dazu Fachleute aus ärztlicher Praxis und Beratung angehört, NGOs konsultiert und gestritten, und ist am Ende einstimmig zu einem Ergebnis gekommen.

Das Gremium arbeitete in zwei Gruppen. Die erste sollte klären, ob und gegebenenfalls wie eine Regulierung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafgesetzbuchs erfolgen kann. Eine zweite Arbeitsgruppe hatte sich mit der Frage der Liberalisierung von Eizellspende und Leihmutterschaft zu befassen. Mitgearbeitet haben Juristinnen, Sozialwissenschaftlerinnen, Ethikerinnen und Medizinerinnen – 15 Frauen und 3 Männer, der eine Psychologe die beiden anderen Juristen.

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Und doch: Etwas Neues zum Paragraphen 218

[erscheint im Heft 63, vorab online]

Im April hat eine Kommission zu Schwangerschaftsabbruch und Leihmutterschaft ihre Ergebnisse vorgelegt

„Die Strafbarkeit der Abtreibung ist zumindest in den ersten zwölf Wochen auch verfassungsmäßig nicht haltbar“ – so lautet das einstimmige Votum der von der Ampelkoalition Ende 2022 eingesetzten Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und zur Fortpflanzungsmedizin. Der Kommissionsbericht fiel also ganz zugunsten einer Liberalisierung aus, wie sie die Ampel in ihren Koalitionsvereinbarungen angeregt hatte. Doch Jubel blieb bei SPD, Grünen und FDP aus.

80 Prozent der Bevölkerung befürworten eine Liberalisierung oder Abschaffung des § 218. Doch Marco Buschmann (FDP) und Karl Lauterbach (SPD), die Minister für Justiz und Gesundheit, gaben sich zurückhaltend. Man werde lesen, prüfen und nachdenken.

Genau das hat die Kommission ja nun über ein Jahr gemacht, dazu Fachleute aus der ärztlichen Praxis und der Beratung angehört, NGOs konsultiert und um die Sache gestritten, und ist am Ende einstimmig zu dem vorliegenden Ergebnis gekommen.

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Schön gesund – gesund schön

Weltweit boomt der Markt für Schönheits-OPs mit einem Umsatz von mehr als 100 Milliarden Dollar, während das Gesundheitswesen immer stärker verschlankt wird.

Was das eine mit dem anderen zu tun hat, könnte eine zu fragen geneigt sein. Kosmetische Korrekturen sind doch ein reines Privatvergnügen, nicht einmal ein besonderer Ausdruck kapitalistischer Auswüchse – allenfalls in der Mixtur von Machbarkeitsdenken und Selbstoptimierungsdruck.

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Bewusstsein und Verantwortung

Die Frauenfriedensbewegung im Kalten Krieg

In den letzten beiden Jahren treibt mich die Frage um, warum die Menschen aus der Geschichte nicht lernen. Warum haben sie aus den Erfahrungen der beiden großen Weltkriege mit den vielen Verlusten nichts gelernt? Warum herrscht – auch bei weiten Teilen der Feministinnen – die Ansicht vor, man könnte, indem man Bomben auf ein Land wirft, Konflikte lösen?

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Feministische Außenpolitik, ein netter Versuch

Bilanz des ersten Jahres

Eine Feminist Foreign Policy hat sich die deutsche Ampel-Regierung in ihren Koalitionsvertrag geschrieben. Nur eines der Zuckerle an die woke
Mittelstandswähler:innenschaft?

Die Überzeugung der Koalierenden scheint jedenfalls nicht von tiefem Verständnis getragen, was sich auch darin spiegelt, dass die bescheidenen fünf Zeilen, die dazu im Koalitionsvertrag stehen, mit den Schlagworten Recht, Repräsentanz, Ressourcen (3R) plus Diversität, bislang, wie aus der Website des Auswärtigen Amtes zu entnehmen ist, nicht mit Inhalt gefüllt sind. Das wiederum erklärt, warum die neue Regierung die ihr gleich bei Amtsantritt mit der russischen Aggression gegen die Ukraine gebotene Gelegenheit, eine solche Politik wenigstens ansatzweise umzusetzen, so gründlich vertan hat und stattdessen geschlossen auf die überwunden gehoffte archaische Auseinandersetzungsebene einstieg, die Putin vorgab und die nur eine Richtung kennt, die der Eskalation.

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Gleichstellung im Krieg

Stimmen zur Lage der Frauen in der Ukraine

„Zum ersten Mal führen wir den Ukrainischen Frauenkongress unter Kriegsbedingungen durch.“ Mit diesen Worten begrüßte eine der Initiatorinnen am 30. Juni 2022 die Teilnehmerinnen, die in großer Zahl online und die wenigen, die in einem kleinen Saal in Kiew anwesend waren.

Es war der sechste Ukrainische Frauenkongress, der seit 2017 jährlich mit Hunderten von Teilnehmerinnen stattfindet und es ging um die Rolle von Frauen im Krieg und nach „dem Sieg der Ukraine“, wie es in der Ankündigung hieß.*

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Von der (Un)Möglichkeit zu kapitulieren

Der Ukraine-Krieg und die fatale Wiederentdeckung des Heldentums

Putin hat die Ukraine angreifen lassen, und die ist Leidtragende des Überfalls – soweit die unzweifelhaften Fakten. Alles weitere ist Interpretation, und die erfolgt, mit wenigen, schnell beiseite gewischten Gegenstimmen wie dem Emma-Brief, bislang sehr tendenziös.

Das beginnt schon mit den für diesen Krieg gebrauchten emotionalisierenden Adjektiven: „verbrecherisch“ oder „völkerrechtswidrig“, „brutal“, derer es offenbar bedarf, um die öffentliche Stimmung zu vereindeutigen. Doch welcher Krieg wäre kein Verbrechen, welcher völkerrechtskonform? Dieser Krieg war nicht mal überraschend, Putin hat ihn mehr als deutlich angekündigt – was ihn auf gar keinen Fall rechtfertigt – und er ist so brutal wie all die vergangenen und die derzeit auch und schon länger wütenden Kriege dieser Welt, die sämtlich Menschen opfern und Menschen zu Verbrechern machen. Kein Krieg nimmt je Rücksicht auf die Zivilbevölkerung, und auch die Soldaten der angegriffenen Seite vergewaltigen. Oder ist ernsthaft anzunehmen, irgendwelche brutalisierten Frontsoldaten, irgendwelche Warlords oder Muslimbrüder hielten sich an die Genfer Konventionen oder sonstige internationale Vereinbarungen, die festlegen, wer sich legitimerweise gegenseitig umbringen darf? Diese dürftige Legitimierung der eigenen vorgeblich ehrenhaften Kriegführung! Und wer sich an die Anti-ABC-Waffen-Konventionen hält, tut es auch nicht unbedingt aus völkerrechtlichen Erwägungen.

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