Wohnraum umverteilen

Wem nutzt und wem schadet das?

Anstatt weiter Neubauten zu errichten, sei eine Umverteilung im Wohnungsbestand nötig. Dafür plädierte Andrej Holm in der vorletzten Ausgabe von Lunapark21.1 Doch kann das ohne massive Einschnitte in mühsam erkämpfte Errungenschaften insbesondere von und für Frauen gelingen?

Ansätze zur Umverteilung sowie zur besseren Nutzung des bestehenden Wohnraums existieren in der Wohnungspolitik in Deutschland viele, alte wie neue, angedachte und auch zeitweilig oder punktuell realisierte. Sie stoßen allerdings nicht nur an ökonomische und politische Hürden, sondern evozieren auch neue Ungleichheiten, die zu überwinden verschiedenen Emanzipationsbewegungen in den letzten Jahrzehnten erhebliche Anstrengungen abverlangt haben. Ich konzentriere mich in diesem Artikel auf feministische Ansätze und Aktivitäten.

Wer sich mit der Frage einer gerechteren Verteilung des Wohnungsbestands auseinandersetzt, kommt nicht umhin, sich mit dem scheinbar neutralen Begriff »Haushalt« zu beschäftigen, dessen patriarchaler Ursprung – das von vielen Alternativen unterschiedlicher Couleur, auch von manchen Feministinnen idealisierte »ganze Haus«, in dem die Großfamilie einschließlich Gesinde unter der Herrschaft des Patriarchen zusammen wohnte und arbeitete – sich in mancher Hinsicht bis heute in der Wohnungspolitik mit ihrer Orientierung an der (heterosexuellen) Familie erhalten hat. Für ein solches Familienkonzept sind abweichende Lebensformen, vor allem Alleinwohnende und »unvollständige Familie«, wie Alleinerziehende lange Zeit bezeichnet wurden, ein tendenzieller Stör- beziehungsweise Problemfall, der allerdings immer mehr und gerade in den begehrten Städten um sich greift.

Dabei sind drei Gruppen zu unterscheiden: die jungen Erwachsenen, die aus der Herkunftsfamilie in eine eigene Wohnung ziehen, die Männer und Frauen, die aus einer aufgelösten Lebensgemeinschaft heraus zwei Einpersonenhaushalte oder einen Einpersonenhaushalt und eine »unvollständige Familie« bilden, sowie die älteren und alten Menschen, die als »Hinterbliebene« in ihrer einstigen »Familienwohnung« verharren. All das führt zur Verkleinerung der Haushalte und damit zu einem erhöhten Wohnflächenkonsum, der seit langem ein Ärgernis wohnungspolitischer Akteure ist.

Ideen, wie dieser Entwicklung zu begegnen sei, werden seit langem vorgetragen und zum Teil auch umgesetzt. So schlug der damalige Geschäftsführer des Gesamtverbands der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft in den 1990er Jahren vor, eine Pro-Kopf-Wohnfläche, die einen festgelegten Höchstwert überschreitet, mit einer Steuer zu belegen, wobei der angepeilte Höchstwert ein Alleinwohnen ohne Besteuerung praktisch unmöglich gemacht hätte – ein Vorschlag, der bei vielen meiner in WGs oder zu Hause wohnenden Studenten der Raumplanung – aber kaum bei Studentinnen – zustimmend aufgenommen wurde.

Zwar wurde diese Idee nicht realisiert, doch zumindest für Erwachsene im Alter unter 26 Jahren erschwert inzwischen eine Vielzahl gesetzlicher Regelungen (von Bafög bis Wohngeld) einen Auszug aus dem Elternhaus, wenn kein ausreichendes Einkommen erzielt wird oder keine ausreichende elterliche Unterstützung vorliegt.

Rigide Vorschriften bestehen unabhängig von Alter und Haushaltsgröße für Bezieher:innen von Sozialleistungen, bei denen nur Wohnungen »angemessener Größe« förderungswürdig sind. Erst vor kurzem schlug der inzwischen abgewählte Finanzminister Christian Lindner vor, bei Sozialleistungen auch die Heizkosten zu deckeln. Wenn diese zu hoch seien, so sein Argument, könnten die Menschen ja in kleinere Wohnungen ziehen.

Solche Vorschläge sind gerade im Hinblick auf die in der ehemaligen Familienwohnung verbleibenden »Hinterbliebenen« seit Jahrzenten en vogue. »Macht die großen Wohnungen für Familien frei« tönt es aus Wohnungspolitik, Wohnungswirtschaft, und auch von um die Wohnungsversorgung bemühten Wissenschaftlern und NGOs wie etwa der in diesem Thema sehr rührigen Schrader-Stiftung. Das zeitigt durchaus bis in weite Bevölkerungsschichten hinein Wirkung, in denen insbesondere nach Corona Alten-Bashing zunehmend salonfähig geworden ist.

In manchen Fällen mag dabei sogar eine Win-Win-Situation entstehen, etwa wenn Wohnungsgenossenschaften Bewohner:innen für ihre ehemalige Familienwohnung eine modernisierte kleinere Wohnung zu günstigen Mieten in ihrem Bestand in derselben Wohngegend anbieten und auch den Umzug organisieren. Abgesehen von diesen besonderen Fällen zeugt die Forderung nach dem Freimachen ehemaliger Familienwohnungen von völliger Unkenntnis der Realitäten am Wohnungsmarkt. Es wäre in angespannten Wohnungsmärkten ein Glücksfall, wenn ein Umzug in eine kleinere Wohnung zu einer geringeren Mietbelastung führen würde, insbesondere, wenn dafür ein langjähriger Mietvertrag aufgegeben wird. Zum einen haben kleine Wohnungen deutlich höhere Quadratmetermieten, zum anderen lässt der Gesetzgeber selbst in Gebieten mit »Mietpreisbremse« eine zehn Prozent über dem Mietspiegel liegende Miete zu, wobei es kaum eine effektive Überprüfung gibt, ob wenigstens die se Grenze eingehalten wird. Bei langer Mietdauer liegt die Miete dagegen oft deutlich unter der Vergleichsmiete.2

Da passiert es leicht, dass ein Umzug in eine kleinere Wohnung zu einer höheren Mietbelastung führt, eine Mietbelastung, die »Hinterbliebene« oft nicht tragen können, insbesondere, wenn die neue Wohnung frisch modernisiert ist und einen deutlich höheren Standard hat als die ehemalige Familienwohnung. Zu all dem kommt noch eine unter privaten Vermietern verbreitete Abneigung, sich bei Neuvermietung für ältere Menschen zu entscheiden, sie könnten ja zum Härtefall werden.

Umverteilung zum Nachteil selbständig wohnender Frauen?

Die bloße Forderung nach Umverteilung führt leicht zu einem gesellschaftlichen Backlash, der besonders Frauen trifft: Frauen, die allein wohnen wollen, Frauen, die nicht akzeptable, nicht mehr gewünschte Beziehungen verlassen wollen, Frauen, die aus Gewaltbeziehungen fliehen, alte Frauen, die nach einem langen Leben ohne eigenen Raum wenigstens in ihren letzten Jahren erfahren wollen, was es heißt, my home is my castle sagen zu können.

Diese Erfahrung wurde Frauen lange verwehrt. Deshalb ist selbständiges Wohnen von Frauen ein wesentlicher Aspekt der Emanzipation, der hart erkämpft werden musste – ein Kampf, der noch schwieriger und langwieriger war als der zu Beginn des vorigen Jahrhunderts erkämpfte Zugang zu qualifizierter Lohnarbeit und Studium. Alleinstehende Frauen fanden keine Wohnmöglichkeit, zumal ihnen auch die für alleinstehende Männer übliche Untermiete vielfach mietrechtlich verwehrt blieb. In dieser Zeit entstanden erste, bescheidene Wohnprojekte für berufstätige Frauen (Lehrerinnen, Sekretärinnen) sowie Studentinnen.

Im Faschismus hatten solche Projekte keine Chance und auch das Alleinwohnen von Frauen war kein Thema. Das hielt nach dem Zweiten Weltkrieg an, die 1950er und 1960er Jahre waren eine Hochzeit der familienzentrierten Politik vornehmlich im Wohnungssektor. Das änderte sich erst Mitte der 1970er Jahre mit den Emanzipationsbestrebungen der zweiten Frauenbewegung. Heute sind es in erster Linie Frauen, die die Zunahme kleiner, Wohnfläche verschwendender Haushalte auslösen: Junge Frauen verlassen im Durchschnitt früher ihr Elternhaus als junge Männer, und Frauen reichen häufiger die Scheidung ein als ihre Ehemänner. Dass sie dabei häufig auch noch bevorzugt in die Städte ziehen, verstärkt das Wohnungsproblem, ebenso wie die Tatsache, dass es vor allem alte Frauen sind, die als »Hinterbliebene« in der ehemaligen Familienwohnung verharren.

Und die Frauen, die sich von Ihrem Partner trennen, selbst wenn es Kinder gibt? Sie lösen noch andere Wohnbedarfe aus, zumindest, wenn sie ihr Kind oder ihre Kinder nicht allein dem Vater überlassen wollen. Da Väter nach einer Scheidung immer häufiger aus Zuneigung oder aus Rache an der ehemaligen Partnerin ein zumindest gemeinsames Sorgerecht beantragen und die Gerichte dem immer häufiger folgen, wird das sogenannte »Wechselmodell« mehr und mehr zur Regel – eine Entwicklung, die der ehemalige Justizminister Marco Buschmann auch gesetzlich fixieren wollte. Abgesehen von den damit verbundenen psychischen Aspekten hat das nicht unerhebliche Konsequenzen für den Wohnungsbedarf, müssen doch dafür in zwei Haushalten adäquate Unterbringungsmöglichkeiten für die Scheidungskinder vorgehalten werden – auch das nicht gerade ein Beitrag zum Wohnflächensparen.

Kurz: es sind vor allem die Frauen, die mit ihrem »Emanzipationsgedöns« oder, wie es möglicherweise bald heißen wird, ihrer »Emanzipations-ideologie« die Steigerung des Wohnflächenverbrauchs verursachen. Soll/muss/kann das zur Umverteilung im Bestand und damit zur Reduktion des Neubaubedarfs unterbunden oder zumindest zurückgedrängt werden?

Erste, wenn auch noch kleine, Ansätze sind schon gemacht. Die Schwierigkeit für junge Erwachsene unter 26, sich aus dem Elternhaus ohne ausreichende finanzielle Mittel zu lösen, trifft nicht nur, aber doch in höherem Maße junge Frauen, da in vielen ihrer bevorzugten Ausbildungsberufe besonders niedrige Ausbildungsvergütungen bezahlt werden oder statt Vergütungen Schulkosten anfallen. Trotz mancher Veränderungen der rechtlichen Bedingungen ist die Botschaft des Gesetzgebers klar: Junge Menschen, bleibt zu Hause, wenn ihr kein Geld habt, was jungen Frauen trotz ihrer geringeren Einkommen, wie die Abstimmung mit den Füßen zeigt, schwerer fällt als jungen Männern. Blöderweise treffen diese Hürden häufig junge Menschen in ärmeren, oft überbelegten Haushalten, die eigentlich die Nutznießer:innen der geforderten Umverteilung sein sollten.

Reduktion der Wohnfläche überversorgter Haushalte – bisher Fehlanzeige

Doch was ist mit der Reduktion der Wohnfläche der »überversorgten« Haushalte mit höheren Einkommen? Wie kann da die Umverteilung gelingen?

Tatsächlich wurden in der Vergangenheit zumindest in »Gebieten mit erhöhtem Wohnraumbedarf« hierzu einige Grundlagen geschaffen, so der verlängerte Kündigungsschutz bei der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen sowie das in diesen Gebieten mögliche zeitweilige Verbot solcher Umwandlungen. Das schützt nicht nur die Mieter:innen, sondern kann auch dazu beitragen, die weitere Steigerung des Wohnflächenverbrauchs zumindest zu dämpfen. Denn mit einer Umwandlung und dem Einzug der neuen Eigentümer:innen sinkt die Zahl der Bewohner:innen – im Durchschnitt ziehen drei Mieter:innen aus und zwei Eigentümer:innen ein.

In welchem Maße diese Regelungen tatsächlich um- und durchgesetzt werden, ist regional sehr unterschiedlich – denn zuständig sind hier die Länder und die Kommunen, die vielerorts ein ausgesprochen unterentwickeltes Interesse an solchen mieter:innenfreundlichen Maßnahmen haben. Der Einfallsreichtum der professionellen Umwandler tut hier ein Übriges, um die Wirkung solcher Regelungen abzuschwächen.

Eingriffe in das Wohnungseigentum widersprechen den Glaubenssätzen der bundesrepublikanischen Wohnungspolitik der letzten 70 Jahre, die von allen Parteien der Mitte von CDU, über SPD, FDP bis zu den Grünen getragen wurden und werden: Das Wohnen im Eigentum ist besser als Miete und der ökonomische Fortschritt wird das auch im Laufe der Zeit ermöglichen. Alle mietrechtlichen Eingriffe, alle Beschränkungen des Wohnungseigentums, alle staatlichen Fördermaßnahmen für den Bau von Wohnungen für »benachteiligte Schichten« sind als befristete Notmaßnahmen gedacht, die möglichst bald obsolet werden sollten. Das zeigt auch die Entwicklung des Sozialen Mietwohnungsbaus, dessen Beendigung bereits in den ersten Gesetzen der 1950er Jahre vorprogrammiert war, in denen die Möglichkeit einer späteren Umwandlung der Miet- in Eigentumswohnungen festgeschrieben wurde, ein Gedanke der durch die Verlagerung der Fördermittel auf die Förderung von selbstg enutztem, großzügiger bemessenem Wohneigentum fortgeführt wurde.

Einen nicht unbeträchtlichen Beitrag zur Unterstützung des Wohnflächenkonsums mittlerer und höherer Einkommensschichten leistete die steuerliche Förderung der »unechten Zweifamilienhäuser«, also von Einfamilienhäusern mit einer »Einliegerwohnung«, kleine Wohnungen, die für die Dauer der Förderung vermietet werden mussten und heute überwiegend als Hobby- oder Partykeller genutzt werden. Auch das hat zur Erhöhung der durchschnittlichen Wohnfläche geführt, ohne dass dies der auf Mietwohnungen angewiesenen Bevölkerung auf Dauer zugutegekommen wäre.

Es würde eines eigenen Artikels bedürfen, all die wohnungspolitischen Maßnahmen aufzuzählen, die zur Ungleichverteilung des verfügbaren Wohnraums geführt haben. Nicht zu vergessen ist die systematische Zerschlagung der Arbeits-, Lebens-, und Wohnmöglichkeiten in den neuen Bundesländern einschließlich eines staatlich geförderten massiven Rückbaus des als nicht mehr akzeptabel angesehenen Plattenbaus aus DDR-Zeiten.

Eine Abkehr der jetzigen CDU-SPD-Regierung von der eigentums- und familienorientierten Politik ist nicht zu erkennen. Im Gegenteil: Die geplante Erhöhung der Pendlerpauschale senkt zumindest für Besserverdienende die Kosten des Wohnens im großzügigen Einfamilienhaus im Umland, und die Wiedereinführung der steuerlichen Absetzbarkeit des häuslichen Arbeitszimmers unterstützt das Wohnen auf zusätzlicher Fläche. Auch das nützt besonders denjenigen, für die Home-Office überhaupt in Frage kommt und die ein Einkommen erzielen, bei dem steuerliche Abzugsmöglichkeiten zu relevanten Einsparungen führen.

Wo also sind die Verteilungspotentiale im Bestand für eine ressourcenschonende Stadt- und Wohnungspolitik, ohne einen sozial- und geschlechterpolitischen Backlash auszulösen? Ansätze sind kaum zu erkennen, doch ohne solche führt der Versuch, statt Neubau auf eine Umverteilung des Bestands zu setzen, nicht zu der dringend notwendigen Verbesserung der desolaten Wohnungssituation erheblicher Teile der Bevölkerung.

Ruth Becker forscht und publiziert seit vielen Jahren zu Wohnungspolitik und Stadtplanung und war bis 2009 Professorin für »Frauenforschung und Wohnungswesen in der Raumplanung« an der TU Dortmund.

Anmerkungen:

1 https://www.lunapark21.net/ ?s=andrej+holm

2 wobei die Vergleichsmiete keineswegs ein vollständiges Abbild des Mietwohnungmarkts liefert, sondern durch seine Erfassungsmethode selbst zur steten Mietsteigerung beiträgt.

Schützen wir unsere Pazifismus-DNA!

Warum wir uns nicht auf Krieg einrichten sollten

»In unserer DNA lag Pazifismus« sagte Caren Miosga in ihrer Sendung vom 6. April, in der es um die Aufrüstung Europas ging, und fragte gänzlich ohne ironischen Unterton: »Wie können wir diesen Code möglichst schnell überschreiben?«, was sehr deutlich macht, dass ein wie auch immer geartetes Friedensprojekt vorläufig abzuschreiben sei.

Nicht nur in dieser Talkrunde ist die, wie es jetzt heißt, akute Kriegsgefahr offenbar Konsens und so zweifellos wie die einzig mögliche Reaktion. Kein Wunder, scheint doch die EU über dem ganzen Chaos, das der neue Herr in Washington mit seinen disruptiven Aktionen über die Welt und mit der Aufkündigung der transatlantischen Partnerschaft über die EU bringt, nur eine Bedrohung wirklich ernst zu nehmen: den Verlust des Sicherheitsschirms. Die Säuberungen in den US-Institutionen, der kulturelle und wissenschaftliche Showdown des Landes, schon schlimm, aber nicht wirklich unser Problem. Ja, wir können sogar noch ein paar Wissenschaftler billig abgreifen. Nicht einmal unsere umfassende Angewiesenheit auf das Digitalmonopol der Tech-Bros, auf dem wir uns so vertrauensvoll eingerichtet haben, scheint vordringliche Sorgen zu bereiten. Obwohl ein kalter Entzug der ganzen Zauberei erheblich gravierender für die Organisation unser aller Leben, Wirtschaften und Verwa lten wäre als die Vielleicht-Gefahr eines russischen Überfalls auf EU-Länder, glauben die EU-Spitzen sogar noch, mit der Durchsetzung ihrer digitalen Regulierungs-Gesetze und gar der längst fälligen Steuer auf digitale Dienstleistungen einen Trumpf im Handelskrieg zu haben.

Erstaunlich ist die schnelle Bereitschaft zum wirtschaftlichen Entgegenkommen und das Vertrauen, dass hier mit »Wandel durch Handel« noch was geht. Donald Trump die Genugtuung zu lassen, dass seine Strategie aufgeht und alle gekrochen kommen, scheint sehr viel leichter wegzustecken zu sein als die Infragestellung unseres Ukraine-Engagements, das die EU-Wirtschaften doch einigermaßen erschüttert hat.

Ja, die Ent-Täuschung scheint schon schwer erträglich, dass auch diese Partnerschaft sich als Irrtum erweist, an die sich insbesondere Westdeutschland über ein Dreiviertel-Jahrhundert voller Dankbarkeit und mit Bewunderung gebunden und an ihren Werten orientiert hat, wiewohl diese schon früh und zunehmend fragwürdig wurden. Bitter, dass dieser Partner sich nun nicht nur als Sicherheitsgarant ab-, sondern tendenziell sogar dem zuwendet und mit ihm gemeinsame Sache zu machen sich anschickt, der auf sein Betreiben bisher als Feind zu behandeln war.

Ist es der Ehrgeiz einer Ursula von der Leyen, als Einigerin der EU in die Geschichte einzugehen, einer zerrissenen EU, die nach Auffassung manches Experten nur durch Kriegsgefahr zusammenzuschweißen ist, dass sich die EU, über alle Wirtschaftsturbulenzen hinweg, so auf unsere Verteidigung fixiert? Immerhin, in einem sind sich die westlichen EU-Länder über Putin, den »Unberechenbaren«, einig: Er wird weitermachen, so man ihn gewinnen lässt. So klammert sich die »Neue Führung EU« mit trutzigem »jetzt erst recht« an die weitere militärische Unterstützung der Ukraine, beharrt realitätsblind auf der Verhinderung eines »Diktatfriedens«, als würde dieser nicht gerade von den beiden Autokraten in West und Ost verhandelt und selbst in der Ukraine inzwischen die Einsicht wachsen, dass es gelaufen ist, dass sie nicht mehr ohne erhebliche Zugeständnisse aus der Sache rauskommt. Zugeständnisse, die sie freilich längst und unter wenig er Verlusten hätten machen können, anders allerdings, als es Donald Trump mit seiner Auffassung meint, sie hätten doch einen Deal machen können, bei der er die Feinheit ausblendet, dass gerade seine Vorgänger einen solchen unterbunden haben – aber was kümmert ihn sein Geschwätz von gestern oder gar das Tun seiner Vorgänger. Der nun geschlossene Deal mit den USA verlangt noch weit mehr Zugeständnisse, ohne den Krieg zu beenden. Und die EU guckt in die Röhre, sollte etwa auch sie insgeheim auf Rohstoffe spekuliert haben.

Kriegstüchtigkeit und die Bundeswehr als Arbeitgeber

So wie es voraussichtlich ausgeht, wäre die »Kriegstüchtigkeit« der EU also nicht obsolet, da eingetreten wäre, was Putin vermeintlich bestärken wird. Ob diese Vorannahme vielleicht auf einer Fehlinterpretation seiner Absichten beruht oder der Überschätzung seiner Möglichkeiten, erreicht die breite Öffentlichkeit ohnehin nicht. Drei Kriegsjahre, in denen das Urteil schnell gefällt war, taten ihre Wirkung. Ein Urteil, das zwar aus der zweifelsfreien Eindeutigkeit von Angreifer und Opfern erwuchs, das die politisch-mediale Agenda dann aber schnell für eine Mehrheit so vereindeutigte, dass sie für ergänzende Aspekte und einen tieferen Blick in die Geschichte un-, für Angstmache und Vorurteile dafür sehr zugänglich wurde. Ein Phänomen, nicht nur der breiten Bevölkerung, die weder Zeit noch Interesse hat, sich in Hintergründe zu vertiefen.

Da wundert es nicht, dass heute laut Umfragen über 80 Prozent der Deutschen einer Aufrüstung und stärkeren Militarisierung zustimmen sollen und der Klage von der „heruntergewirtschafteten“ Bundeswehr folgen, ohne eine Vorstellung davon, wie viele Milliarden in den letzten Jahren dort versenkt worden sind – Deutschland ist mit dem Sondervermögen auf Platz 4 der weltweit größten Rüstungskäufer gestiegen, von vorher immerhin auch schon Platz 7. Umfragen zur Bevölkerungsmeinung sind allerdings mit Vorsicht zu genießen und differenziert zu betrachten. Ob es vor allem die Älteren sind, die dafür plädieren, oder die Jüngeren, macht nämlich einen Unterschied.

So auch bei der Diskussion um die Wehrpflicht. All die mittelalten Herren, die aus verschiedensten Gründen nicht gezogen wurden oder verweigert haben und sich nun jedenfalls anders entscheiden würden, beiseitegelassen, ist von besonderem Interesse, wie junge Menschen dazu stehen. Ob bessere, wie es jetzt heißt »attraktivere« Bedingungen der »Bundeswehr als Arbeitgeber«, für die sie bereits fleißig wirbt – auch in Schulklassen, wo sie vielleicht demnächst in Bayern nach lettischem Vorbild die Kinder mit der Waffe vertraut macht – dahin führen werden, die Notwendigkeit der Wehrpflicht zu umgehen? Wenn sich selbst in linksalternativen Veranstaltungen wie dem Hamburger Demokratie-Festival und dem Taz-Lab junge Männer zur Landes-Verteidigung bekennen und in Anbetracht der besagten akuten Gefahr sowas wie eine »Brandrede à la Churchill« für erforderlich halten, und wenn junge Frauen für einen Pflichtdienst für alle plädieren, d en sie sich vor kurzem noch als Zwangsarbeit verbeten hätten, klingt das ganz erfolgsträchtig. Mit Pflicht tun sich aber doch etliche schwer.

Wehrpflicht – auch für Frauen?

Wiedereinführung der Wehrpflicht – und wenn, dann auch für Frauen samt nötiger Verfassungsänderung? Im Namen der Geschlechtergerechtigkeit finden auffällig viele es richtig, dass sie auch für Frauen gelten müsse. Die von manchen Feministinnen vertretene Argumentation, Frauen von der Wehrpflicht freizustellen, da sie bereits durch die gesamte Care-Arbeit genügend gesellschaftliche Leistung erbringen, instrumentalisiert und zementiert dagegen eine längst abzuschaffende Ungerechtigkeit. Dass mit der Wehrpflicht für alle die Verfügung über Frauenkörper komplett wäre, neben der Kontrolle ihrer Reproduktion auch ihr Verschleiß als Kampfkräfte, kommt nicht zur Sprache.

Überhaupt läuft die Debatte schräg, ignoriert, dass es für Frauen vor gleicher Pflicht erst um das gleiche Recht und die Befähigung geht, sich zu verteidigen, im Krieg wie leider auch im Frieden, mit allen Möglichkeiten und im Kriegsfall konsequenterweise auch mit Waffen. Das ist gerecht. In Kriegen reduziert es zudem ein wesentliches Faustpfand der Kriegsführung, die Demütigung des Feindes durch »Schändung«, sprich Vergewaltigung »seiner« Frauen.

Zu bezweifeln ist allerdings das Plädoyer mancher Feministin, dass eine 50/50-Bundeswehr auf allen Ebenen eine bessere, eine friedensgesinntere wäre. Zwar vergewaltigen Soldatinnen weniger, jedenfalls im herkömmlichen Sinn. Doch wie die Geschichte zeigt, neigen Frauen (und vermutlich auch Queers) in gegebenen Situationen keineswegs weniger zu Grausamkeit und Brutalität – siehe etwa den Abu-Ghraib-Folterskandal im Irak –, nicht zuletzt, weil der Krieg das aus Menschen macht. Der Geist des Militärs, der auf Disziplinierung, Gehorsam und dem fraglosen Folgen von Befehlen beruht, er bleibt, auch mit Frauen in der Armee. Da werden sie keine Debattenkultur installieren können.

Gleich aber, ob freiwillig oder verpflichtend: Im Fall eines Krieges obliegt die Entscheidung ausschließlich den Regierenden, die, demokratisch gewählt oder autoritär, sich nicht zurückhalten werden, über die Leben der »Untertanen« zu verfügen. Dass sie dann auch keine Verweigerung mehr achten, lässt sich an vielen Beispielen, auch der Ukraine, ablesen. Und, nicht zu vergessen, sind Kriege mit aller schönen Computerisierung und Drohneneinsatz, die die eigenen Leute schonen, noch immer martialische Aktionen, bei denen es um lebendige Körper, Gemetzel, Traumata und materielle Zerstörung geht.

Verteidigung versus Friedensmission?

Noch aber haben wir keinen Krieg in EU-Europa und so soll es doch auch bleiben, nicht wahr? Nicht nur dazu wäre wünschenswert, die 27 Mitgliedstaaten einander näher zu bringen. Ob allerdings das 800 Milliarden Aufrüstungsbudget dafür das geeignete Mittel ist, lässt sich durchaus bezweifeln angesichts der bisherigen Ansätze der westeuropäischen Länder seit den 1950er Jahren, Institutionen für eine gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungsstrategie zu entwickeln, die im Grunde keine Chance haben, solange die Interessen der heute 27Plus so weit auseinandergehen, wirtschaftlich, kulturell, und jetzt zusätzlich in der Positionierung zum Ukraine-Krieg.

Schlimmer: die »europäische Eigenständigkeit« als Alternative zur Nato, wie sie der EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas oder Ursula von der Leyen vorschwebt, schreibt vorläufig jegliche Vision von einer friedlicheren Koexistenz ab. Die faktische Abkehr der EU von den internationalen Bemühungen um Abrüstung samt Waffenkontrolle bietet all den Ländern eine Rechtfertigung, die sich der Ratifizierung solcher Abkommen und völkerrechtlichen Vereinbarungen bisher verweigern (z.B. Atom- und Chemiewaffenverbot), oder für solche, die, wie beim Abkommen zum Schutz von Zivilbevölkerung vor Sprengwaffen, die Zahl der »erlaubten« Kollateralgeschädigten so großzügig interpretieren wie die Israelis im Gaza-Krieg. Wenn nun gar einzelne EU-Länder sich aus bereits Erreichtem wieder ausklinken – wie Finnland und die baltischen Staaten aus der Ottawa-Konvention zum Verbot von Antipersonenminen –, fragt sich, wo die hohe Moral bleibt, von der die Uk raine-Unterstützung bisher vermeintlich getragen wird. Die deutsche feministische Ex-Außenministerin hatte hierzu offenbar keine Meinung mehr. Oder eine so flexible, wie einst beim Verbot von Waffenverkäufen in Kriegsgebiete.

Und schließlich vergibt die EU-Kommission die entscheidende Chance, die sich mit der Aufkündigung der transatlantischen Sicherheits-Partnerschaft bietet. Befreit vom Druck des pathologischen oder doch eher geostrategischen US-Antikommunismus stünde es gerade einer deutschen Kommissions-Präsidentin gut an, die hiesigen, zumindest bei Westsozialisierten nicht vollständig aufgearbeiteten und durch den Ukraine-Krieg erneut getriggerten Vorbehalte und Misstrauen gegenüber Russland zu hinterfragen und an frühere Ansätze zu einer Annäherung anzuknüpfen. Selbst wer die Überzeugung hegt, »die Russen«, von Putins Politik eingeschüchtert und manipuliert, müssten (wie Nazi-Deutschland) erst total ausgebrannt werden, wird nicht umhinkommen über ein Nachher zu reden, über eine mittelfristige Beziehung der EU zu oder mit Russland-post-Putin, denn Russland wird bleiben. Auch die Nachkriegsdeutschen bekamen ihre Chancen, obwohl sich allzu viele allzu  lange der Einsicht in ihre von der Mehrheit geduldeten oder ignorierten Verbrechen verweigerten. So schmerzhaft es sein mag, die Rache- und Vergeltungsmoral loszulassen, und womöglich auch erstmal mit Putin zu verhandeln, wäre das ein Schritt auf einem nachhaltigeren Weg der Sicherheits-Vorsorge. Der auch für manche der anderen 55 weltweit tobenden bewaffneten Konflikte unumgänglich sein könnte.

Er würde den Bevölkerungen einiges abverlangen. Einer Umcodierung bedürfte es aber nicht, sondern der Mobilisierung und Pflege schon mal erreichten humanistischen Denkens. Dazu gehörte statt des angedachten Wehrunterrichts die Sensibilisierung für aufkommende Autoritarismen und das Einüben ziviler Verteidigungsmechanismen. Dann würden für die Sicherheit auch erstmal die, ja nicht unbeträchtlichen, Waffenarsenale der EU reichen*, die, zur Erinnerung, Klima und Umwelt schon genügend zusetzen, selbst in Friedenszeiten exorbitant zur Zerstörung beitragen, und mit der Aufstockung den European Green Deal endgültig ad acta legen würden.

Erstaunlich gering gewichtet, zumindest in der öffentlichen Kommunikation, scheint mit dem Rückfall in archaische Reflexe zudem, dass Kriege der Zukunft immer stärker unter Einsatz von Informationstechnologien geführt werden dürften, die Denken und Verhalten der Menschen direkt beeinflussen oder an der lebenswichtigen Infrastruktur ansetzen. Ganz zu schweigen davon, dass die Experten aus dem Silicon Valley mit ihrer Weltverbesserungs-Hybris ersteres längst an den legitimen Regierungen vorbei praktizieren und neuerdings visionieren, als optimierte Übermenschen die weltlichen Herrenmenschen abzulösen. Wobei sie sich nicht mal der Kritik eines autoritären Überwachungsstaats à la China aussetzen, weil ihnen alle freiwillig folgen – noch.

Da bleibt wohl nur, auf die Vernunft der wachen, diversen Jungen zu hoffen, die zu politischer Verantwortung drängen, auf die geschmähte Gen Z, die verweichlichten Kinder der Friedensbewegung und Enkel der 68er: dass diese jungen Leute, die schon die Pflicht zur Arbeit tendenziell als Zumutung betrachten, aber auch wissen, dass ihre sichere Zukunft von einer intakten Umwelt abhängt und nicht von der »größten konventionellen Armee«, dass sie, die Krieg nur aus Netflix und Blockbustern kennen, sich nicht durch die smarte neue Bundeswehr mit ihren cleanen Computerlaboren verführen lassen, oder den ganzen militärischen Firlefanz mit seinen Ritualen und Flecktarn-Kostümierungen mit Cosplays oder Egoshooter-Spielen verwechseln und für einen weiteren großen Spaß halten. Dass sie sich aber spätestens davonmachen, wenn es schmutzig wird – oder wenn mal wieder eine Drohne ein Kind abgeknallt hat, weil der Diensthabende am Knopf einen Wasserkanister  für eine Bombe hielt. Dann hätten die feministischen Mütter doch einen Sieg davongetragen.

Eveline Linke ist Diplom-Ingenieurin, Feministin, freie Autorin. Sie lebt in Hamburg und Berlin.

* Im Ernstfall könnte immer noch auf die britische Kriegswirtschaft zurückgegriffen werden oder besser noch auf die der USA, die den 2. Weltkrieg mit einem Spitzensteuersatz bis zu 94 % finanzierten.

Die Macht der Frauen

Von der Mittäterschaft zur Tat?

Unter den Verordnungen, die Donald Trump am ersten Tag seiner erneuten Präsidentschaft erließ, ist auch ein Dekret zur Erneuerung der Geschlechterdualität, wonach es »nur noch Männer und Frauen geben« werde.

Ist das nur die unbeholfene Replik auf die zunehmende Weigerung der Frauen, ihren Platz in der Geschlechterhierarchie einzunehmen, und die »gesichtslose« First Lady bei der Inauguration ein Vorgeschmack darauf, welchen er für Frauen vorgesehen hat? Es ist wohl komplizierter.

Im Getöse um die drohenden wirtschafts- und verteidigungspolitischen Konsequenzen und des Migrationsdesasters, die die Experten verzweifelt herunterzudimmen bemüht sind, mag das Dekret »Zur Verteidigung der Frauen vor dem geschlechterideologischen Extremismus …«1 als Petitesse erscheinen, nur eine kurze Erwähnung wert. Dabei hat der Präsident es offenbar sehr wichtig damit, gleich am ersten Tag der objektiv doch recht kleinen LGBTIQ+-Community den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Womit er auch einigen unserer rechtskonservativen und ultrarechten Möchtegern-Machthaber:innen aus der Seele sprechen dürfte.

Doch welche Relevanz hat diese Rekonstruktion des Eindeutigen für ihre Kernanliegen? Es geht vermutlich weniger um eine gar nicht mehr erreichbare »Bereinigung« der Bevölkerung. Wer sich als Führer:in aus dem gesellschaftlichen Chaos inszeniert, muss Komplexität reduzieren und »Woke« lassen sich nicht mit einfachen Wahrheiten abspeisen, wer für Diversität steht, stützt keine Antimigrationspolitik. Also weg mit Gender-Gaga, weg mit allem Uneindeutigen – mit Konsequenzen auch für cis- und Heterofrauen. Dann sind, so das recht schlichte Kalkül, auch die Positionen und Aufgaben wieder klar und die Hierarchien wieder hergestellt, Männer die Macher und Frauen schutzbedürftig, was das Dekret nahelegt, das geschickt mit dem Schutz der Frauen argumentiert und sich nicht scheut, dazu die unselige feministische Diskussion auszuschlachten. Mit der Austreibung des Genderpopanz nicht nur die Geschlechter- sondern die Ordnung insgesamt »wieder«  herstellen – mit dem »Genderismus« auch den »Multikulturalismus« und womöglich auch noch Klimawahn und Gleichmacherei austreiben? Eine Menge Leute scheint das zu beruhigen.

Dabei hätten die reaktionären Kräfte gar nicht so viel zu fürchten, zeigt doch unsere sogenannte Zeitenwende, wie labil die kleinen Erfolge im Bemühen um einen anderen Politikstil waren, wie schnell die in 50 Jahren Frauen-, Alternativ- und Friedensbewegungen erreichten Anfänge anderer Formen der Konfliktlösung, des Umgangs mit dem anderen und auch mit politischen Gegnern, zum Irrtum der Geschichte werden konnten. Dass die alte Verteidigungs- und Unterwerfungslogik, ohne Gedanken für andere Optionen zuzulassen, in kürzester Zeit das Einverständnis einer Mehrheit der Bevölkerung fand, auch Grüner und Linker, und dass auch reflektierte Frauen auf die Panikmache der nächstens bei uns marodierenden Russen einstiegen und sich womöglich demnächst vor Flüchtlingen nicht mehr sicher fühlen – während sie heute gegen den Rechtsruck demonstrieren –, deutet darauf, wie tief die patriarchalen Strukturen sitzen, die einer feministischen W ende im Weg stehen.

So viel schien erreicht und doch sind wir nicht weiter? Abgründig genug, wenn sich amerikanische Männer an der Omnipotenz-Protzerei des Kandidaten aufgeilten und sich mit seiner sexistischen Unverschämtheit identifizierten. Aber Frauen, womit haben sie sich da identifiziert?

Wie konnten sie nur Trump wählen?

Überhaupt, so ein gern vorgebrachtes Ablenkungsmanöver, wenn es um verfehlte oder Frauen schädigende Politik geht, Frauen selbst dulden doch, unterstützen oder vertreten sogar in eigener Person häufig ihren Interessen zuwiderlaufende Handlungen! Noch immer auch im globalen Norden, wo ihnen inzwischen ganz andere Möglichkeiten offenstehen. Die gibt’s, das ist nicht von der Hand zu weisen. Beste Beispiele die in der Ampel ungewöhnlich große Zahl an Ministerinnen und führenden Abgeordneten, unter denen manche sich berufen fühlt, nicht nur ihren Mann, sondern ihren Macho zu stehen, von der Grenzschützerin bis zur Waffenexpertin.

Die Frage, warum das so ist, wird selten und wenn, dann eher rhetorisch gestellt. Warum votieren manche gegen die Beseitigung des §218, küren einen Kriegstreiber zum beliebtesten Politiker oder rufen selbst nach Waffen, positionieren sich gegen Quoten, wählen einen ausgewiesen frauenverachtenden Sexisten zum Präsidenten oder influencen als »Trad-Wife« für ein Dasein als traditionelle Hausfrau? Um nur einige Beispiele aus den sogenannt zivilisierten Regionen zu nennen. Internalisierter Masochismus oder selbstverletzender Antifeminismus? Läuft es ihren Interessen am Ende gar nicht zuwider – wie die Rechten und die Religiösen behaupten, zumal in den USA, dem gelobten Land der Sekten und christlichen Fundamentalisten? Stockholmsyndrom, die »positive« Beziehung, die das Opfer zum Täter aufbaue, dem es nicht entkommen kann, läge nahe angesichts der gewaltvollen Geschichte der Geschlechter-Beziehungen.

Diese »freiwillige« Selbstunterwerfung, wurde in der westdeutschen Frauenbewegung anhand der Mittäter-These2 bereits in den 1980ern diskutiert. Die »Bereitschaft zur Duldung, Unterstützung oder Nichtzuständigkeit«, über die Frauen den Triumpf des Patriarchats permanent mit reproduzieren und direkt oder indirekt daran partizipieren. Die Fähigkeit zu extremer Selbst- und Realitätsverleugnung, im Extrem die der nationalsozialistischen Mütter, die ihre heile Familie von der Massenvernichtungsrealität abzuspalten vermochten. Eine Analyse – keine Entschuldigung, für keine Seite –, die die zur Betroffenheit neigenden Diskutantinnen buchstäblich allein ließ und in ihrer Erbarmungslosigkeit keinen Ausweg anbot.

Welche Machtstrukturen hinter diesem Phänomen stehen, machen unter anderem die Frauenhaus- und Anti-Gewalt-Initiativen sicht- und die Schwierigkeiten, aus dem System auszuscheren, verstehbar. Das ganze Ausmaß psychischen, physischen und ökonomischen Machtmissbrauchs, den Männer gegen »ihre« Frauen richten, und das besonders häufig mit tödlichem Ausgang, wenn diese sich zu entziehen suchen, wird erst in den letzten Jahren wahr- und ernster genommen. 360 Femizide in 2023 gingen nicht auf das Konto von durchgedrehten »Ausreisepflichtigen«und sexualisierte Gewalt geht am wenigsten von Transfrauen in Frauensaunen aus. Erschütternd das Fehlen jeglichen Unrechtsbewusstseins ganz einfacher Männer, wie es im Prozess der Gisèle Pelicot deutlich wurde, so wie auch die Selbstverständlichkeit, mit der sexualisierte Gewalt allüberall im Alltag hingenommen und geduldet war und trotz MeToo noch immer ist: auf Bewerbungscouchen oder den After-Show-Parties  egomaner Popstars und heute im Netz, wo die Silicon-Valley-Bros nicht nur Incels und Maskulisten – die erbärmlichste Variante des Frauenhasses – eine wohlwollende Bühne bieten, um Frauen zu erniedrigen. Das führt zu der Frage, welche kognitive Dissonanz, es Männern seit Jahrhunderten erlaubt, Frauen klein zu halten, zu verunsichtbaren, zu demütigen und zugleich versessen darauf zu sein, mit den so Verachteten Tisch und zumindest Bett zu teilen? Einer Antwort darauf bedarf es allerdings nicht, um das böse Spiel zu durchbrechen.

Frauen sind schon seit einer Weile dran. Doch bislang bleiben die Bemühungen um Veränderung einseitig, bleiben bei den Frauen, während die Jungs vor Selbstgerechtigkeit strotzen und Rückenwind von echten und falschen Denunziantinnen bekommen. Solange aber das Gros der Männer seinen Anspruch auf mindestens eine und möglichst willfährige Frau nicht hinterfragt und es nach wie vor nicht für nötig befindet oder nicht dazu genötigt wird, sich mit den eigenen irrigen bis irrsinnigen Vorstellungen von Mannsein auseinanderzusetzen, nutzen auch Gewaltschutzgesetze nur sehr begrenzt, als Notversorgung. Deshalb ist es an den doch nicht mehr so ganz seltenen Gutwilligen, ihren Geschlechtsgenossen Dampf zu machen.

Rechtsnationale Frauen-Power

Statt einer Massenbewegung selbstreflektierender Männer aber wird mit der Zeitenrückwende gerade wieder die echte Männlichkeit hervorgekramt.

Zwar dürfte sowas wie das Trump’sche Schmierentheater mit seinen Tech-Groupies im hochkultur-verwöhnten Europa – noch – die Massen nicht in Jubel versetzen, jedenfalls solange die spaßorientierte Jugend nicht mitwählt. Aber das Patriarchat ist beharrlich, auch in weiblicher Gestalt. Denn während in USA noch der offene Machismo zelebriert wird, steigen in den drei großen EU-Ländern Frauen in den Ring für einen rechtsnational-antifeministischen Kurs. Dabei machen sie nicht den Eindruck, als würden sie von ihren Parteien vorgeschickt, um das weibliche Wählenden-Potenzial besser auszuschöpfen oder das Image der Parteien zu polieren – was sie gleichwohl auf raffinierte Weise tun. Allerdings auf eigenen Impuls, denn die aufstrebenden rechtsextremen Powersisters sind Überzeugungstäterinnen. Aber überzeugt wovon? Angenommen, sie sind schlicht an der Macht interessiert, ist dann die ideologische Basis zweitrangig? Giorgia Melonis Hauptbest reben einer Verfassungsänderung etwa, die durch Direktwahl die Position der Ministerpräsidentin an der parlamentarischen Kontrolle vorbei erheblich stärken würde, würde diese These stützen.

Zu dumm, dass Marine Le Pen sich womöglich die Chancen, die erste Präsidentin Frankreichs zu werden, fast vermasselt hat mit einer drohenden Verurteilung wegen missbräuchlicher Verwendung von Europa-Geldern. Und Frankreich ist nicht USA. Derweil die Zeit ob der Meloni‘schen EU-Politik hofft: Warum sollte das nicht auch mit Le Pen gehen, punktet Alice Weidel angeblich mit ihrer bürgerlichen Anmutung, die zwar dem neuen Unterstützer Elon Musk schon bald zu dröge sein könnte, dafür ebnen ihr die Merz-Strategien womöglich den Weg zur Kanzlerschaft noch vor ‹33.

Pikanterweise sind die drei der lebende Widerspruch zwischen ihren proklamierten Zielen und ihrer Persönlichkeit. Sie sind in ganzer Person etwas anderes, als sie für die Masse der Bürgerinnen bereithalten. Mutter beziehungsweise Co-Mutter ändert das nicht. Wozu aber brauchen sie Männern unterwürfige Frauen? Weil sie die Männer brauchen und die ihre Pfründen erhalten wollen? Nehmen wir mal an, Frauen seien ihnen eigentlich relativ egal. Sie brauchen – anders als ein Trump oder Merz – die ganze Anti-Gender-Chose nur als Teil ihrer Ermächtigung, zu dem das vereindeutigte Geschlechterbild samt der Frau als Mutter en paquet dazugehört, etwa zum Ausländer-raus-Kurs. Wenn Weidel da mal nicht in Verlegenheiten kommt mit ihrer Regenbogenfamilie.

Bei ihrem Alleingang an die Macht – nix mehr Sisterhood is powerful – könnten die Donne früher oder später stolpern, weil sie auf die, seit jeher sorgsam gepflegten patriarchalen Netzwerke verzichten müssen. Es sei denn, sie werden von den Männern ihrer Parteien ohnehin nicht als Frauen gesehen und nur so dort geduldet, wie so manche Karrierefrau, die es ohne sexualisierte Spielchen nach oben schafft. Aber warum suchen sie ihren Erfolg ausgerechnet ganz rechts? Weil die Mitte schon besetzt ist und die Linken mit ihrem proklamierten Egalitarismus, ihrer Hierarchiefreiheit, mit der sie selbst nicht fertigwerden, solchem Ehrgeiz keine Bühne bieten? Darauf hat ja die linke Powerfrau – auch sie eine Verächterin von Gender-Themen – reagiert, der zwar keine rechtsradikalen, gleichwohl aber gewisse autoritäre Tendenzen zu unterstellen, nicht ganz abwegig ist.

Gleich also, ob sie tatsächlich überzeugt sind und sich damit als empathie- und skrupellos erweisen, oder ob sie um des Aufstiegs Willen eine besondere Form der Mittäterschaft entwickeln, es ist ein Supergau des Feminismus. Um das Patriarchat auszuhebeln reicht es nicht, dass die starken Frauen aus dem Schatten großer Männer treten und ihr eigenes Ding machen. Es kommt schon auf das Ding an. Es gibt also noch eine Menge zu tun – für alle Geschlechter.

Eveline Linke ist Diplom-Ingenieurin, Feministin, freie Autorin. Sie lebt in Hamburg und Berlin.

Anmerkungen:

1 Die Executive Order Donald Trumps zum Schutz von Frauen gegen Gender-Ideologie findet sich unter: https://www.whitehouse.gov/presidential-actions/2025/01/defending-women-from-gender-ideology-extremism-and-restoring-biological-truth-to-the-federal-government/

2 Die Mittäter-These wurde von Christina Thürmer-Rohr entwickelt. Der ausgezeichnete Film »The Zone of Interest« zeichnet diese anhand von Hedwig Höß nach.

Bloß Frauensachen?

SPD, Grüne und FDP haben die Chance vertan, Schwangerschaftsabbrüche vernünftig zu regeln

Das vollständige Verbot von Abtreibungen ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Zu diesem Ergebnis kam die von der Ampelkoalition eingesetzte Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und zur Fortpflanzungsmedizin in ihrem Abschlussbericht vom März vergangenen Jahres.

Der resultierende Gesetzentwurf zur Streichung des § 218 kam jedoch nicht ins parlamentarische Verfahren. Weiterhin gilt: Auch der Abbruch bis zur 12. Schwangerschaftswoche ist ein rechtswidriger Akt, müsse aber nicht strafrechtlich verfolgt werden. Lunapark21 berichtete.*

Nach dem Bruch der Ampelkoalition formulierte eine überfraktionelle Gruppe einen weiteren Gesetzentwurf zur Streichung des § 218 aus dem Strafgesetzbuch unter Beibehaltung einer Beratungspflicht.

Am 5. Dezember schließlich, einen Monat nach dem Ampel-Aus, debattierte der Bundestag über eine Neuregelung und schaffte es, den Kommissionsbericht dabei zu ignorieren.

Es wurden die bekannten Argumente vorgetragen. Die CDU beschwor den gesellschaftlichen Frieden und den Schutz des Lebens, die strafrechtliche Bewertung müsse bestehen bleiben. Die FDP wollte jetzt nicht entscheiden, stattdessen schnell Eizellspende und Leihmutterschaft liberalisieren. »Wenn Sie immer noch keine Meinung zu dem Thema haben, dann ist vielleicht Politik nicht das Richtige für Sie«, kommentierte die Abgeordnete der Linkspartei Heidi Reichinnek.

Das Thema wurde in den Rechtsausschuss überwiesen, der die Anhörung auf den 10. Februar terminierte, einen Tag vor der letzten Sitzung des Bundestages in dieser Legislaturperiode. Für die Anhörung im Rechtsausschuss hatten die Fraktionen von SPD und Grünen Expertinnen aus der Kommission berufen. CDU und AfD fuhren bekennende Lebensschützer auf.

Die von der CDU benannten Expert:innen beriefen sich auf die Verfassungsgerichtsurteile von 1975 und 1992. Die Jurist:innen der anderen Seite verneinten eine Bindungspflicht an diese Urteile unter einer neuen Bewertung der Rechte der Schwangeren und zeigten die Widersprüchlichkeit der geltenden Regelungen auf: Wenn das Recht des Ungeborenen immer Vorrang hätte, dürfte es keine Ausnahmen wie die kriminologische oder medizinische Indikation geben. Ferner widerspräche es jeder Systematik, das Strafgesetz zu bemühen um gleichzeitig die Nichtstrafbarkeit zu regeln. Somit diene die geltende Regelung nur der Stigmatisierung aller Beteiligten.

Und wie gewohnt sprachen die Gegner einer Liberalisierung den Schwangeren ab, die Tragweite ihrer Entscheidungen erfassen zu können.

Das Ergebnis: Keine Rückverweisung in den Bundestag, der auf einer außerordentlichen Sitzung noch über den Gesetzentwurf hätte abstimmen können. Ende der Debatte.

80 Prozent der Bevölkerung sprechen sich für eine Liberalisierung des Abtreibungsrechtes aus. Die Streichung des § 218 hätte zumindest die Voraussetzung geschaffen, dass die medizinische Behandlung Teil der von den Kassen zu zahlenden Gesundheitsversorgung würde und Schwangere und Behandelnde nicht eine eigentlich strafbare Handlung begehen.

Die Koalitionsregierung aber hat den Kommissionsbericht nicht genutzt und das Ganze verschleppt bis zum Bruch der Koalition. Es fehlte schlicht der Mut zur Umsetzung. Zumindest die Führungen der Koalitionspartner hatten es sich mit einem zukünftigen potenziellen Koalitionspartner wohl nicht verscherzen wollen.

Aber der § 218 wird weiter in der Diskussion bleiben. Eine Aktivistin sagte: »Wir sind nicht so weit gekommen, als dass wir jetzt aufhören.«

Silke Koppermann war bis vor zwei Jahren praktizierende Frauenärztin und Psychotherapeutin in Hamburg und ist im Arbeitskreis Frauengesundheit aktiv.

* »Und doch: Etwas Neues zum Paragraphen 218« in Lunapark21, Heft 63 vom Winter 2024, Seite 28. https://www.luna
park21.net/und-doch-etwas-neues-zum-218/

Care oder Computer

Wie das Sorge-Paradigma Frauen weiter aus wesentlichen Einflussbereichen heraushält

Es gibt keine Ausrede mehr. Welche sich in den Ländern des globalen Nordens als Frau definiert oder als solche gesehen wird, ist nicht mehr entlastet durch ihre Nähe zur Natur, zur materiellen Basis des Menschseins, die sie »unschuldig« bleiben lässt an den Zerstörungen der Technik, die mitzugestalten Frauen jahrhundertlang vorenthalten wurde.

Vor ziemlich genau 50 Jahren begannen Feministinnen in der Bundesrepublik das kostengünstige patriarchal-kapitalistische Reproduktions-Arrangement aufzukündigen, den umfassenden Gratis-Service – von Kinderproduktion über Koch- und Putzdienste bis zur Psycho-Betreuung und Sexarbeit. Sie wollten »die Welt aus den Angeln heben« und zumindest mal die Männerdomänen erobern, aus denen sie, mit Ausnahmen, sorgsam ferngehalten worden waren. Alsbald aber erwuchs aus der Erkenntnis, dass die Arbeiten am Menschen doch einen ganz besonderen Wert haben, ja dass sie fundamental für alles menschliche Handeln sind, eine feministische Theorierichtung mit einer ziemlich einseitigen Fixierung auf deren gesellschaftliche Anerkennung und Aufwertung.

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Und doch: Etwas Neues zum § 218

Nach den Ergebnissen der Kommission zu Schwangerschaftsabbruch und Leihmutterschaft liegt nun auch ein Gesetzentwurf vor.

»Die Strafbarkeit der Abtreibung ist zumindest in den ersten zwölf Wochen auch verfassungsmäßig nicht haltbar« – so lautet das Votum der von der Ampelkoalition Ende 2022 eingesetzten Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und zur Fortpflanzungsmedizin. Der Kommissionsbericht fiel also ganz zugunsten einer Liberalisierung aus, wie sie die Ampel in ihren Koalitionsvereinbarungen angeregt hatte. Doch Jubel blieb bei SPD, Grünen und FDP aus.

80 Prozent der Bevölkerung befürworten eine Liberalisierung oder Abschaffung des § 218. Doch Marco Buschmann (FDP) und  Karl Lauterbach (SPD), die Minister für Justiz und Gesundheit, gaben sich zurückhaltend. Man werde prüfen und nachdenken. Das hatte die Kommission gemacht, dazu Fachleute aus ärztlicher Praxis und Beratung angehört, NGOs konsultiert und gestritten, und ist am Ende einstimmig zu einem Ergebnis gekommen.

Das Gremium arbeitete in zwei Gruppen. Die erste sollte klären, ob und gegebenenfalls wie eine Regulierung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafgesetzbuchs erfolgen kann. Eine zweite Arbeitsgruppe hatte sich mit der Frage der Liberalisierung von Eizellspende und Leihmutterschaft zu befassen. Mitgearbeitet haben Juristinnen, Sozialwissenschaftlerinnen, Ethikerinnen und Medizinerinnen – 15 Frauen und 3 Männer, der eine Psychologe die beiden anderen Juristen.

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Und doch: Etwas Neues zum Paragraphen 218

[erscheint im Heft 63, vorab online]

Im April hat eine Kommission zu Schwangerschaftsabbruch und Leihmutterschaft ihre Ergebnisse vorgelegt

„Die Strafbarkeit der Abtreibung ist zumindest in den ersten zwölf Wochen auch verfassungsmäßig nicht haltbar“ – so lautet das einstimmige Votum der von der Ampelkoalition Ende 2022 eingesetzten Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und zur Fortpflanzungsmedizin. Der Kommissionsbericht fiel also ganz zugunsten einer Liberalisierung aus, wie sie die Ampel in ihren Koalitionsvereinbarungen angeregt hatte. Doch Jubel blieb bei SPD, Grünen und FDP aus.

80 Prozent der Bevölkerung befürworten eine Liberalisierung oder Abschaffung des § 218. Doch Marco Buschmann (FDP) und Karl Lauterbach (SPD), die Minister für Justiz und Gesundheit, gaben sich zurückhaltend. Man werde lesen, prüfen und nachdenken.

Genau das hat die Kommission ja nun über ein Jahr gemacht, dazu Fachleute aus der ärztlichen Praxis und der Beratung angehört, NGOs konsultiert und um die Sache gestritten, und ist am Ende einstimmig zu dem vorliegenden Ergebnis gekommen.

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Schön gesund – gesund schön

Weltweit boomt der Markt für Schönheits-OPs mit einem Umsatz von mehr als 100 Milliarden Dollar, während das Gesundheitswesen immer stärker verschlankt wird.

Was das eine mit dem anderen zu tun hat, könnte eine zu fragen geneigt sein. Kosmetische Korrekturen sind doch ein reines Privatvergnügen, nicht einmal ein besonderer Ausdruck kapitalistischer Auswüchse – allenfalls in der Mixtur von Machbarkeitsdenken und Selbstoptimierungsdruck.

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Bewusstsein und Verantwortung

Die Frauenfriedensbewegung im Kalten Krieg

In den letzten beiden Jahren treibt mich die Frage um, warum die Menschen aus der Geschichte nicht lernen. Warum haben sie aus den Erfahrungen der beiden großen Weltkriege mit den vielen Verlusten nichts gelernt? Warum herrscht – auch bei weiten Teilen der Feministinnen – die Ansicht vor, man könnte, indem man Bomben auf ein Land wirft, Konflikte lösen?

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Feministische Außenpolitik, ein netter Versuch

Bilanz des ersten Jahres

Eine Feminist Foreign Policy hat sich die deutsche Ampel-Regierung in ihren Koalitionsvertrag geschrieben. Nur eines der Zuckerle an die woke
Mittelstandswähler:innenschaft?

Die Überzeugung der Koalierenden scheint jedenfalls nicht von tiefem Verständnis getragen, was sich auch darin spiegelt, dass die bescheidenen fünf Zeilen, die dazu im Koalitionsvertrag stehen, mit den Schlagworten Recht, Repräsentanz, Ressourcen (3R) plus Diversität, bislang, wie aus der Website des Auswärtigen Amtes zu entnehmen ist, nicht mit Inhalt gefüllt sind. Das wiederum erklärt, warum die neue Regierung die ihr gleich bei Amtsantritt mit der russischen Aggression gegen die Ukraine gebotene Gelegenheit, eine solche Politik wenigstens ansatzweise umzusetzen, so gründlich vertan hat und stattdessen geschlossen auf die überwunden gehoffte archaische Auseinandersetzungsebene einstieg, die Putin vorgab und die nur eine Richtung kennt, die der Eskalation.

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