Ausgebremst

Das bevorstehende Ende der Schuldenbremse

Im Jahr 2009 wurde die so genannte Schuldenbremse im Grundgesetz verankert. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) sprach von einer »historischen Entscheidung« – die Schuldenbremse sei nötig, um die Handlungsfähigkeit des Staates zu sichern. Tatsächlich hat die Schuldenbremse das Gegenteil bewirkt und dürfte bald Geschichte sein.

Mitte der 1970er Jahre begann die Wirtschaftspolitik in den führenden kapitalistischen Staaten, sich an neoliberalen Vorstellungen zu orientieren. Die freie Preisbildung auf Märkten, so das zentrale neoliberale Argument, generiere ökonomisch relevante Informationen am besten, der Markt sei dem Staat bei der Informationsgewinnung und -verarbeitung überlegen. Ein wichtiger Grundsatz des Neoliberalismus ist folglich die Formel »Privat vor Staat«. Die öffentliche Hand soll sich so wenig wie möglich in das Wirtschaftsgeschehen einmischen, da privatwirtschaftliche Akteure grundsätzlich bessere ökonomische Entscheidungen träfen als der Staat.

Vor diesem Hintergrund muss die Verankerung der Schuldenbremse im Grundgesetz im Jahr 2009 interpretiert werden. Zwar erlaubt es die Schuldenbremse in einem engen Rahmen, auf wirtschaftliche Abschwünge zu reagieren. Abgeschafft wurde aber die so genannte »goldene Regel«, die Bund und Bundesländern eine Kreditfinanzierung von öffentlichen Investitionen erlaubte – nur der Bund hat einen kleinen Spielraum in Höhe von 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung behalten. Die Kreditbeschränkung der Schuldenbremse darf nur suspendiert werden, wenn Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen auftreten, die sich der Kontrolle des Staates entziehen.

Das Konstrukt der Schuldenbremse folgt den Ideen des US-amerikanischen neoliberalen Ökonomen James Buchanan. Buchanan ging davon aus, dass Politiker:innen vor allem ihre Wiederwahl im Auge haben. Deshalb neigten sie dazu, den Sozialstaat auszubauen. Außerdem versagten sie bei der Anwendung einer antizyklisch ausgerichteten Konjunkturpolitik: In Boomphasen würden staatliche Defizite nicht abgebaut, weil dies restriktiv wirken und so die Wiederwahl der handelnden Politiker:innen gefährden würde.

Um solche »Fehlanreize« zu unterbinden, riet Buchanan zur Regelbindung. Eine solche Regel ist die Schuldenbremse, die der Politikwissenschaftler Thomas Biebricher als »Odysseus-Strategie« bezeichnet. Odysseus hatte sich von seinen Matrosen, die sich selbst die Ohren verstopft hatten, an den Mast binden lassen, um den Sirenen zu lauschen, ohne ihnen verfallen zu können. In diesem Sinne bänden sich der Staat bzw. seine Repräsentanten und Funktionsträger an selbstgegebene Regeln, um das bestehende System der Fehlanreize zu überwinden.

Gegen die Schuldenbremse sprachen sich bei ihrer Einführung nur wenige politische Akteure aus, etwa ein Großteil der Gewerkschaften. Sie verwiesen auf den Spielraum für öffentliche Investitionen, der aufgrund des nicht besonders hohen öffentlichen Schuldenstands in Deutschland bestehe. Sie warnten zudem davor, dass sich der Investitionsstau im Bereich der öffentlichen Infrastruktur verschärfen werde, zumal in den Jahren ab 2001 die rot-grüne Regierung Schröder/Fischer und anschließend die erste große Koalition mit Angela Merkel als Kanzlerin (mit der Unternehmenssteuerreform von 2008 und der Erbschaftssteuerreform 2009) dafür gesorgt hatte, dass die Steuereinnahmen vor allem durch Entlastungen von reichen Haushalten und Unternehmen stark sanken. Die Erbschaftssteuer ist durch ihre Reform von 2009 zur teuersten Unternehmenssubvention geworden. Die Ausfälle aufgrund dieser Reform summieren sich auf mehrere Milliarden Euro pro Jahr.

Die Warnungen haben sich als richtig erwiesen. Es besteht ein erheblicher Investitionsrückstand im Bereich der Bildungsinfrastruktur, des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs usw. Hinzu kommen die hohen Investitionsbedarfe für den Klimaschutz und die Umstellung auf Erneuerbare Energien. Nach einer gemeinsamen, eher konservativen Schätzung durch zwei Wirtschaftsforschungsinstitute besteht in den kommenden zehn Jahren ein Gesamtbedarf an öffentlichen Investitionen in Höhe von 600 Milliarden Euro.

Bundesverfassungsgericht 
urteilt zur Schuldenbremse

Um den faktisch selbst verursachten Investitionsstau zumindest zum Teil aufzulösen, starteten sowohl der Bund als auch verschiedene Bundesländer Versuche, im Zuge der Corona-Krise und der Energie-Krise infolge des Kriegs in der Ukraine die Schuldenbremse zu umgehen. So setzte die Ampel-Regierung für den im April 2021 auf den Weg gebrachten Nachtragshaushalt das Kreditaufnahmeverbot der Schuldenbremse aus. Begründet wurde die damit einhergehende Kreditermächtigung in Höhe von 60 Milliarden Euro mit der Notsituation aufgrund der Corona-Pandemie. Da die Regierung Scholz die Kreditermächtigung nicht benötigte, beschloss sie einen zweiten Nachtragshaushalt für das Jahr 2021. Die Kreditermächtigung in Höhe von 60 Milliarden Euro sollte zur Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen und der Energiewende durch den Klima- und Transformationsfonds (KTF) in den folgenden Jahren dienen. Hiergegen erhoben die Bundestagsabgeordneten der CDU erfolgreich Verfassungskla ge – das Bundesverfassungsgericht erklärte Mitte November 2023 den zweiten Nachtragshaushalt für nichtig. Zentral sind dabei zwei Punkte.

Die Bundesregierung habe, so das Bundesverfassungsgericht, keinen begründeten Zusammenhang zwischen der Notsituation der Pandemie und dem zweiten Nachtragshaushalt hergestellt. Eine solche Begründung aber sei umso mehr erforderlich, je weiter der eigentliche Auslöser der Notsituation zurückliege. Außerdem müsse die Kreditaufnahme nach Jahren getrennt ermittelt werden, und die Kreditermächtigung und die auf dieser Grundlage dann erfolgende tatsächliche Aufnahme der Kredite müsse in demselben Jahr geschehen. Das Urteil löste heftige Auseinandersetzungen innerhalb der Bundesregierung über die Folgen für den Bundeshaushalt aus. Für das Jahr 2023 wurde kurz vor Weihnachten die Aussetzung des Kreditaufnahmeverbots der Schuldenbremse beschlossen, um so die Voraussetzungen für einen Nachtragshaushalt zu schaffen. Begründet wurde dies mit zwei Notlagen: Dem Krieg in der Ukraine und seinen Folgen sowie den Schäden aus der Flutkatastrophe im Ahrta l im Sommer 2021.

Für das Jahr 2024 hatte sich die Ampel-Koalition auf Ausgabenkürzungen verständigt – insbesondere die FDP wollte das Kreditaufnahmeverbot der Schuldenbremse nicht nochmals aufheben. Damit hat sich die Bundesregierung auf einen klassischen pro-zyklischen finanzpolitischen Kurs begeben, der die bereits schlechte Konjunkturlage zusätzlich verschärft.

Urteil hat Folgen für die Bundesländer

Betroffen vom Urteil des Bundesverfassungsgerichts sind auch einige Bundesländer. Einige von ihnen haben, mit ähnlichen Konstruktionen wie der Bund, Fonds in Milliardenhöhe zur Finanzierung von klimapolitischen Maßnahmen und der Energiewende beschlossen oder zumindest geplant. Durch das Urteil vor erhebliche Probleme gestellt sind insbesondere das Saarland, Bremen und Berlin – hier sollten mit vergleichsweise großen Fonds Mittel für mehrere Jahre bereitgestellt werden, indem das Land eine Notlage erklärte. So waren in Bremen 2,5 Milliarden Euro für einen kreditfinanzierten Klimafonds vorgesehen. Hier haben sich der rot-rot-grüne Senat und die oppositionelle CDU auf ein aus Krediten finanziertes Sondervermögen in Höhe von 450 bis 550 Millionen Euro anstelle des Klimafonds geeinigt. Das Parlament muss jedes Jahr aufs Neue mit Zweidrittelmehrheit eine Notlage erklären, um so dieses Sondervermögen zu sichern. Wie es bei anderen Problemen (zum Bei spiel energetische Gebäudesanierung von öffentlichen Bauten) weitergehen wird, ist ungewiss.

Im Saarland hat die Landesregierung kurz nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts verkündet, dass der Landtag künftig jährlich eine Notsituation erklären wird. So soll der drei Milliarden Euro schwere Transformationsfonds gerettet werden.

In Berlin ist das im Koalitionsvertrag von CDU und SPD geplante Klima-Sondervermögen in Höhe von fünf Milliarden Euro aufgrund des Karlsruher Urteils geplatzt. Hier werden von der Landesregierung verschiedene Wege beschritten, wie außerhalb des Kernhaushalts dringend benötigte Investitionen getätigt werden können.

Verbleibende Möglichkeiten

Seit dem Bundesverfassungsgerichtsurteil hat sich die vorher schon geführte Debatte um das Für und Wider der Schuldenbremse verschärft, und es wird nach Möglichkeiten gesucht, die erforderlichen staatlichen Investitionen zu tätigen.

So wird zum Beispiel erwogen. jedes Jahr aufs Neue den Notstand zu erklären und so das Kreditaufnahmeverbot der Schuldenbremse immer wieder zu suspendieren. Ob dieser Weg verfassungsrechtlich gangbar ist, kann zumindest in Zweifel gezogen werden. Denn wenn Investitionen zur Bewältigung von Energie- und Klimakrise als staatliche Daueraufgaben und nicht als Notfallmaßnahmen interpretiert werden, dann müssen sie eigentlich aus dem regulären Haushalt bezahlt werden.

Rechtssicher umgangen werden kann die Schuldenbremse, indem staatliche Investitionen durch rechtlich selbständige Institutionen (GmbH, Aktiengesellschaft, Anstalt des öffentlichen Rechts) getätigt werden, die der öffentlichen Hand gehören. Allerdings werfen solche Konstruktionen immer die Frage nach der demokratischen Kontrolle auf, da hier die Parlamente als Haushaltsgesetzgeber außen vor sind.

Für den Bund käme auch die Verankerung eines oder mehrerer Sondervermögen für Investitionen in die Energiewende, die staatlich Infrastruktur usw. in Frage – solche Überlegungen lehnen sich an das Sondervermögen zur Aufrüstung der Bundeswehr an.

Selbst über eine grundlegende Reform der Schuldenbremse, die kreditfinanzierte Investitionen wieder ermöglicht, wird seit dem Bundesverfassungsgerichtsurteil diskutiert. Einem solchen Vorhaben stehen SPD und Bündnis 90/Die Grünen offen gegenüber. Auch verschiedene CDU-geführte Bundesländer haben in den zurückliegenden Monaten signalisiert, dass sie bereit sind, hierüber zu reden. Allerdings standen einer solchen Initiative bis zum Ausscheiden der FDP aus der Bundesregierung zwei Dinge im Weg: zum einen die FDP als Regierungspartei, die eine Reform der Schuldenbremse nicht mittragen wollte. Und auch der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz und die CDU im Bundestag hatten bis zum erfolgten Bruch der Ampel-Koalition aus taktischen Gründen kein Interesse an einer Grundgesetzänderung, da die Union in der Wählergunst vom Streit der Ampel-Koalition über die Finanzierung des Bundeshaushalts profitierte.

Abschaffung der Schuldenbremse nach der nächsten Bundestagswahl wahrscheinlich

Nach der kommenden Bundestagswahl wird die Schuldenbremse mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Vorschlag einer dann CDU-geführten Bundesregierung grundlegend reformiert – und damit im Kern abgeschafft. Dafür spricht, dass große Teile des Unternehmerlagers den bestehenden Investitionsstau in Deutschland als Problem ausmachen. Auch der Kapitalseite ist mittlerweile klar geworden, dass eine funktionsfähige öffentliche Infrastruktur eine wichtige Voraussetzung für die privatwirtschaftliche Produktionstätigkeit ist.

Aus einer progressiven Perspektive heraus ist es ebenfalls sinnvoll, sich für das Ende der Schuldenbremse einzusetzen – selbst wenn eine deutlich stärkere Besteuerung hoher Einkommen und großer Vermögen die bessere Variante wäre, um den staatlichen Ausgabenspielraum zu erweitern. Denn wird das Kreditaufnahmeverbot der Schuldenbremse nicht beseitigt, droht zum einen weiterer Sozialabbau, weil Investitionen auf Kosten von Sozialleistungen getätigt werden. Und zum anderen werden zumindest Teile der staatlichen Infrastruktur weiter verfallen, auf die diejenigen angewiesen sind, die nicht über Produktionsmittel oder große Vermögen verfügen.

Kai Eicker-Wolf, Ökonom und Politikwissenschaftler, arbeitet als hauptamtlicher Gewerkschafter in Frankfurt / Main

Gehen Sie zurück auf Los!

Präsidentschaftswahl und US-Haushaltsstreit

Zwei Tage nach dem Sieg Donald Trumps trat in Washington D.C. der Offenmarktausschuss der US Zentralbank, der Federal Reserve (Fed), zusammen und beschloss eine weitere Senkung der Leitzinsen um ein Viertel Prozent. Sieben Wochen zuvor, auf der Zielgeraden des US-Wahlkampfs, hatte Trump eine erste Zinssenkung der Fed scharf kritisiert: Das sei eine rein politische Entscheidung zugunsten seiner Gegner! Nach seinem Sieg hat er keinen Grund mehr, sich über eine Lockerung der Geldpolitik zu beschweren. Tatsächlich folgt die Fed der Bewegung auf den Finanzmärkten. Trump übertrieb ihren Handlungsspielraum, weil er die reale wirtschaftliche Lage ebenso verschweigen muss wie die harte Arbeit der Republikaner im letzten Kongress für hohe Zinsen.

Der US-Leitzins ist eine Zielgröße: Mit eigenen Interventionen auf den Finanzmärkten versucht die Fed, die Zinsen für Tagesgeld auf den Zentralbankkonten in dem Rahmen zu halten, den sie für geldpolitisch geboten hält. In Anbetracht der enormen Mittel, die ihr zur Verfügung stehen, gelingt ihr das in der Regel recht gut. Was aber geldpolitisch geboten ist, darüber haben die Finanzmärkte das letzte Wort. Der Tagesgeldsatz richtet sich nach den Preisen für kurzfristige US-Staatsschuldpapiere, die für eine Geldbeschaffung bei der Zentralbank als Sicherheit hinterlegt werden müssen. Die Orientierungsgröße (Benchmark) ist die Rendite auf Drei-Monats-Schatzwechsel des US-Finanzministeriums. Die Fed folgt, wenn auch nicht automatisch, den Entwicklungen dieser Preise. Und indem die Fed den Finanzmärkten folgt, übernimmt sie die kapitalistische Urangst vor zu geringer Arbeitslosigkeit. Im Laufe dieses Jahres stieg die Arbeitslosigkeit in den USA  bei allgemein guter Konjunkturlage leicht an und erreichte im Juli 4,3 Prozent – aus Sicht der Investoren eine rundheraus positive Entwicklung.

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Faschismus in unserer Zeit

Harold James

PRINCETON, Oktober 2024 – Keiner weiß, wie die US-Präsidentschaftswahlen ausgehen werden. Eine Möglichkeit ist, dass die Trump-Blase endlich platzt und eine Rückkehr zur Normalität in Amerika und der ganzen Welt ermöglicht. Es ist aber auch möglich, dass die USA auf einen radikalen militarisierten Autoritarismus zusteuern, der eine neue Norm für Despoten in anderen Ländern schaffen würde.

Politikwissenschaftler sind nicht die einzigen, die hier beunruhigende historische Anklänge sehen. Laut Donald Trumps am längsten in dieser Funktion dienendem Stabschef, General John Kelly, entspricht der ehemalige Präsident »der Definition eines Faschisten«, womit er »eine rechtsextreme autoritäre, ultranationalistische politische Ideologie und Bewegung« meint, »die durch einen diktatorischen Führer, zentralisierte Autokratie, Militarismus, gewaltsame Unterdrückung der Opposition und den Glauben an eine natürliche soziale Hierarchie gekennzeichnet ist«.

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spezial konfliktpotenzial

überbau und basis in politik &  wirtschaft

Wenn Wahlen etwas ändern würden? Wahlen ändern etwas. Trump steht für neue Steuergeschenke an die Reichen. Er kritisierte die Biden-Regierung dafür, dass sie Benjamin Netanyahu überhaupt Grenzen setzte. Er rühmt sich seiner Arbeit für die Abschaffung des Rechts auf Abtreibung und hält die Klimakrise für einen Witz. Und dann ist da noch die Sache mit der Demokratie. Macht korrumpiert. Macht ohne Kontrolle korrumpiert absolut. Vor Trump gab es nie einen US-Präsidenten, der nach seiner Abwahl versuchte, durch einen Sturm auf das Parlament im Amt zu bleiben. Trotzdem wurde er nun mit 74 Millionen Stimmen wiedergewählt. 70 Millionen US-Amerikaner:innen haben für Kamala Harris gestimmt. Im Senat und wahrscheinlich – Stand 10. November – im Repräsentantenhaus werden die Republikaner die Mehrheit stellen. Der Oberste Gerichtshof ist bereits fest in erzkonservativen Händen. In einigen Bundesstaaten regieren noch die Demokraten.

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Nachhaltig zerstören

Geht die Automobilindustrie den Weg der Druckmaschinenhersteller?

Der VW-Konzern hat einen drastischen Abbau der Belegschaft und Lohnkürzungen angekündigt, um den Verlusten an Marktanteilen und Absatz zu begegnen. Mit dem Plan, die Produktion auf den Bau von E-Autos zu konzentrieren, setzt die Konzernleitung die hochentwickelten speziellen Fähigkeiten der Belegschaft und der Zulieferindustrie aufs Spiel und folgt damit einem Rezept, das schon zum Niedergang der deutschen Druckmaschinenindustrie führte.

Elektrisch angetriebene Automobile enthalten viel weniger Teile als die mit Explosionsmotoren angetriebenen, die mechanisch aufwändig hergestellt werden müssen. Getriebe, Gangschaltung und Explosionsmotoren stellen hohe Anforderungen an die Fertigungstechnik. Die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Automobilindustrie beruhte auf einer historisch entstandenen besonderen Fertigungsweise an Fließbändern, bei dem jeder Einbauschritt vorgeplant und jedes Teil mit der erforderlichen Präzision gefertigt wird.

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Zwischen Schiffschaukel und Achterbahn

Persönliche Bilanzen zur Mitarbeit bei Lunapark21

… die undogmatischen und prägnant vorgetragenen Inhalte

Lunapark21 war für mich lange eine Idee, auf deren materielle Gestaltwerdung ich nicht gewettet hätte. Dass ein Magazin sehr sinnvoll ist, das gesellschaftliche und vor allem ökonomische Fragen fundiert aus marxistischer Perspektive analysiert, stand und steht außer Frage. Doch wie sollte das gelingen, ohne eine Partei oder finanzstarke Organisation im Rücken? Darüber haben wir, Winnie, Wolfgang Pomrehn und ich, immer wieder in Winnies schönem Häuschen mit dem wilden Garten in Michendorf diskutiert – stets bei einem guten Wein und oft vom Hausherren hervorragend bekocht.

Es ist allein Winnies Beharrlichkeit, seiner Überzeugungskraft, Energie und Expertise zu verdanken, dass Lunapark21 tatsächlich startete, und alle Krisen und auch persönlichen Konflikte überdauerte. Lunapark21 ist – leider muss man demnächst sagen: war – ein tolles Produkt für die Linke im weiteren Sinne. Sie hat sich deutlich abgehoben von so vielen anderen linken Publikationen – durch die hervorragende und extrem kreative Gestaltung ebenso wie durch die undogmatischen und trotzdem prägnant vorgetragenen Inhalte. Zu den letzten der insgesamt 61 Ausgaben habe ich aus Zeitgründen nicht mehr beigetragen, nur noch als Leser von der Arbeit anderer profitiert. Klar ist: Lunapark21 war Winnies Projekt, ohne ihn geht es nicht. Ich werde sie vermissen. Und noch mehr ihren Chefredakteur, meinen Genossen und Freund.

Daniel Behruzi, Frankfurt am Main


…Themen aus der feministischen Bewegung abzubilden

Bekannt war mir Winnie Wolf als Linker, als herausragender Genosse der 68er Bewegung im deutschsprachigen Raum. Als Persönlichkeit und als Freund lernte ich Winnie als Chefredaktor der Zeitschrift Lunapark21 kennen, als er zusammen mit Gisela Notz mich vor gut acht Jahren in die Redaktion holte. Es war ihm ein Anliegen, in der Zeitschrift zur Kritik der globalen Ökonomie, entsprechende Standpunkte und Diskussionsthemen aus der Frauen- und feministischen Bewegung abzubilden. Vorbehaltlos hat er Vorschläge für Beiträge aufgenommen und unterstützt – was mir die Chance gab, langwierige Kämpfe der Frauen in der Schweiz für ihre Rechte zu erklären und darzustellen. Eine eigene Geschichte, die im umliegenden Ausland nicht immer verstanden wird.

Ich lernte Winnie auch als unermüdlichen Schaffer kennen mit einer schier unerschöpflichen Arbeitskraft. Kaum war ein LP21-Heft im Druck, ein Projekt, das für ihn bis zuletzt „eine Herzensangelegenheit“ war, standen bei ihm bereits weitere Projekte an wie Zeitungen zu spezifischen Themen aber auch Bücher, die er als Autor zeichnete. Wir verlieren mit Winnie einen herausragenden Genossen und Freund, dem die linke Bewegung sehr vieles zu verdanken hat!

Therese Wüthrich, Bern


Der Idee zu 101 Märchen

Im Jahr 2015 fragte uns Winnie, den wir beide aus unterschiedlichen Zusammenhängen kannten, ob wir nicht Interesse an einer regelmäßigen Kolumne in Lunapark 21 hätten. Inhalt der Texte sollte eine ideologiekritische Analyse neoliberaler Behauptungen und Ideen unter dem Titel „Märchen des Neoliberalismus“ sein. Der Vorschlag sagte uns zu, und so verfassten wir für das im September 2015 erschienene Heft 32 unser erstes Märchen unter der Überschrift „Freihandel schafft Arbeitsplätze & Wohlstand“.

Vier Jahre später teilte uns Winnie dann mit, dass die Mehrheit der Redaktion – gegen sein Votum – unsere Kolumne auslaufen lassen wolle. Uns kam das entgegen, hatten wir aus verschiedenen Gründen doch selbst überlegt, die Märchen an anderer Stelle zu publizieren. Insbesondere der nur vierteljährliche Erscheinungsrhythmus von Lunapark war uns zu langsam.

Nach 21 Märchen – die letzten beiden erschienen im Heft 48 (Titel: „Gewerkschaften sind schädliche Kartelle“) sowie im Sonderheft „Mietenexplosion vs. Daseinsvorsorge“ (Titel: „Staatliche Eingriffe in die Mieten am Wohnungsmarkt sind schädlich!“) – war Anfang des Jahres 2020 unsere Autorenschaft bei Lunapark beendet. Die Märchen sind seitdem übergangslos in der Monatszeitschrift OXI erschienen.

Ende des vergangenen Jahres hatten wir unser selbst gestecktes Ziel von rund 50 publizierten Märchen erreicht und wollten unsere Kolumne einstellen. Auf Bitte der OXI-Redaktion schrieben wir noch drei weitere Märchen, und im August werden alle Kolumnen und weitere unveröffentlichte Texte als „Wirtschaftsmärchen. Hundertundeine Legende über Ökonomie, Arbeit und Soziales“ im PapyRossa Verlag erscheinen.

Die Idee, aus den Märchen ein Buch zu machen, stammt von Winnie. Er hat uns das als Perspektive für die Kolumne bereits 2015 nahegelegt. Wir hätten ihm gern ein Exemplar geschenkt.

Kai Eicker-Wolf und Patrick Schreiner


Rückblick mit Ausblick ohne Winnie

Einem von Anbeginn regelmäßig schreibenden Autor des Lunapark hatte ich als Abonnent 2015 wegen (aus meiner Sicht) inhaltlicher Unzulänglichkeiten einen kritischen Brief geschrieben. Der antwortete und räumte ein, dass ich einen wunden Punkt getroffen hätte, um anschließend auf mein Mitarbeits-Angebot an den Lunapark nach meiner Pensionierung zu sprechen zu kommen:

„Prima, dass Du Lunapark korrigierend auf die Finger sehen willst. Gleichzeitig mit dieser Mail schicke ich eine andere an Winnie Wolf und sage ihm, er solle Dein Angebot unbedingt annehmen. Ein Hindernis sehe ich allenfalls in seiner erratischen Arbeitsweise, mit der die Tatsache vereinbar gemacht werden muss, dass noch eine zusätzliche Station, nämlich eine Korrekturphase, einzubauen ist. Aber ohne diese könnte Lunapark orthographisch nicht besser sein als die Blätter, die die Korrektoren längst abgeschafft haben und dann eben so sind, wie sie sind.“

Zu den Anfängen unserer Zusammenarbeit schrieb Winnie 2016 im Lunapark21-Editorial : „Der Marburger GEW-Aktivist Jürgen Hahn-Schröder, der zu unserer großen Freude seit einigen LP21-Ausgaben das Korrekturlesen bei Lunapark21 besorgt, hielt sich in den Produktionswochen dieses Heftes in einer wild-romantischen Region Frankreichs auf. Er war trotz Urlaubs mehrmals zwischen erfrischenden Bädern in der Ardèche bereit, bepackt mit Rucksack und Laptop nach Aubenas zu radeln, um im „McDoof“ (McDonald‘s war tatsächlich in erreichbarer Nähe der einzige öffentlich zugängliche Ort mit Internet-Anschluss) die jeweils neu gestalteten LP21-Seiten herunterzuladen, diese umgehend Korrektur zu lesen und dann die korrigierten pdf-Seiten zwecks Übernahme und Endkontrolle directement an uns zurückzusenden. Bis vor kurzem bewerkstelligten wir das Korrekturlesen höchst altmodisch: Die pdf-Seiten in der ersten Gestaltung wurden ausgedruckt, dann auf Papier  Korrektur gelesen. Schließlich wurden die Seiten mit den handschriftlichen Korrekturen per Post nach Köln zum Gestalter und zur Eingabe geschickt. Diese – vielleicht von vielen als skurril empfundene – Ära scheint seit Jürgens Einstieg als Chefkorrektor ehrenhalber nun vorbei zu sein.“

Das erste Mal persönlich trafen wir uns, das Kerntandem der LP21 – Winfried Wolf und der künstlerische Gestalter Joachim Römer – und ich am 27. November 2016 im Hauptbahnhof zu Berlin. Wir saßen beieinander, aßen zusammen und wir besprachen u.a.  die Fragen: Was soll die Korrekturgrundlage von Texten für den lunapark21 sein? Welches Regelwerk soll gelten? Wie weit sollen Korrekturen  in Texten gehen und wie sieht ein mit dem Autor oder der Autorin konsensfähiges Procedere aus? Dazu entwickelte sich in den folgenden Jahren ein Konzeptpapier: „Der schlaue Redaktör“, redaktionelle Tipps für die Autorinnen und Autoren von Lunapark21.

Im November 2021, also nach der lebensbedrohlichen Erkrankung und Operation kann ich (vorübergehend aufatmend) schreiben: „Lieber Winnie, großen Dank für deine organisatorischen Arbeiten für unseren gemeinsamen Aktiv-Aufenthalt in Südtirol. Da kommt jetzt schon Vorfreude auf.“ Und er schreibt vor unserem ersten und letzten gemeinsamen Treffen im Südtiroler Bad Dreikirchen im März 2022: „Wir – gemeint: die sechs der Technischen Redaktion – haben aus meiner  Sicht eine gute neue LP21 gemacht. Wir – das genannte engere Team und gerne möglichst zusätzlich aus dem Plenums-Kreis – wollen grundsätzlich weitermachen. Wir als Technische Redaktion werden uns vom 2. bis zum 6. Mai vier Tage zurückziehen, nein, nicht nach Salecina, aber immerhin nach Bad Dreikirchen, und prüfen, ob und wenn ja; wie unsere Teamfähigkeit gestärkt werden kann.“ Und ein Jahr später, den Kampf ums eigene Leben verloren, lässt Winnie an diesem, ei nem seiner wichtigsten  Kraftquellorte, 13 Freunde, verbunden mit ihm in verschiedenen Freundschaftserfahrungen und -graden sich versammeln, seiner gedenken und in seinem Sinne beschließen:  weitermachen.

Jürgen Hahn-Schröder, Marburg


Ab und zu

Vor dreieinhalb Jahren ließ ich mich ansprechen. Gut, ab und zu einen Beitrag für Lunapark21 könnte ich wohl schreiben. Dann aber begegnete ich in der Redaktion anderen, die sich stärker einsetzten und die wie ich das Potential der Lunapark21 erkannten, und die Phantasie und Ehrgeiz entwickelten, das Heft zu verbessern. Wir haben uns richtig reingehängt, uns gegenseitig im Eifer angesteckt, Fähigkeiten entwickelt, und es hat Spaß gemacht. Die Lunapark sieht heute anders aus als vor dreieinhalb Jahren; ich vermutlich auch.

André Geicke, Hamburg


„Weniger arte, mehr Arbeiter-Illustrierte-Zeitung.“

In der ersten großen Diskussion zum Lunapark21-Projekt legten unsere Gestalter auch einen Entwurf vor, wie das Ganze aussehen sollte. Und die Gestaltung war sehr gut. Es hat sich der ganz besondere Anspruch angekündigt, der die Arbeit an den Heften in den folgenden Jahren geprägt hat. Aber ich habe gemeckert – und meine Formulierung haben sich die Beteiligten gut gemerkt: „Weniger arte, mehr Arbeiter-Illustrierte-Zeitung.“

Damit wollte ich keinem Traditionalismus das Wort reden. Es ging nicht um das alte Selbstbewusstsein von Marxisten, in deren Theorie alles geklärt war: Die Revolutionen sind die „Lokomotiven der Geschichte“, die Gleise werden durch die ökonomische Entwicklung gelegt und die Kommunisten sind die Lokomotivführer, denn sie „haben theoretisch vor der übrigen Masse des Proletariates die Einsicht in die Bedingungen, den Gang und die allgemeinen Resultate der proletarischen Bewegung voraus.“ (Manifest der Kommunistischen Partei) – also darum ging es nicht. Die Redaktion von Lunapark war nie der Überzeugung, in einer historischen Mission unterwegs zu sein.

Es ging mir um die ziemlich schwierige Verbindung zwischen dem Alltag der Leute und einer gründlichen Kritik der globalen wie der lokalen kapitalistischen Ökonomie. Historisch gesehen gibt es da weniger eine Verbindung, als eine sehr traditionelle Arbeitsteilung: Es gibt Leute, die malochen, finden vieles Mist und lesen manchmal schlaue Kritiken an der Welt, in der sie leben. Und es gibt Leute, die finden auch vieles Mist und schreiben schlaue Kritiken an der Welt, in der wir alle leben. Die Schnittmenge zwischen beiden Gruppen ist klein. Denn so wie diese Gesellschaft eingerichtet ist, muss man sehr gegensätzliche Anforderungen in den 24 Stunden eines Tages unterbringen, wenn man in beiden Gruppen unterwegs ist.

Auch Lunapark21 ist es leider nicht gelungen, zur Aufhebung dieser traditionellen Arbeitsteilung beizutragen. An der Gestaltung lag es nicht. Im Inhalt der Hefte zeigte es sich, weil die Schwerpunkte rasch wechselten.  Über Konflikte wurde berichtet, wenn sie sich zuspitzten – aber nicht, wenn sie stagnierten. Wir haben die Geschichten selten zu Ende erzählt. (Es finden sich immer Konflikte, die sich gerade zuspitzten.) Die damit verbundene Kurzatmigkeit, die teils schrägen apokalyptischen Töne laufen auf eine Selbstbestätigung eines eher engen Kreises aktiver Funktionäre oder funktionierender Aktivisten hinaus. Als normal arbeitender Mensch mit normalen Kolleginnen und Kollegen kann man sich das auf die Dauer kaum leisten. Das Problem ist alt. Eine Lösung für dieses Problem wäre etwas Neues.

Sebastian Gerhardt, Berlin, Autor und 2012-2017 Geschäftsführer bei Lunapark21.


„… man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!“*

Für mich war Lunapark21 ein 15 Jahre währender Versuch, die Noten dieser Melodie zu finden – nicht als „Vorsänger, im Vollbesitz der Wahrheit“ (Die Schmetterlinge).

Am Anfang, bei den Gründungplenen, geschah etwas, was ich in linken Zusammenhängen bis dahin nicht erlebt hatte: Da nahmen die Menschen von der analytisch schreibenden Zunft „die äußere Verpackung“ ernst. Den Gestaltern wurde für ihr Tun eine weitgehende Autonomie eingeräumt. „Über das Titelblatt entscheiden die Gestalter!“ Außer wenn aus der Redaktion ein hartes Veto kam. Das geschah nur einmal: Da durften wir nicht „des Kaisers neue Kleider“ abbilden – die Fibeglasnachbildung von Donald Trump, nackt.

Die für die Lesend-Betrachtenden sichtbare Reibung zwischen Texten und Bildern war gewollt: Die Melodie muss Dissonanzen enthalten beim Aufspielen zum Tanz.

„Die wirklichen Verhältnisse sind für schöne Töne ganz vertrakt, sie sind immer konkret und nicht abstrakt“, ließe sich in Abwandlung einer Zeile der Schmetterlinge feststellen.

Lunapark21 war auch der Versuch, den sonst üblichen Rahmen linker Publizistik zu verlassen. Es fanden sich einzelne Schreibende aus verschiedenen Spektren zusammen zu einem debattenfreudigen linkspluralistischen Versuch. Das basierte auch darauf, dass die Herzkammer unseres Projektes, Winnie, zwar weiter linkssozialistisch schlug, sich aber zunehmend nicht mehr auf die engen Auslegungen einer bestimmten Strömung bezog.

Die Bandbreite der Texte bewegte sich zwischen leisem Pfeifen im Walde und pathetischem Choral. Wir legten viel Wert darauf, unsere Texte auch für nicht akademische Linke verständlich aufzubereiten. Journalismus hat viel mit Handwerk zu tun.

Unser Trial-and-Error-Vorgehen folgte keiner vorher theoretisch festgelegten Notenabfolge. Vergleichbar mit gutem Jazz, war es ein sich ständig veränderndes Verhältnis von Notation und Improvisation. Es passierte nicht selten, dass wir zwei Tage vor Drucktermin das fertig layoutete Heft komplett umbauten – wichtige Texte rein, andere wichtige Texte um ein Heft verschieben.

Der gewollte Vielklang bedeutete auch, dass alle Beteiligten viel Dissonanz aushalten mussten. Rückblickend finde ich es schade, dass es uns und vor allem Winnie nicht immer gelang, auszuhalten und trotzdem gemeinsam weiterzumachen. Wir brauchten offenbar mehr als zehn Jahre Übung darin, dass es nicht ums Rechthaben geht – auch aus der Erfahrung, wie oft man selbst schon daneben gelegen hatte. Bei allen, die auch wegen unserer falschen Härte nicht mehr mitsingen konnten, möchte ich mich entschuldigen.

Ganz persönlich verbinde ich mit Lunapark21 das langsame Wachsen einiger tiefer Freundschaften. Das an der gemeinsamen Sache mit hohem Aufwand und viel Herzblut arbeiten ging fast unmerklich über in eine persönliche Verbundenheit. Wir redeten seltener über Gott, dafür viel über die Welt, die auch unsere kleinen privaten Welten beinhaltete. Kurze Anrufe über einen neuen Seitenplan konnten sich auswachsen zu zwei Stunden gegenseitigem Zuhören und Erzählen.

Bei meinem letzten Besuch bei Winnie in der Charité, ein paar Tage bevor er nicht mehr kommunizieren konnte, erzählte er von seinen Sternensänger-Einsätzen im Umland von Ravensburg. Bis dahin wusste ich nicht, wie schön seine Singstimme war. Er sang, auf schwäbisch, das Sternensängerlied.

Joachim Römer, Köln, Gestalter von Lunapark21

*Karl Marx, Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung.

Eine Auswahl seiner Kolumnen in Lunapark21

Heft 1/2008

Die drei von der Geldtankstelle

Oder: Casino Capital

Bei der Société Générale habe es, so die gängige Berichterstattung, einen „einmaligen Fall von Betrug“ gegeben. Tatsächlich gab es in den vergangenen zwei Jahrzehnten drei Fälle „betrügerischer Geldhändler“, die ein zu großes Rad drehten.

1987 meldete der VW-Konzern den Verlust von einer Milliarde Mark durch Spekulationsgeschäfte, für die ein „untergeordneter Händler“ mit dem vielsagenden Namen Schmidt allein die Verantwortung getragen habe. 1995 teilte Barings, die größte britische Privatbank, den Verlust von 860 Millionen Pfund mit, die ein Geldhändler namens Jack Leeson allein zu verantworten gehabt habe. Im Januar 2008 soll nun ein Händler namens Jérome Kerviel knapp fünf Milliarden Euro verzockt haben.

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Persönliche Erinnerungen an Winfried Wolf

In Buchform lebt er weiter

Kennengelernt habe ich Winnie Wolf als Verleger. Es war auf der Leipziger Buchmesse 2006, als er sein damals neuestes Werk dem Promedia Verlag anbot. Es sollten 495 Seiten zur „Globalisierung des Tempowahns“ werden, wie das Buch im Untertitel heißt. Die erste Auflage von „Verkehr.Umwelt.Klima“ widmete er seiner Frau Andrea und der gerade geborenen Tochter Paola. Ganz der politische Netzwerker, zog mich Winnie parallel zum Erscheinen des Buches in sein Projekt „Lunapark21“ hinein und fand in mir sowohl einen inhaltlichen Bewunderer seiner Arbeit als auch einen Geldgeber für die GmbH der Quartalszeitschrift.

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Mandels Eupener Kolleg

Der Berg ging zum „Propheten“ – Ein Trotzkist und die Umwelt

Aachener Volkszeitung vom 22. März 1973

Von Marcel Bauer

Eupen* – Ernest Mandel streift um die deutschen Grenzen. Der bekannte Wirtschaftstheoretiker, Bürgerschreck und geistiger „Brandstifter“ sprach im Eupener Kurhotel Pauquet zum Thema „Umweltverschmutzung, technologischer Sachzwang und Kapitalismus“. Den Sekretär der trotzkistischen 4. Internationale hatte der Deutschostbelgische Hochschulbund geladen, eine akademische Verbindung, die sicherlich nicht im Geruch linker Umtriebe steht. Die Kunde vom Meister hatte sich offenbar wie ein Lauffeuer im Aachener Milieu herumgesprochen, denn das erste Hotel am Platz konnte den Ansturm kaum bewältigen. Abenteuerliche Typen hinter drapierten Jalousien! Mandel, mit kurzem Haarschnitt, Krawatte und Strickpullover fiel optisch aus der Rolle. Am Pressetisch schrieb der Geheimdienst mit.

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Er mochte die Beatles. Und er konnte tanzen; 1986 auf dem Gründungsparteitag der Vereinigten Sozialistischen Partei sogar solo auf geräumtem Parkett.

Sein Lieblingssong war „Baby You Can Drive My Car“, was überrascht angesichts seines Engagements gegen die Autogesellschaft. Die Zeile ließe sich aber auch dahin interpretieren, dass er den Wagen, den er nicht mehr braucht, anderen überlässt.

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