Hamburg überlässt den Hafen der Familie Aponte

Was beim Verkauf der HHLA an MSC herausgekommen ist

Für einen undurchsichtigen Deal ist die Regierung der Hansestadt Hamburg bereit, die öffentliche Kontrolle des Hafens aufzugeben. Über die Containerterminals, den Kern des Hamburger Hafens, soll künftig MSC, die größte Reederei der Welt, bestimmen – wie das Hamburger Parlament am 5. September 2024 entschieden hat.

Der MSC-Konzern ist im Besitz der Familie Aponte in der Schweiz. Der Hamburger Senat vergibt die Aktien des Hafenbetreibers HHLA an die Familie Aponte zum geringstmöglichen Preis, legt zu den von MSC gewünschten Investitionen etwas mehr aus Steuermitteln drauf, verzichtet im Streitfall auf die Anrufung bürgerlicher Gerichte und lässt ein Schiedsgericht nach ausschließlich wirtschaftlichen Kriterien in geheimer Verhandlung entscheiden auf Grundlage eines Vertrages, der 40 Jahre gelten soll, zuvor nicht geändert werden kann und dessen wesentliche Teile der Öffentlichkeit nicht bekannt sind.

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Das China-Syndrom

Kapitalistische Krise unter kommunistischer Führung

Als die Welt angesichts der rasanten Entwicklung Chinas noch den Atem anhielt, erklärte Xi Jinping, Wachstum sei nicht seine Hauptsorge. Das war im Jahr 2017 und schien einen Paradigmenwechsel anzukündigen.

Im Jahr darauf ließ Xi die Begrenzung seiner Amtszeit als Staatspräsident aus der Verfassung streichen. Nun steht er seit über elf Jahren an der Spitze des riesigen Landes und wird über Haupt- und Nebensorge manches gelernt haben.

China erlebt die schwerste Wirtschaftskrise seit den Reformen Deng Xiaopings vor gut vierzig Jahren. Mit dem Zusammenbruch der Baukonzerne Evergrande und Country Garden, mit unbezahlten Schulden in Höhe von einer halben Billion Dollar, endete der Bauboom, den China mit einem gigantischen Investitionsprogramm zur Überwindung der Finanzkrise nach 2008 initiiert hatte. Allein zwischen 2011 und 2013 verbrauchte China mehr Zement als die USA im gesamten 20. Jahrhundert.

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Das deutsche Exportmodell

Wie immer ist in einem Bild auch das wichtig, was fehlt. Wenige Tage, bevor die FDP aus der Bundesregierung flüchtete, hatte sie bereits einen Abschiedsbrief übergeben: die Ausarbeitung des Bundesfinanzministeriums Wirtschaftswende Deutschland – Konzept für Wachstum und Generationengerechtigkeit. In diesem 18-seitigen Dokument kommen die Worte Außenhandel, Export, Exportüberschuss und Auslandsvermögen nicht vor. Einen Prüfling würden deutsche Oberlehrer mit der Bemerkung nach Hause schicken: Thema verfehlt, sechs.

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Außenpolitik als Naturwissenschaft auf dem Bierdeckel

Ein kritischer Blick auf den britischen Experten für foreign affairs Tim Marshall

Beginnen wir mit einem Zitat des Dichters Peter Hacks: „Die Außenpolitik ist an der Politik das Geistlose. Wenn die Innenpolitik die Durchsetzung von Gedanken zwar nicht zum Ziel hat, so arbeiten doch die Klassen, wenn sie ihre Machtkämpfe betreiben, unbewußt und nebenher an einem Gesamtgefüge, dem Staat. So ein Staat hat eine Grenze, die ist der Rand, bis zu dem man gehn kann, und der Rahmen, innerhalb dessen Fortschritte sich abstecken und messen lassen.

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Woher? Wohin?

Wirtschaftliche und politische Fragen im Sommer 2023

Der Winter des Missvergnügens ist vorüber. Wohl vermeldete das Statistischen Bundesamtes am 25. Mai, das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) sei „preis-, saison- und kalenderbereinigt“ zwei Quartale in Folge gesunken. Die Zahl der neuen Insolvenzverfahren im ersten Quartal 2023 ist um 18 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum gestiegen. Die Inflationsrate, das heißt der Anstieg des Verbraucherpreisindex zum Vormonat, betrug im Mai 6,1 Prozent. Verglichen mit den Vormonaten ist der Kaufkraftverlust nur etwas geringer ausgefallen. Aber der Arbeitsmarkt ist stabil.

Und obgleich die Spitzenvertreter der deutschen Industrie keine Gelegenheit verpassen, um über ruinöse Bedingungen zu jammern, schauen die Kapitalanleger positiv in die Zukunft. Der Dax hat Mitte Juni die alten Höchststände vom Herbst 2021 wieder erreicht.  Im Herbst 2022 hatten offizielle wie selbsternannte Experten aller politischen Lager noch einen möglichen Zusammenbruch der Energieversorgung und einen sicheren Einbruch der Industrieproduktion vorhergesehen. Nichts davon ist eingetreten. 

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Gefahr erkannt, …

Finanzbeschiss mit Credit Suisse

Vier Banken mussten seit März die Schalter schließen. Drei mittelgroße US-Banken kippten einfach um, als Kunden ihr Geld plötzlich abzogen: Die Silicon Valley Bank, die Signature Bank sowie die First Republic. Die vierte war die Schweizer Credit Suisse, die als nicht weniger solide galt als die drei US-Banken.

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„Sehr, sehr stabiles System“

Steigende Zinsen treiben erste Banken in die Krise

Mit erstaunlicher Verspätung produziert der internationale rasante Zinsanstieg die befürchtete Bankenkrise. Es tritt das ein, was die jahrelange Nullzinspolitik verhindern sollte.

Am 19. März übernahm die größte Schweizer Bank UBS die zweitgrößte Credit Suisse zu einem Spottpreis von drei Milliarden Schweizer Franken. Es handelt sich um einen Notverkauf, abzulesen daran, dass der Deal am heiligen Sonntag und nur dank einer Garantie von neun Milliarden Franken vom Staat und einer Liquiditätshilfe von 100 Milliarden Franken seitens der Schweizer Notenbank über die Bühne ging. Die Schweizer Großbanken sind nicht so solide, wie sie tun. Vor 15 Jahren während der großen Finanzkrise musste die UBS, damals der größte Vermögensverwalter der Welt (oder des weltweiten Kapitalismus), von der Notenbank vor dem Untergang gerettet werden.

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Alarmstufe Rot

Kipppunkte, Krieg und die Letzte Generation

Allein 636 Lobbyisten für Öl und Gas nahmen im November vergangenen Jahres an der 27. Uno-Klimakonferenz im ägyptischen Scharm el-Scheich teil – mit „Erfolg“. Außer einer unverbindlichen Bekräftigung des 1,5-Grad-Ziels und vagen Zusagen für Almosen an die Opfer der Klimakatastrophe, brachte die Konferenz kein Umsteuern zuwege.

Weder der mit dem Sechsten Sachstandsbericht des Weltklimarates (IPCC) ausgerufene Alarm, noch die Warnung des Uno-Generalsekretärs António Guterres, „Wir befinden uns auf dem Highway in die Klimahölle, – mit dem Fuß auf dem Gaspedal“, führte letztlich zu verbindlichen Resultaten. Das gastgebende, vom Westen unterstützte Militärregime tat zudem alles, um substantielle Ergebnisse zu verhindern. So wurde ein Vorschlag Indiens und 80 weiterer Länder zum Ausstieg aus allen fossilen Brennstoffen regelrecht sabotiert.

Deutschland bahnte erfolgreich Erdgaslieferungen aus Afrika an und auch in Katar, dem Gastgeber der nächsten Uno-Klimakonferenz, war man damit erfolgreich. Es scheint sich eine Allianz zwischen reichen Öl- und Gasförderstaaten und westlichen Industrieländern zu etablieren.

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Kriegswirtschaft, Wirtschaftskrieg und die Rekordgewinne der Öl- und Rohstoffkonzerne

Reichtum und Luxus boomen. Armut weitet sich aus. Klimaschutz ist kein Thema

 Die Zeit verdichtet sich. Die Ereignisse überschlagen sich. Der Weg in die Selbstzerstörung beschleunigt sich.

Es wird gesagt, der Krieg sei der Vater aller Dinge. Tatsächlich trug der Ukraine-Krieg wesentlich zu einer Lage bei, die vor zwei Jahren niemand für möglich hielt:

Es gibt einen Umbau zur Kriegswirtschaft. Es existiert ein Wirtschaftskrieg. Es gibt einen Boom bei den Öl- und Rohstoffkonzernen und in der Luxusbranche. All das zusammen veranlasst den angesehenen US-amerikanischen Ökonom Nouriel Roubini dazu, vor dem Weg in den Weltuntergang zu warnen.1

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Rien ne va plus?

Möglichkeiten heutiger Politik

 Wir erleben ein zivilisatorisches Scheitern. Die Jahrhunderte alte Ausbeutung, die alles der Umwandlung von Natur und Leben unterwarf, wirkt unmissverständlich zurück. Eine Antwort, also das Einnehmen einer Position einer anderen Lebensgrundlage, fehlt.

Der Autor dieser Zeilen gehörte in den 1970er Jahren zu denen, die die Systemfrage als reale Machtfrage aufgeworfen haben. Das ›Andere‹ war keine Utopie, sondern konkret vorstellbar und: unverzichtbar. Es gab ein ›Außen‹ zur kapitalistischen Welt in vielschichtiger Gestalt: die aus der Oktoberrevolution entstandene Sowjetunion, das maoistische China, Kuba, die antikolonialen Bewegungen, ein politisch-kultureller Riss in den Metropolen, aus dem neue Lebensfantasien strömten. Mit dem ›Außen‹ gab es auch die Kategorie der Politik, die es vertrat.

Lange her; die Gegensätze wurden eingeebnet. Die Welt, so wie sie ist, scheint alternativlos. Politik als Versuch, Leben außerhalb der Systemrationalitat zu organisieren, ist verschwunden.

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