Seit Generationen im Wirtschaftskrieg

Russland unter westlichen Sanktionen

Ganze achtzehn Monate durfte Russland in den vergangenen 75 Jahren als Teilnehmer ohne spezielle Hürden am sogenannten freien Weltmarkt teilnehmen. Exakt zwischen dem 22. August 2012, dem Tag der Aufnahme in die Welthandelsorganisation (WTO), und dem 5. März 2014, als Washington und Brüssel im Zuge des Kampfes um die Ukraine die ersten Sanktionen gegen Moskau erließen, war Russland ein ebenbürtiges Mitglied der auf Kapitallogik beruhenden Wertegemeinschaft.

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Tatsächlich eine Zeitenwende

Der Krieg in der Ukraine und die neue-alte Geopolitik des Westens – neun Thesen

Der Ukraine-Krieg stellt in mehrererlei Hinsicht einen Wendepunkt dar – und zwar vor allem für die deutsche und für die EU-Politik. Dabei kann sieben Monate nach Beginn der russischen Invasion in der Ukraine weiterhin nicht ausgeschlossen werden, dass wir mit diesem Krieg in einen neuen großen Krieg steuern. Genauer gesagt: gesteuert werden. Die jüngeren erheblichen Erfolge der ukrainischen Armee können Ausgangspunkt für zwei diametral unterschiedliche Wege sein: hin zu noch mehr Waffenlieferungen beziehungsweise zu russischen massiven Gegenschlägen und Bombardements oder hin zu einer Verhandlungslösung und perspektivisch zu einem Frieden.

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Zbigniew Brzeziński – Die einzige Weltmacht

25 Jahre alte, hochaktuelle Skizze für die Politik zum Erhalt der US-Hegemonie

Der ehemalige Sicherheitsberater des US-Präsidenten Jimmy Carter verfasste 1997 ein Buch, das in der Original-Fassung noch den aufschlussreichen Titel „The Grand Chessboard – Das große Schachbrett“ trug. Darin skizziert er, wie mit einer Nato-Osterweiterung und einer Westanbindung der Ukraine Russland zu einer nicht mehr europäischen Macht, sondern primär asiatischen Regionalmacht gemacht, besser: degradiert, werden soll und wie auf diese Weise die Weltherrschaft der USA zu stabilisieren sei. Die seither geführten US-Kriege (in Jugoslawien, Afghanistan, Irak) und die seither praktizierte Politik der US-Regierungen und nicht zuletzt diejenige der Nato unterstreichen, dass Brzezinskis Analyse in vielen Teilen Blaupause für die US-Politik ist. Im Folgenden Auszüge.

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Die USA – Weltordnungs- oder Weltunordnungsmacht?

Doppelstandards und Blindheit in der historischen Rückschau

An viele der Krisen und Kriege seit dem Zweiten Weltkrieg erinnern wir uns kaum, oder wir haben sie verdrängt, vergessen oder wollen sie als Beiträge zu Frieden, Freiheit, Demokratie und Sicherheit wahrnehmen.

Thilo Bode, langjähriger Chef von Greenpeace und bis Ende vergangenen Jahres Geschäftsführer von Foodwatch International erinnerte sich im Mai im Zeit-Interview an einen Besuch im Jahr 1969 bei seinem Vater, der damals Korrespondent der Süddeutschen Zeitung in Singapur war. Die Faktenlage und der Standpunkt respektive das väterliche Narrativ bezüglich des Vietnamkriegs stimmten überein: „Der Vietnamkrieg ist ein verbrecherischer Krieg der USA.“ Für den 22-Jährigen wie für den heute 75-Jährigen Bode gilt diese Übereinstimmung von Fakten und Narrativ ebenfalls für den aktuellen Ukraine-Krieg: „Der russische Angriffskrieg ist ein schreckliches Verbrechen“.

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Sind wir alle aus der Zeit gefallen?

Kriegsgewalt und ihre Folgen

„Wenn uns zugemutet werden soll, auf unsere französischen Brüder zu schießen, so sagen wir: Nein, das tun wir nicht!“ Diese Worte sprach Rosa Luxemburg im Herbst 1913 während einer Rede in Frankfurt am Main. Die Worte waren ein Verbrechen, für das sie ein Jahr ins Gefängnis musste.

Rosa Luxemburg wusste, dass die große Masse der arbeitenden Männer und Frauen die Folgen der Kriege zu tragen haben. Unter ihnen würde es keine Kriegs-Gewinner:innen geben. Unzählige tote und verletzte Soldaten und Zivilpersonen, zerstörte Städte, Dörfer, Landschaften und Industrieanlagen würden der Preis für die Konkurrenz zwischen den verschiedenen Ländern um Kolonien, Rohstoffe und Absatzmärkte sein. „Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus“, schrieben sich Sozialistinnen nach den beiden Weltkriegen auf die Fahnen.

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„Deutsche Krieger“ werden wieder hoffähig

Bundeszentrale für Politische Bildung subventioniert Militärverherrlichung

Die vom deutschen Bundeskanzler ausgerufene Zeitenwende nebst Vollzug beim Zwei-Prozent-Ziel für Rüstung und des 100-Milliarden-Euro-Extra-Fonds für Hochrüstung freut die Truppe.

Die Rüstungsindustrie verspürt Rückenwind. All das passt in eine ideologische Hochrüstung in Sachen Militär. Aufschlussreich dabei ist der offizielle Umgang mit Professor Sönke Neitzel.

Einen Tag nach der „Zeitenwende“-Rede des Kanzlers brachte der Bayerische Rundfunk 2 ein Gespräch mit Sönke Neitzel, dem einzigen deutschen Professor für Militärgeschichte/Kulturgeschichte der Gewalt, lehrend an der Universität Potsdam. Die Haltung des berufenen Sicherheits-Experten im Telegrammstil: „Eine beachtliche Kehrtwende der SPD! – Wer hätte das gedacht? – Kommt viel zu spät! – Wie geht es weiter? – Die Bundeswehr braucht das dringend! – Ich hoffe, dass das viel Druck erzeugt!“

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Zeitenwende auf den Märkten

Die Preissteigerungen sind gekommen, um zu bleiben

An den deutschen Tankstellen ist vom Rabatt nichts zu sehen. Die dreimonatige Senkung der Energiesteuer auf Kraftstoffe trat am 1. Juni in Kraft – aber die Entlastung der Autofahrer und der Transportbranche blieb aus. Das parallel beschlossene 9-Euro-Ticket führt eher zu Fragen über die Leistungsfähigkeit des öffentlichen Personennahverkehrs. Und nur für steuerpflichtige Erwerbstätige ist die Energiepreispauschale von 300 Euro vorgesehen – als ob Mini-Jobber*innen, Rentner*innen und Erwerbslose keine höheren Ausgaben hätten.

Doch der Tunnelblick auf die Preise an der Zapfsäule ist irreführend. Das ganze Jahr 2021 sind die deutschen Erzeugerpreise auf breiter Front gestiegen. Nur ein Teil davon ist schon bei den Verbrauchern angekommen (siehe Grafik). Und die weltweiten Preissteigerungen lassen sich sicher nicht mit dem russischen Angriff auf die Ukraine begründen. Die Preiserhöhungen begannen auch hier vor vielen Monaten.

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Der Ukraine-Krieg und die Welternährungskrise

Zwölf Tage nach Beginn des Krieges, am 8. März, publizierte die Welternährungsorganisation (FAO) eine 40-seitige Analyse, die sich mit den Risiken befasste, die aus dem Ukraine-Krieg für die globale Lebensmittelversorgung ergeben könnten, und gab einen düsteren Ausblick.1 Ausgangspunkt der Überlegungen war der Umstand, dass in den Jahren zuvor aus Russland und der Ukraine zusammengenommen 30 Prozent der globalen Weizenexporte und über die Hälfte der Exporte von Sonnenblumenkernen bzw. -öl kamen, außerdem Mais und Gerste.

Hinzu kommt, dass die Russische Föderation Platz 1 beim Export von Stickstoffdüngern und Platz 2 beim Export von Phosphor- und Kalidünger einnimmt. Bezogen auf die globale Exportmenge lag der Anteil Russlands laut FAO-Statistik in den letzten Jahren bei allen drei Pflanzennährstoffen grob gerechnet jeweils zwischen 10 und 15 Prozent. In 25 Ländern betrug der Anteil aus Russland importierter Düngemittel bei 30 Prozent und mehr. Die Synthese von Stickstoffdünger erfolgt fast ausnahmslos unter Verwendung von Gas in einem extrem energieintensiven Prozess, dem Haber-Bosch-Verfahren.

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Ideologie mit anderen Mitteln


Verständnis und Missverständnis des Kriegs in der Ukraine


Der russische Angriff auf die Ukraine wird von verschiedenen Seiten als imperialistisch bezeichnet. Auf der 1.-Mai-Kundgebung des DGB in Düsseldorf erklärte Bundeskanzler Olaf Scholz, um Imperialismus handele es sich, wenn „mit Gewalt Grenzen verschoben und Territorien erobert werden“ – eine Definition, die banal ist und wenig zur Analyse der politischen Konstellation beiträgt.
Vor solcher Banalisierung über historische und gesellschaftliche Spezifik hinweg hatte Lenin schon 1917 in seiner Schrift über den „Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“ gewarnt. Für ihn war der Imperialismus die Konsequenz des Konkurrenzkampfes der nationalen Kapitalfraktionen um die letzten vom Kapitalismus unberührten Territorien. Zwischen 1876 und 1900 hätten sich die sechs größten Mächte England, Russland, Frankreich, Deutschland, USA und Japan die Welt quasi aufgeteilt. In dieser Phase sei die Kooperation von Staat und Kapital zum Aufbau der jeweiligen nationalen Industrie und zur Ausbreitung der kapitalistischen Produktionsweise über den Erdball eminent wichtig gewesen. Im Laufe des 20. Jahrhunderts aber behinderten Landesgrenzen, Lohnstandards und Ertragssteuern der westlichen Staaten in zunehmenden Maße die Kapitalakkumulation. Für den britischen Historiker Eric Hobsbawn (1917-2012) war das „Zeitalter des Imperiali smus”, mit dem Ersten Weltkrieg abgeschlossen, ein richtiger Weltmarkt etablierte sich jedoch erst nach dem Zweiten Weltkrieg.

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Verlorene Illusionen

Der russische Imperialismus kämpft in der Ukraine um seinen Platz an der Sonne

Nicht die Osterweiterung der Nato, sondern das Assoziierungsabkommen mit der EU war Ende 2013 der Ausgangspunkt des Ukraine-Konfliktes. Acht Jahre später setzte der russische Angriffskrieg darauf, mit starker Hand die Spaltung und Unfähigkeit des „kollektiven Westens“ (Putin) zu beweisen. Sicher, mit den USA muss man in Moskau rechnen, seit Trump nicht mehr Präsident ist. Doch die USA sind weit weg. Die Krisen der EU und die Wahrnehmung ihrer internen Konflikte (Brexit! Nord Stream 2!) hatten dagegen die Überzeugung wachsen lassen, dass man mit dem ganzen handlungsunfähigen liberalen Westen politisch fertig werden kann. Die Ukraine selbst zählte in den Moskauer Planungen nie als eine selbständige Größe. Seit dem 24. Februar 2022 sind diese Planungen in jeder Hinsicht gescheitert. Doch das heißt nicht, dass der russische Imperialismus auf seine Eroberungsziele einfach verzichten wird.

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