Seit 1911 feiern Frauen den „Internationalen Frauentag“, an dem weltweit auf Frauenrechte und die Notwendigkeit der Gleichstellung der Geschlechter aufmerksam gemacht wird. Der Tag soll die bisherigen Errungenschaften der Frauenrechtsbewegung feiern, die Aufmerksamkeit auf bestehende Ungleichheiten richten und dazu ermuntern, sich für Geschlechtergerechtigkeit einzusetzen. Auch in diesem Jahr fanden wieder zahlreiche Veranstaltungen statt. Die Frage, die uns immer wieder gestellt wird, ist: Warum findet der Internationale Frauentag am 8. März statt? Sie ist nicht ganz einfach zu beantworten:
Beschlossen wurde der Frauentag auf der II. Internationalen Konferenz sozialistischer Frauen am 26. und 27. August 1910 in Kopenhagen von mehr als 100 Sozialistinnen aus 17 Nationen, allen voran die Sozialdemokratin Clara Zetkin und die Gewerkschafterin Käte Duncker. Die sowohl von Gewerkschaftsseite als auch von Seiten der Sozialdemokratinnen vorbereitete Resolution wurde einstimmig angenommen. Die Aktivistinnen erhofften, durch den weltweit durchzuführenden Aktionstag, den außerparlamentarischen Druck für die Durchsetzung von Frauenrechten – vor allem für das uneingeschränkte Frauenwahlrecht – zu erhöhen.
Das Revolutionäre der Idee sollte unterstrichen werden
Wie zu allen historischen Ereignissen gibt es auch über das Entstehen des Datums 8. März verschiedene Erzählungen, die immer wieder aufgelegt, aber auch öfter widerlegt wurden. Eine eindeutige Geschichte lässt sich nicht rekonstruieren. Ein bestimmtes Datum für die alljährliche Durchführung wurde zunächst nicht festgelegt. Der „Vorwärts“ vom 18. März 1911 verwies darauf, dass in Deutschland der 19. März gewählt wurde, um das Revolutionäre der Idee zu unterstreichen, denn am Vortag zu diesem Tag wurden in der deutschen Arbeiterbewegung jährlich die sogenannten „Märzgefallenen“ der Revolution von 1848 geehrt, unter denen viele Frauen waren. Außerdem sollte an das Engagement der Frauen der Pariser Commune im März 1871 erinnert werden. Millionen von Frauen gingen am 19. März 1911 in Deutschland, in den USA, Schweiz, Dänemark und Österreich auf die Straße. Bis zum Ersten Weltkrieg kamen Frankreich, Holland, Schw eden, Russland und Böhmen hinzu. Der Internationale Frauentag wurde zum Tag des Kampfes der Frauen für politische und ökonomische Rechte und gegen den Krieg.
Die folgenden Internationalen Frauentage wurden an unterschiedlichen Tagen begangen: in Deutschland war es 1912 der 12. Mai, in der Schweiz der 17. März und in den USA der letzte Februarsonntag. An diesem Februarsonntag entstand das Lied „Bread and Roses“ (Brot und Rosen) bei einem Streik von 14.000 Textilarbeiterinnen, die am 11. Januar 1912 im Städtchen Lawrence im US-Bundesstaat Massachusetts gegen eine Senkung der Hungerlöhne, die elenden Arbeitsbedingungen und die Kinderarbeit ihre Arbeit niederlegten und einige Forderungen durchsetzen konnten. Weil der Mai-Termin zu nahe an den Feierlichkeiten zum 1. Mai lag, wollten die deutschen Frauen trotz der gut besuchten Veranstaltungen 1912 künftig wieder im März demonstrieren. Der SPD-Parteitag folgte dem Vorschlag, den Frauentag am 2. März 1913 durchzuführen. Gemeinsam war den Terminen zunächst lediglich, dass sie an einem Sonn- oder Feiertag ausgerufen wurden, da dies bessere Möglichkeiten bot, die Fr auen für Kundgebungen und Demonstrationen zu gewinnen. Das schöne Plakat „Heraus mit dem Frauenwahlrecht – Frauentag – 8. März“ ist das erste Plakat mit dem Datum 8. März. Es entstand kurz vor dem Ersten Weltkrieg und es brauchte beim Jenaer Parteitag der SPD 1913 erbitterte Debatten, bis ein Antrag der Frauen, weiter einen jährlichen Frauentag durchzuführen, durchgesetzt wurde. Der Frauentag leitete diesmal eine „Rote Woche“ ein, während der an vielen großen und kleinen Orten für den Frieden und gegen das Wettrüsten demonstriert wurde. Das Plakat war das vorerst letzte zu diesem Thema, zumindest in Deutschland, denn während des Ersten Weltkriegs waren Internationale Frauentage verboten. Sie fanden nur noch illegal in kleinen Kreisen statt und die Teilnehmerinnen mussten mit Repressalien durch Staat und Polizei rechnen. In den Ländern, in denen noch Frauentage durchgeführt wurden, zum Beispiel in Schweden am 7. März 1915, s tanden das Frauenwahlrecht und der Kampf gegen den Krieg bis 1918 im Mittelpunkt der Forderungen. „Kriegsfrauentage“ nannten die österreichischen Genossinnen ihre Versammlungen während des Ersten Weltkrieges, durch die sie zeigen wollten, dass sie trotz des fürchterlichen Krieges an den Kopenhagener Beschlüssen festhielten.
Ein Frauenkampftag auf der ganzen Welt
Mit den Revolutionen 1917 in Russland und im November 1918 in Deutschland erreichten die Frauen in diesen Ländern das aktive und passive Wahlrecht; ebenso wie in Estland, Polen, Österreich, Luxemburg und Lettland. Nach der Spaltung der SPD in USPD und MSPD und der Gründung der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) zum Jahreswechsel 1918/19 war es den Frauen in Deutschland offensichtlich nicht mehr möglich, gemeinsam auf die Straße zu gehen. Zunächst feierte nur die KPD am 6. April 1919. Etliche gewerkschaftlich organisierte Arbeiterinnen, die mit der KPD sympathisierten, gingen auch am 9. Mai 1920 zu den Veranstaltungen, die im Zeichen der Annäherung zwischen USPD und KPD standen. Die Parteiführung der MSPD verzichtete auf den Internationalen Frauentag. Ein Antrag zur Wiedereinführung wurde im Juni 1920 auf Empfehlung der Leiterin des Frauenbüros Marie Juchacz abgelehnt. Wie viele Vertreterinnen der bürgerlichen Frauenbewegung vertrat sie und die Parteiführung der SPD die Meinung, dass mit der Durchsetzung des Frauenwahlrechts die Ziele des Internationalen Frauentags erreicht waren und dringendere Probleme anstünden. Die Rednerinnen der kommunistischen Kundgebungen warnten vor einer derartigen Überschätzung.
Auf der II. Internationalen Konferenz kommunistischer Frauen 1921 in Moskau einigten sich die Delegierten auf den 8. März als Datum für die Feiern zum Internationalen Frauentag. Mit dem Datum sollte an die Demonstration der Arbeiterinnen vom 8. März 1917 im russischen St. Petersburg erinnert werden, die in die – nach dem alten russischen Kalender so bezeichnete – „Februarrevolution“ mündete.
Eine andere Geschichte kommt aus den USA. Dort streikten 1909 20.000 Blusennäherinnen der New Yorker Triangle Shirtwaist Factory. Sie kämpften für sichere Arbeitsbedingungen. Der Protest wurde von der Firmenleitung niedergeschlagen. Zwei Jahre später, am 8. März 1911, brach in derselben Firma ein Brand aus, bei dem 146 Arbeiterinnen, von den Fabrikeigentümern in den Fabrikräumen eingeschlossen, ums Leben kamen. Am 8. März eines jeden Jahres sollte nun an sie erinnert werden. Egal, welche Quelle man liest, deutlich wird, dass der Internationale Frauentag in der Tradition kämpfender Arbeiterinnen steht.
Die Frauentags-Bewegung erlebte Fortschritte, Rückschritte, Erfolge und Niederlagen. Je nachdem, wie es die herrschende politische Macht wollte, wurde der Internationale Frauentag verboten, geduldet, durch den Muttertag ersetzt oder gar von oben verordnet.
In der BRD kam erst, nachdem die Frauenbewegung der 1970er Jahre den Tag wieder ausgegraben und die UNO im „Jahr der Frau“ 1975 am 8. März eine Feier durchgeführt hatte, wieder Bewegung in die Geschichte. Im Dezember 1977 beschloss die Generalversammlung der UNO, den 8. März als Internationalen Frauentag anzuerkennen. Dem schloss sich 1978 auch die sozialistische Fraueninternationale in Vancouver, Kanada an. Der Tag sollte (wieder) zum internationalen Kampftag für Frauenrechte und Frieden werden. Berlin hat als einziges Bundesland in der wiedervereinigten BRD den 8. März seit 2019 zum gesetzlichen Feiertag erklärt. Mecklenburg-Vorpommern will ab dem 8. März 2023 nachziehen.
Gisela Notz ist Historikerin, Sozialwissenschaftlerin und Aktivistin und war auch am Internationalen Frauentag 2022 auf der Straße, um gegen den § 218 im StGB und andere immer noch bestehende Ungerechtigkeiten zu demonstrieren.