Dreißig Jahre Einheitsversprechen

Auch 2019 hatten Ostlöhne nur 71 Prozent des Westniveaus

Als der am 18. Mai 1990 geschlossene Staatsvertrag über eine Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der BRD und der DDR sechs Wochen später, am 1. Juli, in Kraft trat, war das Ende der DDR besiegelt, auch wenn ihr staatspolitisches Ableben erst drei Monate später, am 3. Oktober, stattfand. Der damit verbundene Abbruch des sozialistischen Experiments war im Grunde schon unter der Regierung von Hans Modrow angekündigt worden – spätestens als dieser am 1. Februar 1990 die Losung „Deutschland einig Vaterland“ ausgab – und war im Übrigen Teil jener Kette von Ereignissen in Osteuropa, die im Frühjahr 1989 in Ungarn und Polen ihren Anfang nahm und Ende 1991 mit der Auflösung der Sowjetunion ihren Abschluss fand. Der von der ganz überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung all dieser Länder, wenn nicht begeistert begrüßte, so doch – ungeachtet der nachfolgenden „Kollateralschäden“ auf sozialem Gebiet – weitgehend wider standslos hingenommene „Systemwechsel“ war ebenfalls ein gemeinsames Charakteristikum. Rückblickend scheint das Geschehen in der DDR also dem allgemeinen Lauf der Dinge entsprochen zu haben und seine Analyse kaum problematisch zu sein.

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Warten auf den „Nickneger“

Deutsche Kolonien, deutscher Genozid, deutsche Verantwortung

„Schauen Sie nach Afrika, da sitzen die Leute noch auf den Bäumen“, soll mein Geografie-Lehrer Ende der Sechziger mal gesagt haben. So stand es jedenfalls auf einem Flugblatt, das Schüler meines Gymnasiums verbreitet hatten. Sie wurden von ihm verklagt und er verlor. Der Mann war zudem zu faul zum Unterrichten und machte stattdessen gern ein kleines Quiz. Z. B.: Wofür steht die Abkürzung EDEKA? Primus-Antwort: „Einkaufsgenossenschaft Deutscher Einzelhandels Kaufleute Aktiengesellschaft“. Genau falsch! Richtig ist: „Einkaufsgenossenschaft der Kolonialwarenhändler im Halleschen Torbezirk zu Berlin“ (E. d. K.)

Damit sind wir mittendrin. Der Kolonialismus diente vorderhand dem Handelskapital, der Ausbeutung indigener Arbeitskräfte in der Landwirtschaft und der von Rohstoffen. Vorderhand.

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Die gegenwärtige Weltwirtschaftskrise

Versuch einer historischen Orientierung

Die jetzige Weltwirtschaftskrise deutete sich schon an der Jahreswende 2018/19 an. Die Corona-Pandemie war lediglich Anlass zu ihrer bedeutenden Verschärfung, eine „Corona-Krise“ ist sie nicht. Die Pandemie hat nur Probleme des vor über dreißig Jahren eingeführten neoliberalen Kapitalismus ganz offen zutage treten lassen, die über kurz oder lang sowieso zu einer schweren Wirtschaftskrise geführt hätten: Das seit Jahren gepriesene vorratslose Wirtschaften ist ins Trudeln geraten (Stichwort: just-in-time-production), die globalen Lieferketten sind gerissen (Stichwort: Auslagerung der Produktion in Billiglohnländer), die Substanz der Infrastrukturen ist auf Grund jahrzehntelanger Vernachlässigung und fehlender Investitionen hochgradig gefährdet (Stichwort: ungenügende Renditen).

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Friedrich Engels und der Kapp-Putsch

„Mit dem Speere soll man Gabe empfangen, Spitze gegen Spitze.“

Engels 200 · quartalsbericht 01/2020 · 200 Jahre Engels ·

Am 28. November 1820 wurde Friedrich Engels in Barmen geboren. In vier LP21-Ausgaben werden wir Bedeutung und Wirkung des revolutionären Theoretikers und praktizierenden Kapitalisten Friedrich Engels beleuchten.

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Symbol Deutsche Bank

Aufstiege und Niedergänge einer Institution

Die Deutsche Bank wurde vor 150 Jahren in Berlin gegründet. Obgleich das deutsche Kaiserreich Anfang 1870 noch nicht existierte, war sie von vornherein national und „cosmopolitisch“ zugleich, sollte sie doch den Missstand beheben, dass der deutsche Überseehandel seine Geschäfte weiterhin über London abwickeln musste. Aber gerade auf diesem Feld ergaben sich in der Anfangsphase durchaus Schwierigkeiten: Berlin erwies sich als ein für das „Cosmopolitische“ wenig geeigneter Standort, und so mussten rasch Filialen in Bremen und Hamburg gegründet werden; die Gründung der „German Bank of London“ erwies sich als Flop, und die Anteile mussten mit Verlust verkauft werden, in Shanghai und Yokohama errichtete Filialen wurden bald geschlossen und in Paris und New York erworbene Bankanteile wieder verkauft. Wirklich erfolgreich hingegen agierte das neue Bankinstitut im Inland, wo es als erstes privates Bankhaus in den Depositenhandel einstieg und auf diese W eise schnell zur größten Privatbank in Deutschland aufstieg.

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Deutsche Bahn als Geburtshelfer von Vonovia

Block 4: Geschichte

Was die Bahnreform mit der Mietenexplosion zu tun hat

Die Eisenbahn in Deutschland war es seit mehr als 150 Jahren und die Deutsche Bahn ist es auch heute noch: der größte Immobilienbesitzer im Land. Dabei hat die Deutsche Bahn AG seit 1994 Immobilien im Wert von mehreren Milliarden Euro verkauft und auf diese Weise weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit Milliarden-Gewinne erzielt. Zum Zeitpunkt der Bahnreform Anfang 1994 zählten zum Bahneigentum rund 160.000 Hektar Fläche. Schätzungen gehen davon aus, dass das Immobilienvermögen der Bahn zu diesem Zeitpunkt umgerechnet rund 200 Milliarden Euro wert war.

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Wohnen und Großinvestoren

Block 4: Geschichte

Ausmaß und Wirkungen des hunderttausendfachen Verkaufs mietgünstiger Wohnungen

Großinvestoren haben in Deutschland riesige Wohnungsbestände erworben. Dabei handelt es sich überwiegend um unattraktive Immobilien mit zahlungsschwachen Bewohnerinnen und Bewohnern. Entsprechend eng sind die Spielräume für Mieterhöhungen. Wie gelingt das Kunststück, auf solcher Grundlage hohe Profite zu erwirtschaften?

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Die Neue Heimat – eine sozialdemokratische Utopie

Block 4: Geschichte

Brauchen wir den sozialen und gemeinnützigen Wohnungsbau?

Nachkriegszeit und 
Sozialer Wohnungsbau

Der ungeheure Umfang des Wohnungsbaus in der Nachkriegszeit stellt eine der großen sozialen Leistungen in der Geschichte der Bundesrepublik dar. Der Bedarf war aufgrund der Kriegszerstörungen auch immens. Bis 1960 wurden etwa fünf Millionen neue Wohnungen gebaut, davon etwa drei Millionen im Rahmen des Sozialen Wohnungsbaus 1. Bis 1964 waren es sogar etwa acht Millionen Neubauwohnungen, in die in diesem Zeitraum 50 Milliarden DM aus öffentlichen Mitteln investiert wurden.2 Wohlgemerkt beziehen sich diese Zahlen auf die Phase vor Eintritt der SPD in die Bundesregierung. Dehnt man den Betrachtungszeitraum bis auf 1982 aus, kommt man seit 1950 auf 18 Millionen neue Wohnungen, wovon etwa 40 Prozent im Sozialen Wohnungsbau errichtet wurden.3

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Eine Bank, die Geschichte schrieb – und schreibt

Ort: Schwedische Reichsbank, Stockholm

Gründung: 17. September 1668

Berühmtester inhaftierter Banker: Johan Palmstruch

Zentrale Riksbankshuset, Stockholm

Jubiläumsgeschenk Stiftung Alfred-Nobel-Gedächtnispreis zum 300. Gründungstag

Worüber man redet: Bargeldabschaffung

Worüber man lieber schweigt: Nazigold

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