Ort: Schwedische Reichsbank, Stockholm

Gründung: 17. September 1668

Berühmtester inhaftierter Banker: Johan Palmstruch

Zentrale Riksbankshuset, Stockholm

Jubiläumsgeschenk Stiftung Alfred-Nobel-Gedächtnispreis zum 300. Gründungstag

Worüber man redet: Bargeldabschaffung

Worüber man lieber schweigt: Nazigold

Die älteste Zentralbank der Welt

In einem abstoßendem Stockholmer Bürogebäude aus Beton versteckt sich mit der schwedischen Reichsbank eine Institution, die Wirtschaftsgeschichte geschrieben hat. Hier wurde buchstäblich das Bargeld erfunden. Hier wird es vielleicht in einigen Jahren wieder abgeschafft. Zwei Drittel der schwedischen Gesellschaft nutzen heute kein Bargeld mehr, Tendenz steigend.

Im Gebrauch sind zunehmend von privaten Großbanken entwickelte Bezahl-Apps am Handy. Als Reaktion denkt man bei der Zentralbank über die Entwicklung einer eigenen staatlichen Kryptowährung nach. Der Onlineboom ist durchaus eine Herausforderung. Über eine Million Menschen hat in Schweden keinen Internetzugang, sei es, weil sie zu arm oder zu alt sind. Diesen Menschen werden selbst einfachste Bezahlvorgänge zunehmend schwer gemacht.

Über den Alfred-Nobel-Gedächtnispreis betreibt die Bank internationale Wirtschaftspolitik, wenn auch nur indirekt und auf eine „softe“ Weise. Wer diese, fälschlicherweise oft als „Wirtschaftsnobelpreis“ bezeichnete Auszeichnung erhält, darf sich im Licht internationaler medialer Aufmerksamkeit sonnen. Man spricht auch von „symbolischem Kapital“, welches die Preisträger für politische Interventionen nutzen können. Alfred Nobel selbst hat die Wirtschaftswissenschaften immer gehasst. Für ihn handelte es sich dabei nicht um eine ernstzunehmende Wissenschaft. Er hielt sie deshalb nicht für auszeichnungswürdig. Auch deshalb ist der von der schwedischen Zentralbank verliehene Preis durchaus umstritten.

Gehen wir zurück in das Jahr 1656 als der Kapitalismus noch jung und aufstrebend war. Kaufleute knüpften internationale Handelsbeziehungen, eine zunehmend selbstbewusste Handelsbourgeoisie entstand. Wachsendes Handelsvolumen brauchte zeitgemäße Tauschmittel. Im Gebrauch waren damals Kupferstücke, welche bis zu 20 Kilogramm wiegen konnten. Groß und unhandlich waren die Dinger außerdem – man vergleicht sie gerne mit der Größe heutiger Laptops. Vor dem inneren Auge entsteht ein Bild, wie ganze Eselkolonnen beladen mit Kupferplatten umherziehen, nur damit die Händler Güter austauschen können. Einfach unpraktisch, das Ganze.

Also verlieh der schwedische Staat im Jahr 1656 dem jungen, aufstrebenden Banker Johan Palmstruch das Recht, Banknoten auszugeben. Sie fanden reißenden Absatz. Plötzlich konnte man seine Tauschmittel, sprich Bargeld, bequem am eigenen Körper tragen. Palmstruch bürgte für den Wert des neuen Zahlungsmittels mit den in seinem Bankhaus eingelagerten Goldvorräten. Auch für den schwedischen Staat lohnte sich die Sache. 50 Prozent der Einnahmen aus der Ausgabe der Banknoten gingen in die Schatztruhe des schwedischen Finanzministeriums.

Fünf Jahre ging die Sache gut, dann brachen die Notenkurse ein. Die erste Notenbank der Welt wurde von der wahrscheinlich ersten modernen Währungskrise der Welt erschüttert. Wütende Händler standen vor den Toren der Palmstruch-Bank und wollten an die Goldvorräte. Aber da war nichts, zumindest zu wenig. Palmstruch hatte mehr Banknoten drucken lassen als das bei ihm eingelagerte Gold hergab. Seine Noten waren also ungedeckt und somit plötzlich nichts mehr wert. Heute nennt man so etwas Inflation.

Der Staat reagierte und machte, wozu heutige Regierungen nach dem Bankencrash von 2007/8 nicht in der Lage waren. Palmstruch wurde verhaftet und zum Tode durch Erhängen verurteilt. Sicher gab er einen guten Sündenbock ab, die mangelnde Bankenaufsicht durch das von der Palmstruch-Bank profitierende Königreich wurde so verschleiert. Jedenfalls wurde Palmstruch schließlich begnadigt und im Jahr 1670, kurz vor seinem Tod, auf freien Fuß gesetzt.

Auf den ersten Bankencrash folgte die erste Bankenrettung. Die Palmstruch-Bank wurde im Jahr 1668 verstaatlicht, um das Vertrauen der Bevölkerung in das Bankwesen wieder herzustellen. Ab 1701 wurde wieder mit der Herausgabe neuer Banknoten begonnen.

Für viele Jahre existierten privat ausgegebene Banknoten neben den staatlichen. Allerdings profitierten die Privatbanken davon, dass deren Geldscheine jederzeit gegen „staatliches“ Geld einlösbar waren. Dieser Zustand hat gewisse Parallelen zum heutigen Schweden. Private Großbanken profitieren vom digitalen Geldverkehr über die von ihnen erstellten Online-Apps, während die schwedische Reichsbank dafür bürgen soll, dass dieses Geld auch wirklich existiert.

1897 endete dieser Zustand. Die Reichsbank bekam das Monopol auf die Emission von Banknoten. Ab 1904 wurden nur noch von der Reichsbank herausgegebene Noten als Zahlungsmittel akzeptiert. In diesem Jahr übernahm die Bank auch die Kontrolle über die schwedische Geldpolitik. Sie agiert seither offiziell als unabhängige, nicht weisungsgebundene staatliche Behörde.

Offene Grenzen für Nazigold, Abschottung gegen Flüchtlinge

Schweden verhielt sich im zweiten Weltkrieg neutral. Das hielt die Reichsbank jedoch nicht davon ab, den Handel mit dem deutschen Reich zu organisieren. Die schwedische Regierung unter Per Albin Hansson wusste davon und segnete dies ab. Diese Episode war lange ein schmutziges Geheimnis der schwedischen Geschichte. Erst seit den späten 1990er Jahren wird darüber öffentlich geredet.

Von 1939 bis 1944 erhielt die Reichsbank 34,5 Tonnen Gold aus Nazideutschland. Berlin erhielt dafür schwedische Kronen, mit welchen das Regime international handeln konnte. Schweden belieferte zusätzlich die deutsche Rüstungsindustrie mit über 35 Millionen Tonnen Eisenerz.

1943 wuchsen bei der Reichsbank die Sorgen. Die militärische Niederlage des deutschen Reichs zeichnete sich ab. Also fragte die Reichsbank beim Handelsministerium nach, ob es keine Befürchtungen gebe, dass man die hauptsächlich aus Raubgold bestehenden deutschen Bestände nach Kriegsende wieder an die eigentlichen Eigentümer zurückgeben müsse. „Nein“, hieß es aus dem Ministerium, der Handel sei fortzusetzen, nach der Herkunft des Goldes dürfe nicht gefragt werden.

Während also zwischen Schweden und dem deutschen Reich freier Waren- und Güterverkehr herrschte, wurden die Grenzen vor allem für jüdische Flüchtlinge versperrt. Von 1933 bis 1939 wurden nur 3000 jüdische Flüchtlinge aufgenommen. Ab 1939 wurden nur politische Flüchtlinge ins Land gelassen. Jüdische Menschen standen vor versperrten Toren. Abschottung gegen Flüchtlinge ist wie der Freihandel mit diktatorischen Regimen eine gute alte europäische Tradition.

Nach Kriegsende verschleppte die schwedische Reichsbank systematisch die Rückgabe des Raubgoldes. Belgien musste erst sechs Wochen mit der Bank feilschen und selber nach Beweisen im deutschen Reichsbankarchiv suchen, bis Schweden 1946 mit 7.150 Kilogramm Gold herausrückte. Die Niederlande mussten bis 1954 auf die Herausgabe von 505 Goldbarren warten.

Preise für den kapitalistischen Zeitgeist

„Ich habe keine Wirtschaftsausbildung und ich hasse sie von Herzen“, soll Alfred Nobel einmal gesagt haben. Dennoch stiftete die schwedische Reichsbank im Jahr 1968 aus Anlass ihres 300-jährigen Bestehens einen Gedächtnispreis in seinen Namen. Seitdem stellt der so genannte „Wirtschaftsnobelpreis“ eine Wetterfahne für die Moral und den Zeitgeist des kapitalistischen Wirtschaftssystems dar.

So zählen nicht weniger als zehn Vertreter der neoliberalen University of Chicago zu den Preisträgern. 1974 wurde Friedrich Hayek, 1976 Milton Friedman ausgezeichnet; letzterer für seine Arbeiten zum Monetarismus, welche er im Chile der Pinochet-Diktatur umfassend testen ließ. Friedman traf sich sogar mit dem Diktator persönlich für Beratergespräche. Die Preisverleihung an Friedman leitete das neoliberale Zeitalter ideologisch ein.

Als 2008 die Banken crashten, brauchte es andere Helden. Da erhielt der Keynesianist Paul Krugman den Gedächtnispreis. Wissenschaftler, welche den Kapitalismus an sich in Frage stellen, findet man unter den Preisträgern vergeblich. Wenn es nicht am System liegt, müssen wohl die Individuen Schuld an Wirtschaftskrisen sein. Das meint zumindest Richard Thaler, Preisträger des Jahres 2017. Thaler ist auch ein „Chicago-Boy“, der meint, irrational handelnde Menschen durch Denkanstöße zu besserem Handeln verleiten zu müssen. Besser wäre da schon ein rationales Wirtschaftssystem (Siehe Gerhard Klas zum diesjährigen „Wirtschaftsnobelpreis“ S. 8).

Christan Bunke lebt in Wien. Er ist bei Lunapark21 für die Rubrik „Ort und Zeit“, die es in jedem Heft gibt, verantwortlich.