„Arbeitsloses Einkommen“

Geisterbahn

Was spukt da gerade durch alle Köpfe? Das arbeitslose Einkommen.

Ein sogenanntes arbeitsloses Einkommen, das Erwerbslosen und auch Rentnerinnen und Rentnern zukäme, sofern sie überprüfbar bedürftig wären.

Es spukte im Verfassungsgericht, das über Abzüge vom Existenzminimum beim Arbeitslosengeld entschied, es spukte in der Koalitionsregierung, als sie über minimale Erhöhung von Renten nach langjähriger Erwerbsarbeit zu niedrigen Löhnen stritt.

Das arbeitslose Einkommen der Lohnabhängigen stellt offenbar ein Problem dar, das sorgfältig analysiert und mit großer Vorsicht behandelt werden muss, weil die Gefahr besteht, dass jemand ohne Arbeit Geld bekommt.

Nun ist dieses Einkommen keinesfalls arbeitslos – weil gerade den Erwerbslosen viel Arbeit zugemutet werden soll: Mit Entzug der Leistung wird gedroht, wenn sie sich nicht bewerben. Die Aussichten, erneut eine Erwerbsarbeit zu finden, sind schlecht. Und Erwerbslose haben viel Arbeit damit, beim Einkaufen das auszusuchen, was sie noch bezahlen können.

Beim Arbeitslosengeld handelt es sich grundsätzlich nicht um arbeitsloses Einkommen, nicht einmal um erwerbsarbeitsloses Einkommen, weil die Arbeitslosenversicherung sich aus Lohnanteilen der Erwerbsarbeit speist, die für Zeiten der Erwerbslosigkeit nur zurückgelegt wurden. Und dieser zurückgelegte Lohn ist aus politischen Gründen in der Hartz-IV-Gesetzgebung gekürzt, vorenthalten und für andere Zwecke des Staates verwendet worden. Seine Gewährung – auch in gekürzter Form – stellt sicher kein arbeitsloses Einkommen dar.

Wirklich arbeitsloses Einkommen von Lohnabhängigen und Erwerbslosen im Sinne des Nichts-Tuns in der Erwerbsarbeit wäre sogar klimapolitisch und gesellschaftlich sinnvoll: Statt gegen Lohn Energie und Ressourcen bei der Produktion von Waren zu verbrauchen, die nur deshalb produziert werden, weil Kapitaleigentümer ihr Vermögen mehren wollen, könnten Bezieher arbeitslosen Einkommens ohne Produktion einfach nur das verbrauchen, was sie brauchen und die gesparte Erwerbsarbeitszeit für sinnvolles Leben verwenden. In Zeiten der Gefährdung eines den Menschen zuträglichen Klimas und der Überproduktion von vielfach gesellschaftlich wertlosen (und oft sogar zerstörerischen) Dienstleistungen und Waren ist arbeitsloses Einkommen von Lohnabhängigen eine Tätigkeit von gar nicht hoch genug zu schätzende Tugend.

Arbeitsloses Einkommen von Lohnabhängigen, das gar kein arbeitsloses Einkommen ist, stellt auch nicht das Problem dar. Das umfangreichste erwerbsarbeitslose Einkommen beziehen Kapitaleigentümer, die es nicht deshalb bekommen, weil sie als Kapitalisten arbeiten, sondern weil sie Eigentümer von Produktionsmitteln sind. Dieses tatsächlich arbeitslose Einkommen ist auch keineswegs in den Größenordnungen zu beziffern wie die geringen zusätzlichen Mittel, die Rentnerinnen und Rentner zufließen sollten, wenn sie lange Jahre zu geringen Lohn erwerbstätig waren. Wie genau und mit welchen Mitteln geprüft werden sollte, ob sie der 10 oder 20 Euro auch bedürften, darüber stritt die Große Koalition. Der Kompromiss zwischen den gegensätzlichen Positionen, nämlich einerseits Offenlegung allen Einkommens und Vermögens und andererseits keinerlei Prüfung sieht so aus: Nach den Steuerakten soll nun festgestellt werden, ob sonstige Einkommen diese frð cheren Lohnabhängigen gar nicht bedürftig machen.

Freuen wir uns also künftig darauf, anhand der Steuerunterlagen von Unternehmen und den Eignerinnen und Eignern respektive Großaktionären von Konzernen, Banken und Versicherungen, eine Bedürftigkeitsprüfung durchzuführen: ob sie bedürftig sind, keine Vermögenssteuer zu zahlen, ob sie Gewinne aus ihrem Kapitalvermögen gesellschaftlich sinnvoll verwenden, ob sie des Kapitalertrages und des Kapitalvermögens überhaupt bedürftig sind oder ob dieses arbeitslose Einkommen besser vorenthalten werden sollte.

Jürgen Bönig schreibt Geisterbahn. Geisterbahnfahrer freuen sich, wenn das Fahrzeug vor dem Schreckgespenst wegschwenkt, auch wenn es in die falsche Richtung abbiegt.