Scheinbar aus dem Nichts? Protestwelle in Griechenland zwei Jahre nach dem Zugunglück von Tempi

„Mein Kind fuhr auf einen Ausflug und ich bekam es in einem Leichensack zurück“

(Maria Karystianou, Mutter von Martha, die bei dem Zugunfall von Tempi ums Leben kam; sie ist Vorsitzende des Verein der Betroffenen des Zugunfalls „Tempi 2023“)

Es war wie das untergründige Grollen eines Vorbebens, das tektonische Verschiebungen gigantischen Ausmaßes in der Tiefe ankündigt: Am 26. Januar versammelten sich hunderttausende Menschen auf den zentralen Plätzen der Städte und Dörfer Griechenlands, um gegen die Vertuschung der Ursachen der Eisenbahnkatastrophe in der Nähe von Tempi vor zwei Jahren durch die griechische Regierung zu protestieren und Aufklärung zu verlangen. Selbst Dörfer auf abgelegenen Inseln mit nur wenigen hundert Einwohnern erlebten die vielleicht erste Kundgebung ihrer Geschichte. Es waren vergleichsweise stille, von Trauer und Wut gekennzeichnete Manifestationen, zu denen der Verein der Angehörigen der Opfer und der Überlebenden der Katastrophe aufgerufen hatte. Scheinbar aus dem Nichts erhob sich die griechische Bevölkerung, um eine scheinbare Selbstverständlichkeit zu fordern: Die Ermittlung und Bestrafung der Verantwortlichen für das Verbrechen von Tempi.

Am 28. Februar 2023 war ein von Athen kommender Intercity in Mittelgriechenland mit einem entgegenkommenden Güterzug kollidiert. 57 Menschen starben, über 80 wurden teilweise schwer verletzt. Unter den Toten und Verletzten befanden sich viele Studierende aus Saloniki, die über das verlängerte Wochenenden die Hauptstadt besucht hatten. In den folgenden Tagen kam es zu spontanen Streiks, und es versammelten sich zehntausende Menschen, um das anzuprangern, was in Griechenland ein offenes Geheimnis ist: Seit den Jahren der Austeritätspolitik nach 2008 ist das Eisenbahnsystem in einem beklagenswerten Zustand. Digitale Sicherheitssysteme sind zwar installiert, aber teilweise außer Funktion; es fehlt überall an Personal, und diejenigen, die eingestellt werden, sind aufgrund von Patronage und Vetternwirtschaft nicht oder nur schlecht qualifiziert; Wartung und Überwachung von Zügen und Gleisen sind teilweise mangelhaft. Dass es nicht schon zuvor zu größeren Unfällen gekommen ist, lag einzig am Engagement derjenigen Eisenbahner, die mit Überstunden die Lücken im System zu kompensieren versuchten. Wiederholt hatte die Eisenbahner-Gewerkschaft auf die zahlreichen Sicherheitsmängel hingewiesen und diese auch zum Gegenstand von Arbeitskämpfen gemacht.

Die Proteste vom Frühjahr 2023 verebbten jedoch; die konservative Regierungspartei Nea Dimokratia (ND) versprach eine rückhaltlose Aufklärung des Unfalls, betrieb jedoch faktisch das Gegenteil. Mehr noch, den Angehörigen der Opfer wurde vorgeworfen, mit ihrer Forderung nach Aufklärung lediglich hohe Entschädigungszahlungen erzielen zu wollen. Die Proteste seien „gesteuert“ und würden von der Opposition „instrumentalisiert“. Bei der – zutreffenden – Behauptung, bei dem Unfall sei es zu einer Explosion gekommen, handele es sich um eine Verschwörungstheorie. Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis verstieg sich sogar zu der Aussage, es habe im Güterzug keinen 13. Wagon mit illegaler Fracht gegeben – eine glatte Lüge, wie sich herausstellen sollte.

Die Taktik der Regierung schien zunächst aufzugehen. Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen im Juni 2023 erzielte die ND aufgrund des Mehrheitsbonus die absolute Mehrheit der Parlamentssitze. Selbst der für die Eisenbahn zuständige Verkehrsminister Kostas Achilleas Karamanlis, ein Cousin des ehemaligen Ministerpräsidenten, konnte seinen Wahlkreis im nordostgriechischen Serres gewinnen. Nur wenige Tage vor der Katastrophe bei Tempi im Februar 2023 hatte Karamanlis auf eine Frage der Opposition nach der Sicherheit im Schienenverkehr geantwortet: »Ich schäme mich dafür, dass Sie Sicherheitsfragen aufwerfen und möchte, dass Sie diese sofort zurücknehmen. Eine Schande ist das! Wir sind diejenigen, die die Sicherheit im Schienenverkehr gewährleisten.«1

Am ersten Jahrestag des Zugunfalls kam es erneut zu Protesten, bei denen zahlreiche Widersprüche bei den Ermittlungen der Behörden aufgeworfen wurden. Konsequenzen hatte das jedoch nicht, nur vereinzelt wurden in den Medien die Ungereimtheiten der Ermittlungsarbeit thematisiert.

„Ich habe keinen Sauerstoff“

Die im Verein „Tempi 2023“ organisierten Überlebenden der Katastrophe und Angehörigen der Opfer gaben jedoch nicht auf. Anfang diesen Jahres veröffentlichte der von ihnen beauftragte Gutachter Vasilis Kokotsakis einen Bericht, der es in sich hatte: Kokotsakis konnte nachweisen, dass die Mehrzahl der Opfer nicht durch den Zusammenstoß der Züge, sondern durch Sauerstoffmangel, der infolge der Explosion und des Brandes des Güterzuges entstanden war, ums Leben kamen. Bei ihren Anrufen in der Notrufzentrale, die routinemäßig aufgezeichnet werden, sagten die im Zug eingeklemmten Opfer, dass sie keinen Sauerstoff bekämen – und nicht etwa, dass sie nicht atmen könnten. In Verbindung mit Aufnahmen von der Explosion an der Unfallstelle konnte Kokotsakis zeigen, dass dieser Sauerstoffmangel in den entgleisten Waggons eine Folge der Explosion und des nachfolgenden Brandes gewesen ist.2

Dieser Nachweis ist nicht nur deswegen brisant, weil Mitsotakis zuvor behauptet hatte, es gebe keinen 13. Waggon, sondern weil dieser Waggon mit leicht entflammbarem Material – es handelt sich um Xylol und Toluol, Kohlenwasserstoffe, die als Lösungsmittel dienen – entgegen der Sicherheitsbestimmungen im Zug mitgeführt wurde. Auf einem Video-Mitschnitt der Rettungskräfte sind zudem Personen am Unfallort zu sehen, die nicht zu den Rettungskräften gehören und die die Unfallstelle absuchen.

Im Zuge der Proteste wurde deutlich, dass die Ermittlungen zum Tathergang systematisch verschleppt und behindert worden sind: Beweismittel wurden im großen Stil vernichtet oder manipuliert. So wurden die Blutproben der Opfer, in denen toxische Substanzen hätten nachgewiesen werden können, vorschriftswidrig vernichtet. Aus dem Mitschnitt des Funkverkehrs zwischen dem Lokführer und dem Stellwerk wurden elf Minuten herausgeschnitten, zudem wurde die Aufnahme manipuliert. Die Aufnahmen der Überwachungskameras auf den Bahnhöfen, die Aufschluss über die Beladung und Fahrt des Güterzuges hätten geben können, wurden gelöscht. Lediglich die Überwachungskamera eines Mini-Markets zeigt, dass ein in den Frachtpapieren nicht auftauchender Waggon Teil des Zuges war. Die Trümmer der Züge wurden samt der sterblichen Überreste der Opfer innerhalb kürzester Zeit an einen unbekannten Ort verbracht, die Unfallstelle ausgekoffert und zubetoniert, der Aushub ebenfalls an unbekanntem Ort entsorgt.

Eine auf Betreiben der Opposition eingeleitete parlamentarische Untersuchung lief ins Leere. Der „Untersuchungsausschuss der Schande“ beerdigte alle offenen Fragen in den Archiven des Parlaments, die beteiligten Abgeordneten der ND wurden später für ihre offensichtliche Obstruktion mit Ministerposten belohnt. Auch die gerichtliche Untersuchung hat bisher keine substantiellen Ergebnisse gebracht. Die mutmaßlich Verantwortlichen sind nach wie vor nicht belangt, teilweise nicht einmal befragt worden. Faktisch sind alle Details erst durch die Recherchen der Angehörigen oder mutiger Journalisten ans Licht gekommen.

Demokratie und Aufklärung als Luft zum Atmen

Nach den Protesten vom 26. Januar gab Ministerpräsident Mitsotakis dem Sender Alfa ein Interview, bei dem er sich ahnungslos gab und die Verantwortung für die Desinformationen der Feuerwehr und der Betreiberfirma Hellenic Train, einer Tochterfirma der italienischen Staatsbahn Ferrovie dello Stato Italiane, zuzuschieben versuchte. Zudem bemühte er sich, die politische Verantwortung auf enge Mitarbeiter und politische Freunde abzuwälzen. Im Kreuzfeuer der Kritik stehen nun der ehemalige Staatssekretär im Ministerpräsidentenamt, Christos Triantopoulos,3 der ehemalige Parlamentspräsident und Kandidat der ND für das Amt des Staatspräsidenten, Konstantinos Tasoulas, sowie der Vorsitzende der Untersuchungskommission zum Unfall bei Tempi, Dimitris Markopoulos.

Triantopoulos wird vom Untersuchungsgericht die „Veränderung des Tatortes“ und die Vernichtung möglicher Beweismittel zur Last gelegt. Tasoulas wird vorgeworfen, Ermittlungsakten und Anzeigen der Eltern von Opfern dem Parlament vorenthalten zu haben. Und Markopoulos hat als Vorsitzender der parlamentarischen Untersuchungskommission eine zentrale Rolle bei der Verhinderung der Aufklärung der Katastrophe gespielt. Unter dem Druck der Massenproteste und immer neuer Enthüllungen in den Medien haben die Parteien der Opposition nun einen neuen Untersuchungsausschuss beantragt.4 Die Wahl von Tasoulas zum Staatspräsidenten zieht sich vor diesem Hintergrund bereits über drei Wahlgänge, bei denen er jedes Mal gescheitert ist. Doch die Hürde sinkt im vierten Wahlgang auf eine einfache Mehrheit, die zur Wahl benötigt wird. Wenn die Regierungspartei am 12. Februar zusammenhält, kann er es schaffen.

Die Staatskrise in Griechenland – um nichts geringeres handelt es sich – ist im deutschsprachigen Raum bisher kaum ein Thema gewesen. Die Dimensionen des Eisenbahnunfalls von Tempi könnten größer nicht sein. Die Berichterstattung der Medien in Deutschland über die Massenproteste in Griechenland vom vor-vergangenen Sonntag steht in umgekehrten Verhältnis zu deren Bedeutung. Praktisch werden nur den Sachverhalt völlig verkürzende Agenturmeldungen verbreitet. Der Schweizer Rundfunk SRF bildet eine Ausnahme, auch wenn die angegebene Zahl von 30.000 Demonstranten in Athen Polizeiangaben sind – es waren mindestens zehnmal so viel.5

Gegenwärtig überschlagen sich die Ereignisse, und es ist nicht absehbar, was noch alles ans Licht der Öffentlichkeit gebracht wird und wer dabei unter die Räder kommt. Ministerpräsident Mitsotakis, soviel steht fest, ist angezählt.

Die Berichterstattung wird in Heft 64 von Lunapark21 fortgesetzt. Schon (wieder) Abonnent:in?

1 Zitiert nach Neues Deutschland vom 19.5.2023.

2 Diese These wird vom Vorab-Bericht einer Untersuchung der Universität Gent bestätigt. Kathimerini vom 5.2.2025: https://www.kathimerini.gr/visual/infographics/563453143/tempi-olo-to-apokalyptiko-porisma-gia-tis-ekrixeis-to-chroniko-tis-fotias-meta-ti-sygkroysi/; ebenso vom Draft der Nationalen Organisation zur Aufklärung von Luftfahrt- und Eisenbahnunfällen sowie Sicherheit des Verkehrs (EODASAAM). Zeitung der Redakteure vom 3.2.2025: https://www.efsyn.gr/politiki/461799_kaiei-proshedio-gia-porisma-soreia-lathon-kai-paraleipseon

3 Nach den Wahlen vom 25. Juni 2023 wechselte Triantopoulos auf den Posten des Staatssekretärs im Ministerium für Klimakrise und Zivilschutz. Am 6. Februar 2025 kündigte er seinen Rücktritt.

4 Zeitung der Redakteure vom 4.2.2025: https://www.efsyn.gr/politiki/boyli/461982_pasok-zita-proanakritiki-kata-triantopoyloy-gia-mpazoma-sta-tempi

5 SRF vom 29.1.2025: https://www.srf.ch/news/international/proteste-in-griechenland-massenproteste-fuer-aufklaerung-von-zugkatastrophe-ein-ueberblick

Kalt erwischt

Herausforderungen und ungelöste Probleme der Wärmewende im Gebäudesektor am Beispiel Berlins

»Die Debatte um das Gebäudeenergiegesetz, also wie heizen wir in Zukunft, war ja ehrlicherweise auch ein Test, wie weit die Gesellschaft bereit ist, Klimaschutz – wenn er konkret wird – zu tragen«, sagte Robert Habeck (B90/ Die Grünen) Ende Mai diesen Jahres. Er löste damit eine heftige Debatte aus. Konservative Kreise beschuldigten ihn, die Bevölkerung zum »Versuchskaninchen« grüner Klimaschutzpolitik machen zu wollen. Abgesehen vom konservativen Furor offenbaren die Worte des Vizekanzlers eine Wahrheit, die nur ungern ausgesprochen wird: Die Frage, wie der Gebäudebestand in Deutschland bis 2045 klimaneutral werden und dabei für breite Schichten der Bevölkerung bezahlbar bleiben kann, ist unbeantwortet.

In der Wärmewende steckt enormer sozialer Sprengstoff. Einen Großteil der CO2-Emmissionen im Gebäudebereich entfällt auf die »worst performing buildings« (WPB). Gleichzeitig wohnen hier besonders viele einkommensarme Menschen: Für unsanierte Wohnungen werden vergleichsweise geringe Mieten verlangt. Und nicht jeder Wohnungseigentümer ist reich.

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Wie könnte die Struktur einer neuen DB aussehen?

Michael Jung, Hamburg

Dieser Artikel wurde in Memoriam Winnie Wolf verfasst, der den Autor wenige Wochen vor seinem Tode aufgefordert hatte, in Fortsetzung/Ergänzung seiner Artikel im Alternativen Geschäftsbericht 2022 der DB sich für die kommende Ausgabe von Lunapark Gedanken zu machen, über eine mögliche Organisationsstruktur eines DB-Konzerns, die um eine Gemeinwohl- orientierte besser gemeinnützige Infrastrukturgesellschaft herum aufgebaut werden müsse.

  1. Der Istzustand

Bahnchef Dr. Richard Lutz musste vor dem Untersuchungsausschuss des Bayrischen Landtages zu den exorbitanten Kostensteigerungen beim Projekt „S-Bahnstammstrecke München“, eingestehen, dass man im Bahnvorstand nicht über die Kosten einzelner Bahnprojekte diskutiere. Das macht mehr als deutlich, wie wenig der Fokus des Managements der Deutschen Bahn auf ihrem eigentlichen Kerngeschäft, dem Bahnbetrieb und dem Bau und die Unterhaltung der Bahninfrastruktur in Deutschland liegt. Lieber sonnt man sich im Glanze guter Geschäftszahlen von DB-Schenker, die aber vor allem mit Nichtbahngeschäft und überwiegend im Ausland erwirtschaftet wurden, und das z.T. hochdefizitäre Geschäftsergebnis in den reinen Bahnsparten, besonders bei DB-Cargo, überstrahlten.

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Klimakriminelle

Das ist eine echte Premiere. Dass der Staat ziemlich rabiat und nicht immer psychologisch klug gegen Leute vorgeht, die ihn in Frage stellen, vor allem gegen linke Revoluzzer und Anarchist:innen, die ein ganz neues System einführen wollen, das kennen wir. Ist ja sogar irgendwie verständlich. Aber dass er Menschen als kriminell einordnet, die nichts anderes als die Realisierung seines eigenen Regierungsprogramms beschleunigt sehen wollen, das ist tatsächlich eine Novität – und kein Wunder, dass er da (fast) die gesammelte Opposition im Rücken hat.

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Die Lüge vom erschwinglichen Essen

Pestizide und ihre versteckten Kosten

Spätestens seit der Finanzkrise 2008 ist die Bedeutung von Lebensmittelpreisen für die gesellschaftliche Stabilität erneut in das allgemeine Bewusstsein zurückgekehrt. Damals gab es in über 40 Ländern so genannte Food Riots, Hungerrevolten, die mehrere Regierungen ins Wanken brachten und zum Sturz der Regierung von Haiti führten.

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Tragik der Allmende

Gedanken eines Bewohners der Tagebauregion zum Wert unseres Grundwassers

Unter dem Begriff der Tragik der Allmende kennen wir die Problematik von uns allen kostenlos zur Verfügung stehenden Gütern: Da für ihre Nutzung kein (angemessener) Preis zu entrichten ist und eine Ausweitung des Verbrauchs zunächst nur der Allgemeinheit schadet, dem Einzelnen aber einen Vorteil bringt, fehlt der individuelle Anreiz für eine schonende und nachhaltige Bewirtschaftung.

Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass auch in Deutschland nicht mehr von einer grenzenlosen Verfügbarkeit an Trinkwasser ausgegangen werden kann. Zwar liegt der Wasserverbrauch der Privathaushalte momentan noch etwa zehn Prozent unter dem Wert von 1991, allerdings dürfte dies eher mit sparsameren Haushaltsgeräten und WC-Spülungen zu erklären sein als mit einer Änderung des Verbraucherverhaltens. Dagegen könnte der sich in den vergangenen Jahren abzeichnende neuerliche Anstieg ein Anzeichen für höhere Entnahmen sein, auch zur Gartenbewässerung.

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Versemmelt und Versandet

Die Vertiefung der Fahrrinne der Elbe scheitert an den Gezeitenkräften

Debakel im hohen Norden der Republik: Die Elbvertiefung als größter wasserwirtschaftlicher Eingriff aller Zeiten galt Ende letzten Jahres als gescheitert, Deutschlands größter Seehafen konnte sich nur mit Not, Mühe und noch mehr Geld eine Atempause bei der Hafenschlick-Problematik verschaffen und aktuell rauschen die Umschlagszahlen in den Keller.  Grundlegende Probleme des Hafens werden nicht in Angriff genommen – offenbar regiert allein das Prinzip Hoffnung an der Unterelbe.

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Venedig-Impressionen

Oder: Warum die Lagunenstadt auch heute noch Vorbild für eine autofreie Stadt ist

Die 30 Millionen Menschen, die alljährlich Venedig besuchen, dürften auch dann, wenn sie keinen ausgeprägten Kunstsachverstand haben, von der Lagunenstadt begeistert sein. Diese massenhaften „Besuche“ wiederum werden von den meisten der nur noch rund 50.000 Menschen, die in der Lagunenstadt, im „centro storico“, mit festem Wohnsitz leben, überwiegend als Heimsuchung empfunden, auch wenn deren Einkommen überwiegend vom Tourismus abhängt – was in Zeiten der Pandemie besonders schmerzhaft zu spüren war.

Inwiefern die Impressionen, die ich bei meinem sechstägigen Aufenthalt in der Lagunenstadt im Januar hatte, von den durchschnittlichen Touristinnen und Touristen vergleichbar empfunden werden, weiß ich nicht. Zumindest unbewusst dürfte es jedoch bei allen das Gefühl geben, dass diese Stadt etwas Besonderes ist. Dass es hier – trotz Tourismus-Flut, trotz Immobilienspekulation, trotz Privatisierungen und Kunst-Ausverkauf – in Ansätzen etwas gibt, das man als „echte Stadtqualität“ bezeichnen kann. Susanna Böhme-Kuby, die wir im eher ruhigen Viertel Dorsoduro besuchten, spricht zu Recht von der „Einzigartigkeit dieses relativ kleinen urbanen Konglomerats (von etwa 800 Hektar, ohne Laguneninseln)“, bei dem dank der besonderen Lage „mit differenzierten, einander ergänzenden Verkehrsebenen (Kanälen und Gehwegen) die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten eben keine Gerade ist.“1

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Die Mutter aller Unfälle: Privatisierung

Das Eisenbahnunglück in Griechenland

Wenn ein europäischer Mensch in den 1970er Jahren den Wilden Westen pur erleben wollte, musste er nicht die lange USA-Reise antreten. Eine Bahnreise von Saloniki nach Athen hätte genügt.

Die Wiederentdeckung der Langsamkeit auf der eingleisigen Strecke, die fallweise steile Neigung zwischen den Gleisen, die stundenlangen Unterbrechungen der Fahrt sowie das mit Samt gepolsterte Interieur der Abteile schufen eine Atmosphäre, die an die Anfänge der US-Eisenbahn Mitte des 19. Jahrhunderts erinnerte. Nur die „Indianer“ fehlten, um das Klischee aus den einschlägigen Western zu vervollständigen. Dafür war aber die Gefahr einer Entgleisung oder des Zusammenstoßes mit einem entgegenfahrenden Zug nicht viel geringer als in dieser so weit zurückliegenden Zeit.

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Zugunglück in Burgrain – neue Erkenntnisse

Weiteres Indiz für die Verwahrlosung der Deutschen Bahn

Am 3. Juni 2022 gab es in Burgrain, in der Nähe von Garmisch-Partenkirchen, Bayern, ein schweres Zugunglück. Ein gut besetzter Regionalexpress entgleiste, mehrere Waggons stürzten einen steilen Bahndamm hinunter. Fünf Menschen starben, 68 Fahrgäste erlitten teilweise schwere Verletzungen. Die Deutsche Bahn AG argumentiert seither, vieles spreche dafür, dass Betonschwellen, die im Unfallbereich „teilweise Unregelmäßigkeiten in der Materialbeschaffenheit“ aufgewiesen hätten und die wiederum aus einer größeren Charge stammten, mitursächlich für das Unglück gewesen seien.

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