Wie könnte die Struktur einer neuen DB aussehen?

Michael Jung, Hamburg

Dieser Artikel wurde in Memoriam Winnie Wolf verfasst, der den Autor wenige Wochen vor seinem Tode aufgefordert hatte, in Fortsetzung/Ergänzung seiner Artikel im Alternativen Geschäftsbericht 2022 der DB sich für die kommende Ausgabe von Lunapark Gedanken zu machen, über eine mögliche Organisationsstruktur eines DB-Konzerns, die um eine Gemeinwohl- orientierte besser gemeinnützige Infrastrukturgesellschaft herum aufgebaut werden müsse.

  1. Der Istzustand

Bahnchef Dr. Richard Lutz musste vor dem Untersuchungsausschuss des Bayrischen Landtages zu den exorbitanten Kostensteigerungen beim Projekt „S-Bahnstammstrecke München“, eingestehen, dass man im Bahnvorstand nicht über die Kosten einzelner Bahnprojekte diskutiere. Das macht mehr als deutlich, wie wenig der Fokus des Managements der Deutschen Bahn auf ihrem eigentlichen Kerngeschäft, dem Bahnbetrieb und dem Bau und die Unterhaltung der Bahninfrastruktur in Deutschland liegt. Lieber sonnt man sich im Glanze guter Geschäftszahlen von DB-Schenker, die aber vor allem mit Nichtbahngeschäft und überwiegend im Ausland erwirtschaftet wurden, und das z.T. hochdefizitäre Geschäftsergebnis in den reinen Bahnsparten, besonders bei DB-Cargo, überstrahlten.

Da in 2022 durch die explosionsartig gestiegen Frachteten im See- und Luftverkehr der Auslandsaumsatz der DB bedingt durch DB Schenker mittlerweile mehr als 50% des Gesamtumsatzes ausmacht, hat sich der Managementfokus der DB auch dementsprechend verschoben. Das Kerngeschäft steht im Hintergrund. Die Wahrnehmungen in der Politik und in der deutschen Öffentlichkeit ist leider eine gänzlich andere. Dort wird die DB als rein deutsches Bahnunternehmen für den Nah- und Fernverkehr wahrgenommen, welches auch einige Geschäftsbeteiligungen im Ausland hat. Auch fast 30 Jahre nach Verschmelzung der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Reichsbahn (beide in der Rechtsform einer Anstalt öffentlichen Rechts geführt) zum 1.1.1994 und Neuaufstellung als Deutsche Bahn AG, wobei der Bund 100% Gesellschafter blieb, redet noch jeder zweite, ob wissentlich oder unwissentlich, wenn er von Bahn in Deutschland redet, von „Bundesbahn“. Das heißt nichts anderes, in den Augen der meisten Fahrgäste und Bahnkunden wird der Deutschen Bahn AG eine hohe Affinität zum Staat zugerechnet und erwartet, dass dieses Unternehmen in gesamtstaatlichen Interesse und somit im Interesse der Bürger handelt. Tut sie leider nicht. Leider bekommen das die meisten Bürger nicht mit. Kaum einer macht sich die Mühe den leicht öffentlich zugänglichen Geschäftsbericht des DB-Konzerns zu lesen.(Kann mit mail an ir@deutschebahn.com als Printversion bezogen werden, ist aber auch im Netz abrufbar.) Dieser ist aufgebaut wie der Geschäftsbericht einer üblichen international agierenden Aktiengesellschaft. Kriterien der Kapitalverwertung stehen im Vordergrund. So ist im DB Konzern das entscheidende Zielkriterium für die erfolgsabhängige Vergütung des Vorstandes die Kennzahl ROCE (=Return on Capital Employed). Jeder normal denkende Bürger würde erwarten, dass Kriterien für Pünktlichkeit, Fahrgastzufriedenheit, reaktivierte und/oder elektrifizierte Streckenkilometer, Steigerung des Frachtvolumens auf der Bahn, Zahl der beförderten Passagiere etc. Erfolgskriterien seien. Weit gefehlt, diese nachvollziehbaren Erfolgsparameter finden genau nicht Eingang in die „Erfolgsabhängige“ Vergütung der über 3.000 DB-„Führungskräfte“, die Boni beziehen.

Im Manager Magazin 6/2023 („Schöner scheitern“ von Michael Machatschke) wurde auch klar festgestellt: Bei einer so negativen Erfolgsbilanz wie bei der DB AG wäre in jedem privatwirtschaftlichen Unternehmen schon vor Jahren das Management ausgetauscht worden. Bei der DB kleben alle an ihren gutdotierten Sesseln, es sei denn sie können sich für ein dreifaches Salär bei einem Immobilienmogul verdingen (ex-Infrastrukturvorstand R. Pofalla), der dann pikanterweise einen Hauptteil seiner Geschäfte mit der DB abwickelt.

Um die Performance der DB AG vor allem im Infrastrukturbereich vom Kopf auf die Füße zu stellen, bedarf es nicht nur eines Komplettaustauschs der Spitzenmanagements  bei DB AG, und ihrer sechs wichtigsten Tochtergesellschaften wie DB Netz AG, DB-Fernverkehr, DB-Regio AG, DB Station & Service AG; DB Cargo und DB Energie GmbH und auch in allen relevanten Tochtergesellschaften, die entweder vom DB-Konzern direkt gehalten werden, oder bei den vorgenannten Tochtergesellschaften, sondern auch einer gesamthaften organisatorischen Neuaufstellung des Konzerns.

  • Die Abspaltung von DB Schenker als Grundvoraussetzung

Die Rechtsform einer AG für die fusionierte Bahngesellschaft des wiedervereinigten Deutschlands wurde damals von der Kohl-Regierung bewusst gewählt, um sich Optionen für eine spätere Privatisierung offenzuhalten. Der Privatisierungsrausch der frühen 2000er Jahre nahm allerdings erst mit der Machtübernahme durch Rot-Grün (Schröder/Fischer) voll Fahrt auf. Die Privatisierung einstmaliger Bundesunternehmen, oder Unternehmen mit einer starken Bundesbeteiligung galt, besonders vor dem Platzen der dot.com-Blase, als das Erfolgsrezept schlechthin für die Sanierung der durch die Wiedervereinigung klammen Staatsfinanzen. So wurden damals in schneller Reihenfolge hintereinander die Bundesanteile an der Deutschen Lufthansa, der Deutschen Telekom, der Deutschen Post, des Autobahn-Raststättenbetreibers Tank&Rast, des Frankfurter Flughafens usw. an die Börse gebracht. Dabei wählte die damalige Bundesregierung den interessanten Weg, die Bundesbeteiligung an die zu 1000% im öffentlichen Besitz befindlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) (in der Rechtsform einer Anstalt öffentlichen Rechts (AöR)) zu verkaufen, um sofort die Privatisierungserlöse vereinnahmen zu können, aber nicht die Risiken eines Börsengangs dieser großen Unternehmen auf einen Schlag zu tragen. Es war dann Aufgabe der KfW diese Bundesbeteiligungen kursschonend und Erlös maximierend über einen längeren Zeitraum an der Börse unterzubringen. Dies ist dann auch erfolgreich geglückt, wobei die KfW auch noch Jahre nach der Übernahme der einstmals vom Bund gehaltenen Aktien, signifikante Anteile besonders an der Telekom und an der Deutschen Post hielt.

Ähnlich ließe sich die Abspaltung von DB Schenker, die mit 27,6 Mrd. Euro Umsatz (2022), 75.900 Mitarbeitern, 1.850 Standorten in 130 Ländern zu einem der weltweit führenden Logistikunternehmen gehört, aus dem Konzernverbund der DB AG gestalten. DB Schenker ist bereits eine AG. Einen Teil davon an die Börse zu bringen wäre im gegenwärtigen Börsenumfeld sicher kein Problem. Den Rest der Anteile könnte dann noch o.g. Muster die KfW über einen längeren Zeitraum hinweg, nachdem die DB AG alle ihre Anteile auf die KfW übertragen hat, von dieser an der Börse platziert werden. DB Schenker würde mittelfristig dann auch einen anderen Namen ohne DB bekommen müssen, um die Trennung vom DB Konzern auch nach außen hin sichtbar zu machen. Damit würde die DB zwar knapp die Hälfte ihres gegenwärtigen Umsatzes einbüßen, wäre aber von vielen nicht bahnaffinen Geschäftsfeldern befreit, und würde dem Top-Management eine volle Konzentration auf das Bahnkerngeschäft erlauben, an dem es seit Jahren mangelt. Das Bahnbilanzvolumen würde aber nicht in gleichem Ausmaß schrumpfen, die Gewinne hingegen überproportional. Damit gerieten die defizitären Geschäftsbereiche bei der DB stärker in den Fokus des Managements und der Politik, die über das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) die Aufsicht über die DB hat.

  • Neuorganisation der operativen Bereich der DB

Die nach Abspaltung von DB Schenker verbleiben operativen Bereich DB-Fernverkehr, DB Regio und DB Cargo stehen bereits massiv im Wettbewerb. Am stärksten DB Cargo. Ihr Anteil am Bahngüterverkehr in Deutschland unterschreitet bald die 50% Marke. DB Region kontrolliert auch nur noch weniger als zwei Drittel des Regionalverkehrs. Manche Regionen sind im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) faktisch schon „DB-frei“. Ob das positiv zu bewerten ist, sei dahingestellt. Aber da die Beförderungsaufträge im SPNV von den öffentlichen Aufgabenträgern vergeben werden, zeigt dies mehr als deutlich, was die jeweilige Landespolitik von der Qualität des DB SPNV hält. Lediglich im Fernverkehr kann sich die DB aufgrund der hohen Anlagenintensität noch einigermaßen der Konkurrenz erwehren, die derzeit nur in Form von Flixtrain  und RDC beim Sylt-Shuttle besteht, aber die ausländischen Bahngesellschaften stehen ante Portas, um auch in diesen Markt einzudringen. So tummeln sich im Nachtzugeschäft, das die DB nicht mehr betreibt, neben der ÖBB bereits drei private Anbieter und weiter haben ihr Interesse bekundet.

Daher wäre es geboten, die drei Gesellschaften Fernverkehr, Regio und Cargo in eine neue DB-Operations GmbH einzubringen, die dann deren AG-Anteile hält. Diese Gesellschaft muss mit einer klaren und sehr schlangen Managementstruktur aufgestellt werden, um den Verwaltungswasserkopf der sich seit der Bahnfusion 1994 bei der DB AG herausgebildet hat, abzubauen. Die drei Betriebsbereiche werden als Hauptabteilungen der DB Operations geführt und nicht als eigenständige Aktiengesellschaften mit eigenen Aufsichtsräten, Geschäftsberichten usw. Oberstes Ziel von DB Operations muss es sein, den operativen Bereich der Betriebsgesellschaften zu stärken und schlanke Entscheidungsstrukturen zu schaffen. Dazu muss auch die Zahl der in die Hunderte gehenden Tochtergesellschaften (insgesamt hat die DB AG lt. Geschäftsbericht 2022 521 Tochtergesellschaften!) massiv reduziert werden, um den hausinternen Verwaltungs- und Abstimmungsaufwand zu reduzieren. Nicht umsonst beschäftigt die DB AG heute in der „Plüschetage“ mehr Mitarbeitende als Deutsche Bundesbahn und Reichbahn zusammen, die regelmäßig für ihre beamtenmäßige Bürokratie kritisiert wurden.

  • Die geplante Infrastrukturgesellschaft gleich richtig aufstellen
    • Vorbemerkung

Einen Sonderfall stellt die Bahninfrastruktur dar. Hier ist die DB AG quasi Angebotsmonopolist. Sie muss die Bahninfrastruktur (kleinere private Bahninfrastrukturbetreiber können angesichts derer geringen Bedeutung hier außen vor bleiben) diskriminierungsfrei auch Dritten, Nicht DB-Gesellschaften zur Verfügung stellen. Hierfür hat die EU klare Regeln aufgestellt, an die sich zu halten, der DB heute immer noch schwerfällt.
Die Diskussion zur klaren Trennung von Bahninfrastruktur und Bahnbetrieb gibt es seit den EU-Vorgaben schon seit mehr als zehn Jahren. Angesichts der Tatsache, dass mittlerweile 50% des Schienengüterverkehrsvolumens und 40% des Schienenpersonennahverkehrs-volumens nicht mehr von der Deutschen Bahn AG (DB) erbracht werden, hat die Forderung ihre Berechtigung und wird auch so von der zweitstärksten Eisenbahngewerkschaft GDL erhoben. Die DB zusammen mit der Gewerkschaft EVG geht immer noch von einem integrierten Bahnkonzern aus, in dem zwar die Infrastruktur formal getrennt ist (um den EU-Auflagen zu genügen), aber in Praxis, insbesondere was die Finanzströme angeht, über Ergebnisabführungsverträge abhängig unter dem Konzerndach geführt wird. So können Überschüsse aus dem Infrastrukturbetrieb für defizitäre eigenwirtschaftlich Betriebsteile, besonders auch im Ausland verwendet werden. Unter der anhaltenden Kritik, besonders des Bundesrechnungshofes an dem intransparenten Finanzgebaren im DB-Konzern, sah sich die Ampel-Koalition gezwungen, die Ausgliederung der Bahn-Infrastruktur in eine gemeinwohlorientierte Gesellschaft in den Koalitionsvertrag aufzunehmen. Nach dem jahrelang bei diesem Thema seitens des DB-Vorstandes, als auch der EVG, massiv gebremst wurde, wird plötzlich hektische Eile an den Tag gelegt, obwohl viele Fragen noch zu diskutieren sind. Daher ist davon auszugehen, dass Grüne und FDP zusammen mit dem DB-Konzernvorstand eine an sich sinnvolle Idee pervertieren, indem nur formal die DB-Netze AG und die DB Station&Service AG zusammengefasst werden, aber wichtige Teile, wie DB Energie AG für die Bahnstromversorgungsanlagen, der ganze Datenleitungs- und IT-Bereich, wie auch der Bahnbau- und Engineering-Bereich bei dieser neuen „gemeinwohlorientierten“ Infrastrukturgesellschaft außen vor bleiben. Damit würde die neue Gesellschaft ein Torso, der die alten Probleme auf einer etwas anderen Ebene fortbestehen lässt.

4.2. Was umfasst die Bahninfrastruktur

Zur Bahn Infrastruktur gehören nicht nur die augenfällig sichtbaren Teile wie Bahndämme, Brücken, Tunnel, Bahnübergänge, das Schotterbett mit den Gleisanlagen, die Oberleitungen auf den elektrifizierten Strecken, die Bahnsteige und Bahnhofsgebäude, sondern auch die weniger sichtbaren Teile, wie Stellwerke, Kraftwerke, Umspannstationen, tausende Kilometer von Kabeln für die Steuerung von Weichen, Signalen und der Kommunikation zwischen den Fahrdienstleitern in den Stellwerken und den Lokführern. Ein Zug fährt nicht autonom wie ein PKW oder LKWs, sondern nur im Zusammenspiel von Lokführer und den fest stationierten Fahrdienstleitern. In Zeiten, wo versucht wird auf immer mehr Strecken die ortsfesten Signale abzubauen und durch rein computergesteuerte Signalisierung (sog. ETCS-Level2) abzulösen, und alle Prozesse möglichst digitalisiert werden sollen, werden die Datenleitungen und die digitale Kommunikation das Rückgrat des Bankverkehrs und gehören daher zur essentiellen Infrastruktur.

Die Bahninfrastruktur in Deutschland befindet sich nach Jahrzehnten zu geringer, unterlassener oder falsch allokierter Investitionen (Großprojekt Stuttgart 21, 2. S-Bahnstamm-Strecke München, Bahnhofsverlagerung Hamburg-Altona) in einem denkbar schlechten Zustand, wie jeder Bahnkunde es täglich anhand der zunehmenden Zugverspätungen, verursacht durch Störungen von Weichen und Signalen und der zunehmenden Zahl von Langsamfahrstellen im Streckennetz, erfährt.

Trotz 7,6 Mrd. Euro öffentlicher Zuschüsse pro Jahr (Geschäftsbericht DB-Netz 2021, S.32) im Wesentlichen aus der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV), kommt die Reparatur des heruntergekommenen und durch jahrzehntelange Sparpolitik vernachlässigten Bahnnetzes nicht voran. Denn aufgrund intransparenter Finanzströme ist nicht sichergestellt, dass die öffentlichen Zuschüsse nicht in den operativen Betrieb der Bahn und die hochgradig risikobehafteten Auslandsinvestitionen fließen. /// Denn die Finanzierung der Bahninfrastruktur in Deutschland leidet an strukturellen Fehlern, wie auch schon mehrfach vom Präsidenten des Bundesrechnungshofes kritisiert wurde. So muss die DB lediglich die reine Instandhaltung ihrer Anlagen aus eigenen Mitteln finanzieren, wohingegen die Erneuerung abgängiger Infrastruktur (Brücken, Schienen, Bahnhofsanlagen, Stellwerke usw.) aus den Mitteln der LuFV bezahlt wird. Dies schafft den perversen Anreiz, die Infrastruktur nicht zu pflegen und Kleinreparaturen vorzunehmen, sondern die Anlagen auf Verschleiß zu fahren, damit sie nicht mehr Instand gesetzt werden können, um diese dann aus öffentlichen Zuschüssen finanziert, erneuern zu können. Letzteres dauert nicht nur länger und hat teils monatelange Streckensperrungen zur Folge, sondern ist auch eine unnötige Verschwendung von Ressourcen. Dies ist in Zeiten des Klimawandels unverantwortlich. Ausdruck dieser falschen Politik ist die ab 2024 beginnende Generalsanierung von Hauptstrecken des Bahnnetzes, die mit monatelangen Totalsperrungen von Magistralen des Bahnnetzes einhergeht.

4.3. Wem gehört die Bahn

Artikel 87e des Grundgesetzes regelt die Besitzverhältnisse bei der Deutschen Bahn, allerdings in einer Weise, die eine Teilprivatisierung des gesamten Unternehmens oder Teilen davon nicht ausschließt. So heißt es in Absatz 1: „Die Eisenbahnverkehrsverwaltung für Eisenbahnen des Bundes wird in bundeseigener Verwaltung geführt“. Absatz 3 wiederum stellt fest: „Eisenbahnen des Bundes werden als Wirtschaftsunternehmen in privat-rechtlicher Form geführt. Diese stehen im Eigentum des Bundes, soweit die Tätigkeit des Wirtschaftsunternehmens den Bau, die Unterhaltung und das Betreiben von Schienenwegen umfaßt“. Damit sollte eigentlich klar sein, dass die Bahninfrastruktur zu 100%, aber das wir nicht klar gesagt, im Besitz des Bundes bleiben muss. Zentral wiederum ist die Regelung des Absatzes 4, aus dem sich die Gemeinwohlorientierung, besser die Gemeinwohlverpflichtung, ableitet: „Der Bund gewährleistet, daß dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen, beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes sowie bei deren Verkehrsangeboten auf diesem Schienennetz […] Rechnung getragen wird“. Zu fordern ist daher eine volle Gemeinnützigkeit der Infrastrukturgesellschaft.

Zur Ausgliederung der Infrastrukturgesellschaft wird ein längeres Gesetzgebungsverfahren erforderlich, da nach Absatz 5 Art. 87e GG „Gesetze, die die Auflösung, die Verschmelzung und die Aufspaltung von Eisenbahnunternehmen des Bundes regeln“ der Zustimmung des Bundesrates bedürfen.

4.4. Kernelemente einer gemeinwohlorientierten Infrastrukturgesellschaft

Wenn die Ausgliederung der Infrastrukturgesellschaft, nennen wir sie Bahn Infrastruktur Gesellschaft Deutschland (BIGD),  ernst gemeint ist, dann sind dabei folgende Problemkreise zu diskutieren, zu bearbeiten und gesetzlich zu regeln:
1. Was soll die Gesellschaft umfassen,
2. Welche Rechtsform soll die Gesellschaft haben,
3. Welche prioritären Aufgaben hat die Gesellschaft zu bewältigen, was sind die Zielvorgaben
     für das Management BIGB.

  • Die BIGD ist umfassend aufzustellen

In der öffentlichen Diskussion, und auch von der DB so betrieben, wird die BIGD nur als eine Zusammenfassung von DB Netz AG und DB Station&Service AG (DB S&S) gesehen und soll unter dem Konzerndach der DB AG verbleiben. Das ist eine unzulässige Verkürzung und würde die Funktionsfähigkeit und Handlungsfreiheit der BIGD massiv beeinträchtigen. Denn zentrale Teile der Bahninfrastruktur, wie die Energieversorgung, die Bahnstromversorgung und die, gerade in Zeiten der zunehmenden Digitalisierung der Netzsteuerung immer wichtiger werdenden, Datenleitungen werden von DB Netz und DB S&S nicht erfasst. Bleiben diese im aktienrechtlich organisierten Teil des DB-Konzerns würden erneut zusätzliche Schnittstellen und wirtschaftliche Abhängigkeiten entstehen, die ein Gemeinwohlorientiertes Arbeiten der BIGD nicht ermöglichen würden. Es sei an das Negativbeispiel des Verkaufs des bahneigenen Telekommunikationsnetzes an die Telekommunikationsgesellschaft Arcor unter Maßgabe: Entlastung der Bahnbilanz von allen nicht genuinen Bahnaufgaben in den 90er Jahren in der Ära Dürr erinnert. Dem mageren Verkaufserlös standen wenige Jahre später Kosten von 2,5 Mrd. Euro gegenüber, für den Rückkauf des Netzes, weil das DB Management (zu spät) plötzlich den Wert der Datenleitungen in Zeiten der Einführung elektronischer Stellwerke erkannte und negativ überrascht war, von den hohen Kosten die Arcor der DB AG für die Nutzung der Leitungen in Rechnung stellte.

Deutsche Bahn Tochtergesellschaften, die in die Infrastrukturgesellschaft gehören 
UnternehmensnahmeKonsolidiert beiEigenkapitalBemerkungen 
Tsd. EUR 
DB Netz AG, FrankfurtDB Netze Fahrwege    10.198.539  samt sämtlicher im Konzern GB 2022 ausgewiesenen Beiligungsunternehmen 
 
DB Station&Service AG, BerlinDB Netz Personenbahnhöfe      2.558.453  samt sämtlicher im Konzern GB 2022 ausgewiesenen Beiligungsunternehmen 
 
DB Energie GmbH, FrankfurtDB Netz Energie          434.436   
 
DB Bahnbau Gruppe GmbH, BerlinDB Konzern            34.220   
 
DB Engineering&ConsultingDB Konzern            76.812   
 
DB Fahrzeuginstandhaltung GmbH , FrankfurtDB Konzern          245.749   
 
DB Kommunikationstechnik GmbH, EschbornDB Konzern               3.012   
 
DB Projekt Stuttgart – Ulm GmbH, StuttgartDB Konzern               2.342  S21 Projektgesellschaft 
  
DB Services GmbH, BerlinDB Konzern            11.706   
  
DB Sicherheit GmbH, BerlinDB Konzern               2.090   
  
DB Systel GmbH, FrankfurtDB Konzern            82.799   
  
DB Systemtechnik, MindenDB Konzern            13.942   
  
DB Vertrieb Gmbh, FrankfurtDB Konzern            95.096   
  
Deutsche Bahn Connect GmbH, FrankfurtDB Konzern            88.276   
  
Deutsche Bahn Digital Ventures GmbH, BerlinDB Konzern            27.786   
  
ESE Engineering und Software-Entwicklungs-  
GmbH, BraunschweigDB Konzern            20.431   
  
Mobimeo GmbH, BerlinDB Konzern            12.342   
 
 
Summe EK    13.908.031   


Es müssen daher zwingend alle Teile der Bahnstromversorgung einschließlich der bahneigenen Hochspannungsleitungen und Umspannwerke und der bahneigenen Kraftwerke in die BIGD überführt werden. Dazu muss die DB Energie AG mit einem Umsatz von 3,4 Mrd. Euro, die sich selbst als fünftgrößtes Energieversorgungsunternehmen Deutschlands bezeichnet, entflochten werden. Die Stromhandelsaktivitäten und der Verkauf von Strom an Industriekunden und Endabnehmer (u.a. hauptsächlich an Beschäftigte der DB AG) können im DB Konzern verbleiben. Alle anderen Aktivitäten und Anlagen gehören in die BIGD, damit der Bahnstrom diskriminierungsfrei zu gleichen Konditionen an alle Eisenbahnverkehrsunternehmen verkauft werden kann. In die BIGD gehören auch die bahneigenen Kraftwerke, die mehr als ein Drittel des Bahnstromverbrauches der DB AG abdecken und diesen preiswerter erzeugen können, als wenn der Strom zu Marktpreisen hinzugekauft werden muss.


Gleichermaßen sind alle Datenleitungen für die Zugsicherung und Steuerung sowie der bahninternen Kommunikation in die BIGD zu überführen. Dazu gehören auch alle IT Anwendungen und Programme für die Netzinstandhaltung, Neubau, etc. Diese Funktionen dürften in den Gesellschaften DB-Systel und DB-Kommunikation angesiedelt sein, die derzeit direkt in der DB Konzernbilanz konsolidiert werden. Leider ist aus der Finanzberichterstattung der DB AG nicht klar ersichtlich, welche Systeme und Funktionen in beiden Gesellschaften gebündelt sind. Die IT-Systeme für die operativen Gesellschaften sind auszugliedern.


Ganz zentral für das Funktionieren der BIGD und Steigerung derer Leistungsfähigkeit bei der Netzsanierung, Streckenreaktivierung usw. ist, dass der Inlandsteil von DB Engineering und sämtliche Bahnbau- und Werkstattaktivitäten, wie z.B. das DB Weichenwerk in Witten und das ehemalige Eisenbahntechnische Zentralamt in Minden, in die BIGD kommen und nicht im gewinnorientierten Konzern verbleiben.

Eine zusammenfassende Darstellung welche Gesellschaften in die BIGD zu überführen sind, befindet sich in obenstehender Tabelle. Ob der Fahrkartenvertrieb Anbieterneutral in der BIGD zu bündeln ist, – dafür gibt es viele valide Argumente – ist noch zu diskutieren.

4.4.2 Die Bahninfrastrukturgesellschaft erhält die Rechtsform einer Anstalt öffentlichen Rechts

Die Bundesregierung wird versuchen – ähnlich wie bei der Autobahn Gesellschaft – diese in der Rechtform einer GmbH aufzustellen, mit dem Hintergedanken, diese dann doch zu einem späteren Zeitpunkt zu Teilen am Kapitalmarkt verkaufen zu können. Dies war bei der Herauslösung der Autobahnen aus der öffentlichen Straßenbauverwaltung der zentrale Streitpunkt zwischen CDU und SPD. Die CDU konnte sich damals mit der GmbH-Lösung durchsetzen. Im Falle der Infrastrukturgesellschaft ist zu erwarten, dass FDP, Grüne, CDU in einer gedanklichen Koalition mit der DB AG dieselben Hintergedanken haben und auf der Rechtsform einer GmbH bestehen werden. Die von manchen in die Diskussion eingebrachte Rechtsform einer gemeinnützigen GmbH (eGmbH) ist aufgrund der Größe der Infrastrukturgesellschaft und der bei dieser Rechtsform bestehenden Restriktionen nicht geeignet, da sie eher auf die Bedürfnisse von Vereinen und Stiftungen zugeschnitten ist.

Daher ist es die Auffassung des Verfassers, dass die BIGD die Rechtsform einer Anstalt öffentlichen Rechts (AöR) erhalten muss. Diese Rechtsform hat sich bei der zweitgrößten deutschen Bank, der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), die sich zu 100% im Besitz der öffentlichen Hand befindet, seit 75 Jahren bewährt. Die Rechtsform einer AöR erlaubt einen direkteren politischen Zugriff auf die Zielvorgaben und das Management der BIGD, als die derzeit von der Bundesregierung angestrebte Rechtsform einer GmbH. Es ist nicht auszuschließen, dass für die Gründung der BIGD in der Rechtsform einer AöR eine Änderung von Art. 87e GG erforderlich ist. Diese kann aber gleichzeitig auch dazu genutzt werden die Arbeitsauftrag für die Infrastrukturgesellschaft präziser zu fassen.


Die organisatorische Aufstellung der BIGD als zentral geführte Einheitsgesellschaft ist mit umfassenden Eingriffen in die derzeitige Konzernstruktur der DB AG verbunden. Sie muss mit dem Ziel erfolgen Schnittstellen und Doppelfunktionen abzubauen und agile und entscheidungsstarke Strukturen zu schaffen. Dazu sollen die in die BIGD zu überführenden Gesellschaften auf die wirtschaftlich stärkste Gesellschaft, dies ist die DB Netz AG mit einem Umsatz von 6,3 Mrd. Euro (2022), einem Anlagevermögen von 22,9 Mrd. Euro, einem jährlichen Investitionsvolumen von 9,0 Mrd. Euro und 52.500 Mitarbeitern (Angaben aus Deutsche Bahn, Integrierter Bericht 2022, S.214), verschmolzen werden.


Für die BIGD gibt es nur einen Vorstand und einen Aufsichtsrat. Das Wirrwarr der hunderten von Tochtergesellschaften mit eigenen Geschäftsführern und Aufsichtsräten muss beendet werden. Eine massive Verschlankung der Verwaltungsstrukturen durch den Abbau von Doppelfunktionen muss das Ziel sein. MOFAIR hat dazu in einem Grundsatzpapier dazu klare Forderungen aufgestellt (MOFAIR, Kapazität, Qualität und Kundenorientierung: Eine starke Schieneninfrastrukturgesellschaft für die Verkehrswende, Berlin, 27.Januar 2022):

  • Kündigung aller Ergebnisabführungs- und Beherrschungsverträge zwischen Unternehmensteilen, die in die BIGD überführt werden und der DB AG. Das Jahresergebnis der BIGD wird unabhängig festgestellt und der Aufsichts-/Verwaltungsrat der BIGD entscheidet über die Gewinnverwendung/Verlustabdeckung.
  • Vollständige finanzielle Entflechtung zwischen den Gesellschaften, die in die BIGD aufgehen und der DB AG. Jegliche Querfinanzierung zwischen den gemeinwohlorientierten und wettbewerblichen Bereichen wird ausgeschlossen. Jegliches Cash-Pooling wird beendet. Eine eigenständige Budgetplanung ist aufzustellen. Kreditaufnahmen dürfen nur für die Zwecke der BIGD erfolgen. Die Altschulden werden aufgeteilt, je nach ursprünglichem Verwendungszweck. Eine Bedienung von Altschulden der Transportgesellschaften durch die BIGD ist auszuschließen.
  • Vollständige personelle Entflechtung, d.h. im DB AG Vorstand gibt es keine Zuständigkeit für Infrastruktur mehr. Die heutigen Konzernbevollmächtigten sind entweder nur für die BIGD oder die DB AG tätig. Die konzerntypischen Querschnittsfunktionen wie Personal, Marketing, Recht, Controlling, Politik/Lobbying, etc. werden für die BIGD und DB AG klar voneinander getrennt. Es darf keine sog. Service-Level-Agreements zwischen der BIGD und der DB AG geben. Besehende Vereinbarungen sind aufzulösen. In den Gremien der BIGD dürfen keine Personen sitzen, die in einem Unternehmen der DB AG eine Funktion ausüben.
  • Die BIGD erhält einen 20-köpfigen Verwaltungsrat, darunter zehn Arbeitnehmervertreter, fünf ministeriale Vertreter (Finanzen, Verkehr, Wirtschaft), drei Vertreter von Betrieben der der Verkehrsarten (SPNV, SPFV, SGV) sowie zwei Vertreter der Aufgabenträger.

4.4.3 Der Erfolg der BIGD hängt von den Zielvorgaben für das Management ab

Das Management der BIGD muss von der Politik klare Vorgaben erhalten, die sich an folgenden Prioritäten orientieren:

  • Abbau des Instandhaltungsrückstaus im Bestandsnetz
  • Reaktivierung von x km stillgelegter Eisenbahnstrecken
  • Schaffung von x km Ausweichstrecken pro Jahr
  • Wiedereinbau von x Tausend Weichen pro Jahr
  • Vollständige Elektrifizierung des Bahnnetzes binnen 10 Jahren
  • Beseitigung der schlimmsten Engpassstellen in fünf Jahren
  • Lärmsanierung von x km Bestandsstrecke pro Jahr
  • Einstellung überflüssiger, bzw. kontraproduktiver Großprojekte wie S21, 2. S-Bahn-Stammstrecke München, Bahnhofsverlagerung Hamburg.
  • Einstellung der Planungen für neue HGV-Strecken. Fokussierung des Streckenausbaus entsprechend den Vorgaben „Takt vor Tempo“ zur Erhöhung der Bedienfrequenz auf einen Deutschlandweiten Halbstundentakt auf den Hauptstrecken.
  • Sofortiger Stopp des Ausverkaufs von Infrastruktur, sofortiger Stopp von laufenden Freistellungs- und Entwidmungsvorgängen.
  • Beseitigung falscher Anreize, die zur Stilllegung von Anlagen für Personen- und Güterverkehr führen. Schutz möglicher Be- und Entladeschnittstellen, auch stillgelegter Güteranlagen, um eine schnelle Wiederinbetriebnahme zu ermöglichen.
  • Absenkung der Trassenpreise auf die unmittelbaren Kosten des Zugbetriebes (siehe MOFAIR, a.a.O. S. 12).

Auf der Finanzierungsseite ist die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LUFV) so anzupassen, dass Streckeninstandhaltung und Sanierung belohnt wird gegenüber dem Ersatzneubau von Infrastruktur. Ferner sind die Mittel aus Einnahmen der LKW-Maut signifikant aufzustocken, so dass zumindest ein Gleichstand der jährlichen Investitionen zwischen Straße und Schiene dauerhaft sichergestellt ist.

  • Schlussbemerkung

Dieser massive Umbau der DB AG wird sicher ein Kraftakt, politisch, wie auch für die Beschäftigten. Aber ein Weiterwursteln wie bisher mit noch mehr Geld, dass das DB-Management dauernd von der Politik einfordert, ohne aber konkrete Ergebnisse liefern zu können und zu müssen, darf es nicht geben. Die DB AG muss wieder zu ihren Wurzeln zurückfinden. Das ist die Sicherstellung eines verlässlichen und bezahlbaren Fern- und Nahverkehrs in Deutschland und eines attraktiven Güterverkehrs, der wirklich einen Beitrag dazu leistet, die Straße zu entlasten. Das bedeutet zu allererst Abschied nehmen von der Attitüde eines Global Players, den die DB zu gerne im Ausland spielt, und eine Rückorientierung auf die Kunden, den Fahrgast, das Inland und die drängenden Aufgaben die die Bahn zur Bewältigung des Klimawandels erledigen muss. Und das zeitnah!

Michael Jung, Sprecher von Prellbock-Altona