Brief an unsere Abonnent:innen

Betr.: Das letzte Heft von Lunapark21

Juni 2023

Liebe Abonnentinnen und Abonnenten,

das Heft 62, die vorliegende Ausgabe der Lunapark21, ist das letzte. Ohne den Chefredakteur Winfried Wolf, der im Mai 2023 verstorben ist, sehen wir keine Möglichkeit, die Zeitschrift weiterzuführen. Unsere ausführliche Erklärung dazu ist im Editorial zu finden.

Wir bedanken uns bei allen Leserinnen und Lesern für ihr Interesse und ihre Treue. Ihr Zuspruch spornte uns immer wieder aufs Neue an, unsere Kraft für Lunapark21 einzusetzen, was zum weitaus größten Teil unentgeltlich geschah.

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Inhalt Abschlußheft 62

erscheint am 10. Juli 23

Heftseite/Titel/AutorIn/Online-Datum

3 · Editorial · André Geicke und Joachim Römer · 10.7.23

globaler lunapark

6 · Eingeblättert in den Alltag des systematischen Wahnsinns · 12.7.23

quartalslüge II/MMXXIII

8 · „Nachhaltigkeit“ · 14.7.23

welt & bild

9 · Fotografien von Barbara Straube · 16.7.23

welt & wirtschaft

12 · Schwächelnde Banken · Lucas Zeise · 18.7.23

14 · Credit Suisse · Jürgen Hahn-Schröder · 20.7.23

15 · Enttäuschung: Modern Monetary Theory · Sebastian Gerhardt · 22.7.23

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Bürgerlich-liberal?

Wer noch alle seine bürgerlichen Klasseninteressen beisammen hat, sollte sie nicht der FDP anvertrauen.

Wer meint, es brauchte Geld für Forschung, Innovationen und Ausbildung, kann mit der Senkung von Steuern nicht zufrieden sein. Wer weiß, dass Energie regenerativ hergestellt werden sollte, wird die Deckelung des Staatshaushaltes als Hindernis ansehen. Wer findet, dass leistungsfähiges Internet Energie und Zeit spart, beißt in sein Telefonkabel ob des Umstandes, dass im deutschen Netz Glasfaserkabel  verschiedener Anbieter nebeneinander verlegt werden. Wer begreift, dass im Krieg der Einsatz funktionierender Waffen entscheidet und nicht deren Preis, wird unterbinden wollen, dass die Rüstungsindustrie mit Höchstpreisen bedient wird.

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Vasall Kleineuropa

Ein Stellvertreterkrieg der USA gegen Russland. Mit Deutschland als ökonomischem Verlierer

In seinem Vierteljahresbericht vom 5. Februar 1926 meinte der sowjetische, aus Ungarn gebürtige Ökonom Eugen (Jen ˜ o) Varga zur Zukunft Europas: „Der Kampf um die Eroberung der Macht durch das Proletariat … kommt in Gang. Endet er nicht mit einem Sieg des Proletariats, … so kann er mit einer Vernichtung der ›überflüssigen‹ Produktionsmittel und der Vernichtung der ‚überflüssigen‘ Menschen durch Krieg, Hungersnot und Seuchen enden, und auf dieser Grundlage kann dann für Europa – als ein Anhängsel Amerikas – eventuell ein neuer Aufbau des Kapitalismus stattfinden.“

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I dreamed I saw Joe Hill last night

2015 organisierte ich zum 100sten Todestag des Songwriters und Gewerkschaftsaktivisten Joe Hill einen Konzertabend im „Museum für Arbeit” in Mannheim. Unterstützt wurde die Veranstaltung von der örtlichen 
IG Metall. Zu diesem Engagement kam es, weil sich damals beim Mannheimer Turbinenbauer Alstom eine Übernahme durch den US-amerikanischen Global-Player GE (General Elelectric) abzeichnete.

Aus Köln konnte ich für den Abend „The Overall Brigade”, mit Joe Hill-Liedern im Skiffle-Sound gewinnen. Und neben dem Chor aus Alstomkolleg|nnen, den ich damals leitete, beteiligte sich auch das kleine elektronische Weltorchester „ewo2” mit neu aufbereiteten Workersong-Klassikern, wie „Sixty tons”, „I dreamed I saw Joe Hill last night” oder „John Henry” und Brecht/Eisler-Stücken, wie der „Ballade vom Wasserrad” oder dem „Solidaritätslied”.  Fahnen und Transparente aus aktuellen Arbeitskämpfen hingen von den Balkonen des Auditoriums und die ver.di-Betriebsgruppe des Museums übernahm ehrenamtlich die technischen Dienste für diesen Abend.

Schon damals geisterte ab und zu eine unglaubliche Erzählung durch unsere Vorbereitung: Es ging um die Totenasche von Joe Hill, die über die Gewerkschaft IWW eine weltweite Verbreitung gefunden haben sollte. Eine irgendwie etwas verrückte US-amerikanische Story, die vor kurzem aber durch ein gut recherchiertes SWR2-Feature ihre Unterfütterung und Aufhellung erfuhr. In diesem Sinne also dieser Artikel.

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Venedig-Impressionen

Oder: Warum die Lagunenstadt auch heute noch Vorbild für eine autofreie Stadt ist

Die 30 Millionen Menschen, die alljährlich Venedig besuchen, dürften auch dann, wenn sie keinen ausgeprägten Kunstsachverstand haben, von der Lagunenstadt begeistert sein. Diese massenhaften „Besuche“ wiederum werden von den meisten der nur noch rund 50.000 Menschen, die in der Lagunenstadt, im „centro storico“, mit festem Wohnsitz leben, überwiegend als Heimsuchung empfunden, auch wenn deren Einkommen überwiegend vom Tourismus abhängt – was in Zeiten der Pandemie besonders schmerzhaft zu spüren war.

Inwiefern die Impressionen, die ich bei meinem sechstägigen Aufenthalt in der Lagunenstadt im Januar hatte, von den durchschnittlichen Touristinnen und Touristen vergleichbar empfunden werden, weiß ich nicht. Zumindest unbewusst dürfte es jedoch bei allen das Gefühl geben, dass diese Stadt etwas Besonderes ist. Dass es hier – trotz Tourismus-Flut, trotz Immobilienspekulation, trotz Privatisierungen und Kunst-Ausverkauf – in Ansätzen etwas gibt, das man als „echte Stadtqualität“ bezeichnen kann. Susanna Böhme-Kuby, die wir im eher ruhigen Viertel Dorsoduro besuchten, spricht zu Recht von der „Einzigartigkeit dieses relativ kleinen urbanen Konglomerats (von etwa 800 Hektar, ohne Laguneninseln)“, bei dem dank der besonderen Lage „mit differenzierten, einander ergänzenden Verkehrsebenen (Kanälen und Gehwegen) die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten eben keine Gerade ist.“1

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Die Mutter aller Unfälle: Privatisierung

Das Eisenbahnunglück in Griechenland

Wenn ein europäischer Mensch in den 1970er Jahren den Wilden Westen pur erleben wollte, musste er nicht die lange USA-Reise antreten. Eine Bahnreise von Saloniki nach Athen hätte genügt.

Die Wiederentdeckung der Langsamkeit auf der eingleisigen Strecke, die fallweise steile Neigung zwischen den Gleisen, die stundenlangen Unterbrechungen der Fahrt sowie das mit Samt gepolsterte Interieur der Abteile schufen eine Atmosphäre, die an die Anfänge der US-Eisenbahn Mitte des 19. Jahrhunderts erinnerte. Nur die „Indianer“ fehlten, um das Klischee aus den einschlägigen Western zu vervollständigen. Dafür war aber die Gefahr einer Entgleisung oder des Zusammenstoßes mit einem entgegenfahrenden Zug nicht viel geringer als in dieser so weit zurückliegenden Zeit.

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