Siebter Oktober

Antisemitismus und internationale Solidarität

Palästinenserinnen und Palästinenser brauchen unsere Solidarität. Das schien schon eine Zeit lang in Vergessenheit geraten zu sein. Doch seit dem vergangenen Herbst haben sich viele Menschen weltweit wieder besonnen und sich lautstark für Palästina und die Palästinenser eingesetzt. Der Zeitpunkt dieser Rückbesinnung ist bemerkenswert.

Nachdem Bewaffnete der Hamas, einer palästinensischen Organisation, die die Tötung aller Juden zu ihrem Ziel erklärt, an die 1200 Menschen in Israel mordeten und mehr als 5000 verletzten, Zivilist:innen zumeist, Alte wie Kinder, die sie oft in entsetzlichster Weise quälten und verstümmelten, da antworteten Demonstrierende auf der halben Welt, als ob eine Forderung nach Solidarität mit Palästina am Himmel aufgeleuchtet hätte.

Solidarität, Anteilnahme, Mitleid mit den Opfern dieses Massakers und mit deren Angehörigen wurden nur spärlich und zögernd laut.

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Vasall Kleineuropa

Ein Stellvertreterkrieg der USA gegen Russland. Mit Deutschland als ökonomischem Verlierer

In seinem Vierteljahresbericht vom 5. Februar 1926 meinte der sowjetische, aus Ungarn gebürtige Ökonom Eugen (Jen ˜ o) Varga zur Zukunft Europas: „Der Kampf um die Eroberung der Macht durch das Proletariat … kommt in Gang. Endet er nicht mit einem Sieg des Proletariats, … so kann er mit einer Vernichtung der ›überflüssigen‹ Produktionsmittel und der Vernichtung der ‚überflüssigen‘ Menschen durch Krieg, Hungersnot und Seuchen enden, und auf dieser Grundlage kann dann für Europa – als ein Anhängsel Amerikas – eventuell ein neuer Aufbau des Kapitalismus stattfinden.“

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Die USA – Weltordnungs- oder Weltunordnungsmacht?

Doppelstandards und Blindheit in der historischen Rückschau

An viele der Krisen und Kriege seit dem Zweiten Weltkrieg erinnern wir uns kaum, oder wir haben sie verdrängt, vergessen oder wollen sie als Beiträge zu Frieden, Freiheit, Demokratie und Sicherheit wahrnehmen.

Thilo Bode, langjähriger Chef von Greenpeace und bis Ende vergangenen Jahres Geschäftsführer von Foodwatch International erinnerte sich im Mai im Zeit-Interview an einen Besuch im Jahr 1969 bei seinem Vater, der damals Korrespondent der Süddeutschen Zeitung in Singapur war. Die Faktenlage und der Standpunkt respektive das väterliche Narrativ bezüglich des Vietnamkriegs stimmten überein: „Der Vietnamkrieg ist ein verbrecherischer Krieg der USA.“ Für den 22-Jährigen wie für den heute 75-Jährigen Bode gilt diese Übereinstimmung von Fakten und Narrativ ebenfalls für den aktuellen Ukraine-Krieg: „Der russische Angriffskrieg ist ein schreckliches Verbrechen“.

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„Deutsche Krieger“ werden wieder hoffähig

Bundeszentrale für Politische Bildung subventioniert Militärverherrlichung

Die vom deutschen Bundeskanzler ausgerufene Zeitenwende nebst Vollzug beim Zwei-Prozent-Ziel für Rüstung und des 100-Milliarden-Euro-Extra-Fonds für Hochrüstung freut die Truppe.

Die Rüstungsindustrie verspürt Rückenwind. All das passt in eine ideologische Hochrüstung in Sachen Militär. Aufschlussreich dabei ist der offizielle Umgang mit Professor Sönke Neitzel.

Einen Tag nach der „Zeitenwende“-Rede des Kanzlers brachte der Bayerische Rundfunk 2 ein Gespräch mit Sönke Neitzel, dem einzigen deutschen Professor für Militärgeschichte/Kulturgeschichte der Gewalt, lehrend an der Universität Potsdam. Die Haltung des berufenen Sicherheits-Experten im Telegrammstil: „Eine beachtliche Kehrtwende der SPD! – Wer hätte das gedacht? – Kommt viel zu spät! – Wie geht es weiter? – Die Bundeswehr braucht das dringend! – Ich hoffe, dass das viel Druck erzeugt!“

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Zeitenwende auf den Märkten

Die Preissteigerungen sind gekommen, um zu bleiben

An den deutschen Tankstellen ist vom Rabatt nichts zu sehen. Die dreimonatige Senkung der Energiesteuer auf Kraftstoffe trat am 1. Juni in Kraft – aber die Entlastung der Autofahrer und der Transportbranche blieb aus. Das parallel beschlossene 9-Euro-Ticket führt eher zu Fragen über die Leistungsfähigkeit des öffentlichen Personennahverkehrs. Und nur für steuerpflichtige Erwerbstätige ist die Energiepreispauschale von 300 Euro vorgesehen – als ob Mini-Jobber*innen, Rentner*innen und Erwerbslose keine höheren Ausgaben hätten.

Doch der Tunnelblick auf die Preise an der Zapfsäule ist irreführend. Das ganze Jahr 2021 sind die deutschen Erzeugerpreise auf breiter Front gestiegen. Nur ein Teil davon ist schon bei den Verbrauchern angekommen (siehe Grafik). Und die weltweiten Preissteigerungen lassen sich sicher nicht mit dem russischen Angriff auf die Ukraine begründen. Die Preiserhöhungen begannen auch hier vor vielen Monaten.

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Der Ukraine-Krieg und die Welternährungskrise

Zwölf Tage nach Beginn des Krieges, am 8. März, publizierte die Welternährungsorganisation (FAO) eine 40-seitige Analyse, die sich mit den Risiken befasste, die aus dem Ukraine-Krieg für die globale Lebensmittelversorgung ergeben könnten, und gab einen düsteren Ausblick.1 Ausgangspunkt der Überlegungen war der Umstand, dass in den Jahren zuvor aus Russland und der Ukraine zusammengenommen 30 Prozent der globalen Weizenexporte und über die Hälfte der Exporte von Sonnenblumenkernen bzw. -öl kamen, außerdem Mais und Gerste.

Hinzu kommt, dass die Russische Föderation Platz 1 beim Export von Stickstoffdüngern und Platz 2 beim Export von Phosphor- und Kalidünger einnimmt. Bezogen auf die globale Exportmenge lag der Anteil Russlands laut FAO-Statistik in den letzten Jahren bei allen drei Pflanzennährstoffen grob gerechnet jeweils zwischen 10 und 15 Prozent. In 25 Ländern betrug der Anteil aus Russland importierter Düngemittel bei 30 Prozent und mehr. Die Synthese von Stickstoffdünger erfolgt fast ausnahmslos unter Verwendung von Gas in einem extrem energieintensiven Prozess, dem Haber-Bosch-Verfahren.

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Ideologie mit anderen Mitteln


Verständnis und Missverständnis des Kriegs in der Ukraine


Der russische Angriff auf die Ukraine wird von verschiedenen Seiten als imperialistisch bezeichnet. Auf der 1.-Mai-Kundgebung des DGB in Düsseldorf erklärte Bundeskanzler Olaf Scholz, um Imperialismus handele es sich, wenn „mit Gewalt Grenzen verschoben und Territorien erobert werden“ – eine Definition, die banal ist und wenig zur Analyse der politischen Konstellation beiträgt.
Vor solcher Banalisierung über historische und gesellschaftliche Spezifik hinweg hatte Lenin schon 1917 in seiner Schrift über den „Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“ gewarnt. Für ihn war der Imperialismus die Konsequenz des Konkurrenzkampfes der nationalen Kapitalfraktionen um die letzten vom Kapitalismus unberührten Territorien. Zwischen 1876 und 1900 hätten sich die sechs größten Mächte England, Russland, Frankreich, Deutschland, USA und Japan die Welt quasi aufgeteilt. In dieser Phase sei die Kooperation von Staat und Kapital zum Aufbau der jeweiligen nationalen Industrie und zur Ausbreitung der kapitalistischen Produktionsweise über den Erdball eminent wichtig gewesen. Im Laufe des 20. Jahrhunderts aber behinderten Landesgrenzen, Lohnstandards und Ertragssteuern der westlichen Staaten in zunehmenden Maße die Kapitalakkumulation. Für den britischen Historiker Eric Hobsbawn (1917-2012) war das „Zeitalter des Imperiali smus”, mit dem Ersten Weltkrieg abgeschlossen, ein richtiger Weltmarkt etablierte sich jedoch erst nach dem Zweiten Weltkrieg.

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Verlorene Illusionen

Der russische Imperialismus kämpft in der Ukraine um seinen Platz an der Sonne

Nicht die Osterweiterung der Nato, sondern das Assoziierungsabkommen mit der EU war Ende 2013 der Ausgangspunkt des Ukraine-Konfliktes. Acht Jahre später setzte der russische Angriffskrieg darauf, mit starker Hand die Spaltung und Unfähigkeit des „kollektiven Westens“ (Putin) zu beweisen. Sicher, mit den USA muss man in Moskau rechnen, seit Trump nicht mehr Präsident ist. Doch die USA sind weit weg. Die Krisen der EU und die Wahrnehmung ihrer internen Konflikte (Brexit! Nord Stream 2!) hatten dagegen die Überzeugung wachsen lassen, dass man mit dem ganzen handlungsunfähigen liberalen Westen politisch fertig werden kann. Die Ukraine selbst zählte in den Moskauer Planungen nie als eine selbständige Größe. Seit dem 24. Februar 2022 sind diese Planungen in jeder Hinsicht gescheitert. Doch das heißt nicht, dass der russische Imperialismus auf seine Eroberungsziele einfach verzichten wird.

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Ukrainekrieg und Geopolitik

Jeder russische Sieg ist zugleich eine schlimme Niederlage Russlands

These: Zweiter Imperialismus, die Kontinuität des Wettrüstens und die Perspektive, dass Russland zum failed state werden könnte: Dies sind die geopolitischen Koordinaten der Ukraine-Krise.

Zweiter Imperialismus

Eine erste Entwicklungslinie, die zur gegenwärtigen Situation führte, dürfte in der Kontinuität des Imperialismus bestehen. Sie durchlief mehrere Etappen.

Seit etwa 1870 hatten die hochindustrialisierten europäischen Großmächte neue Kolonien erobert und die ökonomische Durchdringung sowie Ausbeutung ihrer bisherigen intensiviert. Sie konkurrierten um Rohstoffquellen und um Absatzgebiete für Waren und für überakkumuliertes Kapital, das auf ihren Binnenmärkten nicht mehr investiert werden konnte. Um 1900 hatten die Vereinigten Staaten von Amerika im Süden ihrer eigenen Hemisphäre sich als dominante Macht etabliert. So waren sie ebenfalls längst eine imperialistische Macht geworden.

Nach einer Übergangsperiode 1941-1945, in der eine systemübergreifende Allianz gegen den deutschen Faschismus kämpfte und siegte, trat der Imperialismus in eine Latenzperiode ein. Die kapitalistischen Mächte beendeten ihre Konflikte gegeneinander und führten unter US-amerikanischer Führung den Kalten Krieg gegen den Sozialismus.

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Teilblockade von Kaliningrad: Der Krieg rückt auf Berlin zu

Jetzt mit einer Antwort auf User-Kommentare vom 27.6.22

Es droht die Ausweitung des Ukraine-Kriegs zum europaweiten Krieg. Verantwortlich dafür sind keine Schlafwandler, sondern scharf kalkulierende Akteure. Auch in Berlin.

Zum Verständnis des Ukrainekriegs findet ein Bild Verbreitung, mit dem bereits der Erste Weltkrieg erklärt wurde. „Ziehen wir in eine Katastrophe wie die Schlafwandler 1914?“, fragt Konrad Schuller in einem ganzseitigen Artikel in der FAZ. Ähnlich der ehemalige Chefredakteur des Blattes Cicero, der unter der Überschrift „Die neuen Schlafwandler“ konstatiert: „Wie unsere Neo-Bellizisten das Risiko einer katastrophalen Eskalation nonchalant übersehen.“[1]

Auf den ersten Blick überzeugt das Bild. Der Krieg begann am 24. Februar mit der Invasion der russischen Armee in die Ukraine – und damit als regionaler Krieg. Der russische Präsident behauptete am 9. Mai, es handle sich um eine Art innerrussische Angelegenheit: „Wir führen eine militärische Spezialoperation durch – als reine Verteidigungsaktion von historischem russischen Land“. US-Präsident Joe Biden und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg versicherten mehrfach, „keinen Krieg gegen Russland führen“ zu wollen. Und der deutsche Kanzler Olaf Scholz stellte am 23. März im Bundestag klar: „Wir werden der Ukraine helfen, ohne selbst Kriegspartei zu werden.“

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