Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser,

Lunapark21 Heft 62 ist die letzte Ausgabe dieser Zeitschrift.

Am 22. Mai ist Chefredakteur Winfried Wolf gestorben. Er hat gegen die Krankheit gekämpft. Eine Operation zwei Jahre zuvor und eine neuartige Immuntherapie zeitigten Erfolg. Um ihm Zeit zur Erholung zu geben, brachten wir die Herbst-Ausgabe 2022 als Doppelnummer heraus und legten eine Pause ein. Anfang dieses Jahres schien Winfried Wolf in guter Verfassung zu sein. „Die Berliner Charité ist der Auffassung, dass mir einige Zeit – ›ein paar Jährchen‹ – geschenkt wurden. Wir werden sehen“, hatte er im Editorial der Frühjahrs-Ausgabe Heft 61 geschrieben.

Für den Mai hatte er eine Zusammenkunft von Freudinnen und Freunden der Lunapark in Südtirol organisiert, um sich in schöner Natur über politische und publizistische Per-spektiven auszutauschen. Doch sein Zustand verschlechterte sich, er musste erneut in die Charité und beschwor uns, das geplante Treffen auf jeden Fall stattfinden zu lassen.

Wir fuhren, es stand schlecht um Winfried Wolf, wir hofften auf ein Wunder und waren schockiert, als es ausblieb. Wir haben den Chefredakteur verloren, wir haben einen Freund verloren, wir haben unseren Winnie verloren.

Lunapark21 war von Anfang an und blieb Winfried Wolfs Projekt. Als Spiritus Rector ist er unersetzlich, aber auch ganz praktisch ist er nicht zu ersetzen. Von Jugend an politischer workaholic hat er viele, viele Menschen getroffen, Kontakte geschlossen, Vertrauen geweckt, in der Linken und darüber hinaus. Die Redaktion war frei, Themen nach Wahl zu planen. Winfried Wolf kannte immer jemanden, die oder der sich auskannte, dazu schreiben konnte und auch bereit war, für Lunapark einen Beitrag zu verfassen. Und er war unser produktivster Autor, und wenn kurz vor Druck ein Artikel ausgefallen war, er konnte über Nacht einen kompetenten Vierseiter zu einem aktuellen Thema liefern. So einen gibt es nicht noch einmal.

Dieses Heft ist seinem Chefredakteur gewidmet, mit Erinnerungen an ihn und einer Auswahl seiner Beiträge.

Daneben ist es aber auch eine normale Lunapark21 mit ihren gewohnten Rubriken und einer Menge an interessanten kleinen und großen Artikeln.

Wir haben uns lange um sie bemüht. Es freut uns, dass wir die Cineastin Ilse Henckel endlich für einen Beitrag gewinnen konnten, zum ersten und leider auch zum letzten Mal: Action auf Seite 73.

Lunapark21 legte immer großen Wert auf das Erscheinungsbild. Joachim Römer als Ein-Mann-Grafikabteilung setzte das ursprüngliche Gestaltungskonzept von Bernd Köhler um und veränderte es. Ein grafisches Charakteristikum und zugleich ein Alleinstellungsmerkmal unserer Zeitschrift waren seine digitalen Fotomontagen. Wir haben nachgezählt, es waren genau 671.

Die langjährigen Abonent:innen haben schon ein paarmal ein Heft in der Hand gehalten, das von vorn bis hinten durchgestaltet war. Diesmal erlauben wir uns, eine kleine Auswahl von Joachims Montagen aus 15 Jahren chronologisch über das Heft zu verteilen. Die Illustrationen sind also nicht den Texten inhaltlich zugeordnet, sondern erzählen die Geschichte unseres Projektes vom Augenschein her.

Wir verabschieden uns dankbar von allen Leserinnen und Lesern und den mehreren Hundert Autorinnen und Autoren – in Trauer um Winfried Wolf und auch in Trauer um Lunapark21, für die wir uns begeistert haben, für die wir emsig waren, mit der wir auf einem guten Weg waren und die wir weiter entwickeln wollten, wozu uns vor allem die enorme Resonanz auf unseren Spendenaufruf zum Jahreswechsel 2022/2023 motiviert hatte, nicht nur in Beträgen, gerade auch in Worten.

Eine inspirierende Lektüre wünschen im Namen der LP21-Redaktion

André Geicke und Joachim Römer.

P.S.: Für die Abonnent:innen ist dieser Ausgabe ein Brief beigefügt, der unter anderem über die noch mit Winfried Wolf abgesprochene Möglichkeit informiert, wie das Lunapark21-Abo in eines der Zeitschrift Hintergrund umgewandelt werden kann.


Zum Titel (Seite 2):

* Zur Titelseite: „Seit Ende der 1990er Jahre lebe ich im Brandenburgischen, in der Nähe von Berlin und Potsdam. Nicht verleugnen möchte ich jedoch meine Zugehörigkeit zum Stamm der Schwaben (einschließlich der Verteidigung des schwäbischen Komparativs „größer wie“ etc.) … Ich bin Brecht-Fan & begeistert von den Inszenierungen von Volker Lösch. Ich höre gerne Beatles, Dylan & Bernd Köhler. Mir schmecken – und ich koche gern – vegetarische Gerichte wie italienische Strangulapreti & schwäbische Käsespätzle. Ich wüsste nicht, was erfüllender & wichtiger sein könnte als das Engagement für ‘das Einfache, das schwer zu machen ist’.“ Winfried Wolf über sich selbst.