Kapitalistische Krise unter kommunistischer Führung
Als die Welt angesichts der rasanten Entwicklung Chinas noch den Atem anhielt, erklärte Xi Jinping, Wachstum sei nicht seine Hauptsorge. Das war im Jahr 2017 und schien einen Paradigmenwechsel anzukündigen.
Im Jahr darauf ließ Xi die Begrenzung seiner Amtszeit als Staatspräsident aus der Verfassung streichen. Nun steht er seit über elf Jahren an der Spitze des riesigen Landes und wird über Haupt- und Nebensorge manches gelernt haben.
China erlebt die schwerste Wirtschaftskrise seit den Reformen Deng Xiaopings vor gut vierzig Jahren. Mit dem Zusammenbruch der Baukonzerne Evergrande und Country Garden, mit unbezahlten Schulden in Höhe von einer halben Billion Dollar, endete der Bauboom, den China mit einem gigantischen Investitionsprogramm zur Überwindung der Finanzkrise nach 2008 initiiert hatte. Allein zwischen 2011 und 2013 verbrauchte China mehr Zement als die USA im gesamten 20. Jahrhundert.
Auch 21 Jahre nach dem abgebrochenen IG-Metall-Streik keine 35-Stunden-Woche im Osten
Im Sommer 2003 brach der 1. Vor- sitzende der IG Metall den laufenden Streik für die Einführung einer 35-Stunden-Woche in der Metall- und Elektrobranche Ost (Berlin, Brandenburg, Sachsen) kraft seiner Wassersuppe vor laufenden Kameras ab. Das übliche Prozedere wäre ein anderes gewesen. Weder Vorstand noch Tarifkommission waren einbezogen, die Streikenden vor den Kopf gestoßen.
Die Geschichte selbst ist fix erzählt: In der Bundesrepublik von 1984 mag das Verschieben der 35-Stunden-Woche auf einen auf elf Jahre angelegten Stufenplan nicht gleich wie ein Erfolg gewirkt haben. 1995 war die Verkürzung der Wochenarbeitszeit in der Metall- und Elektrobranche im westlichen Teil des inzwischen vergrößerten Deutschlands dann aber doch Stand der Dinge. Im Osten folgte auf den CDU-Wahlerfolg im März 1990 die Desillusionierung vielleicht keinem Plan, aber doch in Stufen.
Liebe Leserinnen und Leser – und solche, die es werden wollen,
das Jahr 2025 steht, wie man so sagt, vor der Tür. Es wird öffentlich und privat Rückschau gehalten. Es werden Aussichten angeboten und Warnungen ausgesprochen. Lunapark21 soll da nicht zurückstehen. Im November 2024 haben wir mit dem Heft 63 den Neuanfang gewagt. In der Endphase der Produktion nahmen wir in wenigen Tagen den Ausgang der US-Präsidentschaftswahl und das Ende der Ampelregierung auf. Wenngleich uns in den Wochen seither manche Fehler aufgefallen sind und wir vieles gern besser machen wollen – wir sind froh über die im Ganzen gelungene Produktion. Wir haben das Heft, wie im April angekündigt, allen Alt-Abonnent:innen zugesandt. Ende November hatten sie die Ausgabe im Briefkasten. Fast alle der 1200 Adressen stimmten noch.
Seither ist einiges passiert. Schon vor seiner Amtseinführung konnte Donald Trump Teile seiner Haushaltspolitik im Kongress durchsetzen – auch wenn der Wunsch nach einem finanzpolitischen Freifahrtschein an einem Zweckbündnis von Demokraten und austeritätsgläubigen Republikanern gescheitert ist. Hierzulande steht der Bundestagswahlkampf im Zeichen einer wirtschaftspolitischen Zeitenwende, die das deutsche Exportmodell wieder flott machen soll. Die Kritik der globalen Ökonomie hat in Deutschland immer auch eine innenpolitische Dimension. Die nächste Ausgabe – Heft 64 – wird im Spezial den Schwerpunkt auf den Außenhandel legen. Denn die bisherigen Reaktionen waren nicht nur mehrheitlich ermunternd, sondern auch praktisch hilfreich: Auf unserem Konto liegen momentan fast 10.000 Euro – das reicht für mehr als ein Heft in der alten Auflagenhöhe (1500), vielen Dank. Das ist also unser Beitrag zum Ausblick auf 2025: Wir machen weiter.
In der Ankündigung von Heft 63 hatten wir uns die Aufgabe gesetzt, gemeinsam Wissen zu erarbeiten, um Macht kontrollieren und Machtverhältnisse ändern zu können: „Im Märchen heißt es, wer mit dem Teufel speisen will, sollte einen langen Löffel haben. Aber so lange Löffel, dass sich mit ihnen gefahrlos am Tische des Kapitals speisen ließe, haben die Reformer aller Länder noch nicht erfunden. In den letzten 20 Jahren ging es bei Reformen in den Metropolen des Weltmarktes regelmäßig um die Entfesselung, und nicht um eine Bändigung des Kapitals. Selbst die Klimakatastrophe soll mit den Mitteln des Marktes bekämpft werden. Was tun? Mit guten Absichten ist der Weg zur Hölle gepflastert. Wissen ist noch nicht Macht. Aber Unwissen ist Ohnmacht.“
An dieser Aufgabe halten wir fest. Dafür müssen wir aber noch viel lernen und nehmen gerne Ratschläge an. Zum Beispiel erreichte uns ein Hinweis auf die Kinderliteratur: Vom Sams könne man lernen, dass man präzise wünschen muss. Wir haben etwas unpräzise gewünscht, dass möglichst viele alte Abonnent:innen der Lunapark21 uns weiter lesen und unterstützen werden. Das war nicht falsch, aber ungenau. Wie ungenau, das zeigen Fragen, die uns erreicht haben:
Wo kann ich sehen, ob meine korrekte Adresse hinterlegt ist? und ob/welches Abo ich bereits abgeschlossen habe? Aber welche Summe bekommt ihr denn für das Abo? Habe ich es richtig verstanden, dass ab 2025 ein reguläres Abo abgeschlossen werden kann? Schickt Ihr per Mail noch eine Zahlungsaufforderung für ein Abo oder soll man selbst tätig werden? Ist ein Normalabonnement print und pdf möglich und was kostet dieses? Wie mache ich die Zahlung wohin ? Sorry für die blöde Frage: bin ich Abonnent oder nicht?
Das waren die Fragen. Unsere Antwort war nicht gleich zu sehen. Nachdem Heft 63 in den Vertrieb ging, steckten wir viel Arbeit in den Aufbau des Backoffice und einer eigenen Abo-Verwaltung. Denn wir können nicht einfach den alten Abo-Verteiler weiter beliefern und – nicht ganz unbegründet – darauf hoffen, auf unserem Konto mögen immer rechtzeitig die Gelder für die nächste Ausgabe ankommen. Der aktuelle Kontostand reicht für mehr als ein Heft, er reicht nicht für einen vollen Jahrgang mit vier Heften.
Deshalb wünschen wir jetzt präzise: Leute, abonniert! Liebe Alt-Abonnent:innen, erneuert Euer Abo! Provisorisch kommen wir zurecht, wenn ihr unter Angabe der alten Abo-Nummer den Betrag für das gewählte Abo auf die alt-bekannte Kontonummer überweist. Korrekt ist es, wenn ihr das Abo hier erneuert:
Ohne Abos keine Lunapark. Doch Geld allein schießt keine Tore. Liebe Leser:innen, macht die Werbung, die wir nie bezahlen können! Erzählt weiter, dass es die Lunapark21 weiter gibt – und was ihr von der Zeitschrift haltet. Ihr sollt ehrlich sein – das ist die einzige Werbung, die uns hilft. Die Kritik der globalen Ökonomie ist kein Sprint, der mit Enthusiasmus und Doping gewonnen werden könnte. Es ist eine tägliche Aufgabe, für die wir uns gegenseitig brauchen.
In diesem Sinne: Auf ein besseres Jahr 2025!
Sebastian Gerhardt, Herausgeber
PS: Wir planen, an verschiedenen Orten Veranstaltungen zur Vorstellung unserer Hefte zu organisieren. Dieses Mal hatten wir nicht die Kraft dazu. Bei Heft 64 werden wir beginnen. Wenn ihr Ideen dazu habt, meldet Euch. Schon am 22. Januar gibt es in Berlin und auf Youtube eine Veranstaltung, auf der das Buch mit den Beiträgen aus der LP21-Kolumne von Thomas Kuczynski vorgestellt wird: Letzte Geschichten aus dem Lunapark.
Der Kampf um die 35-Stunden-Woche vor 40 Jahren. Eine Erinnerung an die größte kulturpolitische Kampagne der bundesdeutschen Gewerkschaften in der Nachkriegszeit.
Dienstag 14. Mai 2024 – Im Stuttgarter Gewerkschaftshaus treffen sich Aktivist:innen aus dem Streik vor 40 Jahren. Veranstalterin ist die Rosa-Luxemburg-Stiftung Baden-Württemberg. Die Idee zu der Veranstaltung wurde Anfang des Jahres am Rande der Trauerfeier für Sybille Stamm verabredet, einer engagierten ehemaligen Sekretärin der Stuttgarter IG Metall Bezirksleitung, deren plötzlicher Tod sie auch aus den Vorbereitungen für eben diese Streikerinnerung herausgerissen hatte.
Es ist eine Handvoll ehemaliger Aktiver, die die Idee für die Veranstaltung umsetzen. Neben dem umtriebigen »Rosa-Lux«-Büro, Christa Schnepf und Martin Storz, die den Streik fotografisch für die IGM-Streiknachrichten begleiteten und ihre beeindruckenden Aufnahmen für eine Fotoausstellung zur Verfügung stellten (Klasse Gestaltung: Filippo Capezzone). Heidi Scharf, 1984 IGM-Gewerkschaftssekretärin in Heilbronn, mit einem launigen Beitrag zur Historie des Kampfes um die 35-Stunden-Woche und ich mit einem Bühnenprogramm, das die Stimmung und die kulturelle Durchdringung des damaligen Arbeitskampfes mit Live-Musik, Texten, Projektionen, Einspielern und Tondokumenten widerspiegelt, wozu ich neben Musikern aus dem ewo2-Projekt auch kulturell Aktive von damals, wie Margit Romeis oder Einhart Klucke gewinnen kann.
Es gibt ein Leben vor der Rente
Mit Einhart, Margit und anderen war ich im Vorfeld des damaligen Streiks mit der Revue »Es gibt ein Leben vor der Rente« eineinhalb Monate durch die Republik getourt. In Gewerkschaftshäusern, Bürgersälen oder vor Betriebsversammlungen brachten wir einen heißen Ritt durch die Geschichte der Arbeiterbewegung auf die Bühne, der mit der Forderung nach der 35 endete. Es war keine offizielle Tour der IG Metall und vielleicht ergab sich auch der Erfolg und die Intensität der Aufführungen daraus, dass die örtlichen Gewerkschaften aus eigenem Antrieb auf diese kulturelle Unterstützung gesetzt und uns engagiert hatten.
Die Erfahrung mit Kultur in gewerkschaftlichen Kämpfen hatte damals schon einen längeren Vorlauf, war aus der Politisierung seit den 60er Jahren erwachsen, als viele Gewerkschaftsmitglieder nicht nur durch die betriebliche Wirklichkeit, sondern auch über außerparlamentarische Aktivitäten (selbstverwaltete Jugendzentren, Aktionen gegen Rechts, Anti-AKW-Bewegung) oder linkspolitische Organisationen zur Gewerkschaftsarbeit kamen. So auch wir Kulturleute. Und es waren kluge Gewerkschafter:innen, die uns damals den Weg in die Organisation öffneten, allen Vorbehalten und Widerständen zum Trotz.
Den gefesselten Prometheus befreien
Auf Fotos vom Streik sind Kollegen und Kolleginnen mit einem grünen Liederbuch zu sehen. Das Bilder-Lieder-Lesebuch von Karl Adamek, das 1981 bei der Büchergilde Gutenberg erschienen und über den Vorstand der IG Metall finanziert worden war. 500.000 dieser Bücher wurden über die Bücherpakete der IG Metall im Anschluss an Bildungs-Seminare in Umlauf gebracht, sorgten für ein breites historisches Verständnis für die Geschichte und die Kultur der Arbeiter:innen-Bewegung und machten Lust auf das gemeinsame Singen der alten oder aktuellen Lieder.
Hinzu kam, dass es der Abteilung Kulturpolitik beim damaligen DGB-Bundesvorstand unter der Brecht-Zeile: »Unsere Zuschauer müssen nicht nur hören, wie man den gefesselten Prometheus befreit, sondern auch sich in der Lust schulen, ihn zu befreien.« gelang, die breite Szene von Liedermacher:innen, politischen Theatergruppen, Chören und Songgruppen zusammenzubringen und auf eine aktive Unterstützung der Auseinandersetzungen vorzubereiten.
»Damals waren Kulturschaffende und Musiker:innen an unserer Seite. (…) Der Streik begann im Regen und endete nach vielen Wochen im Regen. Schlecht für die Stimmung. Was wäre gewesen, wenn nicht Lieder und Musikant:innen für gute Laune gesorgt hätten, zum Mut machen, zum Aufheitern, zum Mitsingen, aber auch, um dem Bedürfnis nach Schulterschluss und Solidarität musikalischen Ausdruck zu verleihen.
In den langen Streikwochen wurde vieles wieder und vieles neu gelernt. Eine ganz wichtige Rolle spielten bei diesem Lernprozess unserer ausländischen Kolleginnen und Kollegen. Italienische, türkische und griechische Lieder gehörten zum Repertoire unserer Liedermacher:innen und Songgruppen, Texte machten die Runde, und irgendwann wurden diese Lieder mitgesungen von allen – auch den Deutschen. Das war eine wunderbare gemeinsame Erfahrung.«, schrieb Sybille Stamm in einem Nachklang zum Streik.
Veränderung gesellschaftlicher Machtverhältnisse
Die Gewerkschaftsforderung nach der 35-Stunden-Woche ging weit über den Horizont klassischer Tarifrituale hinaus. Der Ruf nach mehr Zeit für Kultur, Bildung, Erholung, Sport und Familie traf den Nerv der politisch und kulturell hochsensiblen, gut organisierten außerparlamentarischen Bewegung und er fand auch vielfältige prominente Unterstützung. (Siehe Kasten mit Solidaritätsaufruf.)
»Durch die Verkürzung der Arbeitszeit werden nicht nur Arbeitsplätze geschaffen und gesichert, sondern gleichzeitig durch Erweiterung der arbeitsfreien Zeit die Beziehungen der Menschen untereinander verändert. Mehr Zeit für uns selbst, die Familie, mehr Zeit für Freunde, für gesellschaftliche Aufgaben und für Politik ist für die Qualität des Lebens ebenso unabdingbar wie die Verbesserung der Arbeitsbedingungen sowie der Handlungs- und Entscheidungskompetenz durch mehr Selbstbestimmung innerhalb des Arbeitsprozesses« so Klaus Zwickel, damaliger erster Bevollmächtigter der IG Metall in Stuttgart, zu den Zielen des Arbeitskampfes.
Um eine tarifpolitische Forderung ging es also, die das Leben in seiner Gesamtheit berührte. Es ging um die Verfügungsgewalt über die Zeit, um Machtfragen und um die Frage, wer kann sich was leisten und warum nicht. Es ging, so scharf und ehrlich wurde das damals formuliert, auch um die Überlebensfrage der Gewerkschaften, die sich einer bis dahin noch nicht da gewesenen konzertierten Aktion von Kapital, Regierung und Medien ausgesetzt sahen. Legendär die Ansage des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl, der die Forderung der Gewerkschaften als »dumm, absurd und töricht« angegriffen hatte.
»Der Kampf um die 35-Stunden-Woche ist weit mehr als ein ‚nur ökonomischer‘ Kampf. Er ist ein Kampf um die Veränderung gesellschaftlicher Machtverhältnisse. Er muss geführt werden von einer durch Arbeitslosigkeit und Krise bereits geschwächten und uneinigen Gewerkschaftsbewegung gegen ein durch die Arbeitslosigkeit bereits gestärktes und einig und geschlossen handelndes Kapital und seiner politischen Verbündeten,« formulierte 1983 Franz Steinkühler, damals 2. Vorsitzender der IG Metall, in einem Papier mit zehn Thesen zum Arbeitskampf.
Für diesen Kampf gab es unterschiedlichste unterstützende gestalterische Aktivitäten von Laienkünstler:innen und Profis (Filme, Bücher, Lieder, kreative Großtransparente, Plakate, Kunstausstellungen) und es gab einen allgemeinen Boom zu Kulturseminaren. Gewerkschaftsmitglieder jeden Alters drängelten sich unter der Losung: »Leben, lieben, lachen, kämpfen«.
Diese Losung aus dem Frauenbereich der IG Metall entsprach nicht dem offiziellen Duktus, aber sie wurde übernommen. Der Funke sprang über, ein kreativer Dialog entstand, in dem Künstler:innen und Funktionäre sich gegenseitig qualifizierten, gegenseitig forderten und förderten. Diese fruchtbare Beziehung endete und hinterließ Ernüchterung, als nach sieben Wochen Streik der umstrittene Etappenplan zur Einführung der 35-Stunden des Schlichters Georg Leber, abschätzig LeberKäs genannt, verabschiedet wurde.
Eine vertane Chance?
Es gab kein Konzept über den Tag X hinaus, keine Rahmenbedingungen, die das kulturelle Feuer am Glimmen hätten halten können. Die gewerkschaftlich orientierte und kulturelle Bewegung lief sich tot.
Eine vertane Chance? Oder hat es nie eine Chance gegeben? War das Süppchen, das da für eine gewerkschaftliche Forderung zu brodeln begonnen hatte, von Anfang an schon zu scharf gewürzt für die Befindlichkeit des Apparats? Die Fragestellung »wer?, wen?«, die die meisten kulturellen Beiträge durchdrang, die klassenkämpferische Forderung nach grundsätzlich anderen Lebens- und Verwertungsbedingungen, die Sinnfrage, die eine Kunst hervorbrachte, die sich fundamental mit den herrschenden Zuständen auseinandersetzte… Ich weiß nicht, ob solche Überlegungen in den Vorstandsetagen der Gewerkschaften je eine Rolle spielten, ob Debatten dazu im Nachklang je geführt wurden oder ob sich das pragmatisch von selbst erledigte, zum Beispiel über den Bericht zur Kassenlage.
40 Jahre danach findet die Ernüchterung ihre Fortsetzung. Die offizielle Erinnerungsarbeit an diese bedeutende Zeit bundesdeutscher Gewerkschaftsbewegung fand auf äußerster Sparflamme statt. Die damalige Haltung und inhaltlichen Positionen passten nicht in das allgemeine Wegducken gegenüber der mal wieder alles beherrschenden krisengeschüttelten Kapitallogik.
Sowas hatte ich das letzte Mal Anfang der 90er Jahre erlebt, als nach dem Kollaps des realsozialistischen Modells auch der sozialkritische oder antikapitalistische Kulturansatz mit in den Strudel gerissen wurde. Die kämpferische Kultur und Historie der Arbeiter:innen-Bewegung mutierte auch in den Gewerkschaften zum Schamobjekt. Es folgte eine bleierne Zeit von rund zehn Jahren, nicht nur für die gewerkschaftliche Kultur, die erst durch den breiten außerparlamentarischen Widerstand gegen die Schrödersche HartzIV-Politik wieder aufgebrochen wurde.
Bernd Köhler, Mitbegründer von Lunapark21, war früher unter dem Namen »Schlauch« als politischer Liedermacher unterwegs. Heute setzt er diese Tradition mit der Mannheimer Gruppe »ewo2 – das kleine elektronische weltorchester« fort. Mehr unter: www.bernd-koehler-live.de
Wie immer ist in einem Bild auch das wichtig, was fehlt. Wenige Tage, bevor die FDP aus der Bundesregierung flüchtete, hatte sie bereits einen Abschiedsbrief übergeben: die Ausarbeitung des Bundesfinanzministeriums Wirtschaftswende Deutschland – Konzept für Wachstum und Generationengerechtigkeit. In diesem 18-seitigen Dokument kommen die Worte Außenhandel, Export, Exportüberschuss und Auslandsvermögen nicht vor. Einen Prüfling würden deutsche Oberlehrer mit der Bemerkung nach Hause schicken: Thema verfehlt, sechs.
Zu viel und zu wenig. Umverteilung im Bestand ist nötig.
Der Wohnraum, der Haushalten zur Verfügung steht, gilt als wichtiges Maß zur Beurteilung der Wohnverhältnisse und hat sich im letzten Jahrhundert als Indikator für den gesellschaftlichen Wohlstand etabliert. Die Frage nach der ausreichenden Größe der Wohnungen wurde spätestens mit dem schnellen Wachstum der Städte zum Thema der Wohnforschung und Sozialpolitik. Die Wohnfläche ist aber ein relativ junger Indikator.
Frühe Sozialreformer kritisierten die Überbelegung, die im 19. Jahrhundert vor allem in der Zahl der Personen pro Wohnraum und am Rauminhalt pro Person in Kubikmetern erfasst wurde. Die ersten systematischen Stadtstatistiken wurden vom Verein für Socialpolitik in den 1880er Jahren zusammengetragen und etablierten die Kategorie der »Wohnungsüberfüllung« in den Statistiken. Als »überfüllt« galt eine Belegung von sechs und mehr Personen pro beheizbarem Zimmer. Der durchschnittliche Wohnflächenverbrauch zur Jahrhundertwende wurde auf 10 und 15 Quadratmeter pro Person geschätzt.
Geht die Automobilindustrie den Weg der Druckmaschinenhersteller?
Der VW-Konzern hat einen drastischen Abbau der Belegschaft und Lohnkürzungen angekündigt, um den Verlusten an Marktanteilen und Absatz zu begegnen. Mit dem Plan, die Produktion auf den Bau von E-Autos zu konzentrieren, setzt die Konzernleitung die hochentwickelten speziellen Fähigkeiten der Belegschaft und der Zulieferindustrie aufs Spiel und folgt damit einem Rezept, das schon zum Niedergang der deutschen Druckmaschinenindustrie führte.
Elektrisch angetriebene Automobile enthalten viel weniger Teile als die mit Explosionsmotoren angetriebenen, die mechanisch aufwändig hergestellt werden müssen. Getriebe, Gangschaltung und Explosionsmotoren stellen hohe Anforderungen an die Fertigungstechnik. Die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Automobilindustrie beruhte auf einer historisch entstandenen besonderen Fertigungsweise an Fließbändern, bei dem jeder Einbauschritt vorgeplant und jedes Teil mit der erforderlichen Präzision gefertigt wird.
Nach seiner Entlassung warnte der Verteidigungsminister Israels sein Land vor einem Abgleiten in »moralische Finsternis«. Am Tag danach gewann Donald Trump die US-Wahl. Sein Erfolg beruht auf der Methode, die Medien mit Lügen und Obszönitäten zu stopfen, und diese Methode ist zum Modell zahlreicher Wahlkämpfe in aller Welt geworden. Nicht nur autoritäre, anti-demokratische Parteien bedienen sich ihrer, auch einige ehemals respektable Parteien scheinen sich um Anstand und Aufrichtigkeit nicht länger zu scheren. Womit Silvio Berlusconi noch schockierte, ist 30 Jahre nach seinem ersten Wahlsieg hemmungslose Gepflogenheit. Nach dem Ampel-Aus werden wir im anstehenden Bundestagswahlkampf Gelegenheit haben, das Phänomen aus der Nähe zu bestaunen.
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LP21 Heft 59/ Herbst 2022
200 Jahre Kapitalismus
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