Es rettet uns kein höh‘res Wesen – schon gar nicht das Klima

Katastrophen,Kapital, Karlsruhe-Entscheid, Shell-Urteil und die Illusion eines „Weiter so“ mit Ökostrom und Öko-Pkw

In den letzten Wochen gab es drei richtungsweisende Entscheidungen, die beim Umgang mit dem Thema Klimakatastrophe einiges verändern könnten. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe verpflichtete Ende April in einem Beschluss den Gesetzgeber zu konkreten Maßnahmen des Klimaschutzes noch vor 2030. Am 26. Mai verurteilte ein Bezirksgericht in Den Haag den niederländisch-britischen Ölriesen Shell dazu, den CO2-Ausstoß seiner Geschäftstätigkeit bis 2030 um 45 Prozent zu senken. Am selben Tag gelang es einem eher kleinen Investmentfonds auf der Aktionärsversammlung des größten US-Ölkonzerns, Exxon, gegen die Vorstellungen der Konzernführung drei von zwölf Verwaltungsratsposten mit Leuten zu besetzen, die für eine Kehrtwende hin zu Erneuerbaren Energien eintreten. Es waren vor allem Kapitalanleger wie der kalifornische Lehrerpensionsfonds Calsters, die sich hinter die Gruppe Engine Nr. 1 gestellt und damit diese Palastrevolution bei Exxon ermöglicht hatten.

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„Deutschland hat seine Klimaschutzziele doch noch geschafft“

quartalslüge II/MMXXI

In den vergangenen Jahren gab es des Öfteren selbstkritische Töne bei den für Umweltpolitik Verantwortlichen. Allzu deutlich war die Stagnation der CO2-Emissionen in einigen Wirtschaftsbereichen. Im Verkehrsbereich gab es zwischen 2014 und 2017 sogar einen Anstieg der Emissionen. Doch dann, im Frühjahr 2021, schien die Welt wieder in Ordnung. „Die Treibhausgasemissionen liegen 2020 im Vergleich zu 1990 um 40,8 Prozent niedriger.“ Und: „Deutschland hat sein Klimaschutzziel doch noch geschafft.“ So lauteten die Schlagzeilen im März.1

Wobei, das sei korrekt hinzugefügt: Die deutsche Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) und das Umweltbundesamt betonten, dass bei den besonders deutlichen CO2-Rückgängen im Corona-Jahr 2020 „die Pandemie-Maßnahmen eine wichtige Rolle spielten“.

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Zum Heft 54

Liebe Leserin, lieber Leser,

zunehmend finden sich Beispiele für den Zusammenhang zwischen der drohenden Klimakatastrophe und den neuesten Technologien der kapitalistischen Fertigung. Seit März wird in Teilen von Taiwan das Wasser rationiert; es herrscht die schlimmste Dürre seit einem halben Jahrhundert. Dass die Menschen dann oft stundenlang oder sogar einen Tag lang kein frisches Wasser erhalten, wäre wohl für die Weltmedien kaum der Rede wert. Was die Dürre jedoch zu einer heißen Angelegenheit macht, ist die Chipindustrie auf der Insel. Firmen wie TSMC (Taiwan Semiconductor Manufacturing) und Globalwafers kontrollieren über die Hälfte des Weltmarktes der spezialisierten Auftragsfertigung für die Chipproduktion. Dafür wird hochreines Wasser benötigt, um die nur noch wenige Nanometer kleinen Strukturen der Halbleiter zu reinigen. Allein TSMC benötigt pro Tag 150.000 Tonnen Wasser. Die Firma kauft bereits „lastwagenweise Wasser aus dem etwas regnerischen Norden der Inse l“, so ein Bericht in der Neuen Züricher Zeitung vom 21. Mai 2021, wobei die konservative Zeitung offen bekennt: „Wassermangel und Stromausfälle hängen miteinander zusammen. Sie ereignen sich vor dem Hintergrund des Klimawandels, was für Taiwan – und für die Weltwirtschaft – in den kommenden Jahren Ungutes erahnen lässt.“

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Mord-Bilanz

Zugegeben, ich bekam einen Schreck, als ich von Alexander Gaulands Rede am 2. Juni 2018 hörte: „Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschiss in über tausend Jahre erfolgreicher deutscher Geschichte.“

Welche Taten hatte Gauland in der Geschichte der deutschen Staaten entdeckt, die maßloser waren als der Holocaust und das Entfesseln eines Weltkrieges, so dass die durch Staat und Gesellschaft verübten Menschheitsverbrechen unbedeutend erscheinen konnten wie ein Häufchen Kot?

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Palazzo Chigi, Rom, Italien

Daten & Fakten

Lage: In der Via del Corso. Der Haupteingang liegt in der Piazza Colonna.

Erbauung: Von 1578 bis 1587 durch die Familie Aldobrandini.

Derzeitige Funktion: Seit 1961 Amtssitz des italienischen Ministerpräsidenten.

Vorherige Funktionen: Stadtpalais für die Familie Chigi. Botschaftsgebäude für den spanischen Staat und Österreich-Ungarn. Kolonialministerium. Außenministerium. Amtssitz der „technokratischen“ Ministerpräsidenten Carlo Azeglio Ciampi, Lamberto Dini, Mario Monti und Mario Draghi.

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Ravensburg und s´Bähnle

Umgehungsstraßen produzieren neuen Kfz-Verkehr

Als Anfang der 1980er Jahre auf der B30 in Oberschwaben tagtäglich eine Blechlawine durch die historische Altstadt von Ravensburg rollte, gab es das Projekt einer B30 neu: einer gigantischen Umgehungsstraße um die Orte Baindt, Baienfurt, Weingarten, Ravensburg und Weissenau. Als Gegenprojekt entwickelte ich damals gemeinsam mit einer kleinen Gruppe von Leuten um das alternative Blatt Südschwäbische Nachrichten die Wiedereinführung des Bähnle, einer Straßenbahn, die es in der Region zwischen 1887 und 1959 verkehrte. Diesen Plan veröffentlichten wir in der genannten Zeitschrift bzw. er erschien kurz darauf im Rahmen einer Buchveröffentlichung.1

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„Steigt auf die Bäume in Eurer Stadt!“ Ultimatum in Ravensburg:

„Ihr könnt unsere Baumhäuser zerstören, aber nicht die Kraft, die sie schufen“

Ravensburg, 12. Dezember 2020 Es sind zunächst zwei Menschen, welche die zuvor hinter einem Stromkasten deponierten Baumstämme an Seilen in die friedlich dastehende Winterlinde ziehen und diese dann mit neonorangenem Seil an die Äste des Baumes knoten. Als ein spärliches Gerüst aus Baumstämmen und Ästen besteht, werden Holzpaletten nach oben gezogen und zusammengenagelt. Von unten dürfte man ein leises Hämmern hören und die kleinen Lichtkegel der Stirnlampen sehen und zwei vermummte Gestalten, die nach und nach Beutel, Körbe und Eimer mit Nahrung und Schlafsäcken erst aus der Dunkelheit holen, um sie dann an einem Seil zu befestigen und wie den Rest des zukünftigen Baumhauses in die mächtige Baumkrone ziehen. Als das Material zu einem kleinen Verschlag verbaut ist, ziehen sich die dunklen Gestalten darin zurück und verschmelzen mit der Baumkrone in der sich langsam auflösenden Dunkelheit. Was treibt sie an, in einer frostigen Dezemberna cht mehrere Stunden lang bis ins Morgengrauen ein Gerüst aus Holz und Plastikplanen in acht Metern Höhe, direkt neben der Ravensburger Schussenstraße, zu errichten? Es ist die Gewissheit, dass ihr jetziges Handeln eine schon längst fällige Entwicklung einleiten kann.

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Die Pariser Kommune und die Frauen

quartalsbericht 01/2021 150 jahre pariser kommune

Vor 150 Jahren wehrte sich die Nationalgarde von Paris gegen ihre Entwaffnung, und die Kommune von Paris begann vom 18. März bis zu ihrer Niederschlagung am 28. Mai 1871, die Stadt in einer neuen Form zu verwalten. Der erste Quartalsbericht beschäftigt sich mit der Rolle der Frauen in der Pariser Kommune.

Die Straße der Pariser Kommune in Berlin Friedrichshain erinnert seit 1971 an den revolutionären Aufstand der Pariser ArbeiterInnen vom März bis Mai 1871. Karl Marx lobte die Kommune als ruhmvollen Vorboten einer neuen Gesellschaft und Friedrich Engels verwies darauf, dass zum ersten Mal in der Geschichte die Arbeiterklasse in einer großen Hauptstadt die politische Macht ergriff. Was war geschehen?

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Kapital – Macht – Staat

Stichworte von Werner Goldschmidt

Um diese Begriffe, die angesichts der Entwicklungen in den USA oder der Corona-Pandemie noch wichtiger erscheinen als vordem, geht es in einem Sammelband, der Beiträge von Werner Goldschmidt, kommentiert von seinen Freunden, zusammenfasst. Der 2019 verstorbene Professor an der Hochschule für Wirtschaft und Politik in Hamburg hat nichts ausgelassen, was kontrovers ist in der marxistischen Diskussion: Herrschaft, Diktatur, Gewaltenteilung, Macht und politische Repräsentation, Staatformen und zugleich auch Kapital – Kapitalismus, Klassenkampf und Ware. Das sind die Stichworte, die er lieferte für zwei Wörterbücher des Marxismus: einerseits für die von Hans Jörg Sandkühler initiierte Europäische Enzyklopädie zu Philosophie und Wissenschaften und zum anderen von der Gruppe um Zeitschrift und Verlag Das Argument, also von Wolfgang Fritz Haug und anderen herausgegebene Historisch-Kritische Wörterbuch des Marxismus. Beide in langen Jahren und von viel en Autorinnen und Autoren entwickelte Nachschlagewerke fußen auf der Theorie des Staatsmonopolistischen Kapitalismus. Während der Entstehung der Lexika gingen die Vertreter beider Schulen nicht immer freundlich mitein-ander um, aber Werner Goldschmidt lieferte Artikel für beide Darstellungen marxistischer Theorie. „Nicht meine Kapelle“, wie der trotzkistische Ökonom Ernest Mandel gesagt hätte, aber in Ausführung, Ton und Argumentationslinie so beschaffen, dass sie zum Weiterdenken anregen.

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Leben und Treiben in der Spätmoderne

Eine soziologische Studie gesellschaftlicher Diskontinuität

Andreas Reckwitz: „Das Ende der Illusionen – Politik, Ökonomie und Kultur in der Spätmoderne“, Suhrkamp 2019, 308 Seiten, 18 Euro

Die Erwartungen von vor 30 Jahren, der Fortschritt würde sich quasi automatisch als Siegeszug von Demokratie und Marktwirtschaft vollziehen, erwiesen sich als Täuschung, als Illusion, deren Ende Andreas Reckwitz nüchtern konstatiert, um dann seine Sicht auf die gesellschaftlichen Entwicklungen vorzustellen.

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