Menschengemacht oder systembedingt?

Beobachtungen zur Hochwasser-Katastrophe

In Berichten über die Hochwasserkatastrophe vom Juli, die in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz mindestens 179 Menschen das Leben kostete, wird der Zusammenhang zwischen starken Regenfällen und Klimaerhitzung meist eingestanden. Gleichzeitig wird suggeriert, dass es sich bei der Klimaerwärmung um einen langfristigen Prozess handle, auf den man wenig Einfluss habe. Entsprechend gibt es einen Wiederaufbau von Infrastruktur ohne große Korrekturen, aber mit „mehr Schutz“: stärkere Wände, mehr Beton, höhere und stabilere Brücken, bessere Warnsysteme, „klimaresistente“ neue Baumarten. Es komme, so die Frankfurter Allgemeine Zeitung in einem Artikel mit der programmatischen Überschrift „Mit dem Klimawandel leben“ nunmehr „darauf an, das Leben an die veränderten Klimabedingungen anzupassen.“1

Bei diesen Betrachtungen fehlen in der Regel fünf Ebenen, auf denen sehr wohl direkt zur Hochwasserkatastrophe beigetragen wird: erstens die Versiegelung vor allem durch Straßenbau, zweitens der Abbau der Schiene in der Fläche, drittens die Kanalisierung der Gewässer, viertens die Veränderungen im Weinanbau und schließlich die Zerstörung der Waldböden. Auf all diesen Ebenen sind es Verwertungszwänge und Gewinnmaximierung, die zerstörerisch und Hochwasser-fördernd wirken. Der Mensch ist da „nur“ ausführend.

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Die falsche Alternative für die Bahn

Der Forderung nach einer „Bahn-Zerschlagung“ versus einer „integrierten Bahn“ erhält den zerstörerischen Status. Ein Plädoyer für eine differenzierte Sicht

Dass der Konzern Deutsche Bahn AG ein trauriges Bild abgibt, dürfte unbestritten sein. Das sollte in diesen Tagen der heftigen Bahn-Debatten erneut klargestellt werden: Der Konzern ist überschuldet. Er muss in immer stärkerem Maß mit Steuergeld alimentiert werden. Der Service lässt zu wünschen übrig. Geschlossene Schalter, vernagelte Bahnhöfe und nach Urin stinkende Unterführungen prägen vielerorts das Infrastruktur-Bild.Anzeige

Der Konzern agiert als Gewerkschaftsfeind und kassiert damit Streiks, die er sich erneut mit Steuergeld bezahlen lässt. An seiner Spitze werkelt mit Richard Lutz und Ronald Pofalla eine Chaos-Truppe. Dass bei diesen Voraussetzungen die vier Feinde der Schiene – Frühling, Sommer, Herbst und Winter – immer wieder aufs Neue zuschlagen können, liegt nahe.

Vor diesem Hintergrund sollten alle, die die Bahn lieben, für radikale Vorschläge offen sein. Mit einem „Weiter so“ spielt man Daimler, VW, BMW, Tesla und Lufthansa neue Argumente zu; die miese Performance der Schiene bestärkt die klimazerstörerischen Verkehrsarten. Wer auf die Forderung der Monopolkommission nach „Zerschlagung“ des Bahnkonzerns mit der Forderung nach einer integrierten Bahn nach Vorbild Schweiz antwortet, wird leicht wahrgenommen als im Lager der Verteidiger des Status quo stehend.

Die Forderung nach einer Zusammenführung der Infrastrukturgesellschaften und des Aufbaus einer gemeinnützigen Infrastrukturgesellschaft in öffentlichem Eigentum ist, wie von Rainer Balcerowiak auf dieser Plattform dargelegt, grundsätzlich nicht falsch. In Verbindung mit Konkretisierungen bietet sie Chancen auf einen Neuanfang im Bereich Schiene.

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Die Automobilistin

Alternativlose Verkehrspolitik

Seit vielen Jahren ist klar, was eine zukunftsfähige Verkehrspolitik wäre: Eine echte Verkehrswende muss viel mehr sein als ein bloßer Antriebswechsel vom Verbrennungs- zum Elektromotor.

Im Sinne des Klimaschutzes, aber auch im Sinne einer Mobilität für alle Menschen unabhängig von Alter, Geld und körperlichen Einschränkungen benötigen wir einen massiven Ausbau des sogenannten Umweltverbunds von öffentlichem Verkehr, Fahrrad- und Fußverkehr und eine Reduktion von Auto-, Lkw- und Flugverkehr. Leider haben 16 Jahre Merkel nichts in diese Richtung bewegt.

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16 Jahre Pillepalle –

die klimapolitische Bilanz einer Kanzlerschaft

Beunruhigt durch die anhaltenden Proteste junger Menschen und das enttäuschende Abschneiden der Union bei den Europawahlen im Mai 2019 mahnte Bundeskanzlerin Angela Merkel in einer Unions-Fraktionssitzung, es dürfe nun von der Regierung „kein Pillepalle mehr“ geben. Im Klimaschutz sei seit 2012 nichts mehr passiert.

Welch ernüchternde Bilanz angesichts ihrer Vita als Physikerin und Umweltministerin und der langen Zeit ihrer Kanzlerschaft. Stets hat Angela Merkel in der Frage der Klimaerwärmung einen engen Austausch mit Unternehmensvertreter: innen dem Rat der Klimaforscher vorgezogen. Nach vier Jahren als Bundesministerin für Frauen und Jugend im Kabinett Kohl wurde Angela Merkel im November 1994 Nachfolgerin des Bundesumweltministers Klaus Töpfer. Der hatte sich den Ruf eines engagierten Umweltpolitikers erworben, dessen Handeln nicht zuvorderst parteipolitisch geprägt, sondern an den drängenden Herausforderungen jener Zeit ausgerichtet war.

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Wird eine Lagerhalle zur Batteriefabrik?

Tesla in Grünheide: 14 Genehmigungen zum vorzeitigen Baubeginn

Seit dem Bericht in der vorigen LP21-Ausgabe ist der Bau der Tesla-Fabrik in Grünheide, Brandenburg, weiter fortgeschritten. Keiner der kritisierten Punkte hat sich ins Positive gewendet. Im Gegenteil.

Wesentliches Argument für die Fabrik waren die Arbeitsplätze. Mit Tesla entstünden bis zu 40.000 neue Jobs. Dabei liegt die Arbeitslosigkeit in der Region bei weniger als sechs Prozent. Lokale Betriebe klagen, dass sie kaum geeignete Mitarbeiter finden. Laut dem wirtschaftspolitischen Sprecher der bündnisgrünen Fraktion, Heiner Klemp, fehlen in Brandenburg aktuell bereits mehr als 50.000 Fachkräfte. Das bekommt Tesla auch zu spüren: Von den 7000 Mitarbeitern, die am 1. Juli 2021 ihre Arbeit in Grünheide aufnehmen sollen, konnten bislang erst rund tausend vertraglich gebunden werden. Die Berichte, wonach derzeit polnische Arbeiter für einen Stundenlohn von 8,50 Euro bis zu 14 Stunden am Tag auf der Baustelle Schwerstarbeit verrichten, dürften der Ausstrahlungskraft Brandenburgs als Ort zum Leben und Arbeiten schaden.

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10 Millionen Elektroautos bringen keine CO²-Reduktion

Elektro-Pkw konterkarieren die deutschen Klimaziele für 2030

Entsprechend der Forderung des Bundesverfassungsgerichts hat das Bundeskabinett am 12. Mai 2021 unter Federführung der Bundesumweltministerin Svenja Schulze ein überarbeitetes Klimaschutzgesetz vorgelegt. Bislang hatte die Bundesregierung Treibhausgasneutralität bis 2050 angestrebt. Nun sollen die Emissionen bis 2030 statt wie bisher um 55 Prozent um 65 Prozent sinken. Der Sektor Verkehr soll seine Emissionen bis 2030 auf 85 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente senken. Das ist fast eine Halbierung der 2019er Emissionen in Höhe von 164 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten.1 Ungefähr 60 Prozent der Emissionen des Verkehrs sind dem Pkw-Verkehr zuzurechnen. Um die Verkehrsemissionen wirksam zu reduzieren, fördert die Bundesregierung den Ausbau der E-Pkw-Flotte. Sieben bis zehn Millionen E-Autos sollen nach den Wünschen der Bundesregierung im Lauf der nächsten zehn Jahre zugelassen werden. Doch sind die damit verbundenen Hoffnungen gerechtfertigt?

Im Zentrum der Analyse steht die Frage: Welche CO2-Emissionen wird der Pkw-Verkehr in Deutschland im Jahr 2030 haben, wenn bis dahin 10 Millionen E-Autos auf den Straßen sind?

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Ravensburg und s´Bähnle

Umgehungsstraßen produzieren neuen Kfz-Verkehr

Als Anfang der 1980er Jahre auf der B30 in Oberschwaben tagtäglich eine Blechlawine durch die historische Altstadt von Ravensburg rollte, gab es das Projekt einer B30 neu: einer gigantischen Umgehungsstraße um die Orte Baindt, Baienfurt, Weingarten, Ravensburg und Weissenau. Als Gegenprojekt entwickelte ich damals gemeinsam mit einer kleinen Gruppe von Leuten um das alternative Blatt Südschwäbische Nachrichten die Wiedereinführung des Bähnle, einer Straßenbahn, die es in der Region zwischen 1887 und 1959 verkehrte. Diesen Plan veröffentlichten wir in der genannten Zeitschrift bzw. er erschien kurz darauf im Rahmen einer Buchveröffentlichung.1

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Tesla in Grünheide

Eine Investition in Höhe von mehr als einer Milliarde Euro – auf Basis von Ausnahmegenehmigungen

Im Jahr 2001 suchten die Bayrischen Motorenwerke (BMW) europaweit nach einem Standort für eine neue Produktionsstätte. Zu Beginn boten 250 verschiedene Städte und Orte ihre jeweiligen potentiellen Standorte an, darunter auch die Gemeinde Grünheide im Südosten Berlins. Freienbrink, ein Ortsteil Grünheides, versteckt inmitten eines Landschaftsschutzgebietes gelegen, suchte nach einer neuen Bestimmung, da es mit dem Fall der Mauer seiner Aufgabe als gigantisches Posträuberlager, Beschaffungs- und Logistikzentrum der Staatssicherheitsorgane der DDR, verlustig gegangen war.1 Die Naturschutzverbände und auch Teile der Bevölkerung wandten sich bereits damals vehement gegen die Ansiedlung, weil sie eine Eingliederung des Areals in das umgebende Landschaftsschutzgebietes Müggelspree- / Löcknitzer Wald- und Seengebiet anstrebten. Diese Reintegration wurde dann auch für den Fall zugesagt, dass BMW sich an anderer Stelle niederlassen sollte.2

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Datteln IV und der schmutzige neue Bahnstrom

Die Bahn ist das klimafreundlichste Verkehrsmittel auf längeren Strecken – was sie mit „100% Ökostrom“ an ihren ICEs auch breit bewirbt. Der Bahnverkehr könnte rein technisch schon jetzt überwiegend mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Nur auf nicht elektrifizierten Strecken wird die Bahn – noch – von Diesel angetrieben, wobei es mit Akkutriebwagen und Wasserstoffzügen auch hier inzwischen die Möglichkeit des elektrischen Betriebs gibt. Auch heute schon enthält der Bahnstrom mit 57 Prozent schon einen deutlich höheren Anteil erneuerbarer Energien als der allgemeine Strommix in Deutschland. Bis zum Jahr 2030 sollen es 80 Prozent sein, im Jahr 2038 dann endlich 100 Prozent.1 Echter Wind-, Solar und Wasserkraft-Strom macht allerdings nur Teil davon aus. Der größte Teil des Stroms wird hingegen über den Kauf und die Entwertung sogenannter Grünstromzertifikate lediglich „grün gemacht“.2 Das heißt beispielsweise, dass di e betreffende Energiemenge tatsächlich aus einem Kohle- oder Atomkraftwerk stammen kann, die Deutsche Bahn (DB AG) aber für diesen Strom die Grünstromzertifikate von Wasserkraftwerken in Norwegen aufkauft. Tatsächlich fließt aber kein Strom von Norwegen ins deutsche Bahnstromnetz, sondern die DB Energie GmbH bezahlt lediglich für die „grüne Eigenschaft“ dieser Energiemenge – was andere Stromanbieter im Übrigen ebenso praktizieren.

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Tempowahn und Eisenbahn

Bündnis für den Widerstand gegen Schädigungen jeglicher Art – Alliance pour l´opposition à toutes les nuisances*

Die Bewegungsfreiheit war als Freizügigkeit einer der wichtigsten Gründe für den Umsturz despotischer Regime. Doch am Ende sind es nun die Waren, die Bewegungsfreiheit genießen, während die Menschen, zu zahlenden Handelsgütern degradiert, von einer Ausbeutungsstätte zur anderen transportiert werden. Das Befreiungsversprechen hat sich am Ende in die bedauerliche Gewissheit verkehrt, nirgend mehr zu Hause zu sein und sich ständig auf die Suche nach sich selbst machen zu müssen. Der [französische Hochgeschwindigkeitszug] TGV entspricht diesem letzten Stadium. Es liegt tatsächlich eine gewisse Logik darin, eine Landschaft so schnell wie möglich zu durchqueren, wenn daraus beinahe alles verschwunden ist, was es wert war, dort zu verweilen, und wenn deren parodistische Nachbildung jederzeit im Euro-Disneyland [sic!] konsumiert werden kann, das zweckmäßig an einem Hauptknotenpunkt des Streckennetzes platziert wurde.

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