Wird eine Lagerhalle zur Batteriefabrik?

Tesla in Grünheide: 14 Genehmigungen zum vorzeitigen Baubeginn

Seit dem Bericht in der vorigen LP21-Ausgabe ist der Bau der Tesla-Fabrik in Grünheide, Brandenburg, weiter fortgeschritten. Keiner der kritisierten Punkte hat sich ins Positive gewendet. Im Gegenteil.

Wesentliches Argument für die Fabrik waren die Arbeitsplätze. Mit Tesla entstünden bis zu 40.000 neue Jobs. Dabei liegt die Arbeitslosigkeit in der Region bei weniger als sechs Prozent. Lokale Betriebe klagen, dass sie kaum geeignete Mitarbeiter finden. Laut dem wirtschaftspolitischen Sprecher der bündnisgrünen Fraktion, Heiner Klemp, fehlen in Brandenburg aktuell bereits mehr als 50.000 Fachkräfte. Das bekommt Tesla auch zu spüren: Von den 7000 Mitarbeitern, die am 1. Juli 2021 ihre Arbeit in Grünheide aufnehmen sollen, konnten bislang erst rund tausend vertraglich gebunden werden. Die Berichte, wonach derzeit polnische Arbeiter für einen Stundenlohn von 8,50 Euro bis zu 14 Stunden am Tag auf der Baustelle Schwerstarbeit verrichten, dürften der Ausstrahlungskraft Brandenburgs als Ort zum Leben und Arbeiten schaden.

Der Wald

Dem Argument, es sei unlogisch, für den angeblichen Klimaretter Elek-troauto den vorhandenen Klimaretter Wald zu opfern, wurde stets entgegengehalten, man werde eine deutlich größere Fläche als das gerodete Gebiet aufforsten. Es ist eine Binsenweisheit, dass eine Anzahl von Bäumen noch keinen Wald bildet. Bei dem in Grünheide gerodeten Wald handelte sich um ein geschlossenes Gebiet von 300 Hektar inmitten von Landschaftsschutzgebieten, in dem auch seltene Arten heimisch waren. Tatsächlich wurden von der Brandenburger Flächenagentur als Ausgleichsareal 49 getrennte Teilstücke zur Aufforstung angeboten. Jeder Setzling, der dort die beeindruckende Größe von 25 cm erreicht hat, gilt nun als Baum. Auf diese Weise einen geschlossenen Wald ersetzen zu wollen, ist nicht möglich. Zudem werden im Ortsteil Hangelsberg aktuell große Waldflächen aus dem Landschaftsschutzgebiet ausgegliedert und in Gewerbeflächen umgewandelt. Der Waldfraß schreitet f ort.

Wasser und Abwasser

Fest steht: Der Wasserverbrauch von Tesla wird gigantisch sein – und dies in einer Region, die anhaltend von starker Trockenheit betroffen ist. Der Wasserverband Strausberg-Erkner hat die Bereitstellung der abgeforderten Wassermengen zugesichert. Folglich sind die Wünschelroutengänger auf der Suche nach Wasservorkommen unterwegs. Es verwundert nicht, dass sich im Löcknitztal mit seinen Mooren und Sümpfen Wasser finden lässt. Theodor Fontanes „lieblichstes Tal der Mark“ hat den „Natura-2000-Status“. Genau hier sollen die vier bis sechs Millionen Kubikmeter Wasser jährlich entnommen werde, die Tesla in der letzten Ausbaustufe benötigen wird. Dieses Vierfache der ursprünglich genannten Wassermenge wird die Moore und Sümpfe austrocknen.

Im Verlauf des Genehmigungsverfahrens wurde gefordert, Tesla solle einen geschlossenen Wasserkreislauf installieren, so dass kaum Abwasser anfällt und der Wasserverbrauch sich reduziert. Doch seitens Teslas ist seit den Einwendungen zu den Erörterungen nichts mehr zu vernehmen. Inzwischen wurde bekannt: Der Wasserverband Strausberg-Erkner publizierte eine europaweite 80-Millionen-Euro-Ausschreibung für ein Klärwerk, rund 2,5 Kilometer von Tesla entfernt. Die Bevölkerung im Umkreis des Teslawerks hat selbstverständlich keine Ahnung davon, wer ein industrielles Klärwerk mit entsprechenden Klärschlämme- und Chemikalien-Transporten vor die Nase gesetzt bekommt. Gesichert ist: Es bedarf eines natürlichen Gewässers zur Ableitung des Abwassers. Als sog. Vorfluter infrage kommen die Spree oder der Oder-Spree-Kanal. In beiden Fällen erreichen dann die Abwässer Wasserschutzgebiete der Berliner Wasserbetriebe – beispielsweise am Langen See, der Dahme od er am Müggelsee.

Genehmigungsverfahren

Die erheblichen Baufortschritte beim Tesla-Werk sind möglich, weil das Landesamt für Umwelt großzügig Genehmigungen zum vorzeitigen Baubeginn erteilt. Inzwischen gibt es die Genehmigung Nr.14 dieser Art. Dennoch ist Elon Musk mit dem Tempo des Genehmigungsverfahrens unzufrieden. In einem Schreiben an das Berlin-Brandenburger Oberverwaltungsgericht forderte er, die Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. Die Behörde solle doch die negativen Auswirkungen seiner „Gigafactory“ gewissermaßen tolerieren angesichts der positiven Auswirkungen der zukünftig herzustellenden E-Autos, die Deutschland schließlich helfen würden, seine Klimaziele rechtzeitig zu erreichen.

Dass der Produktionsstart nun nicht, wie geplant, am 1. Juli, sondern wohl erst zum Jahresende erfolgen wird, hat viel mit den 478 Einwendungen, die von Bürgern und Umweltverbänden vorgebracht wurden, zu tun. Darin spielen die Art und die Menge von Gefahrstoffen, die im Produktionsprozess und insbesondere bei der „völlig neuartigen Lackierung“ Anwendung finden werden, eine zentrale Rolle. Es wurde sowohl kritisiert, dass Qualität und Quantität der Stoffe in den Antragsunterlagen oft als „Betriebsgeheimnis“ deklariert wurden und damit unbekannt blieben. Gleichzeitig konnte Tesla bislang kein schlüssiges Störfallkonzept vorlegen.

Ein in Auftrag gegebenes externes Gutachten der Hamburger Ingenieur-gesellschaft Müller-BBM stellt nun Tesla ein desaströses Zeugnis für die Vorbereitung auf Störfälle aus.1 Die laut Gutachten beanstandeten Stoffe würden sowohl von ihrem möglichen Gefährdungspotential (Schädigung der Atemwege von Anwohnern und Arbeitern und Induktion von Bränden im Störfall) als auch von ihrer Quantität die Autofabrik in die höchste Gefährdungsklasse „D“ gruppieren. Das würde ihre Errichtung in einem Wasserschutzgebiet ausschließen.

Umwidmung und Batteriefabrik

Während der Erörterungen zu den Einwendungen der Betroffenen wurde die Frage nach Plänen für die Errichtung einer Batteriefabrik – und damit einer Chemiefabrik in einem Wasserschutzgebiet sowohl von Tesla als auch vom Versammlungsleiter als nicht zum Genehmigungsverfahren gehörig abgewiesen. Es besteht Grund zur Sorge, dass ein Genehmigungsverfahren für eine solche Batteriefabrik, die offensichtlich geplant ist, umgangen werden soll. Tesla hat vom Bauamt der Gemeinde Grünheide eine Lagerhalle final genehmigt bekommen. Das Fundament, das derzeit dafür in Grünheide gegossen wird, ist für eine Lagerhalle jedoch untypisch: Vorbereitet wird eine fast zwei Meter starke Betonarmierung. Zu befürchten ist, dass die Lagerhalle per bloßer Anzeige über eine Umwidmung in eine Batteriefabrik verwandelt wird. Im bayrischen Parsdorf wendet BMW ein vergleichbares Verfahren an.

Widerstand

Der Skandal um die Tesla-Ansiedlung hat das Potenzial, auf Berlin auszustrahlen. 2013 wurden die Berliner Wasserbetriebe rekommunalisiert. Die treibende Kraft dahinter war der Berliner Wassertisch. Es verwundert nicht, dass die Wassertisch-Aktiven beim Thema Tesla-Ansiedelung und Einleitung von Abwässern in die Spree oder in den Oder-Spree-Kanal hellhörig sind. Am 27. April gab es – mit reger Beteiligung – eine erste Online-Veranstaltung zum Thema: „Gräbt Tesla uns das Wasser ab?“

Doch auch in der Region um Grünheide bleibt der Widerstand aktiv – nicht zuletzt stimuliert von den neuen Provokationen Teslas. Grundsätzlich gilt: Viele Menschen – nicht zuletzt in den neuen Bundesländern – , sind mit der parteiübergreifenden Ignoranz ihren Sorgen gegenüber unzufrieden. Sie organisieren sich in Bürgerinitiativen und vernetzen sich untereinander. Sie fordern, dass Fußgängern, Radfahrern und den öffentlichen Verkehrsmitteln Vorrang gegenüber dem motorisierten Individualverkehr eingeräumt wird. „Wachstum ohne Ende“ kann kein Gegenmittel zum Klimawandel sein. Jedes E-Auto mehr ist nicht ein Verbrenner weniger, sondern ein Auto mehr.

Heidemarie Schroeder, Mitglied der Bürgerinitiative Grünheide (www.BI-Gruenheide.de) und des Vereins für Natur und Landschaft in Brandenburg e.V.

Anmerkung:

1 siehe: https://www.businessinsider.de/wirtschaft/mobility/internes-gutachten-in-der-tesla-fabrik-koennten-sich-explodierende-gaswolken-und-giftige-reizgase-bilden/.