Privatisierung, PPP, ÖPP – ein immer subtilerer Raubzug

(Vorwort aus Lunapark21 Extra 2017/18)

Der langjährige SPD-Bundestagsabgeordnete und Promoter Erneuerbarer Energien, Hermann Scheer, paukte in seinen Reden immer wieder: „‚Privatisierung´ kommt aus dem Lateinischen, von privare. Und privare heißt berauben. Genau darum geht es bei den Privatisierungen. Beraubt wird die Bevölkerung.“ Hermann Scheer hatte sich zusammen mit dem Bündnis Bahn für Alle (BfA) und als Mitglied der Bahnfachleutegruppe Bürgerbahn statt Börsenbahn (BsB) ab dem Jahr 2006 gegen die Bahnprivatisierung engagiert.

Grundsätzlich gilt: In der bestehenden, kapitalistischen Gesellschaft herrscht die Grundtendenz, dass alles dem Prinzip der rücksichtslosen Profitmaximierung unterworfen wird. Weswegen Kinderarbeit im Manchester-Kapitalismus ebenso normal war wie dieses Phänomen heute – im neoliberalen „Raubtierkapitalismus“ – wieder in vielen Regionen Normalität ist. Nur wenn die Gesellschaft diese Grundtendenz des Kapitals eingrenzt, den Konzernen und Banken Schranken auferlegt, kann sie zurückgedrängt werden. In diesem Zusammenhang spielt der öffentliche Sektor eine wichtige Rolle: In diesem sind wesentliche Teile des gesellschaftlichen Lebens, auch Teile der Wirtschaft, der Profitmaximierungstendenz teilweise entzogen. Klassische Bereiche des öffentlichen Sektors sind Kindergärten/Kitas, Ausbildung, Bildung, Studium und Forschung, Verkehr und Transport (Mobilität), Gesundheit, Alterseinkommen (Renten), z.Tl. Finanzen (Zentralbank) und „öffentliche Sicherheit und Ordnung“. Doch auch all diese Bereiche sind nicht naturgesetzlich der Kontrolle des Kapitals entzogen – im Gegenteil. Seit Jahrhunderten gibt es ein ständiges Ringen zwischen den demokratischen, gewerkschaftlichen und sozialistischen Kräften einerseits (die sich für eine Ausweitung des öffentlichen Sektors engagieren) und den Konzernen, Banken und Versicherungen andererseits (die auf einen Abbau des öffentlichen Sektors und auf Privatisierung – auf Bevölkerungsberaubung – drängen).

Es ist kein Zufall, dass es in Westeuropa nach dem Zweiten Weltkrieg (der auch eine Bankrotterklärung des Kapitalismus war) zu einer Ausweitung des öffentlichen Sektors kam, teilweise, vor allem ab 1968, parallel mit der Erstarkung der Gewerkschaften und sozialistischer Kräfte … Und dass es seit dem Siegeszug des Neoliberalismus (ab Mitte der 1980er Jahre), verstärkt durch den Zusammenbruch der nichtkapitalistischen Länder (UdSSR, DDR usw.) in den „Wende“-Jahren 1989-91, und begleitet von der strategischen Schwächung der Gewerkschaften zu einer Privatisierungsoffensive kam.

Hier gab es anfangs höchst banale, direkte Privatisierungsformen: Öffentliches Eigentum wurde in privates verwandelt (Post, Telekom, Veba, Ruhrkohle, VOEST Alpine). Das waren recht durchschaubare Vorgänge. Allerdings gerieten diese direkten Privatisierungen vielfach – zu Recht! – in Verruf; die gewaltigen gesellschaftlichen Kosten, die damit verbunden sind, wurden für viele Menschen erkennbar. Daher gingen die Privatisierer in jüngerer Zeit meist weniger direkte Wege. Komplizierte Modelle wie Private Public Partnership (PPP) und Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP) wurden entwickelt. Deren Vorteil für die Privatisierungslobby besteht darin, dass die Öffentlichkeit leichter getäuscht werden kann, wohingegen die Extraprofite staatlich garantiert bleiben. Um diese spezifischen Formen von Privatsierungen geht es in diesem Heft generell. In dem ersten Block – (die entsprechenden Artikel aus dem Heft werden in den nächsten Tagen hier veröffentlicht) – wird grundsätzlich dargelegt, was ÖPP/PPP meint, wie es funktioniert. Genauer: Dass es eigentlich nicht funktioniert – jedenfalls nie aus Sicht der Öffentlichkeit, der Bevölkerung.

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