Von der Verkehrswende zur Verkehrsrevolution

Klaus Gietinger: Vollbremsung. Warum das Auto keine Zukunft hat und wir trotzdem weiterkommen. Frankfurt 2019 (Westend Verlag)

Klaus Gietinger, Filmemacher, Autor und Aktivist, war lange Zeit mit wenigen anderen ein einsamer Rufer, der die Verheerungen des Autowahns anprangert. („Totalschaden“, „99 Crashes“). In dieser Rolle war er ein gern gesehener Exot in den Talkshows, dessen Thesen und Positionen man entweder ironisch lächelnd oder entsetzt ungläubig zur Kenntnis genommen hat. Richtig ernst ist er vom Expertenkartell ums Auto herum nicht genommen worden. Das könnte sich nun ändern, der Exot ist dabei, vom belächelten Außenseiter zur Speerspitze einer Bewegung, die er „De-Karre-sierung“ bzw. „De-Carisierung“ nennt, zu werden. Die Zeitläufte hierfür sind günstig und Gietinger nimmt sie zum Anlass, seine Autokritik zu aktualisieren und zu verschärfen.

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China, nicht das Klima

Elektromobilität vergrößert das Zerstörungspotential

Elektromobilität wird vielfach als etwas dargestellt, das „von außen“ kommt, was der traditionellen Autobranche gar aufgezwungen werden müsste. Das ist nicht der Fall. Die „traditionelle“ Autoindustrie selbst setzt massiv auf „Elektromobilität“. Sie tut dies als Resultat einer spezifischen Konstellation in der Weltautoindustrie. Dabei spielt nicht das Klima, sondern China die entscheidende Rolle.

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Das Elektroauto – eine Sackgasse

Ein Diskussionsbeitrag auf der „Streikkonferenz“ in Braunschweig im Februar 2019

Drei Vorbemerkungen seien gestattet.

Erstens: 1986 saß ich mit einem gewissen Prof. Ulrich Seiffert auf dem Podium eines Kongresses zur Zukunft des Automobils. Damals sagte jener Mensch, er war Entwicklungschef bei VW: „In fünf bis sechs Jahren wird das Elektro-Hybrid-Fahrzeug auf dem Markt sein.“ Das war vor gut drei Jahrzehnten![1]

Zweitens: Ich werde am 24. März in Leipzig auf der dortigen Buchmesse mein neues Buch vorstellen mit dem Titel: „Mit dem Elektroauto in die Sackgasse. Wie Elektromobilität den Klimawandel beschleunigt“.

Drittens. Ich bin mit allen hier im Saal solidarisch, wenn es um konkrete Arbeitskämpfe geht. Das war so 1986, als ich in Puebla, Mexiko, vor Ort den wochenlangen VW-Streik unterstützte und es dabei gelang, dass im VW-Motorenwerk in Salzgitter ein Warnstreik in Solidarität mit den VW-Beschäftigten in Puebla durchgeführt wurde. Die Kolleginnen und Kollegen in Mexiko gewannen den Kampf. Das war so in den 1990er Jahren, als ich zusammen mit Ford-Kollegen in Köln die Zeitungçözüm yolu– linkseröm“ machte. Und das war so beim Opel-Streik 2004 in Bochum [2]. Doch diese praktische Solidarität entbindet uns nicht – als vernunftbegabte und links engagierte Menschen – von einer grundsätzlichen Kritik am Produkt Auto.

Übrigens: Gestern Abend, bei der beeindruckenden Auftaktveranstaltung der Streikkonferenz im überfüllten Saal, da wurden im Hauptreferat und in allen Reden Dutzende spannende Streiks erwähnt und gewürdigt. Doch der eine Streik, der am selben Tag, an dem diese Veranstaltung durchgeführt wurde, stattfand, dieser wurde von niemandem genannt – der Streik der Schülerinnen! Nicht einmal die Vertreterin der GEW hatte den auf dem Schirm. Das ist doch peinlich und absurd. Und vor allem ist das deshalb hier für uns wichtig, weil diese jungen Leute eben nicht für mehr Elektroautos auf die Straße gehen, sondern für eine Zukunft dieser Generation auf dem Planeten. Und die wird es nur geben, wenn wir unter anderem das Produkt Auto als solches kritisch betrachten – wie in den folgenden sieben Thesen.

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„Elektromobilität ist grün und richtet sich gegen die traditionelle Öl- und Autoindustrie“

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Im Zusammenhang mit der „Elektromobilität“ wird argumentiert, es gehe dabei um eine grundlegende Veränderung der bestehenden Wirtschaftsstrukturen. Konzerne, die mit der vorherrschenden Automobilität verbunden sind – also die traditionellen Öl- und Autokonzerne – würden verdrängt durch Unternehmen einer neuen, fortschrittlichen Ökonomie. Die Grundthese lautet: Grüner Kapitalismus ersetzt braune, „fossile“ Unternehmen. Das trifft nicht zu – ist eine Quartalslüge. Die neue Ökonomie der Elektromobilität ist die alte Ökonomie der Autogesellschaft.

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