Der Mann hat es nicht leicht. Besonders der chinesische Mann, und ganz besonders, wenn er heiraten will. Denn laut einer Studie in der Zeitschrift Demographic Research steht dem Mann im besten Heiratsalter nur eine 84-prozentige Frau gegenüber. Realistischer ausgedrückt, auf 119 Männer entfallen 100 Frauen, wie gesagt im besten Heiratsalter. Die Jungs müssen sich also ins Zeug legen – und ins Mittel. Denn anders als in den meisten Ländern, wo im Zuge steigender Einkommen die Sitte, einen Brautpreis zu zahlen, verschwunden ist, hält man in China an der Praxis fest.
Die Lockdowns während der Corona-Pandemie und der anschließende Zusammenbruch der Immobilienbranche haben die Chinesinnen und Chinesen verunsichert und viele um ihr Erspartes gebracht. Man schränkt sich folglich ein mit dem Ergebnis, dass die Preise auf breiter Front fallen. Das Land befindet sich seit gut zwei Jahren in einer Deflation.
Fast alles wird billiger, doch die Bräute bleiben teuer, nicht nur dem allgemeinen Trend, sondern auch dem Gesetz zum Trotz, das die Forderung von Geld oder Geschenken im Rahmen einer Eheschließung verbietet.
Seit ihrer Machteroberung agitiert die Kommunistische Partei gegen die Jahrhunderte alte Tradition »feudaler Extravaganz«. Vergebens, nach wie vor gehören intensive familiäre Verhandlungen zu den Hochzeitsvorbereitungen. In manchen Gegenden geht das Geld an das junge Paar, in anderen an die Brauteltern. Die durchschnittlichen Preise schwanken je nach Region zwischen 40.000 und 115.000 Yuan, was 5000 bis 16.000 Dollar entspricht, können aber auch 50.000 Dollar oder mehr betragen.
Lagen die Brautpreise auf dem Land, wo die Einkommen niedriger sind, bis vor fünfzehn Jahren deutlich unter denen in den Städten, so haben sie sich inzwischen angeglichen, was ärmere Familien überfordert.
Kommt es zur Trennung, so entsteht Streit um die Höhe der Rückzahlung, oft vor Gericht. Und es kommt seit Jahren immer häufiger zu Trennungen. Die Scheidungsrate ist im internationalen Vergleich hoch, die Zahl der Eheschließungen nimmt ab. Es sind vor allem die jungen, gut ausgebildeten Frauen, die zugunsten ihrer Selbstbestimmung auf feudale Extravaganz pfeifen. Und das ist den Patriarchen in Partei und Regierung auch wieder nicht recht.
Technischer Fortschritt
Port Sudan, mehr als tausend Kilometer fern vom Kriegsgeschehen, schien ein sicherer Ort. Doch dann explodierten Anfang Mai an sechs aufeinanderfolgenden Tagen Treibstoffdepots, Hangars und Hafenanlagen. Es waren Drohnen, gestartet von den sogenannten Rapid Support Forces (RSF), und die schlugen nicht nur in der Stadt am Roten Meer mit über einer halben Million Einwohner:innen ein, sondern auch als Nachricht über eine der schrecklichsten Konfliktregionen der Welt.
Jahrzehnte des Sezessionskriegs in Südsudan, Kämpfe und Vertreibung in Darfur, Staatsstreich in Khartoum, und seit April 2023 kämpfen die RSF gegen die Regierungstruppen um die Macht in Sudan – die Medien in Europa und Amerika schienen längst das Interesse als auch den Überblick verloren zu haben.
Dass die berüchtigten RSF-Milizen ihre Pferde inzwischen durch Pickups samt starker Geschütze ersetzt hatten, war bekannt. Dass sie jetzt aber auch über weitreichende Präzisionswaffen verfügten, gab zu denken.
Die rasche Entwicklung der Waffentechnik, die wir im Ukrainekrieg Putins verfolgen können, gibt auch den Warlords anderswo Mittel an die Hand, vor allem in Afrika. Denn die neuen Waffen sind billig und einfach zu bedienen. Über Jahrzehnte wurden die Kriege in Afrika im Wesentlichen von leichten Infanterieeinheiten zu Lande geführt. Luftstreitkräfte wären zu teuer und zu komplex gewesen. Drohnen können einen entscheidenden Vorteil bedeuten. Aber ihr umstandsloser Einsatz – große Rekrutierungen von Mannschaften sind nicht erforderlich – birgt die Gefahr vermehrter Kriegsausbrüche.
Schon 2023 hatten 30 afrikanische Regierungen Drohnen gekauft. Waren bis 2022 nur wenige Drohnenangriffe im gesamten Kontinent verzeichnet worden, zählte das Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED) im folgenden Jahr schon gut 200, und 2024 sogar 484 Einsätze mit mehr als 1200 Todesopfern.
Das bevorzugte Modell ist die türkische Bayraktar TB2 zum Stückpreis von rund fünf Millionen Dollar. Die Ausgaben können sich lohnen. Als die Tigray-Rebellen 2021 vor der Äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba standen, rettete die Regierung ihr Vorrat an Drohnen, mit denen sie die Nachschubwege der Angreifer zerstörte. »Wir hätten Adis leicht erobern können«, zitiert der Economist einen Nachrichtenoffizier aus Tigray. »Es waren die verdammten Drohnen. Wir hatten keine Möglichkeit, sie abzuschießen«.
Kupferdraht
Seit 1903 wird im Bingham Canyon geschürft. 275.000 Tonnen reinen Kupfers werden pro Jahr aus der 1200 Meter tiefen Grube im US-Bundesstaat Utah gewonnen. Die Miene ist die letzte im Land, die den gesamten Produktionsprozess einschließt.
Die USA sind nach China zweitgrößter Verbraucher von Kupfer, und importieren knapp die Hälfte ihres Bedarfs, hauptsächlich in verarbeiteter Form als Röhren oder Kabel. Bis in die 1960er Jahre waren die USA weltgrößter Produzent von Kupfer. Und so soll es wieder werden, wenn es nach Donald Trump ginge.
Dazu hat er alle Importe des roten Metalls mit einem Zolltarif von 50 Prozent belegt. Doch was auf den Import zielt, wirkt sich auch auf den inländischen Handel aus. Bereits auf die Ankündigung der Zollerhebung hat die Industrie mit Hamsterkäufen reagiert und den Preis des im Land gelagerten Kupfers in die Höhe getrieben. Das kommt zunächst dem heimischen Bergbau zugute. Aufgrund der erwarteten Teuerung wurden die Bestände des größten US-Kupferproduzenten, Freeport McMoRan, plötzlich höher bewertet, und daher auch das Unternehmen insgesamt zur Freude von Vorstand und Aktionär:innen.
Dass aber der hohe Zoll eine Ausweitung der Kupferproduktion in den USA bewirken wird, ist nicht wahrscheinlich. Eine Lagerstätte zu erschließen dauert Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, und ist in den USA etwa dreimal teurer als an anderen Fundorten, wie der Economist schätzt. Mit der Förderung der Erze ist es nicht getan, auch die Kupfer-Raffinierung ist kapitalintensiv. Allein ein Schmelzofen von rentabler Größe kostet etwa drei Milliarden Dollar. Welches Unternehmen wollte derart hohe und langfristige Investitionen riskieren unter einem Präsidenten, der seine Zollpolitik alle paar Monate ändert.
Die amerikanischen Autobauer trifft der hohe Kupferpreis hart. In jedem konventionellen Fahrzeug sind 20 Kilogramm des roten Metalls verbaut, in E-Autos noch mehr. Und ausgerechnet der fortgeschrittensten Branche wirft Trump Steine in den Weg, denn bis zu 3000 Tonnen Kupfer benötigen große Datenzentren. In den KI-Netzwerken von Nvidia, dem führenden Unternehmen modernster Informationstechnik, stecken meilenweise Kupferkabel.
›Make Copper Great Again‹ wird nicht funktionieren. Die Industrie des vergangenen Jahrhunderts wird Trump nicht zurückholen.
K-Pop
Millionen Fans weltweit waren erleichtert, als Sugas Sozialdienst endete und BTS wieder komplett war. Er war der letzte der siebenköpfigen Boygroup, der wieder ins zivile Leben trat. In Südkorea besteht Wehrpflicht. Die anderen Bandmitglieder hatten den 18monatigen Militärdienst bereits absolviert. Zuvor hatte BTS mehrere Guinness-Rekorde aufgestellt und wurde schon als größte Pop-Band der Welt gefeiert. Die über 40.000 Karten ihres ersten Stadionkonzerts in den USA waren in 20 Minuten verkauft.
Südkorea ist nicht nur ein starker Exporteur von Elektronik, Autos und Schiffen, sondern auch von Popkultur. Der Tony Award »bestes Musical« und fünf weitere Tonys gingen dieses Jahr an »Maybe Happy Ending«, das von zwei Helperbots (Service-Roboter) in Seoul erzählt. Den Literatur-Nobelpreis 2024 gewann Han Kang, deren bekanntester Roman »Die Vegetarierin« ist, und Kim Ho-Yeons Roman »The Second Chance Convenience Store«* kündigt der englische Verlag als »No. 1 International Bestseller« an.
»Parasite« erhielt 2020 als erster fremdsprachiger Film den Oscar für den besten Film. »Gangnam Style« kam 2012 als erstes Video auf über eine Milliarde YouTube-Abrufe.
Von einer Kulturwelle, Koreanisch ›Hallyu‹, ist die Rede, die in den 1990er Jahren ihren Anfang nahm, als südkoreanische Soaps in China und Japan populär wurden. Die Zahl der Fashion-Follower wächst. Die Leute wollen die Speisen probieren, die die Stars essen, das Makeup tragen, das ihre Vorbilder benutzen, und sogar die Sprache lernen.
Die südkoreanischen Celebrities erscheinen durchweg mit makelloser Haut, was für deren Pflegeprodukte zu sprechen scheint. Der Export südkoreanischer Kosmetika stieg 2024 um 20 Prozent auf zehn Milliarden Dollar. Die USA importierten im vergangenen Jahr mehr Kosmetika aus Südkorea als aus Frankreich. Im ersten Halbjahr 2025 stiegen die K-Beauty-Exporte weiter an. Dabei half im April Präsident Trumps Ankündigung, südkoreanische Importe mit 25 Prozent Zoll zu belegen, was die Konsumentinnen veranlasste, Vorräte anzulegen. Drei Monate später reduzierte Trump den Tarif auf 15 Prozent.
Bislang waren die Kosmetika aus Südkorea preisgünstiger als die US-Produkte, dennoch seien sie den amerikanischen qualitativ überlegen, wie einige Kundinnen der New York Times versicherten, weshalb sie die auch in Zukunft kaufen würden.
* Liegt auch auf Deutsch vor als »Frau Yeoms kleiner Laden der großen Hoffnungen«.
Wertstoffsammlung
Die »militärische Spezialoperation«, mit der Wladimir Putin im Februar 2022 Kiew quasi im Handstreich nehmen und die ukrainische politische Führung liquidieren wollte, zieht sich im dritten Jahr und fordert ständigen Ersatz der Verluste an Truppen und Waffen. Im April dieses Jahres veranschlagte die Nato die Zahl der toten und verwundeten russischen Soldaten auf etwa 900.000.
Die Rüstungsbetriebe in Russland arbeiten unter Hochdruck, um Munition und anderes Kriegsmaterial nachzuliefern. Dazu sind sie auf die Versorgung mit industriellen Vorprodukten, Maschinen und Maschinenteilen angewiesen, zumal laut Schätzung des Economic Security Council of Ukraine (ESCU) nahezu zwei Drittel der Anlagen alt und marode sind. Vor allem auf den Import computergesteuerter Maschinen ist Russland angewiesen. China ist inzwischen wichtigster Handelspartner Russlands und liefere 80 bis 90 Prozent des industriellen Equipments. CNC-Ausrüstungen, computergesteuerte Werkzeugmaschinen, deren Weiterverkauf durch westliche Sanktionen beschränkt ist, bezieht China größtenteils selbst noch aus dem Ausland. Einige chinesische Firmen sind von den Restriktionen nicht betroffen oder handeln über Drittstaaten mit Russland. 340 chinesische Firmen hätten nach ESCU-Recherchen 2023 und im ersten Vierteljahr 2024 westliche Maschinerie im Wert von rund 570 Millionen Dolla r an Russland geliefert. Und von den 30 größten westlichen Produzenten von CNC-Maschinen unterhielten 22 Fabriken in China.
Im Gegenzug kauft China russisches Öl und Gas. Außer Rohstoffen hatte Russland ausländischen Kunden kaum jemals anderes zu bieten. Doch nun hat Putin das Angebot erweitert – um den Schrott vom Schlachtfeld. Begehrt seitens China scheinen die Reste amerikanischer präzisionsgesteuerter Raketen, europäischer Cruise-Missiles und anderen Hightech-Kriegsgeräts zu sein, mittels derer sich die fortgeschrittenste Technologie erkunden lässt.
Solche Überlassung wertvollen Forschungsmaterials ist vermutlich der Not geschuldet, denn die zunehmende Abhängigkeit von China bereitet der politischen und militärischen Elite in Moskau Kopfzerbrechen. Neben allen Freundschaftsbekundungen gegenüber dem starken Partner im Südosten hat der russische Geheimdienst eine Reihe von Wissenschaftler:innen verhaftet – wegen angeblichen Geheimnisverrats an China.
