Der Liebe Unterpfand

Der Mann hat es nicht leicht. Besonders der chinesische Mann, und ganz besonders, wenn er heiraten will. Denn laut einer Studie in der Zeitschrift Demographic Research steht dem Mann im besten Heiratsalter nur eine 84-prozentige Frau gegenüber. Realistischer ausgedrückt, auf 119 Männer entfallen 100 Frauen, wie gesagt im besten Heiratsalter. Die Jungs müssen sich also ins Zeug legen – und ins Mittel. Denn anders als in den meisten Ländern, wo im Zuge steigender Einkommen die Sitte, einen Brautpreis zu zahlen, verschwunden ist, hält man in China an der Praxis fest.

Die Lockdowns während der Corona-Pandemie und der anschließende Zusammenbruch der Immobilienbranche haben die Chinesinnen und Chinesen verunsichert und viele um ihr Erspartes gebracht. Man schränkt sich folglich ein mit dem Ergebnis, dass die Preise auf breiter Front fallen. Das Land befindet sich seit gut zwei Jahren in einer Deflation.

Fast alles wird billiger, doch die Bräute bleiben teuer, nicht nur dem allgemeinen Trend, sondern auch dem Gesetz zum Trotz, das die Forderung von Geld oder Geschenken im Rahmen einer Eheschließung verbietet.

Seit ihrer Machteroberung agitiert die Kommunistische Partei gegen die Jahrhunderte alte Tradition »feudaler Extravaganz«. Vergebens, nach wie vor gehören intensive familiäre Verhandlungen zu den Hochzeitsvorbereitungen. In manchen Gegenden geht das Geld an das junge Paar, in anderen an die Brauteltern. Die durchschnittlichen Preise schwanken je nach Region zwischen 40.000 und 115.000 Yuan, was 5000 bis 16.000 Dollar entspricht, können aber auch 50.000 Dollar oder mehr betragen.

Lagen die Brautpreise auf dem Land, wo die Einkommen niedriger sind, bis vor fünfzehn Jahren deutlich unter denen in den Städten, so haben sie sich inzwischen angeglichen, was ärmere Familien überfordert.

Kommt es zur Trennung, so entsteht Streit um die Höhe der Rückzahlung, oft vor Gericht. Und es kommt seit Jahren immer häufiger zu Trennungen. Die Scheidungsrate ist im internationalen Vergleich hoch, die Zahl der Eheschließungen nimmt ab. Es sind vor allem die jungen, gut ausgebildeten Frauen, die zugunsten ihrer Selbstbestimmung auf feudale Extravaganz pfeifen. Und das ist den Patriarchen in Partei und Regierung auch wieder nicht recht.

Technischer Fortschritt

Port Sudan, mehr als tausend Kilometer fern vom Kriegsgeschehen, schien ein sicherer Ort. Doch dann explodierten Anfang Mai an sechs aufeinanderfolgenden Tagen Treibstoffdepots, Hangars und Hafenanlagen. Es waren Drohnen, gestartet von den sogenannten Rapid Support Forces (RSF), und die schlugen nicht nur in der Stadt am Roten Meer mit über einer halben Million Einwohner:innen ein, sondern auch als Nachricht über eine der schrecklichsten Konfliktregionen der Welt.

Jahrzehnte des Sezessionskriegs in Südsudan, Kämpfe und Vertreibung in Darfur, Staatsstreich in Khartoum, und seit April 2023 kämpfen die RSF gegen die Regierungstruppen um die Macht in Sudan – die Medien in Europa und Amerika schienen längst das Interesse als auch den Überblick verloren zu haben.

Dass die berüchtigten RSF-Milizen ihre Pferde inzwischen durch Pickups samt starker Geschütze ersetzt hatten, war bekannt. Dass sie jetzt aber auch über weitreichende Präzisionswaffen verfügten, gab zu denken.

Die rasche Entwicklung der Waffentechnik, die wir im Ukrainekrieg Putins verfolgen können, gibt auch den Warlords anderswo Mittel an die Hand, vor allem in Afrika. Denn die neuen Waffen sind billig und einfach zu bedienen. Über Jahrzehnte wurden die Kriege in Afrika im Wesentlichen von leichten Infanterieeinheiten zu Lande geführt. Luftstreitkräfte wären zu teuer und zu komplex gewesen. Drohnen können einen entscheidenden Vorteil bedeuten. Aber ihr umstandsloser Einsatz – große Rekrutierungen von Mannschaften sind nicht erforderlich – birgt die Gefahr vermehrter Kriegsausbrüche.

Schon 2023 hatten 30 afrikanische Regierungen Drohnen gekauft. Waren bis 2022 nur wenige Drohnenangriffe im gesamten Kontinent verzeichnet worden, zählte das Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED) im folgenden Jahr schon gut 200, und 2024 sogar 484 Einsätze mit mehr als 1200 Todesopfern.

Das bevorzugte Modell ist die türkische Bayraktar TB2 zum Stückpreis von rund fünf Millionen Dollar. Die Ausgaben können sich lohnen. Als die Tigray-Rebellen 2021 vor der Äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba standen, rettete die Regierung ihr Vorrat an Drohnen, mit denen sie die Nachschubwege der Angreifer zerstörte. »Wir hätten Adis leicht erobern können«, zitiert der Economist einen Nachrichtenoffizier aus Tigray. »Es waren die verdammten Drohnen. Wir hatten keine Möglichkeit, sie abzuschießen«.

Kupferdraht

Seit 1903 wird im Bingham Canyon geschürft. 275.000 Tonnen reinen Kupfers werden pro Jahr aus der 1200 Meter tiefen Grube im US-Bundesstaat Utah gewonnen. Die Miene ist die letzte im Land, die den gesamten Produktionsprozess einschließt.

Die USA sind nach China zweitgrößter Verbraucher von Kupfer, und importieren knapp die Hälfte ihres Bedarfs, hauptsächlich in verarbeiteter Form als Röhren oder Kabel. Bis in die 1960er Jahre waren die USA weltgrößter Produzent von Kupfer. Und so soll es wieder werden, wenn es nach Donald Trump ginge.

Dazu hat er alle Importe des roten Metalls mit einem Zolltarif von 50 Prozent belegt. Doch was auf den Import zielt, wirkt sich auch auf den inländischen Handel aus. Bereits auf die Ankündigung der Zollerhebung hat die Industrie mit Hamsterkäufen reagiert und den Preis des im Land gelagerten Kupfers in die Höhe getrieben. Das kommt zunächst dem heimischen Bergbau zugute. Aufgrund der erwarteten Teuerung wurden die Bestände des größten US-Kupferproduzenten, Freeport McMoRan, plötzlich höher bewertet, und daher auch das Unternehmen insgesamt zur Freude von Vorstand und Aktionär:innen.

Dass aber der hohe Zoll eine Ausweitung der Kupferproduktion in den USA bewirken wird, ist nicht wahrscheinlich. Eine Lagerstätte zu erschließen dauert Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, und ist in den USA etwa dreimal teurer als an anderen Fundorten, wie der Economist schätzt. Mit der Förderung der Erze ist es nicht getan, auch die Kupfer-Raffinierung ist kapitalintensiv. Allein ein Schmelzofen von rentabler Größe kostet etwa drei Milliarden Dollar. Welches Unternehmen wollte derart hohe und langfristige Investitionen riskieren unter einem Präsidenten, der seine Zollpolitik alle paar Monate ändert.

Die amerikanischen Autobauer trifft der hohe Kupferpreis hart. In jedem konventionellen Fahrzeug sind 20 Kilogramm des roten Metalls verbaut, in E-Autos noch mehr. Und ausgerechnet der fortgeschrittensten Branche wirft Trump Steine in den Weg, denn bis zu 3000 Tonnen Kupfer benötigen große Datenzentren. In den KI-Netzwerken von Nvidia, dem führenden Unternehmen modernster Informationstechnik, stecken meilenweise Kupferkabel.

›Make Copper Great Again‹ wird nicht funktionieren. Die Industrie des vergangenen Jahrhunderts wird Trump nicht zurückholen.

K-Pop

Millionen Fans weltweit waren erleichtert, als Sugas Sozialdienst endete und BTS wieder komplett war. Er war der letzte der siebenköpfigen Boygroup, der wieder ins zivile Leben trat. In Südkorea besteht Wehrpflicht. Die anderen Bandmitglieder hatten den 18monatigen Militärdienst bereits absolviert. Zuvor hatte BTS mehrere Guinness-Rekorde aufgestellt und wurde schon als größte Pop-Band der Welt gefeiert. Die über 40.000 Karten ihres ersten Stadionkonzerts in den USA waren in 20 Minuten verkauft.

Südkorea ist nicht nur ein starker Exporteur von Elektronik, Autos und Schiffen, sondern auch von Popkultur. Der Tony Award »bestes Musical« und fünf weitere Tonys gingen dieses Jahr an »Maybe Happy Ending«, das von zwei Helperbots (Service-Roboter) in Seoul erzählt. Den Literatur-Nobelpreis 2024 gewann Han Kang, deren bekanntester Roman »Die Vegetarierin« ist, und Kim Ho-Yeons Roman »The Second Chance Convenience Store«* kündigt der englische Verlag als »No. 1 International Bestseller« an.

»Parasite« erhielt 2020 als erster fremdsprachiger Film den Oscar für den besten Film. »Gangnam Style« kam 2012 als erstes Video auf über eine Milliarde YouTube-Abrufe.

Von einer Kulturwelle, Koreanisch ›Hallyu‹, ist die Rede, die in den 1990er Jahren ihren Anfang nahm, als südkoreanische Soaps in China und Japan populär wurden. Die Zahl der Fashion-Follower wächst. Die Leute wollen die Speisen probieren, die die Stars essen, das Makeup tragen, das ihre Vorbilder benutzen, und sogar die Sprache lernen.

Die südkoreanischen Celebrities erscheinen durchweg mit makelloser Haut, was für deren Pflegeprodukte zu sprechen scheint. Der Export südkoreanischer Kosmetika stieg 2024 um 20 Prozent auf zehn Milliarden Dollar. Die USA importierten im vergangenen Jahr mehr Kosmetika aus Südkorea als aus Frankreich. Im ersten Halbjahr 2025 stiegen die K-Beauty-Exporte weiter an. Dabei half im April Präsident Trumps Ankündigung, südkoreanische Importe mit 25 Prozent Zoll zu belegen, was die Konsumentinnen veranlasste, Vorräte anzulegen. Drei Monate später reduzierte Trump den Tarif auf 15 Prozent.

Bislang waren die Kosmetika aus Südkorea preisgünstiger als die US-Produkte, dennoch seien sie den amerikanischen qualitativ überlegen, wie einige Kundinnen der New York Times versicherten, weshalb sie die auch in Zukunft kaufen würden.

* Liegt auch auf Deutsch vor als »Frau Yeoms kleiner Laden der großen Hoffnungen«.

Wertstoffsammlung

Die »militärische Spezialoperation«, mit der Wladimir Putin im Februar 2022 Kiew quasi im Handstreich nehmen und die ukrainische politische Führung liquidieren wollte, zieht sich im dritten Jahr und fordert ständigen Ersatz der Verluste an Truppen und Waffen. Im April dieses Jahres veranschlagte die Nato die Zahl der toten und verwundeten russischen Soldaten auf etwa 900.000.

Die Rüstungsbetriebe in Russland arbeiten unter Hochdruck, um Munition und anderes Kriegsmaterial nachzuliefern. Dazu sind sie auf die Versorgung mit industriellen Vorprodukten, Maschinen und Maschinenteilen angewiesen, zumal laut Schätzung des Economic Security Council of Ukraine (ESCU) nahezu zwei Drittel der Anlagen alt und marode sind. Vor allem auf den Import computergesteuerter Maschinen ist Russland angewiesen. China ist inzwischen wichtigster Handelspartner Russlands und liefere 80 bis 90 Prozent des industriellen Equipments. CNC-Ausrüstungen, computergesteuerte Werkzeugmaschinen, deren Weiterverkauf durch westliche Sanktionen beschränkt ist, bezieht China größtenteils selbst noch aus dem Ausland. Einige chinesische Firmen sind von den Restriktionen nicht betroffen oder handeln über Drittstaaten mit Russland. 340 chinesische Firmen hätten nach ESCU-Recherchen 2023 und im ersten Vierteljahr 2024 westliche Maschinerie im Wert von rund 570 Millionen Dolla r an Russland geliefert. Und von den 30 größten westlichen Produzenten von CNC-Maschinen unterhielten 22 Fabriken in China.

Im Gegenzug kauft China russisches Öl und Gas. Außer Rohstoffen hatte Russland ausländischen Kunden kaum jemals anderes zu bieten. Doch nun hat Putin das Angebot erweitert – um den Schrott vom Schlachtfeld. Begehrt seitens China scheinen die Reste amerikanischer präzisionsgesteuerter Raketen, europäischer Cruise-Missiles und anderen Hightech-Kriegsgeräts zu sein, mittels derer sich die fortgeschrittenste Technologie erkunden lässt.

Solche Überlassung wertvollen Forschungsmaterials ist vermutlich der Not geschuldet, denn die zunehmende Abhängigkeit von China bereitet der politischen und militärischen Elite in Moskau Kopfzerbrechen. Neben allen Freundschaftsbekundungen gegenüber dem starken Partner im Südosten hat der russische Geheimdienst eine Reihe von Wissenschaftler:innen verhaftet – wegen angeblichen Geheimnisverrats an China.

eingeblättert

Tech and Drugs

Jede Unternehmensberatung würde von Heroin abraten und stattdessen Fentanyl empfehlen. Aber soweit bekannt, arbeiten McKinsey und andere Consulting-Firmen nicht für Drogen-Kriminelle. Und die wissen auch ohne Hilfe: Fentanyl ist deutlich profitabler als Heroin.

Fentanyl lässt sich an beliebigem Ort synthetisch herstellen, ebenso Amphetamine. Man braucht sich nicht um landwirtschaftlichen Anbau zu kümmern, sich nicht mit Bauern verständigen und keine illegalen Rohstoffe schmuggeln. Und wenn die Taliban den Anbau von Schlafmohn verbieten, ist das nur von Vorteil.

Synthetische Drogen lassen sich auf verschiedene Weise erzeugen, und es lassen sich Drogen kreieren. An die tausend neue psychoaktive Substanzen, auch Designerdrogen genannt, registrierte das Uno-Büro für Drogen- und Verbrechensbekämpfung während der vergangenen zehn Jahre.

Seit 1990 ist ein internationales Übereinkommen in Kraft, das den Verkehr sogenannter Vorläuferstoffe zur Herstellung von Suchtmitteln verbietet. Ohne Erfolg: Die Drogen-Chemiker griffen zurück auf die Vorläuferstoffe der Vorläuferstoffe, und die sind in so verbreitetem industriellem Gebrauch, dass sie sich nicht verbieten lassen. Der Erwerb der Zutaten ist also legal, die Handelswege und Empfänger kaum zu ermitteln, wo der Transport durch Drohnen die Grenzkontrollen umgeht.

Auch im Vertrieb sucht das Verbrechen neue Wege. Doch die Konsument:innen in den USA und in Westeuropa bevorzugen nach wie vor die traditionelle Art des Drogenerwerbs von Angesicht zu Angesicht auf der Straße, in Bars oder Clubs. In Russland ist man weiter. Angeboten und bestellt wird via Darknet oder Social Media, die Ware wird in einem Versteck deponiert, dessen Ortsangabe nach erfolgter Bezahlung, vorzugsweise in Kryptogeld, übermittelt wird. Dieser Komfort und die geringeren Kosten gegenüber Heroin oder Kokain haben den Markt zugunsten synthetischer Drogen gewendet.

Das Geschäftsmodell dürfte sich auch im Westen durchsetzen – und die Todesfälle in die Höhe treiben, denn synthetische Drogen wirken stärker und effektiver als Heroin. Dabei gefährdet der Konsum nicht nur das eigene Leben, mit jedem Kauf illegaler Drogen unterstützt man das Organisierte Verbrechen.


Prozentual und absolut

Immer drei Nummern größer. Im vergangenen Jahr hat China Sonnenenergie-Anlagen mit einer Kapazität von insgesamt 277 Gigawatt installiert; in einem Jahr mehr als bis dato in den Vereinigten Staaten überhaupt existieren.

Zwischen 2014 und 2024 hat China die Energieerzeugung aus Windkraft verdreifacht, die aus Sonnenenergie gar verdreißigfacht, und produziert heute mehr an Wind- und Sonnenenergie als der Rest der Welt zusammen.

Das sollte die Menschen in Shuozhou beunruhigen. Nahe der 1,6-Millionenstadt im Norden der Provinz Shanxi befindet sich einer der größten Steinkohle-Tagebaue des Landes. Kaum jemand in Shuozhou, dessen Unterhalt nicht direkt oder mittelbar von der Kohleindustrie abhinge. »Die Adern der örtlichen Ökonomie sind schwarz von Kohle«, wie das britische Magazin The Economist formulierte. Ohne Kohle wäre die Stadt wohl am Ende. Und dennoch können deren Bewohner:innen gelassen bleiben.

Zwar geht der Anteil der Kohle an der Energieerzeugung Chinas zurück und liegt derzeit bei 60 Prozent. Das bedeutet aber nicht, dass die Fördermenge gesunken wäre. Im Gegenteil, der Energiebedarf der Wirtschaft wächst so stark, dass der Verbrauch der Kohlekraftwerke noch steigt. Mit 4,8 Milliarden Tonnen liegt der Anteil Chinas an der jährlich weltweit verfeuerten Kohle bei mehr als der Hälfte.

Anders als in anderen Ländern sind Chinas Kohlkraftwerke nicht veraltet. Das Durchschnittsalter der Anlagen beträgt zwölf Jahre, viele mehr sind in Bau. Auch die Kohleförderung ist zum großen Teil auf neuestem Stand. Etliche kleine Minen wurden geschlossen, die großen automatisiert. Ein Tagebau in Xinjiang rühmt sich, seine 300 smarten Förderfahrzeuge von lediglich sechs Angestellten steuern zu lassen.

Insgesamt sind in China 2,7 Millionen Personen im Kohlesektor tätig. Installation und Wartung der Wind- und Solaranlagen erfordern weit mehr Personal. 7,4 Millionen Menschen waren 2023 in diesem Bereich beschäftigt, ein Drittel mehr als im Jahr zuvor.

Angesichts dieser Entwicklungen ist das von China ausgegebene Ziel, bis 2060 CO2neutral zu sein, zweifelhaft.


Ein Grundrecht

Der Bürokratieabbau schreitet voran, zum Beispiel im U.S. Department of Education. 1300, gut die Hälfte, der Mitarbeiter:innen des Ministeriums wurden schon entlassen, und die Ministerin angewiesen, die Schließung der Behörde vorzubereiten.

Die Maßnahme ließe sich als Konsequenz angesichts eines hervorragenden Bildungsstands des Landes verstehen, doch das Gegenteil ist der Fall. Seit der Covid-Pandemie sind die Testergebnisse für Lesefähigkeit unter den Schüler:innen auf ein Allzeittief eingebrochen. Der Anteil der 13- bis 14-Jährigen, die die unterste Stufe »basic« verfehlen, ist auf Rekordniveau.

Die New York Times versuchte ihren Lesenden die Schwierigkeit solcher Leseschwäche mit folgender Sentenz zu verdeutlichen: »Thesearestudentsforwhomforwhomakingtheirwaythroughtexttheirwaythroughtextfeelslikethis«, entziffert etwa: »Dies sind Schüler, für die einen Text durchzulesen, sich etwa so anfühlt.« Und die würden sich fragen, wie man überhaupt bis zum Ende des Zeitungsartikels kommen sollte, und wie es sein kann, dass anderen Menschen das offenbar ganz leichtfällt, nur einem selbst nicht.

Die Schwäche verleite dazu, so die Times, nur wenige Zeilen lange Texte zu lesen. Aber ohne Hintergrundwissen ergebe ein kurzer Absatz wenig Sinn. Wie stellten es Menschen an, die Welt zu verstehen, wenn sie kaum jedes einzelne Wort verstehen? Lesen sei ein Grundrecht, statuierte das Blatt.

Die OECD verzeichnet einen globalen Rückgang der Lese- und Schreibfähigkeit seit 2017. In den USA habe der Trend 2012 eingesetzt, vor Corona. Heute würden 
30 Prozent der US-Bürger:innen auf einem Niveau lesen, das man von einem zehnjährigen Kind erwarte.

Schulkinder mit guten Leistungen schneiden bei den Lesetests nach wie vor gut ab; es sind die Ergebnisse der Schwachen, die kollabieren. Elon Musk, Donald Trumps Effizienz-Beauftragter, hat dem Bildungsministerium knapp eine Milliarde Dollar gestrichen, mit dem Institute bezahlt wurden, die im Auftrag der Behörde Daten über Bildung und Erziehung erhoben und analysierten. Um die Kenntnisvermittlung an den Schulen steht es schlecht, aber die Kenntnis darüber wird sich verlieren.


Trassenführung

Meistens verlief die Reise über Samarkand, doch eine einzige Trasse bildete die alte Seidenstraße nie, eher ein Wegenetz. So auch die neue Seidenstraße, als ›Belt and Road Initiative‹ von Chinas Präsident Xi Jinping 2013 gestartet.

Die Straße existiert in Form verschiedener Schienenwege und als Schifffahrtsroute vom Osten Chinas bis nach Europa, und dient dem Handel, vor allem chinesischen Exporten, aber auch der strategischen Versorgung Chinas mit Rohstoffen aus Zentralasien und Russland – wichtig für den Fall einer militärischen Konfrontation mit den USA.

Die militärische Konfrontation mit den USA blieb bislang aus. Stattdessen führt Russland Krieg gegen die Ukraine, was die Versicherungsprämien für Bahnfracht auf dem sogenannten nördlichen Korridor der Seidenstraße via Russland in die Höhe trieb, zumal Putin kaum noch die Ressourcen auftreiben kann, um die Strecke betriebsfähig zu erhalten.

China verkauft mit Waren im Wert von jährlich rund 500 Milliarden Euro mehr an die EU als an die Vereinigten Staaten.

Der Seeweg durchs Rote Meer liegt seit zwei Jahren unter Huthi-Beschuss. Daher wächst die Rolle des mittleren Korridors, dessen Geleise über Kasachstan, Aserbaidschan und die Türkei verlaufen, wobei zwischendrin noch das Kaspische Meer durchquert werden muss. Durch Ausbau der Häfen und Verbesserungen der Grenzkontrollen konnte die Fahrtzeit nach Europa auf etwa drei Wochen verkürzt werden. Die Frachtkosten liegen gegenüber der 14tägigen Zugfahrt über Russland um ein Drittel höher. Vor dem russischen Überfall auf die Ukraine bot DHL die Tür-zu-Tür-Zustellung zwischen Hamburg und Shanghai binnen 17 Tagen an, beklagte aber bereits „knappe Schienenkapazitäten“.

Seit Dezember ist nun eine weitere Bahnstrecke im mittleren Korridor in Bau, die durch Kirgistan und Usbekistan abkürzen soll. Der Plan für diese Streckenführung existiert seit 30 Jahren. Doch erst der Krieg gab Anlass zur Realisierung, die einige Jahre in Anspruch nehmen wird.

Die Bahn ist nicht nur schneller als Seefracht, sie erweitert auf der Strecke die Handelsverbindungen verschiedener Länder. Dennoch wird sie die Schifffahrt nie ersetzen können. 55.000 Standardcontainer wurden über den mittleren Korridor 2024 transportiert. Die passen auch in zwei Ultra-Large-Containerschiffe.


Eine einfache Rechnung

Nehmen wir an, Importe aus einem bestimmten Land beliefen sich im vergangenen Jahr auf 500 Millionen Dollar, Exporte dorthin auf 250 Millionen Dollar. US-Handelsbilanzdefizit geteilt durch US-Import, also 250 durch 500 ist gleich 0,5 oder 50 Prozent. Das ist der neue Zolltarif auf Waren aus jenem Land. Eben: auf Waren. Dienstleistungen, für die die USA häufig einen Handelsüberschuss erzielen, lassen wir mit Donald Trump mal unter den Tisch fallen.

Für rund 200 Länder hat Trump die neuen Tarife am 2. April per Erlass festgesetzt. »Lasst eure Zollschranken fallen« rief der Präsident der Welt zu »und kauft für zig Milliarden Dollar amerikanische Waren.«

Das wird in manchen Ländern dann doch wie ein verspäteter Aprilscherz erschienen sein, etwa den 2,3 Millionen Bewohnenden Lesothos, nach Pro-Kopf-Einkommen eines der ärmsten Länder. Außer Textilien, Nahrungsmittel und Schafwolle hat das Land den USA kaum etwas anzubieten. Auf diese Artikel schlagen nun 50 Prozent Zoll auf, da Lesotho zu wenig Boeings und Teslas gekauft hat.

Offenbar ist den Deal-Makern, die nach den Entlassungen durch Elon Musk noch in den Behörden der USA verblieben sind, entgangen, dass die Zahlen der Handelsbilanzen für konkrete Produkte zu konkretem Nutzen stehen, und dass die Produkte der hochindustrialisierten Ökonomien für die ärmere Welt weder erschwinglich noch von Nutzen sind.

Der spitze Bleistift kam sogar für Gebiete zur Anwendung, die kein eigenständiger Staat sind. So konnte sich der Bürgermeister der St. Pierre und Miquelon Inseln, einem französischen Überseegebiet südlich von Neufundland, zunächst nicht erklären, woher die laut US-Angabe rund drei Millionen Dollar an Außenhandelsüberschuss rühren sollten, bis sich herausstellte, dass eine einzelne fette Ladung Heilbutt im vergangenen Jahr in die USA verkauft worden war. Da St. Pierre und Miquelon ansonsten so gut wie nichts in die Vereinigten Staaten exportieren, regt der verhängte Zolltarif von 50 Prozent die rund 6000 Inselbewohner:innen nicht auf.

Die zu Australien gehörende Heard-Insel am Rand des antarktischen Meeres ist mit zehn Prozent Zoll milder weggekommen. Aber auch ein höherer Tarif hätte die das Eiland bevölkernden Pinguine sicherlich kalt gelassen. Menschen leben dort nicht.

Eingeblättert

Verpasste Chance

»Denn für dieses Leben ist der Mensch nicht schlau genug«, heißt es in Brechts »Lied von der Unzulänglichkeit«. Da haben wir im vorigen Heft unseren Grips angestrengt, um Donald Trumps Wahlsieg zu kommentieren, und in der Abo-Werbung wiesen wir auf unsere knappen Finanzen hin. – Und das in einem Blatt über Ökonomie!

Aktien hätten wir kaufen sollen. Denn was hat Trump nicht im Wahlkampf getönt? »Tough on crime« werde er sein, Migrant:innen werde er zu Hunderttausenden einkassieren. Und das bei ohnehin vollen US-Knästen, die zum Teil von privaten Firmen betrieben werden, etwa von Core Civic. Es lag auf der Hand. Kaum hatte Trump gewonnen, schoss deren Aktienkurs um 70 Prozent nach oben. Die Aktie der GEO Group, eines weiteren Kommerz-Kerkers, kletterte sogar um 140 Prozent. Die nächsten fünf Hefte hätten wir finanzieren können.

1,9 Millionen Menschen sitzen in den USA im Gefängnis, rund 0,5 Prozent der Gesamtbevölkerung. In Deutschland sind es 0,05 Prozent. Joe Biden hatte begonnen, die Kontrakte der privaten Haftanstalten auslaufen zu lassen. Unter Trump aber dürfte die Branche einen neuen Höhenflug erleben, wobei das Projekt, etwa zwölf Millionen »undocumented migrants« zu deportieren, rechtlich, logistisch und finanziell kaum zu stemmen sein wird, und der US-Wirtschaft infolge des Verlusts an Arbeitskräften obendrein eine Rezession bescheren würde.

Frohe Botschaft

Wer marxistische Presse liest, dem oder der sind die Ankündigungen sich verschärfender Widersprüche, fataler Krisen des Kapitalismus oder gar eines Zusammenbruchs des internationalen Währungssystems geläufig.

Nicht nur die Linke neigt dazu, schwärzer zu sehen, als es ohnehin schon ist. Und manchmal ist es tröstlich zu wissen, dass Prognosen in der Regel fehlgehen.

So erwartete die Internationale Energieagentur (IEA) der OECD zu Beginn des Jahrtausends, dass der jährliche Ausbau erneuerbarer Energien bis 2030 in etwa konstant bleiben würde. Auch ein Anstieg um 200 Prozent auf ein jährliches Plus von 100 Gigawatt Anfang der 2010er Jahre tat ihrem Pessimismus keinen Abbruch. Wieder gingen die IEA-Analysen von einem kontinuierlichen Zuwachs auf dem erreichten Niveau bis ins Jahr 2035 aus.

Erstmals im Jahr 2020, als die Erneuerbaren um 300 Gigawatt zulegten, sahen die Expert:innen einen minimal höheren jährlichen Zuwachs für die kommenden 20 Jahre voraus.

2023 schließlich, als das jährliche Plus 500 Gigawatt bereits deutlich überschritten hatte, traute sich die IEA ein wenig Optimismus zu und erwartete bis 2040 ein jährliches Wachstum von gut 600 Gigawatt, womit sie zumindest für 2024 schon mal richtig lag.

»Lachs oder Leben!«

Beim Kauf von Fisch kommt es vor allem darauf an, dass er frisch ist. Man erkennt es an den klaren Augen, den anliegenden Kiemen und an der glänzenden Haut. Ob er aber geklaut ist, das sieht und riecht man nicht.

Für die Lachs-Farmen in Chile ist Diebstahl zu einem ernsten Problem geworden. Dabei dreht es sich nicht um heimliches Stibitzen, sondern um Raub mit vorgehaltener Waffe. Üblicherweise überfallen die Banditen Transport-Lastwagen, nicht ungefährlich für die Fahrer. Eine Wagenladung ist rund 200 Millionen Pesos wert, etwa 200.000 Euro. Der gestohlene Lachs landet dann auf den lokalen Märkten, was auf ein gut organisiertes Netz von Hehlern hinweist.

Wurden 2018 zwei Überfälle gemeldet, waren es während der folgenden fünf Jahre 158. SalmonChile, der Verband der Fisch-Farmer, veranschlagt den Verlust durch Raub seit 2019 auf umgerechnet 70 Millionen Euro. Es sieht so aus, als habe sich die chilenische Holz-Mafia umorientiert, nachdem die Polizei dem Holzdiebstahl erfolgreich Einhalt geboten hat.

Chilenischer Zuchtlachs generiert mit rund 70.000 Beschäftigten einen Umsatz von sechs Milliarden Euro im Jahr und ist ein relevanter Export-Artikel. Die Branche ist aber auch berüchtigt wegen schlechter Arbeitsbedingungen und massenhaften Ausbrüchen von stark mit Antibiotika belasteten Tieren in den Ozean.

Eine komplette Lkw-Ladung zu klauen, ist schon ein starkes Stück, aber es geht dreister. Im März vergangenen Jahres drangen im Hafen von San Antonio, 100 Kilometer entfernt von der Hauptstadt Santiago de Chile, zehn Bewaffnete in ein Kühlhaus, bedrohten die dort Arbeitenden und verschwanden in vier Lastwagen mit Lachs für 600.000 Euro. Der Coup war vermutlich der hohen Nachfrage während der Semana Santa, der Woche vor Ostern geschuldet, wenn Fleischkonsum den Gläubigen verboten, Fisch aber erlaubt ist.

Doch dieses Mal kam die Polizei der Bande auf die Spur, setzte an die 100 Beamte ein und konnte in einer Santo Salmón genannten Operation im August elf Männer festnehmen.

Stampede

Kühe sind in Indien heilig – aber dann waren die Bullen los. Die Nation hatte die Börse entdeckt.

Während der vergangenen fünf Jahre investierten zig Millionen Inder:innen zum ersten Mal in ihrem Leben in Aktien. Der Anteil der Haushalte, die Wertpapiere besitzen, ist von sieben Prozent im Jahr 2019 auf 20 Prozent gestiegen, der Wert der börsennotierten Unternehmen um 80 Prozent gewachsen.

Die National Stock Exchange of India in Mumbai und die 1875 gegründete Bombay Stock Exchange, die älteste Börse Asiens, sind die wichtigsten Aktienhandelsplätze des Landes. Der Marktwert der an den beiden Börsen gehandelten Unternehmensaktien lag Ende 2024 bei über fünf Billionen Dollar.

Der Run hat die Preise in die Höhe getrieben. Im Durchschnitt kostete eine Aktie das 23-fache des Unternehmensgewinns, mehr als an der teuren Wall Street. Das wiederum heißt, die Papiere werden nicht in Hinblick auf die Dividenden erworben, sondern nur noch spekulativ in der Hoffnung auf weiter steigende Kurse. Die aber waren auf gefährlich hohem Niveau. Ausländische Investoren haben begonnen, sich zurückzuziehen, was unter den übrigen Anlegern für Verunsicherung sorgte. Seit Dezember fielen die Kurse um zehn Prozent.

Sorgen bereitet der indischen Börsenaufsicht Sebi vor allem der explosionsartige Anstieg an Derivaten. Vier Fünftel des weltweiten Options-Handels fanden im vergangenen Jahr in Indien statt.

Die eigentlich sinnvollen Kontrakte für Unternehmen zur Absicherung gegen Preis- oder Wechselkursschwankungen werden inzwischen massenweise allein wegen der Aussicht auf hohe Gewinne erworben unter Ausblendung der Risiken.

Die Sebi ging sicherlich zu Recht davon aus, dass die meisten privaten Anleger solche Geschäfte ohne hinreichende finanzielle Kenntnis tätigen, weshalb sie den Handel mit Derivaten einschränkte. Es ist zu befürchten, dass ein deutlicher Kurseinbruch erhebliche Teile privaten Vermögens vernichten und die Zuversicht der Anleger:innen nachhaltig zerstören würde.

Spieltheorie und Praxis

Da lacht der deutsche Fiskus. Um fast 60 Prozent sind die Einnahmen in den vergangenen zehn Jahren gestiegen, zumindest die aus der Lotteriesteuer.

Der klassische Lottoschein bringt zwar immer noch am meisten, doch das Plus verdankt sich den Online-Wetten. Ein weltweiter Trend – ob Philippinen oder Polen – die Online-Zocke wächst von Jahr zu Jahr um zweistellige Prozente, gar um 40 Prozent in den USA.

150 Milliarden Dollar riskierten die Bürger:innen der Vereinigten Staaten 2024 bei Sport-Wetten. 80 Milliarden Dollar landeten in Online-Kasinos. Pro Kopf der US-Bevölkerung entfielen 670 Dollar aufs Glücksspiel.

Auch Xi Jinping weiß seine Landsleute nicht zu bremsen. Seit Gründung der Volksrepublik im Jahr 1949 ist Glücksspiel in China verboten, mit Ausnahme der 1987 eröffneten staatlichen Lotterie. Gegen andere Wett-Organisationen ließ Xi seit einigen Jahren konsequent vorgehen, worauf sich das Geschäft ins Ausland verlagerte.

In Südostasien sprießen die Kasinos aus dem Boden. Sihanoukville an der Küste Kambodschas zählt an die Hundert, ein Dutzend weiterer ist in Bau. Den illegalen Kapitalabfluss aus China in die Spielbuden der Nachbarländer schätzt die Uno für 2020 auf 145 Milliarden Dollar, inzwischen ist sicherlich deutlich mehr zu veranschlagen.

Über die Botschaft in Singapur ließ Xi Tourist:innen daran erinnern, dass eine Beteiligung am Glücksspiel, wenn auch am Ort legal, für Chines:innen auch im Ausland verboten sei. Die Regierung der chinesischen Sonderverwaltungsregion Macau drängte der Staatspräsident, ihre Abhängigkeit von den Kasino-Einnahmen zu verringern. Worte in den Wind. 85 Prozent des Staatsbudgets Macaus und jeder fünfte Arbeitsplatz hängen am Glücksspiel. Im August 2024 verzeichnete die Region mit 3,7 Millionen Besuchenden einen neuen Rekord. Während die Volksrepublik unter Wachstumsschwäche leidet, legte Macau im vergangenen Jahr um elf Prozent zu. Spielfreude kennt keine Grenzen.

Nose Job

Die Aufnahmeprüfung zur Universität bestanden, und zur Belohnung spendieren Vati und Mutti eine Schönheitsoperation. In Südkorea nicht ungewöhnlich, weshalb im November nach den Hochschul-Eintrittsexamen in den Praxen der plastischen Chirurgie Hochbetrieb herrscht, vor allem in Gangnam, einem Nobel-Stadtteil Seouls mit rund 400 spezialisierten Kliniken.

Um erfolgreich zu sein, sollte man attraktiv erscheinen; davon sind auch viele Eltern überzeugt und unterstützen ihre Kids. Rund ein Viertel der Koreanerinnen im Alter zwischen 20 und 30 hatte sich laut einer Umfrage im Jahr 2020 bereits einem plastischen chirurgischen Eingriff unterzogen, 1994 waren es nur etwa fünf Prozent. Filme und Popmusik aus Südkorea sind auch in Japan und China populär und inspirieren japanische und chinesische Frauen zu entsprechenden Korrekturmaßnahmen. »Girly, cute and pretty – zu reif zu erscheinen ist schlecht«, lautet die Empfehlung.

Das gewisse Stigma, das der Schönheits-OP lange anhaftete, scheinen jüngere Menschen nicht mehr zu kennen. Während die Anbieter sich mit Werbung in Magazinen und Fernsehen noch zurückhalten, nutzen viele Plast-Chirurgen Social Media. Einige Doctores haben es auf TikTok oder Instagram zur Berühmtheit gebracht mit Millionen Followern.

Die Nutzung kosmetischer Chirurgie ist zu einem nahezu weltweiten Trend geworden, dem sich auch Männer nicht länger verschließen. Isaps, die internationale Gesellschaft für Schönheitschirurgie, gibt die Zahl der Behandlungen einschließlich nicht-invasiver Eingriffe wie Faltenunterspritzungen für 2023 mit 35 Millionen an. Die tatsächliche Zahl dürfte ein Mehrfaches betragen, da etliche Praxen nicht registriert sind. In China, wo sich das Gewerbe seit 2021 verdoppelt hat, ist nur eine unter sieben Kliniken registriert.

Das globale auf über 100 Milliarden Dollar geschätzte Geschäft wird trotz der gesundheitlichen Risiken, die die Patient:innen bei einem Eingriff eingehen, weiter wachsen, zumal der medizinische Fortschritt, der uns die wunschgemäße Veränderbarkeit der äußeren menschlichen Erscheinung beschert hat, diese zugleich auch der Mode unterwerfen wird. Was, wenn die 2025er Stupsnase zwei Jahre später out ist?

Eingeblättert…

in die Welt des systematischen Wahnsinns

Klima I: In vino veritas

Kann man sich das Wetter schöntrinken? Vielleicht – auf jeden Fall ist der Alkoholgehalt von Wein deutlich gestiegen, eine Folge des Klimawandels. Galt ein Rotwein mit zwölf Prozent vor fünfzig Jahren noch als kräftig, so ist heute kaum noch ein Bordeaux mit weniger als 13,5 Grad Alkohol zu bekommen und selbst 15 Grad sind keine Seltenheit mehr.

Die Wärme lässt die Trauben mehr Zucker entwickeln, der während der Gärung in Alkohol gewandelt wird. Zwar ließe sich der Gärvorgang vorzeitig stoppen, der Alkoholgehalt wäre geringer, der Anteil von Restzucker aber höher. Der Wein wäre süß. Ein Problem vor allem für hochklassige und renommierte Weingüter. Oder können Sie sich einen James Bond vorstellen, der einen Chateau Latour „halbtrocken“ orderte?

Lässt sich das Klima am Abend noch vergessen, belehrt der schwere Kopf am anderen Morgen.

Von den gestiegenen Temperaturen profitieren die Weinbauregionen weiter im Norden. Dänische Winzer – kein Scherz – bieten inzwischen recht ansprechende Tropfen.

Dramatisch sieht es dagegen für den Weinbau der südlichen Hemisphäre aus, vor allem aufgrund von Trockenheit. So ist die Menge produzierten Weins im vergangenen Jahr in Chile, Argentinien und Australien um 20 und mehr Prozent eingebrochen. Südafrikas Weinbauern hatten einen Verlust von zehn Prozent zu verkraften.

Vorteil Vorurteil

Frauen gelten als von Natur aus fürsorglich; sie seien einfühlsamer als Männer und wüssten Konflikte zu entspannen statt zu eskalieren. Die angeblichen Fähigkeiten qualifizieren sie für entsprechende Berufe. Wenn dann noch eine Ausbildung im Polizei- oder Militärdienst hinzukommt, jahrelanges Kampfsporttraining und ein routinierter Umgang mit Schusswaffen, bietet sich eine Tätigkeit als „E.P. specialist“ an.

E.P. steht für Executive Protection und bedeutet Personenschutz für gesellschaftlich hochstehende Persönlichkeiten – Bodyguard.

Man kennt die Bilder von Politiker:innen, umstanden von breitschultrigen Typen in ausgepolstertem Sakko, starkes Kinn, die Augen hinter dunklen Gläsern, Sprechfunk am Mann – Schutz und Abschreckung: Hier ist nicht gut Kirschen essen.

Derartige Sicherung beraubt die zu schützende Person aber auch jeglicher Anonymität, und mag für mögliche Angreifer geradezu zielführend sein – auch nicht nach jedermanns Geschmack, frauens noch weniger.

Gefragt ist eben oft diskreter Schutz. Vor allem auf Privat- und Geschäftsreisen wollen vermögende oder hochrangige Individuen nicht unnötig auffallen, noch weniger auf den Wegen alltäglicher Besorgungen. Gefragt ist ein Bodyguard mit Tarnkappe, und wer wäre da besser geeignet als eine Frau. Die Tarnkappe verleihen ihr die gesellschaftlichen Klischeevorstellungen. Eine begleitende Frau mag persönliche Assistentin sein, die Tante oder das Kindermädchen. Eine abwehrbereite Martial-Arts-Expertin wird kaum jemand erwarten.

Weibliche Angehörige der Herrscherhäuser des Mittleren Ostens buchen Personenschützerinnen, schon aus religiösen Gründen. Aber auch mit der steigenden Zahl von Frauen in Führungspositionen wächst der Bedarf an femininem Begleitschutz.

Neben der Qualifikation in Sicherheitstechniken braucht es Anpassungs- und Einfühlungsvermögen für den Umgang in und mit wohlhabenden Kreisen, Mehrsprachigkeit ist von Vorteil. Die Fortbildung lohnt sich. Gegenüber dem Polizeidienst ist als E.P. specialist das Vier- bis Fünffache zu verdienen. „Für weniger als 1000 Dollar am Tag stehe ich nicht auf“, zitiert die New York Times eine Spezialistin.

Klima II: Süßreserve

Auf ein katastrophales Jahr 2023 folgte eine Rekordsaison 2024, so dass Kanada seine strategische Reserve wieder auffüllen konnte. Es stand schlimm. Die Pegel in den Tanks für Ahornsirup waren auf den niedrigsten Stand seit 16 Jahren gefallen. Und „Pfannkuchen ohne“, das geht eigentlich nicht.

Die gestiegenen Temperaturen infolge des Klimawandels könnten sogar höhere Erträge generieren, wenn nicht zugleich extreme Wetterereignisse häufiger eintreten würden. Heftige Winde, vor allem Eisstürme haben im vergangenen Jahr die Menge des landesweit geschöpften Baumsafts um 40 Prozent vermindert.

Ahorn, dessen karamellartige Rindentropfen schon den Speisezettel der Irokesen bereicherte, ist Symbol des Landes. Maple Leaf heißt denn auch die berühmte Münze aus kanadischem Gold.

Knapp 80 Prozent des weltweit konsumierten Ahornsirups produziert Kanada, und zwar zu 90 Prozent in der Provinz Quebec. 55 Millionen Ahornbäume sind angezapft und liefern in guten Jahren an die 80 Millionen Liter der klebrigen Köstlichkeit.

Einige wenige Großhandelsunternehmen setzen einen Mindestpreis fest, der den Produzierenden ein auskömmliches Leben garantiert. Die Regierung goutiert das Verfahren.

Die globalen klimatischen Veränderungen stellen das traditionelle Gewerbe in Frage. Das wärmere Wetter lässt den Sirup früher fließen, begünstigt aber auch Parasiten. Und die Zapfzeit, März bis April, endet früher. Viele der Sirupproduzierenden hoffen auf Genehmigungen, um Pflanzungen weiter nördlich anzulegen. Dafür können sie ein starkes Argument ins Feld führen. Die Blätter des Ahorns enthalten wesentlich mehr an Feuchtigkeit als Kiefernnadeln und sind weniger leicht entflammbar. Kanada musste 2023 die verheerendsten Waldbrände seiner Geschichte verzeichnen.

With God on his Side

Es ist kein freier und fairer Markt, wenn China seine Exportprodukte, vor allem die seiner Autoindustrie, im großen Stil subventioniert. Geradezu unanständig aber ist es, Güter zu verschenken und damit anderen das Geschäft gänzlich zu verderben.

Zweieinhalb Milliarden Bibeln hat <I>The Gideons<I> seit Gründung des Vereins im Jahre 1899 kostenlos verteilt. In über 100 Sprachen liegen die Exemplare in den Hotels, Spitälern, Kasernen und Gefängnissen von rund 200 Ländern.

Bibeln sind eine spezielle Ware. Ein Copyright gibt es nicht, und den längst verstorbenen Autoren gebührt auch kein Honorar. Andererseits kann der Markt als gesättigt gelten. Darüber hinaus ist der Inhalt sakrosankt. Neue Folgen zeitgenössischer Autor:innen, die das Werk fortsetzen, wie beispielsweise das James-Bond-Oeuvre von Ian Fleming, oder wie die frischen Abenteuer des Hercule Poirot, den einst Agatha Christie erschuf, verbieten sich.

Clevere Verlage bieten Ausgaben zugeschnitten auf ein besonderes Publikumssegment, etwa Neuübersetzungen in Dialekt oder eine „Boys Bible“ mit „blutrünstigen Geschichten, die du in der Bibel nicht erwartet hättest“. Es gibt die „Biker Bibel“ und eine „Mother’s Bible“.

Rund 800 Millionen Dollar waren im vergangenen Jahr allein in den USA mit religiösen Schriften zu verdienen.

Gegenüber dem kommerziellen sollte aber der spirituelle Wert der Heiligen Schrift im Vordergrund stehen. Und der kam jüngst im Wahlkampf zur Wirkung. Unter dem Slogan „Let’s make America pray again“ ließ Donald Trump seine eigene „God Bless the USA Bible“ vertreiben, zum Preis von 59,99 Dollar.

Klima III: Endless Night

Wie viele? Das weiß niemand so genau. Die letzte Volkszählung in Somalia fand 1986 statt, Ergebnisse wurden nie veröffentlicht.

1969, neun Jahre nach der Unabhängigkeit, übernahm das Militär die Macht. Die frühere koloniale Aufteilung Somalias zwischen Italien, Großbritannien und Frankreich wirkt bis heute nach, Grenze und Gebietsansprüche gegenüber Äthiopien sind umstritten. Seit 1988 befindet sich das Land am Horn von Afrika, dessen Kultur stärker von Clanstrukturen geprägt ist als durch Loyalität gegenüber der Zentralgewalt, im Bürgerkrieg.

Als wäre das Ausmaß an Elend noch nicht groß genug, trifft der Klimawandel Somalia mit voller Härte. Rund 70 Prozent der Bevölkerung leben von der Landwirtschaft. Zwei Regenperioden pro Jahr erlaubten Weidewirtschaft sowie Gemüse- und Getreideanbau vor allem im Süden des Landes.

Zwischen 2020 und 2022 fielen fünf Regenperioden in Folge aus. Eine Hungersnot konnte durch ein über zwei Milliarden Euro teures Hilfsprogramm der Weltgesundheitsorganisation der Vereinten Nationen und weitere Spenden abgewendet werden.

Darauf folgten im vergangenen Jahr die heftigsten Regenfälle und Überflutungen seit hundert Jahren. Felder und Straßen wurden weggeschwemmt, zahlreiche Gesundheitseinrichtungen zerstört, ebenso Trinkwasserreservoirs und Latrinen; mehr als eine Million Menschen mussten ihre Wohnungen verlassen.

Die Naturkatastrophe trifft eine Bevölkerung, die über Jahrzehnte durch Kämpfe, räuberische Warlords, Dschihadisten und korrupte Behörden verarmt ist. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf wird auf unter 800 Dollar geschätzt.

Etwa ein Fünftel der knapp 20 Millionen Bewohnenden sind in Not, und 1,7 Millionen Kleinkinder unterernährt. Nahezu vier Millionen Menschen leben in Lagern und können nicht zurück. Ihre Herden sind verdurstet, ihre Felder verdorrt, Kapital für einen Neuanfang haben sie nicht.

Und die Welt ist es leid. Von dringend nötiger Hilfe in Höhe von 1,6 Milliarden Dollar stehen laut Uno nur ein Bruchteil bereit. In der öffentlichen Aufmerksamkeit verschwindet Somalia hinter dem Krieg im Sudan, und auch der wird von der westlichen Berichterstattung zwischen Ukraine und dem Nahen Osten nur gestreift.

Souvenirs

Wie wäre es mit einem Schlüsselanhänger für 200 Euro? Echtes Handwerk, gefertigt aus Patronenhülsen und anderem Militärschrott von der ukrainisch-russischen Front.

Ukrainische Soldaten gehen neue Wege bei der Beschaffung von Ersatz für verlorene oder zerstörte Ausrüstung und schicken, was immer sich als Kriegstrophäe eignen mag, an Händler in der Etappe. Die wiederum suchen Käufer via Internet, auf eBay oder eigener Plattform.

Ein russischer Helm, der vielleicht sogar den Namen seines ehemaligen Trägers aufweist, bringt 1400 Dollar oder mehr. Uniformstücke sind gefragt, besonders von Spezialeinheiten des russischen Nachrichtendienstes. Sehr begehrt sind auch Wrackteile abgeschossener Sukhoi‑Kampfjets.

Der Kauf solchen Auswurfs der Kriegshölle wird als Unterstützung der ukrainischen Soldaten beworben, denen der Erlös übersandt werde.

Die Käufer sitzen meist im Ausland, darunter fanatische Sammler von Kriegsmemorabilia. Angebote von Gegenständen mit allzu schrecklichen Spuren hat eBay von der Site genommen und Dealer gesperrt.

Ein kriegsversehrter ukrainischer Veteran bietet einen speziellen Service für Sammler, die nach bestimmten Gegenständen fragen, übermittelt den Wunsch an Frontsoldaten, die sich dann auf die Pirsch machen.

Ein Netz von Helfern, meistens auch Veteranen, übernimmt den Schmuggeldienst über die Grenze, denn der Export von Militärgerät aller Art ist in der Ukraine verboten. Die Lieferung von der Front bis zum Empfänger dauert in der Regel nur Tage.

Die Einnahmen kommen wohl tatsächlich der kämpfenden Truppe zugute, die aber weniger an Geld, vielmehr an neuer Ausrüstung interessiert ist. Eine einzelne Granate kann einem das komplette Equipment zerstören, erklärt ein britischer ehemaliger Fallschirmjäger, der sich in seinem Online-Shop als Babbs vorstellt.

Die Zwischenhändler bemühen sich, das benötigte Material – Medikamente und Verbandszeug, Kleidung, Ausrüstung – einzukaufen und an die entsprechende Stellung an der Front zu liefern, per Boten oder Drohne.

eingeblättert

Altersweise

Die Spezielle Relativitätstheorie publizierte Albert Einstein im Alter von 26 Jahren. Mit 36 schloss er die Allgemeine Relativitätstheorie ab. Die Zwanziger und Dreißiger waren seine produktivsten Jahre. Und das sind sie für die allermeisten Menschen. „Jetzt möchte ich gern in Ruhe vertrotteln“, gestand Einstein später.

Im Jahr 2010 lag die Fertilitätsrate in 98 Ländern unterhalb des zur Stabilisierung der Bevölkerungszahl nötigen Faktors von 2,1. Im Jahr 2021 blieben 124 Länder unter dieser Marge. Besonders niedrig ist die Fertilitätsrate in Italien und Japan, und in Südkorea liegt sie sogar nur bei 0,8. Selbst Indien kommt inzwischen auf knapp unter 2,1.

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Ausgeblättert

Auf Ärmellänge

Wir rätseln, ob die einstigen Vertreter einer sozialistischen Gesellschaft, Russland und China, inzwischen echte kapitalistische Staaten geworden sind. Kennzeichen wäre die Herausbildung einer Bourgeoisie, die die Funktion der herrschenden Klasse ausfüllte. Immerhin suchen ihre ersten Repräsentanten sich in Stil und Habit als Angehörige jener Klasse darzubieten: dunkler Anzug, weißes Hemd, Krawatte, durchaus respektabel. Doch bei genauerer Betrachtung fallen Unzulänglichkeiten ins Auge. Ausgerechnet der Kleinere reckt Kopf und Kragen weit hervor, so dass das Sakko wirkt, wie zur ersten Tanzstunde erworben.

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eingeblättert globaler lunapark

Der globale Lunapark:
das große Vergnügen
auf wessen Kosten?
das Glitzern der Verkaufsmeilen
Wer kann da noch kaufen?
das Feuerwerk über der Alster, über Hongkong und Sydney
Wer bezahlt, was da funkelt?

Rolf Becker

Klimakrise & Politik-Versagen (1)

Am 16.9. war in der Stuttgarter Zeitung zu lesen: „Die bis zu vier Kilometer dicken Eismassen in der Antarktika galten bisher als weitgehend stabil.“ Inzwischen würden „veränderte Strömungen im Südpolarmeer wärmeres Wasser“ unter die Antarktis schieben: „Sie drohen den größten Eismantel der Welt zu unterspülen, der sich über eine Fläche von der Größe der Vereinigten Staaten ausdehnt.“ Die Eismassen beginnen zu schmelzen. Es drohe ein erheblicher Anstieg des Meeresspiegels. Die Reaktion aus Politik und Wirtschaft: In derselben Zeitung wurde unkommentiert berichtet, es sei ein „Schatz im ewigen Eis entdeckt worden“. Danach lagerten unter dem eben nicht mehr „ewigen Eis“ „Erdöl- und Gasfelder in einem Gesamtumfang von bis zu 500 Milliarden Barrel Hydrogenkarbonaten“, was „fast das Doppelte der in Saudi-Arabien nachgewiesenen Reserven“ sei. Je mehr das Eis schmilzt, desto schneller sollen diese Öl- und Gasquellen von westlichen und von russischen Konzernen erschlossen werden.

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Linker Wahlsieg in Frankreich

Das Linksbündnis NUPES, zu dem sich Sozialisten, Kommunisten, Grüne und vor allem die Partei „La France Insoumise“ („Unbeugsames Frankreich“) zusammenfanden, ging am 19. Juni als „moralischer Sieger“ aus den Parlamentswahlen hervor. NUPES selbst wurde erst am 1. Mai gegründet; der Name steht für „Nouvelle Union populaire, écologique et sociale“ („neue ökologische und soziale Volksunion“). Der führende Kopf von NUPES ist Jean-Luc Mélanchon, der allerdings kein Mandat in der Nationalversammlung haben wird. Der NUPES-Sieg besteht zunächst darin, zweitstärkste Kraft im Parlament geworden zu sein. Sodann darin, die Wiedererlangung der absoluten Mehrheit der Macron-Partei „Ensemble“ (zuvor La République en marche) verhindert zu haben. Damit gibt es in der neuen Nationalversammlung für den französischen Präsidenten keine sichere Mehrheit mehr für dessen wichtigste Projekte. So dürfte es im neu zusammengeset zten Parlament keine Mehrheit für die Position geben, Waffen an die ukrainische Regierung zu liefern.

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Ausgeblättert

Streik an NRW-Unikliniken (1)

Seit dem 4. Mai streiken Beschäftigte der sechs Unikliniken in NRW für einen Tarifvertrag Entlastung (TVE), der die Qualität der Pflege und die Verbesserung der Arbeitsbedingungen ermöglichen soll. 98,31 Prozent der ver.di-Mitglieder hatten für den Streik gestimmt. Die Stimmung bei den Streikposten soll kämpferisch sein. Das Land NRW und die Unikliniken haben sich bisher kaum bewegt. Erst nach zwei Wochen Streik begannen die ersten Verhandlungen. In den Medien taucht der Streik kaum auf, die meisten Menschen haben nicht mitbekommen, was an den Unikliniken passiert.

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Eingeblättert:

Internationales Finanzsystem

Mitte 2022 befindet sich die Weltökonomie in einem ausgesprochen labilen Zustand. Dieser hat fünf Charakteristika:

Erstens gibt es enorme Blasen der Spekulation, die deutlich angepiekst sind. So hatte der Markt mit Kryptowährungen bis Ende 2021 das gigantische Volumen von drei Billionen US-Dollar erreicht. Bis Mitte Juni ist er auf weniger als 1 Billion oder auf ein Drittel geschrumpft. Der Kurs der führenden Kryptowährung, derjenige von Bitcoin, lag im November 2021 noch bei 69.000 Dollar. Mitte Juni liegt er unter 20.000 Dollar. Dies wird ergänzt durch die Blasenerscheinungen im chinesischen Immobilienmarkt, über die wir in LP21 (so in den Heften 55 und 53) mehrfach berichteten und die anhalten.

Zweitens befinden sich mehrere Länder in einer tiefen Krise. Der Libanon, El Salvador und Sri Lanka erleben eine Staatspleite. In der Türkei gibt es mehr als 70 Prozent Inflation und einen Verfall der Lira. Russlands Wirtschaft erleidet 2022 eine deutliche Rezession. Die westlichen Sanktionen und die enormen Kosten des Kriegs können auch zu einer technischen Zahlungsunfähigkeit führen.

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