10 Millionen Elektroautos bringen keine CO²-Reduktion

Elektro-Pkw konterkarieren die deutschen Klimaziele für 2030

Entsprechend der Forderung des Bundesverfassungsgerichts hat das Bundeskabinett am 12. Mai 2021 unter Federführung der Bundesumweltministerin Svenja Schulze ein überarbeitetes Klimaschutzgesetz vorgelegt. Bislang hatte die Bundesregierung Treibhausgasneutralität bis 2050 angestrebt. Nun sollen die Emissionen bis 2030 statt wie bisher um 55 Prozent um 65 Prozent sinken. Der Sektor Verkehr soll seine Emissionen bis 2030 auf 85 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente senken. Das ist fast eine Halbierung der 2019er Emissionen in Höhe von 164 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten.1 Ungefähr 60 Prozent der Emissionen des Verkehrs sind dem Pkw-Verkehr zuzurechnen. Um die Verkehrsemissionen wirksam zu reduzieren, fördert die Bundesregierung den Ausbau der E-Pkw-Flotte. Sieben bis zehn Millionen E-Autos sollen nach den Wünschen der Bundesregierung im Lauf der nächsten zehn Jahre zugelassen werden. Doch sind die damit verbundenen Hoffnungen gerechtfertigt?

Im Zentrum der Analyse steht die Frage: Welche CO2-Emissionen wird der Pkw-Verkehr in Deutschland im Jahr 2030 haben, wenn bis dahin 10 Millionen E-Autos auf den Straßen sind?

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Atomkraft: Irrweg in der Klimakrise

In den Medien mehren sich die Stimmen, die angesichts der Klimakrise eine Renaissance der Atomkraft fordern. Mit Klimaschutz hat die neu aufgekeimte Atom-Debatte jedoch wenig zu tun.

Weil Atomkraftwerke im Betrieb kaum Treibhausgase erzeugen, sei Atomenergie klimafreundlich und für die Energieversorgung der Zukunft unverzichtbar, behauptet die internationale Atomlobby.

Dagegen konstatieren die „Scientists for Future“ in einer aktuellen Studie, „weder Kernspaltung noch Kernfusion“ seien „Optionen für eine klimafreundliche Energieversorgung Deutschlands“. Noch deutlicher wird der Klimaforscher Mojib Latif in einem Interview mit dem Deutschlandfunk: „Es ist Schwachsinn, weiterhin auf Atomkraft zu setzen.“ Die Frage, wie eine klimagerechte, nachhaltige und zukunftsfähige Energiestrategie aussähe, lässt sich nicht allein anhand des CO2-Kriteriums beantworten. Ebenso wenig bedeutet der Umstand, dass die nukleare Stromerzeugung deutlich weniger Treibhausgase verursacht als fossile Brennstoffe, dass Atomkraft klimafreundlich wäre. Denn in der Gesamtbetrachtung spielt auch die Konkurrenzsituation zu den Erneuerbaren Energien eine entscheidende Rolle.

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Wer wird auf den Zug aufspringen?

Interozeanischer Korridor durch mexikanische Landenge

spezial 2: globalisierung & transport

Es sind gut zwanzig Jahre her, da reisten Winfried Wolf und ich mit der Bahn über den Isthmus von Tehuantepec. Wir berichteten über die mexikanischen Regierungspläne, die Transportroute zwischen dem Pazifikhafen Salina Cruz im Bundesstaat Oaxaca und dem Atlantikhafen Coatzacoalcos im Bundesstaat Veracruz konkurrenzfähig zum Panama-Kanal zu machen. Das Vorhaben, den Schienenweg auszubauen und parallel dazu eine Autobahn über den Isthmus zu führen, lief unter dem Namen „Integriertes Programm zur wirtschaftlichen Entwicklung für den Isthmus von Tehuantepec“. „Vision oder Wahn?“ fragten wir uns angesichts einer Streckenführung durch Hügelketten und nahezu unberührte Wälder. Das unter der neoliberalen Regierung von Ernesto Zedillo geplante Megaprojekt scheiterte damals am Widerstand der Bevölkerung und fehlender Finanzierung. Ähnliches geschah im Rahmen des Plans Puebla Panama unter Präsident Vicente Fox (2000-2006).

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Nur 19,875 Fuß lang, aber oho!

Die Blechbox. Die Containerschifffahrt. Der Welthandel.

spezial 2: globalisierung & transport

Als Ende März dieses Jahres der Containerfrachter Ever Given bei Passage des Suez-Kanals vom Kurs abkam, sich quer legte und beidseitig in die Uferböschung wühlte, hat sich die globalisierte Wirtschaft einmal kurz und kräftig verschluckt – hustet und würgt nun aber seit Monaten: Anlass für einen Überblick über das komplexe Thema Container-Schifffahrt als logistischem Rückgrat dieser Wirtschaftsweise.

Mehr als 370 Schiffe lagen tagelang fest; im Suez-Kanal selbst, aber vor allem vor den Kanaleinfahrten im Mittelmeer und im Roten Meer, darunter zahlreiche Megacarrier mit Hunderttausenden Containern für Europas Seehäfen. Ob nun Sandsturm oder Manövrierfehler oder beides als Unfallursache ausgemacht werden – die Größe des 400 Meter langen, 59 Meter breiten und 20.388 TEU1 fassenden Schiffs hat maßgeblich zu Unfall-Verlauf und -Folgen beigetragen2. Nach Freischleppen des Schiffs dauerte es noch Wochen, bis der Stau aufgelöst werden konnte. Der globale Handel erlebte ein Chaos – erst wegen zusammenbrechender Produktions- und Lieferketten infolge im Stau steckender Fracht, dann durch Ansturm von Schiffen und Ladung auf die Häfen nach Freigabe der Kanalpassage.

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Die Ever-Given-Havarie

Zur vorübergehenden Blockade des Suez-Kanals und den Folgen

spezial 2: globalisierung & transport

Am 23. März 2021 war die Ever Given auf dem Weg vom chinesischen Tiefwasserhafen Yangshan nach Rotterdam im Suez-Kanal zwischen der Einfahrt bei Suez und dem Kleinen Bitter-See unterwegs, als sie um 7.40 Uhr Ortszeit auf Grund lief. Ein solcher Vorfall kann sich jederzeit wiederholen.

Der internationale Seeverkehr hat gewaltig zugenommen, das Größenwachstum vieler Schiffstypen bricht einen Rekord nach dem anderen und auf den interkontinentalen Routen gibt es viele Nadelöhre. Auch im Fall einer Blockade in einem anderen Nadelöhr wären die Folgen ähnlich: Der weltweite Warenverkehr geriete in einen Stau, viele Schiffe wären an der Weiterfahrt blockiert oder müssten Umwege steuern, die Rohstoff- und Brennstoffpreise stiegen, in den Zielhäfen gäbe es Verzögerungen, die sich auf die gesamte Logistikkette auswirkten. Hinzu kommt, dass eine Bergung unabsehbare Kosten verursacht – vor allem, wenn das notwendige Gerät und die benötigten Spezialisten gerade vor Ort nicht verfügbar sind.

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Reichtum auf die feine britische Art

Firma, Staat und Clan – die Royals

spezial 1: kapital, reichtumsakkumulation & ideologie

Zwei Ereignisse der vergangenen Monate haben die britische Monarchie wieder in das Licht der internationalen Öffentlichkeit gerückt. Da war zum einen das Fernsehinterview der Aussteiger Harry und Meghan für die US-amerikanischen Talkmasterin Oprah Winfrey am 7. März, in welchem die Eheleute dem Königshaus Rassismus vorwarfen. Dem folgte am 9. April der Tod von Prinz Philip, dem Gemahl der amtierenden Königin Elizabeth II. Das Interview erinnerte daran, dass die britische königliche Familie ihren Spitznamen „The Firm“ – „die Firma“ – nicht umsonst trägt, dass sie materielle Interessen hat, diese nach außen und innen verteidigt und somit weitaus mehr als eine rein symbolische Personifizierung der britischen Staatsform ist. „Die Firma“ ist erstens Staatsform, zweitens Privatkonzern und drittens feudaler Clan, bei dem es sich eigentlich um das Adelsgeschlecht Sachsen-Coburg und Gotha handelt, 1917 aus patriotisch-kriegstechnischen Grü nden zu „Windsor“ anglifiziert.

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DER TARTUFFE

KAPITAL UND IDEOLOGIE – eine Inszenierung in Dresden

spezial 1: kapital, reichtumsakkumulation & ideologie

Am 2. Oktober 2021 wird am Staatsschauspiel Dresden meine Inszenierung mit dem sperrigen Titel „Der Tartuffe von Soeren Voima nach Molière und Kapital und Ideologie nach Thomas Piketty“ Premiere haben – niedrige Corona-Fallzahlen vorausgesetzt.

Mit Tartuffe hat Molière einen demagogischen Antihelden geschaffen, dem es gelingt, die bislang halbwegs intakte bürgerliche Familie von Orgon zu zerstören, indem er Orgon und dessen Mutter davon überzeugt, sich einer neuen Ideologie anzuschließen. In Molières Zeiten waren es die Auswüchse der Religion, die das Sozialgefüge der Gesellschaft beeinflussten und in neue Bahnen lenkten. Heute ist es die Ideologie der Ungleichheit, die unsere Gesellschaft prägt. Seit ungefähr 1980 ist es weltweit zu einem Siegeszug neoliberaler Ideologien gekommen, die bestehende Sozialsysteme attackieren. Vermögenssteuern wurden gesenkt oder abgeschafft, die Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums hat zu einer Spaltung der Gesellschaften geführt, praktisch in allen Teilen der Welt. Dies geschieht mit dem Versprechen, dass der zunehmende Reichtum der oberen ein bis zehn Prozent zum Wohlstand für alle führt.

Der französische Ökonom Thomas Piketty schreibt in „Kapital und Ideologie“ dazu: „Der weltweite Wiederanstieg der sozio-ökonomischen Ungleichheiten gehört zu den destruktivsten strukturellen Veränderungen, mit denen wir heute konfrontiert sind… Es gibt bei den Reichsten eine Einkommens- und Vermögenskonzentration, die offensichtlich außer Kontrolle geraten ist.“

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