Firma, Staat und Clan – die Royals
spezial 1: kapital, reichtumsakkumulation & ideologie
Zwei Ereignisse der vergangenen Monate haben die britische Monarchie wieder in das Licht der internationalen Öffentlichkeit gerückt. Da war zum einen das Fernsehinterview der Aussteiger Harry und Meghan für die US-amerikanischen Talkmasterin Oprah Winfrey am 7. März, in welchem die Eheleute dem Königshaus Rassismus vorwarfen. Dem folgte am 9. April der Tod von Prinz Philip, dem Gemahl der amtierenden Königin Elizabeth II. Das Interview erinnerte daran, dass die britische königliche Familie ihren Spitznamen „The Firm“ – „die Firma“ – nicht umsonst trägt, dass sie materielle Interessen hat, diese nach außen und innen verteidigt und somit weitaus mehr als eine rein symbolische Personifizierung der britischen Staatsform ist. „Die Firma“ ist erstens Staatsform, zweitens Privatkonzern und drittens feudaler Clan, bei dem es sich eigentlich um das Adelsgeschlecht Sachsen-Coburg und Gotha handelt, 1917 aus patriotisch-kriegstechnischen Grü nden zu „Windsor“ anglifiziert.
Die Balance dieser drei Bestandteile ist schon seit Jahrzehnten zunehmend prekär. In die Ära von Königin Elizabeth II. fallen die Aufgabe der meisten britischen Kolonien und der damit verbundene geopolitische Bedeutungsverlust Großbritanniens. Heute ist die Existenz des Königshauses eine der wenigen verbliebenen ideologischen Säulen, die das Vereinigte Königreich vor einer Aufspaltung schützt. Die entsprechenden Tendenzen in Schottland und Irland sind nicht zu übersehen. Gerade weil die Regentschaft von Elizabeth II. so viele Jahrzehnte überdauert hat, gilt sie in den Augen der Öffentlichkeit als Stabilitätsanker. Der Tod von Prinz Philip verweist darauf, dass auch dieser Stabilitätsanker nicht ewig halten wird. Wer immer Elizabeth II. schlussendlich auf dem Thron nachfolgt, wird kaum ihre Beliebtheitswerte erzielen.
Somit könnte sich bald ein Fenster für Forderungen nach größerer Transparenz über die Aktivitäten der Mitglieder „der Firma“ öffnen, auch wenn die monarchistischen Parteien von Labour bis zu den Konservativen und die monarchistische Rechtspresse alles daran setzen werden, genau das zu verhindern. Denn „die Firma“ scheut Transparenz wie der Teufel das Weihwasser.
Verschleierter Reichtum
Für die Monarchie gilt dasselbe wie für viele andere Verfassungsinstitutionen in Großbritannien. Weil es keine schriftliche Verfassung gibt, herrscht ein Zustand gewollter Schwammigkeit. So ist der Begriff „die Krone“ nie wirklich definiert. Er kann für den Staat als solches stehen, für die Familienmitglieder der Windsors oder auch die Justiz.
Wie sich das konkret auswirkt, stellt fest, wer sich mit den Finanzen der Windsors befasst. Ihre Haupt-Einkommensquelle speist sich aus einem „Souvereign Grant Fund“, was sich grob als Darlehensfonds für den Souverän übersetzen lässt. Der Souverän, das ist in Großbritannien die Königin oder der König. Der Darlehensfonds wird staatlich, also von „der Krone“, verwaltet. Er sorgt dafür, dass „die Krone“, die Familie Windsor, jährlich zwischen 15 und 25 Prozent der erwirtschafteten Gewinne aus dem Grundeigentum des „Crown Estate“ erhält. Hierbei handelt es sich um Großgrundbesitz im Wert von 28 Milliarden Pfund. Dieser Besitz wird von der Krone in ihrer Funktion als staatliche Institution verwaltet. Hinzu kommen andere Ländereien, die sich im Privatbesitz der königlichen Familie befinden. Elizabeth II. soll Schätzungen zufolge Ländereien im Wert von 500 Millionen Dollar besitzen, so das Forbes-Magazin im März 2021 . Das Herzogtum Lancaster gehört ebenfalls zum Privatbesitz der Familie und soll laut Forbes 748 Millionen Pfund wert sein. Die Aufzählung ließe sich lange fortsetzen. Laut der Sunday Times-List der reichsten Menschen der Welt liegt die Queen auf Platz 372. Vermögenssteuern werden den Mitgliedern des Königshauses keine auferlegt.
Alle aufgeführten Zahlen sind Schätzungen. Der genaue Reichtum der Windsors ist unbekannt. „Die Firma“ kann die staatlichen Mechanismen „der Krone“ benutzen, um dafür zu sorgen, dass das auch so bleibt. So schrieb der Londoner Guardian am 8. Februar dieses Jahres über das auch in Großbritannien weitgehend unbekannte Instrument des „Queens Consent“, des Einverständnisses der Königin. Dieses ist nicht mit dem königlichen Einverständnis, dem „royal assent“ zu verwechseln, durch welches vom Parlament beschlossene Gesetzestexte rechtsgültig werden.
„Queens Consent“ bezeichnet das königliche Recht, parlamentarische Debatten von Gesetzesentwürfen zu verhindern, welche Auswirkungen auf das Crown Estate oder den Privatbesitz der königlichen Familie haben könnten. Auch wenn ein Gesetzesentwurf in die Souveränitätsrechte der Monarchin eingreifen möchte, etwa in deren Recht, den Kriegszustand auszurufen, muss das königliche Einverständnis vorher eingeholt werden. Das ist eine weitere Mahnung an alle, die das britische Königshaus für eine reine Folklore-Veranstaltung halten. Ohne Einverständnis kein Gesetz und nicht einmal die Debatte eines Gesetzentwurfs – so einfach ist das.
Heimliches Herrscherhaus – royale Steuervermeidung
Dem Guardian liegen laut eigener Angabe rund 1000 Fälle vor, in denen die privaten Anwälte der britischen Königin auf dieser Grundlage Begutachtungen von Gesetzesentwürfen vorgenommen haben. Das Königshaus bestreitet, Einfluss auf den Gesetzgebungsprozess zu nehmen und sagte dem Guardian, es handele sich um ein „rein symbolisches“ Recht. Tatsächlich nimmt die Königin über informelle Kanäle – noch einmal: die britische Verfassung beruht selbst großen Teils auf einer informellen Grundlage – sehr wohl Einfluss auf Gesetzentwürfe, welche sie selbst direkt betreffen könnten. Als Beispiel präsentiert der Guardian Interventionen des Königshauses, um in den 1970er Jahren Transparenzgesetze ändern zu lassen, welche „die Firma“ zur Offenlegung ihrer Finanzen hätten zwingen können. Im Jahr 2006 wurde nach Intervention der Königin ein Gesetz zur Verhinderung von Grausamkeiten gegen Tiere derart umgestaltet, dass staatliche T ierschutzinspekteure den privaten Grundbesitz „der Firma“ nicht betreten dürfen. 2012 soll die Königin gegen ein Gesetz zur stärkeren Kontrolle von Trusts interveniert haben. Auch ein Gesetz über die Verwaltung von Erbschaften im Jahr 2014 wurde begutachtet.
Indem sich „die Firma“ um größtmögliche Geheimhaltung ihres eigenen Geschäftsgebarens bemüht, bedient das Königshaus auch das Gesamtinteresse der von der City of London auf die ehemaligen Kronkolonien ausstrahlenden Finanzbranche. Diese Interessen sind keinesfalls getrennt voneinander zu betrachten. Im Jahr 2017 kam im Rahmen der geleakten „Paradise Papers“ ans Licht, dass Elizabeth II. immerhin zwölf Millionen Dollar ihres Einkommens in Offshore-Konten auf Bermuda und Cayman-Inseln eingelagert hat.
110.000 Beschwerden bei der BBC
Bermuda und die Cayman-Inseln gehören zu insgesamt 14 Übersee-Territorien der britischen Krone. Es handelt sich dabei um ehemalige Kolonien, die nach wie vor als Eigentum der Krone gelten – und zumeist zugleich exquisite Steuerparadiese sind. Ihre inneren Angelegenheiten dürfen die Übersee-Territorien weitgehend selber regeln, die Verteidigung und Außenpolitik obliegt jedoch der Krone. Die Königin tritt als Staatschefin auf. Auch die nahe der britischen Hauptinsel liegenden Inseln Jersey, Guernsey und Isle of Man sind Eigentum der Krone, nicht aber Teil des Vereinigten Königreichs oder der Übersee-Territorien. Diese unübersichtliche Gemengelage ermöglicht erst das Dasein vieler der hier genannten Orte als Oasen zur Steuerhinterziehung oder -vermeidung. Fast könnte man sagen, Steuervermeidung ist hier als Staatsziel ausgegeben, natürlich wie immer nicht explizit und schon gar nicht schriftlich.
Dieses informelle Arrangement kann jedoch nur so lange aufrecht erhalten werden, wie eine Mehrheit der auf der britischen Hauptinsel lebenden Bevölkerung dies toleriert. Deshalb wurde der Tod von Prinz Philip und die darauf folgende achttägige Staatstrauer auch für eine Propagandaoffensive im Sinne der Krone benutzt. Die BBC unterbrach ihr Programm und zwangsbeglückte die Menschen rund um die Uhr mit royalen Darbietungen. Diese goutierten das nur bedingt. Die Einschaltquoten gingen in den Keller. 110.000 Menschen schrieben eine Beschwerde an die BBC – ein Rekord. Aus der Sicht von Krone und britischem Establishment ist das ein Alarmzeichen. Die Monarchie wird als Stabilitätsanker unverlässlicher.
Christan Bunke lebt als Autor in Wien. Er zeichnet bei Lunapark21 für die Rubrik „Ort & Zeit“ verantwortlich – siehe Seite 76)