Volksinitiative gegen Schulprivatisierung

Gegenwehr gegen die Berliner Allparteien-Privatisierungskoalition

Das Vorhaben, in Berlin die Schulen zu privatisieren, trifft im Berliner Parlament auf keine Opposition. CDU und FDP fordern sogar noch mehr Privatisierung. [1] Opposition ist aber gerade das, was Demokratie ausmacht. Was passiert mit Berlin, wenn zu einem der wichtigsten Vorhaben der Legislaturperiode Opposition nicht vorhanden ist? Die Bedeutung dieser Situation wurde Aktiven der Organisation Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB) im vergangenen Herbst vor Augen geführt: GiB hatte die Pläne der Landesregierung zu einer sogenannten Schulbauoffensive analysiert und war zu dem Ergebnis gekommen, dass damit eine weitreichende Privatisierung des Schulbaus drohte.

GiB hatte daraufhin einzeln alle Abgeordneten der Regierungsparteien angeschrieben, die entstandenen Sorgen geäußert und zahlreiche Fragen gestellt. GiB wandte sich auch an den Justizsenator mit der Bitte, zu klären, ob und in wie weit der Verfassungsauftrag der Bezirke tangiert wäre. Die Initiative schrieb zudem einzeln alle Bezirksbürgermeister und -bürgermeisterinnen an. Doch niemand antwortete!

Stattdessen verabschiedeten insgesamt 50 Stadträte zusammen mit BezirksbürgermeisterInnen ein Papier, in dem sie die Schulbauoffensive des Senats begrüßten. Erst danach kam doch noch einen Antwortbrief der Fraktion Die Linke – der jedoch noch an den geäußerten Bedenken vorbeiging und die gestellten Fragen weitgehend offenließ. Die Linke vertritt im Brief die Auffassung, das Vorhaben sei gar keine Privatisierung. Auf dem kurz danach stattfindenden Landesparteitag beschloss die Partei Die Linke dann, das Vorhaben ebenfalls zu begrüßen.

Den Aktiven von GiB wurde klar, dass Senat und Regierungsparteien nicht die Absicht hatten, die Zivilgesellschaft einzubeziehen oder Fragen zu beantworten. Das Abgeordnetenhaus verzichtete sogar auf eine eigene Befassung und überließ die Umsetzung des Privatisierungsvorhabens allein der Exekutive. Als letzter Ausweg, das Parlament doch mit dem Vorgang zu befassen, bot sich ein in Berlin bisher selten genutztes Instrument der direkten Demokratie: die sogenannte Volksinitiative. Im Unterschied zum Volksentscheid, der in Berlin auch schon mehrfach erfolgreich zum Einsatz gebracht worden war, zielt die Volksinitiative nicht auf ein Gesetz, sondern auf eine Anhörung der Zivilgesellschaft in den relevanten Ausschüssen. Die Hürden sind nicht so hoch: Für einen Volksentscheid müssen circa 175.000 Unterschriften gesammelt werden, die Volksinitiative benötigt nur 20.000 gültige Unterschriften. Man darf schon ab 16 unterschreiben, was sich im Bereich Schule als vorteilhaft erweisen könnte – viele Schülerinnen und Schüler dürfen auch schon mitzeichnen. Dass als formale Voraussetzung der Hauptwohnsitz in Berlin genügt, bedeutet, dass eine Wahlberechtigung nicht erforderlich ist – Menschen mit Migrationshintergrund können also ebenfalls unterschreiben. Eine Übersetzung der zugehörigen Materialien ins Türkische und Arabische ist schon in Arbeit, weiter Sprachen sollen folgen. Die Forderungen der Volksinitiative lauten im Einzelnen:

  • Schulsanierungen sofort starten statt jahrelangem Aufbau einer GmbH und zentraler Parallelstruktur
  • Schulbau öffentlich und ausreichend finanzieren statt teurer Kapitalmarktkredite im Rahmen einer GmbH, statt Mietzahlungen der Bezirke für die Schulen und statt Schulen als Kreditsicherheiten
  • Personal der öffentlichen Hand ausbauen und besser entlohnen statt Abwerben von Fachkräften der öffentlichen Hand in eine GmbH
  • Beteiligung von Schulleitungen, interessierten Lehrkräften, Eltern, Schülerinnen und Schülern und Bürgerinnen und Bürgern am Entscheidungsprozess statt Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen bei einer GmbH
  • Schulen und Turnhallen als offene Orte in Berlin erhalten, statt Sportvereine und Nutzer durch hohe Mietzahlungen auszugrenzen
  • Dezentrale Strukturen ausbauen statt Schulbau als Großprojekt à la BER. Schulgrundstücke im Eigentum der Bezirke belassen, statt die Bezirke zu Mietern ihrer Schulen zu machen
  • Schulbau in eigener Regie und mit regionalem Handwerk und Gewerbe statt Großverträgen mit Baukonzernen, Kostenexplosion, Lohndumping
  • Erhalt und öffentliche Nutzung aller Schulgrundstücke und -gebäude statt Abriss und Verkauf von Schulgebäuden
  • Schule in öffentlicher und demokratischer Verwaltung statt Schule als Finanzprodukt mit Erbbauverträgen und anderen Finanzkonstrukten
  • Erhalt und Pflege des öffentlichen Grüns auf den Schulhöfen statt Baumfällungen zugunsten von Fremdbebauung
  • Rekommunalisierung von Schulreinigung und Schulessen statt Outsourcing mit der Folge von Schulschmutz, schlechtem Essen und Ekelskandalen

In der Begründung heißt es:

Der Berliner Senat plant eine sogenannte Schulbauoffensive. Was gut klingt, hat einen hochproblematischen Kern: Schulgrundstücke, Schulen und Bauaufträge im Volumen von mehreren Milliarden Euro sollen in eine öffentliche, aber privatrechtliche GmbH ausgelagert werden. Alle relevanten Verträge werden damit ebenfalls privatrechtlich. Auskunftsrechte der BürgerInnen müssen künftig hinter dem Betriebs- und Geschäftsgeheimnis zurückstehen. Selbst das öffentliche Vergaberecht gilt nicht mehr! Vor allem aber kann von der neuen Schul-GmbH aus weiterprivatisiert werden. Darüber entscheidet dann das GmbH-Management: Kreditaufnahmen am privaten Kapitalmarkt, Einbezug von PrivatinvestorInnen auf Projektebene, Öffentlich-Private Partnerschaften(ÖPP) – das alles wird möglich. Auch kann die neue Schul-GmbH selbst später verkauft werden, zum Beispiel von der nächsten Regierung. Die Berliner Schulen sollen damit für PrivatinvestorInnen geöffnet werden, und zwar von einer Regierung aus SPD, Linken und Grünen. […] Mit der Volksinitiative „Unsere Schulen“ greifen wir ein: Die Berliner Schulen müssen im öffentlichen Eigentum mit öffentlichen Geldern saniert und ausgebaut werden – das ist der schnellste Weg und auch das sicherste, günstigste und demokratischste Vorgehen.

Das Formular zum Unterschreiben der Volksinitiative kann unter www.gemeingut.org heruntergeladen und ausgedruckt werden.

Es scheint den InitiatorInnen der Volksinitiative sehr wahrscheinlich, dass die erforderlichen Unterschriften in wenigen Monaten zusammenkommen. Danach bleiben der Verwaltung noch vier Monate für die Prüfung der Gültigkeit. Spannend wird jedoch, ob der Senat diese Zeiträume abwartet und keine weiteren Fakten schafft. Bisher war es vorgesehen, dass für die formelle Privatisierung „bis 2018 arbeitsfähige Strukturen“ geschaffen werden. Die für die neue Schul-GmbH vorgesehene Wohnungsbaugesellschaft Howoge hat mit Blick auf ihre neuen Aufgaben schon eine Projektsteuerungsgesellschaft gekauft. Die eigentliche Schul-GmbH wurde aber noch nicht gegründet – und wird nun vielleicht auch nie gegründet, wenn es im Zuge der Volksinitiative gelingt, auf die damit verbundenen Risiken für das Gemeinwohl breit aufmerksam zu machen.

Anmerkung:

[1] So forderten CDU und FDP in Berlin gerade erst, den Pannenflughafen BER zu verkaufen oder mittels Öffentlich-Privater Partnerschaften (ÖPP) zu privatisieren. In der zugehörigen Pressemitteilung ist allerdings nicht davon die Rede, den potentiellen Käufern oder ÖPP-Betreibern auch die fünf Milliarden Euro an Mehrkosten anzutragen. Dieses Geld soll die öffentliche Hand offenbar alleine bezahlen – und damit die Steuerzahlenden. Privatisiert werden soll erst, wenn der Flughafen jenseits dieser enormen Subvention Gewinne macht.

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