20 Milliarden Euro für neue Autobahnen und Flugpisten

Der österreichische Nationalrat hat am 25. September 2019 den Klimanotstand ausgerufen. Das ist gut so, doch wenn es sich nicht – wie so oft – um ein Lippenbekenntnis handeln soll, müssen rasch Taten folgen. Die Nagelprobe dafür ist klar: Das Programm zum Ausbau von Autobahnen und Flugpisten – 20 Milliarden sollen dafür in den nächsten Jahren in Österreich ausgegeben werden – muss sofort gestoppt werden!

Der Straßenverkehr und zunehmend auch der Flugverkehr zählen in Österreich zu den größten Verursachern von klimaschädlichen Treibhausgasen und von gesundheitsschädlichen Schadstoffen (Feinstaub, Stockoxide). Eine Erkenntnis der Verkehrswissenschaft bestätigt sich jeden Tag aufs Neue: Das Angebot produziert die Nachfrage. Wer neue Straßen baut, wird Autoverkehr ernten. Wenn also wirklich ein Wille da ist, hier und heute Klimaschutz ernst zu meinen, dann muss endlich Schluss gemacht werden mit dem ständigen Bau neuer Autobahnen, Schnellstraßen und Flugpisten. Ein Blick in die im nächsten Jahrzehnt geplanten Verkehrsprojekte zeigt jedoch, dass – trotz aller Klimaschutzbekenntnisse – der Aus- und Neubau dieser fossilen Großprojekte in den kommenden Jahren massiv vorangetrieben werden soll (siehe Tabelle rechts).

Das ergibt in der Summe 20 Milliarden Euro, die für neue Autobahnen, Schnellstraßen und Flugpisten ausgegeben werden sollen. Zur Erläuterung: Diese Zahlen ergeben sich aus den von der ASFINAG angegebenen Errichtungskosten, einschließlich einer 30-prozentigen Baukostenüberschreitung. Diesbezüglich wurde mangels österreichischer Studien auf eine deutsche Studie Bezug genommen, die bei Großprojekten im Verkehr auf eine durchschnittliche Kostenüberschreitung von 33 Prozent kommt. Ebenfalls eingerechnet sind die Finanzierungskosten. Nicht eingerechnet sind die Instandhaltungs- und Sanierungskosten. Und die sind hoch. Um sich ein Bild zu machen: Alleine für den Lobau-Tunnel rechnen Experten in einem Zeitraum von 40 Jahren mit einer Milliarde Euro an Instandhaltungskosten. Nicht eingerechnet sind auch die enormen Kosten, die durch Umweltzerstörung, Unfälle, Verlust fruchtbarer Böden, Gesundheitsbeeinträchtigungen usw. entstehen. Diese sog. „exter nen Kosten“ sind laut Verkehrsclub Österreich (VCÖ) beim Autoverkehr 7-mal so hoch wie bei der Bahn.

Bei diesen 20 Milliarden Euro sind nur die ASFINAG-Straßenprojekte (Autobahnen, Schnellstraßen) berücksichtigt. Doch es gibt sehr viel mehr Megastraßenprojekte, die zum Beispiel von den Ländern finanziert werden. Alleine in Oberösterreich gehen diese in die hunderte Millionen (z.B. Ausbau B 149, B139, Westspange Steyr). Bundesweit kommt also nochmals eine Summe jenseits der Milliardengrenze dazu.

Jährlich 1,5 Milliarden Auto-Kilometer mehr

Österreich hat schon jetzt eines der dichtesten Autobahnnetze in Europa. Die Folge: Im Jahr 2018 wurden in Österreich bereits 83 Milliarden Kilometer mit dem Auto zurückgelegt, das entspricht einer Zunahme von 12 Prozent (plus 9 Milliarden km) gegenüber dem Jahr 2012. Seit 2012 hat sich die Zunahme eindeutig beschleunigt (siehe Grafik). Jährlich kommen seither rd. 1,5 Milliarden gefahrene Auto-Kilometer dazu.1 Auch der Autobestand wächst netto (Anmeldungen minus Abmeldungen) nach wie vor Jahr für Jahr kräftig an. Im letzten Jahrzehnt stieg der Autobestand in Österreich um rund eine Million auf 6,9 Millionen an. Zwischen 1990 und 2018 ging der Autobestand um knapp 63 Prozent in die Höhe, während die Bevölkerung in diesem Zeitraum nur um gut 15 Prozent zunahm. Die Verkehrspolitik hat diese Entwicklung mit einer vollkommen verfehlten Infrastrukturpolitik kräftig gefördert: Seit 2000 ist das Autobahn- und Schnellstraßennetz um 300 Kilometer und das Landesstraßennetz um 500 Kilometer gewachsen, während 670 Kilometer Schiene in diesem Zeitraum stillgelegt wurden.2

Viele der in den letzten Jahren gebauten bzw. nun geplanten Autobahnprojekte – z.B. Phyrn-Autobahn, S 10 Mühlviertler Schnellstraße, Lobau-Tunnel Wien, Osttangente Linz – sind sog. TEN-Projekte („ HYPERLINK „https://www.solidarwerkstatt.at/verkehr/transeuropaeisch-ueberrollt“ Transeuropäische Netze“). Die Korridore für diese TEN-Strecken wurden auf EU-Ebene beschlossen und teilweise auch über die EU-Ebene kofinanziert. Dabei ist es oft so, dass die jeweiligen Länder in den EU-Instituionen Lobbyarbeit machen, um diese Projekte in ihrem Land auf EU-Ebene abgesegnet (und kofinanziert) zu bekommen. Um dann auf Landesebene unter Verweis auf „Brüssel“ sagen zu können, es handle sich ja um ein auf EU-Ebene als wichtig identifiziertes Projekt. Auf diese Weise ist es vielfach einfacher, vor Ort Unterstützung zu erlangen oder Widerstand abzuschwächen.

All diese Projekte dienen dazu, dem hemmungslosen Güterverkehr und Freihandel kreuz und quer über den Kontinent eine Bresche zu schlagen. Genau das aber ist mit einem wirksamen Klimaschutz unvereinbar. Diese TEN-Verordnungen haben auch rechtlich weitreichende Folgen: So hat der Verfassungsgerichtshof den Baustopp der 3. Piste beim Flughafen Wien/Schwechat mit der Begründung aufgehoben, dass dieser Flughafen zu den TEN-Netzen der EU gehört.3

„Stopp fossiler Großprojekte!“

Man kann es nicht oft genug betonen: Genau in jenem Jahrzehnt, das vom UNO-Klimarat als das entscheidende angesehen wird, um noch einen Klimakollaps verhindern zu können, sollen in Österreich klimafeindliche fossile Großprojekte in der Höhe von 20 Milliarden Euro gebaut werden. Das ist völlig absurd und verantwortungslos!

Es ist ermutigend, dass eine der zentralen Forderungen der „Fridays for Future“-Bewegung in Österreich, die am 27. September 150.000 Menschen mobilisieren konnte, lautet: „Stopp fossiler Großprojekte, wie den Neu- und Ausbau von Flughäfen und Autobahnen!“ (s. www.fridaysforfuture.at) Denn genau darum geht es! Die Verhinderung dieser fossilen Großprojekte ist auch deshalb so wichtig, weil es sich um sog. „Lock in“-Investitionen handelt. D.h. sie sperren uns wieder auf Jahrzehnte in einem klimaschädlichen Entwicklungspfad ein. Genau diese Zeit dürfen wir aber angesichts der bedrohlichen Klimakrise nicht mehr verlieren.

Die Nagelprobe

Der Stopp dieser fossilen Großprojekte ist die erste große Nagelprobe, ob die Ausrufung des Klimanotstands von den politisch Verantwortlichen ernst genommen wird. Es wird auch die Nagelprobe für die schwarz-grüne Regierung, die sich derzeit abzeichnet. Da gibt es keine Ausreden. Diese Forderung ist konkret, kann sofort verwirklicht werden – und die Umsetzung kostet nicht nur nichts, sondern erspart viele Milliarden. Womit wir bereits bei der nächsten Nagelprobe sind: Diese Gelder müssen umgehend in ein ambitioniertes Investitionsprogramm für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs und der sanften Mobilität umgeschichtet werden. Dafür werden wir noch viel Druck machen müssen. In diesem Sinne: Wir sehen uns beim nächsten Klimastreik.

Gerald Oberansmayr lebt in Linz. Er ist u.a. aktiv bei der Solidarwerkstatt Österreich. Infos siehe: „https://www.solidarwerkstatt.at/ und https://www.solidarwerkstatt.at/

Anmerkungen:

1 https://www.vcoe.at/presse/presseaussendungen/detail/mit-auto-gefahrene-kilometer-sind-in-oesterreich-seit-1990-um-50-prozent-gestiegen

2 Quelle: VCÖ 2018 mit Verweis auf Statistik Austria 2017; BMVIT 2018, 2012, 2010; ASFINAG 2018, 2012

3 Verfassungsgerichtshof, Erkenntnis vom 29.6.2017, E 875/2017-32, E 886/2017-31

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