Neoliberale Erfolgsgeschichte

AttacBasisText zur Ökonomisierung des Gesundheitswesens
Daniel Behruzi. Lunapark21 – Heft 22

Die Ökonomisierung des Gesundheitswesens ist Teil des neoliberalen Umbaus der Gesellschaft. So interpretieren Arndt Dohmen, Manfred Fiedler, Werner Rätz und Werner Schüßler von der Attac-AG Soziale Sicherungssysteme die Entwicklung der vergangenen zwei Dekaden. Diversen „Reformen“ und Privatisierungen sei es vor allem darum gegangen, einen möglichst großen Teil der „Gesundheitswirtschaft“, die zur Jahrtausendwende weltweit geschätzte 3,5 Billionen Dollar pro Jahr umsetzte, dem privaten Gewinnstreben zu unterwerfen. Mit Erfolg.

Die Autoren des AttacBasisTexts „Gesundheit ist (k)eine Ware“ warnen, dass dies so weitergehen soll. So beschloss der Bundestag im Sommer vergangenen Jahres, „dass das wettbewerbliche Handeln der Krankenkassen dem Kartellrecht unterliegt“. Heißt: Die gesetzlichen Krankenversicherer sollen wie gewöhnliche Wirtschaftsunternehmen behandelt werden, denen Absprachen verboten sind. Bislang verpflichtet das Sozialgesetzbuch die Kassen noch zur Zusammenarbeit, „um wesentliche Prinzipien wie Solidarität, Subsidiarität, Sachleistung und Selbstverwaltung zu verwirklichen“.

Auch in den Krankenhaussektor dringt das Wettbewerbsrecht vor. Den Schaden haben die öffentlichen Häuser. Denn „während ein privater Krankenhausträger ein defizitäres Krankenhaus nach Belieben aus seinem eigenen Vermögen unterstützen darf, gilt dieses beim öffentlichen Krankenhaus als unzulässige Subvention“. Das will sich aktuell der Bundesverband Deutscher Privatkliniken (BDPK) zunutze machen, der den Kreis Calw wegen Verstoßes gegen das EU-Beihilferechts verklagt, weil dieser die Defizite seiner Kliniken ausgeglichen hat (siehe „Kommunaler Ausverkauf“ S. 46).

Neben den Privatisierungen habe vor allem das Finanzierungssystem über Fallpauschalen (siehe „Kliniken in Not“ S. 40) einen „tiefgreifenden Paradigmenwechsel“ in den Krankenhäusern zur Folge gehabt, so die Globalisierungskritiker. Die bestmögliche Bedürfnisbefriedigung der Kranken sei in den Hintergrund getreten. Stattdessen würden die Beteiligten zu einem Verhalten erzogen, „das den Patienten zum Mittel macht, um Gewinnmaximierung zu betreiben“. Vor diesem Hintergrund plädieren die Autoren für die Abschaffung des Systems der Fallpauschalen. Ihre Alternative: „Wir brauchen ein kooperatives, nicht wettbewerbliches Krankenhaussystem, in dem die Finanzierung der Leistung folgt und nicht die Leistung der Finanzierung. Es soll regional organisiert werden, auf die Lebenswelt der Hilfesuchenden ausgerichtet und sich auch mit den anderen vor- und nachgelagert tätigen Professionellen auf Augenhöhe optimal koordinieren.“ Voraussetzung hierfür sei die finanzielle und gesundheitspolitische Stärkung der Kommunen.

Die Attac-Aktivisten verweisen darauf, dass die mit der Ökonomisierung einhergehende Selektion politisch gewollt ist. Als Beleg zitieren sie den Vordenker des Neoliberalismus, Friedrich August von Hayek: „Es mag hart klingen, aber es ist wahrscheinlich im Interesse aller, dass in einem freiheitlichen System die voll Erwerbstätigen oft schnell von einer vorübergehenden und nicht gefährlichen Erkrankung geheilt werden, um den Preis einer gewissen Vernachlässigung der Alten und Sterbenskranken.“ Eine klare Ansage, die entschlossenen Widerstand nötig macht.

Arndt Dohmen/Manfred Fiedler/Werner Rätz/ Werner Schüßler: Gesundheit ist (k)eine Ware. Wenn Geld die Medizin beherrscht! Ursachen – Folgen – Alternativen, AttacBasisTexte 43, VSA, Hamburg 2013, 96 Seiten, 7 Euro. ISBN: 978-3-89965-564-3

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