Welternährung & Agrobusiness

Lunapark21 – Heft 27

Kaum ein Thema ist derart stark vom Stammtisch-Denken geprägt – oder sollten wir sagen: vom Denken aus dem Bauch heraus? – wie das Thema Welternährung. Dieses schlichte Denken folgt dem Dreisatz: Erstens gibt es Welthunger. Zweitens eine „Bevölkerungsexplosion“. Und deshalb liegt drittens die einzige Chance zur Vermeidung der weltweiten Hungerkatastrophe in der Verallgemeinerung der „modernen Landwirtschaft“. Kleinbauern, gar Biolandwirtschaft sind nett & gut – aber irgendwie Spielwiesen und ganz sicher ungeeignet, um den „globalen Herausforderungen zu begegnen“.

Die Autorinnen und die Autoren in diesem Luapark21-Spezial sehen das ziemlich anders. Peter Clausing macht in seinem ersten Beitrag deutlich, inwiefern mit dem drohenden „Welthunger“ einigermaßen gezielt ein Gespenst aufgebaut wird (S.42f). In einem zweiten Beitrag mit dem Titel „Das Stickstoff-Dilemma“ verdeutlicht Clausing, wie umgekehrt die „moderne“ Landwirtschaft mit ihren konventionellen Methoden eine nicht zu verantwortende Belastung für die Umwelt und das weltweite Klima darstellt (S. 45ff). Irmi Salzer arbeitet auf den Seiten 48-50 den Gegensatz zwischen der EU-Agrarpolitik und der Zielsetzung „Ernährungssouveränität“ heraus. Sie unterstreicht ihrerseits, dass die Orientierung der Landwirtschaft auf den Weltmarkt ein Irrweg ist, mit dem vor allem Zerstörung angerichtet wird – ein Aspekt, den auch Jean Ziegler immer wieder betont (S.47). Auf den Seiten 51 bis 53 bringen wir eine Zusammenfassung der Darlegung von Raj Patel zur „Grünen Revolution“ (wie besagter Stammtisch-Gedanke von der „modernen Landwirtschaft “ nach dem Zweiten Weltkrieg bezeichnet und verkauft wurde), die in erster Linie den Interessen des neuen Agrobusiness diente und deren Propagandisten auch vor der Fälschung der Statistiken nicht zurückschreckten. Gerold Schmidt berichtet aus Mexiko über die dort vor kurzem beschlossene Energiereform, die der Ressourcenausbeutung den absoluten Vorrang einräumt und die für die verbliebene kleinbäuerliche Bevölkerung ruinöse Folgen haben wird (54f). (Übrigens findet sich außerhalb dieses Spezials, auf Seite 18, ein Beitrag desselben Autors zu Mexiko, NAFTA und der mexikanischen Landwirtschaft.) Das Lunapark21-Spezial wird abgerundet durch ein ausführliches Interview, das Simone Holzwarth und Bernhard Knierim mit dem Biobauern Godehart Hanning vom Kirchhof Oberellenbach führten (S.56-60). Womit sich ein Kreis zu der Autorin und Biobäuerin Irmi Salzer und zu Peter Clausings einleitendem Betrag zum „Gespenst Welthunger“ schließt.

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