Frauen und die Corona-Krise

Weniger Geld, weniger Erwerbsarbeit, weniger Aussichten

„Fünf Jahre Fortschritte bei der Beseitigung der Armut durch Erwerbstätigkeit wurden zunichte gemacht.“ urteilt die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) über die Auswirkungen der Pandemie. Das Uno-Ziel, mit nachhaltiger Entwicklung die Armut bis 2030 zu überwinden, dürfte kaum noch zu erreichen sein. Und wie immer sind die Geschlechter von den Rückschlägen in unterschiedlichem Maße betroffen, besonders hart erwerbstätige Frauen, die auf soziale Absicherung angewiesen sind. Aufgrund fehlender sozialer Schutzbestimmungen, vor allem im informellen Sektor mit seinem hohen Frauenanteil, wirken sich pandemiebedingte Unterbrechungen der Erwerbsarbeit katastrophal aus, mit schwerwiegender Beeinträchtigung von Lebensunterhalt und Familieneinkommen.

Die ILO-Konferenz vom vergangenen Juni hält in ihrem Report fest, dass die Erwerbstätigkeit von Frauen im Jahr 2020 um fünf Prozent zurück-gegangen ist, die von Männern um knapp vier Prozent. Ein größerer Anteil der Frauen ist auch aus dem Erwerbsarbeitsmarkt ausgeschieden. Der Report hält weiter fest, was in frauenpolitischen und feministischen Kreisen sehr wohl bekannt ist, dass bei bestimmten innenpolitischen Konstellationen die Gefahr bestehe, dass eine „Re-Traditionalisierung“ der Geschlechterrollen geschaffen werden könnte.

Die von der Corona-Krise am stärksten betroffenen Regionen waren im ersten Halbjahr 2021 laut ILO Lateinamerika, die Karibik sowie Europa und Zentralasien. Dort überstiegen die geschätzten Verluste von Erwerbsarbeitsstunden im ersten Quartal 8 Prozent und im zweiten Quartal 6 Prozent, verglichen mit weltweiten durchschnittlichen Verlusten von Erwerbsarbeitsstunden von 4,8 im ersten und 4,4 Prozent im zweiten Quartal.

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Warum sind Frauen, die Sport machen, in den Medien unterrepräsentiert?

Winfried Wolf hat bei der Vorbereitung zu diesem Heft die Frage aufgeworfen, warum Sportsendungen, vor allem im TV, nicht strikt quotiert werden. Sein Vorschlag: „Auf den Mattscheiben 50 Prozent Frauenfußball / 50 Prozent Männerfußball“.

Seine Frage: „Würde man damit nicht einen weit größeren Beitrag zur Zurückdrängung des Patriarchats leisten als mit Forderungen nach 50 Prozent Aufsichtsrätinnen?“ Seine Begründung: „Es gibt keine Berichterstattung über Personen in Aufsichtsräten, aber wöchentlich Dutzende Stunden TV-Sendezeit über Männersportarten und so gut wie Null zu Frauensport.“ Die Idee fanden wir spannend.

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Landnahme (L)

historisch-kritisches wörterbuch des marxismus

Das Historisch-Kritische Wörterbuch des Marxismus erschien mit seinem ersten Band 1994, begründet und herausgegeben vom Philosophen Wolfgang Fritz Haug. Seitdem haben mehr als 500 Wisenschatler:innen Einträge verfasst, die in der Denktradition von Marx und Engels stehen. George Labica hat mit „Abbau des Staates“ begonnen und Detlev Hensche hat mit dem Stichwort „Mitbestimmung“ das bisher letzte verfasst. Lunapark21 präsentiert in jeder Ausgabe einen thematisch passenden Eintrag aus dem Wörterbuch.

Landnahme (L)

Landnahme ist nach Finanzkrise, Kurzarbeit, Mensch-Naturverhältnis, Kubanische Revolution und Misogynie das sechste ausgewählte Stichwort aus der alphabetischen Stichwörtersammlung im Historisch-kritischen Wörterbuch des Marxismus (HKWM), das wir hier auszugsweise zitieren. Dieser wiedergegebene Ausschnitt aus dem HKWM enthält mehr als man bei Eingabe des Links: http://www.inkrit.de/e_inkritpedia/e_maincode/doku.php?id=l:landnahme zum Stichwort Landnahme findet, aber wesentlich weniger als im Original. Das ist in sechs Abschnitte und einen Exkurs gegliedert und mit einer umfangreichen Bibliographie – beginnend mit Elmar Altvater, Der große Krach oder die Jahrhundertkrise von Wirtschaft und Finanzen, von Politik und Natur, Münster 2010 bis zu P. Windolf, „Was ist Finanzmarkt-Kapitalismus?“, in: ders. (Hg.), Finanzmark-Kapitalismus. Analysen zum Wandel des von Produktionsregimen, Sonderheft 54 der KzfSS, 2005, 20-57. – versehen. Es sei wiederum auf das Stichwort im Berliner Institut für kritische Theorie (InkriT) verwiesen. Der Bestellvorgang wird auf dessen Website erläutert. (JHS)

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Bürokratieabbau, endlich

Ein- und Ausreise polnischer Pflegekräfte während der Pandemie

500 Euro die Woche, Kost und Logis frei, und ein freier Tag pro Woche. Was hätten wir nur ohne Milena und Aneta gemacht? In ein Heim wollte meine Mutter nicht, aber mit über 90 Jahren brauchte sie Hilfe, bei allem.

Die Damen aus Polen, beide Ende Fünfzig, ihre Kinder erwachsen und aus dem Haus, wechselten einander im Rhythmus von fünf oder sechs Wochen in der Betreuung ab.

Sie besorgten den Haushalt, kauften ein, bereiteten die Mahlzeiten –
Milena ist eine exzellente Köchin –
machten die Wäsche und halfen meiner Mutter beim Waschen, beim Anziehen und schoben sie im Rollstuhl auf Spazierfahrt. Und waren liebevolle, großartige Gesellschafterinnen.

Im Souterrain des Bungalow hatten sie ihr Zimmer und schliefen offenbar mit aufgerichtetem Ohr und waren zur Stelle, wenn ihre Patientin nachts zur Toilette tappte.

Und dann war Pandemie. Mitte März 2020 verkündete Innenminister Seehofer, die Grenze sei dicht. Wer weder Bundesbürger sei noch als Ausländer dauerhaft in Deutschland lebe, dürfe nur noch aus „triftigem Grund“ einreisen – etwa als Berufspendler.

Milena war in Polen und sollte Aneta in zwei Wochen ablösen. Was war zu tun?

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Die GDL hat ihre Versprechen erfüllt

Sieg bei scharfem Gegenwind

Der Streik der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) lieferte in den letzten Monaten den Stoff für zahlreiche Schlagzeilen. Der Tenor war meist gegen ihn gerichtet. Nun gibt es eine Einigung, bei der die GDL ihre Kernforderungen durchsetzen konnte. Über einen Arbeitskampf, der zeigt, dass sich zu kämpfen lohnt.

Neun Monate haben die Tarifverhandlungen zwischen GDL und Bahn AG gedauert. Jede Tarifverhandlung endet mit einem Kompromiss, selten kann eine Seite alle Forderungen durchsetzen. Immer geht es um einen Interessengegensatz zwischen den Forderungen des Unternehmens und denen der Beschäftigten. Bis vor wenigen Wochen war noch offen, wie dieser Konflikt ausgeht und alles andere als eine routinierte Tarifrunde, wie man sie aus anderen Branchen kennt. Besonders waren die mediale Begleitung und die notwendige Härte, mit der das Ergebnis vor dem Hintergrund des Tarifeinheitsgesetzes errungen wurde.

Der GDL ist es gelungen, keine Versprechen zu brechen. Drei hatte GDL-Vorsitzender Claus Weselsky formuliert: keine Nullrunde für die Beschäftigten, Ausweitung des Geltungsbereichs auf andere Beschäftigtengruppen und Sicherung der betrieblichen Altersvorsorge. In allen konnte die Gewerkschaft punkten. Wie ist es also dazu gekommen?

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Was heißt Impfstoffgerechtigkeit?

„Die Pandemie trifft uns alle, Europäer wie Afrikaner, aber sie trifft uns nicht alle gleich.“ Mit diesen Worten eröffnete Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Anfang Juni die Africa-Roundtable-Initiative. Doch damit wollte er nicht etwa primär auf die Impfquote von damals einem Prozent in Afrika (ohne Marokko) hinaus, sondern entschuldigte: „Die älteren Gesellschaften Europas haben deutlich mehr Opfer zu beklagen, als die jüngeren Gesellschaften Afrikas.“

Nur einen Monat später war diese Aussage überholt: Die registrierten Covid-Todesraten in Afrika übertrafen die in Deutschland und der EU. Südafrika, Namibia, Tunesien und Botswana beklagten über Monate die höchsten Sterberaten der Welt.

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Covid-19 und die Arbeitswelt

Wie der Kapitalismus das Virus nutzt

In der ersten Phase der nun schon bald eindreiviertel Jahre währenden Pandemie keimte Hoffnung auf: Das unbekannte Virus, das die ganze Welt und alle Bereiche der Gesellschaft befiel, könnte den wild gewordenen Kapitalismus zur Räson bringen, führe es doch die Risiken des Global Sourcing, der Spekulation und eines auf kurzfristigen Profit gerichteten Wirtschaftens, das weder Mensch noch Natur schont, vor Augen. Langfristorientierung, Resilienz, Robustheit, Nachhaltigkeit und Reservehaltung schienen das Gebot der Stunde. Heute müssen wir konstatieren, dass nichts davon eingetreten ist.

Die Gesellschaft mag zwar durch die Konfrontation mit dem vom Virus ausgelöstem Schock etwas gelernt haben, zuvorderst dass ein handlungsfähiger und starker Staat von Nutzen ist und dass Schulden nicht des Teufels sind, sondern eine Voraussetzung für eine intakte Infrastruktur und eine gelingende Daseinsvorsorge. Die Wirtschaft aber ist aufgrund des ihr eigenen Mechanismus der Mehrwertproduktion und Akkumulation dazu offensichtlich nicht in der Lage.

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