Gigafactory 1

Ort und Zeit

Ort: Tahoe Reno Industrial Center, Storey County, Nevada, USA

Bebaute Fläche: 1 Quadratkilometer

Eigentümer: Tesla

Baubeginn: 2015

Voraussichtliche Fertigstellung: 2020

Produktionsbeginn: Juli 2016

Hergestelltes Produkt: Lithium-Ionen Batterien

Produzierte Stückzahlen: 2170 Batteriezellen pro Tag, 3000 Batterien pro Woche

Beschäftigte: 10.000, Stand Januar 2019

Teslas Megafabrik in der Wüste

Storey County ist eine karge Gegend. Fast könnte man sie für das Muster-Niemandsland halten. Und doch finden hier Entwicklungen mit weltweiten Auswirkungen statt. Das Tahoe Reno Industrial Center (TRIC) ist ein wahrhaft gigantischer Industriepark. Auf einer Fläche von 432 Quadratkilometern sind hier rund 100 Konzerne beheimatet – streng geschützt von Zäunen und Sicherheitsdiensten. Hier kommt keiner hinein, der nicht soll. Google hat auf dem Gelände ein großes Datenzentrum. Fünf große Kraftwerke sorgen für Strom.

Seit 2016 ist der Industriepark um eine Attraktion reicher. Tesla-Boss Elon Musk lässt hier seine erste so genannte „Gigafabrik“ errichten. Fertiggestellt ist sie noch lange nicht. Doch 2017 ist die Massenproduktion von Lithium-Ionen Batterien angelaufen. Für den Elektro-Wagenhersteller Tesla hat das strategische Bedeutung – wer die Produktion der für die Gefährte nötigen Batterien dominiert, dominiert auch den Wachstumsmarkt für Elektroautos. Die Gigafabrik ist dafür ein Prototyp, der bereits in andere Teile der Welt exportiert wird.

Insgesamt drei Gigafactories gibt es schon. Gigafactory 2 ist eine Photovoltaikfabrik in Buffallo, New York. Mit dem Bau der Gigafactory 3 in Shanghai ist in diesem Jahr begonnen worden. Eine europäische Gigafabrik ist in Planung. Zahlreiche europäische Länder haben sich darum gerissen, darunter die Niederlande, Portugal und Spanien. Es gilt jedoch als wahrscheinlich, dass Deutschland den Zuschlag bekommen wird. Der Tesla-Boss Elon Musk redet davon, dass es in kommenden Jahren bis zu 25 Gigafactories geben könnte. Immer unterstellt, Tesla erlebt keinen Giga-Bankrott.

Am Anfang war das Silber

Die in der Nähe des TRIC liegenden Städte heißen Reno, Sparks und Virginia City. Letztere ist heute eine Geisterstadt mit rund 800 Einwohnern. Doch Mitte des 19. Jahrhunderts lebten hier für einige Jahrzehnte 25.000 Menschen, darunter ein Lokaljournalist namens Samuel Clemens, der später unter dem Pseudonym Mark Twain weltberühmt wurde. Clemens war Augenzeuge kolonialistischer Gewalt. Er wurde auch Zeuge, wie sich im Kapitalismus die Zustände innerhalb kürzester Zeit von Rausch in Depression wandeln können.

Es war der Fund von Silber, der ab 1859 einen regelrechten Ansturm von Siedlern auf die Gegend auslöste. Etwa zur selben Zeit fand in Kalifornien der so genannte Goldrausch statt. Was nur wenige wissen: Bis heute ist Nevada das drittgrößte Gold-Fördergebiet weltweit. Nur in Australien und Südafrika wird mehr abgebaut. Der Silberrausch dauerte hingegen nur kurz. Die Vorkommen waren bald erschöpft. So schnell wie die Menschen gekommen waren, verschwanden sie auch wieder.

Für die bis zu diesem Zeitpunkt dort lebenden indigenen Bevölkerungen der Paiute, Schoschone und Bannock war der Silberrausch jedoch ein Desaster. Sie führten einen jahrelangen Abwehrkampf gegen die Eindringlinge. Die Silber- und Goldförderung gefährdete direkt ihre Lebensgrundlage. Tiere wurden ausgerottet, Böden vergiftet. 1860 kam es zum Krieg zwischen den Ureinwohnern und der amerikanischen Regierung. Die Regierungstruppen wurden von einem Edward Farris Storey befehligt. Er fiel in dem Krieg. Seitdem ist das County nach ihm benannt. Es sind die Sieger, die die Geschichte schreiben.

Für die Gigafactory 1 hat diese Geschichte eine zentrale Bedeutung. Denn rund 3 ½ Stunden Fahrtzeit vom TRIC entfernt liegt die Silver Peak Mine. Das ist immer noch im Bundesstaat Nevada, für amerikanische Verhältnisse quasi ein Katzensprung. Diese Silbermine wurde 1864 gegründet. Ihre heutige Existenz verdankt sie der Entdeckung von Lithium Carbonat im Wasservorkommen rund um die Mine.

Lithium Carbonat ist einer der wichtigsten, für die Herstellung von Elektrobatterien benötigten Grundstoffe. 3500 metrische Tonnen dieser Substanz werden hier jährlich gefördert. Eine Kapazitätssteigerung auf 6000 metrische Tonnen ist möglich. Betrieben wird die Mine von der Albermarle Corporation, deren Zentrale in Charlottesville liegt. Es handelt sich hier um einen der vier weltgrößten Konzerne, die in diesem Segment tätig sind.

Von der Silbermine gibt es eine direkte Bahnverbindung zur Gigafactory 1. Die Mine ist somit letztendlich eine Außenstelle der Gigafactory geworden. Elon Musk kommt es sehr gelegen, dass dieser wichtige Rohstoff so nahe liegt. Er kommt damit seinem Ziel einen Schritt näher, alle Produktionsschritte für die Batterien unter einem Dach durchführen zu können.

Gut für das Geschäft, schlecht für die Umwelt

Elektroautos, so wird auf allen Kanälen vermittelt, sind umweltfreundlich und vielleicht schon bald eine Alternative für den Verbrenner. Die Gigafactory erbringt den Beweis, dass derlei Behauptungen buchstäblich auf Wüstensand gebaut sind. Da ist zum Beispiel der Wasserverbrauch. Wasser ist knapp im Storey County und den anderen Teilen Nevadas. Storey County ist 680 Quadratkilometer groß, aber nur 1,8 Quadratkilometer davon sind von Wasser bedeckt. Doch die Gigafactory schluckt Wasser in gigantischen Ausmaßen. Teile des Bedarfs werden aus dem an Storey County angrenzenden Washoe County herangepumpt. Hinzu kommen firmeneigene Wassertanks auf dem Fabrikgelände, die 5,7 Millionen Liter aufnehmen können. Um eine Tonne Lithium zu gewinnen müssen 1,9 Millionen Liter Wasser verbraucht werden.

Lithium ist in bestimmten Salzwasserbeständen vorhanden. Um es aus dem Wasser zu lösen, leitet die Silver Peak Mine örtlich vorhandenes Salzwasser in riesige Sammelbecken um. Dort verdunstet es dann in einem Zeitraum von zwölf bis 18 Monaten, bis das Lithium derart konzentriert vorliegt, dass es in die Fabrik transportiert werden kann. Die Sammelbecken sind für Wildtiere, Vögel und andere Lebewesen giftig. Auch die Vegetation leidet darunter.

Weltweit werden derzeit 225.000 Tonnen Lithium pro Jahr gefördert. Ökonomen rechnen damit, dass sich dieser Bedarf in den kommenden Jahren auf 600.000 Tonnen pro Jahr mehr als verdoppeln wird. Der Rohstoff wird generell in Gebieten gefördert, in denen Wasser – wie in Nevada – knapp ist. 50 Prozent der Förderung findet in einem Dreieck statt, wo Chile, Argentinien und Bolivien aneinandergrenzen. Hier gibt es Parallelen zum Kampf der indigenen Ureinwohner Nevadas gegen den Silberabbau. Heute bedroht der Lithiumabbau in den drei genannten lateinamerikanischen Ländern ebenfalls die Lebensgrundlage indigener Gemeinschaften, die erbittert versuchen, Widerstand zu leisten.

Längst hat der Lithium-Abbau neokoloniale Züge. Deutsche, chinesische und US-amerikanische Konsortien streiten sich um den Zugang zu dieser Ressource. Die deutsche Automobilindustrie hinkt auf dem Gebiet der Elektromobilität chinesischen und US-Konzernen hinterher. Man bemüht sich jedoch redlich, aufzuholen.

Dabei ist Lithium nur einer von vier für die Batterieproduktion nötigen Rohstoffen. Die anderen sind Graphit, Kobalt und Nickel. Wie beim Lithium sind auch hier die Produktionsbedingungen neokolonial. Beispiel Kobalt: Geht der Drive in Richtung Elektromobilität weiter wie bislang, wird bis 2026 eine globale Fördermenge von 225.000 Tonnen pro Jahr erreicht sein. 60 Prozent davon werden derzeit in der durch kriegführende Warlords zerrütteten Demokratischen Republik Kongo gefördert. Die Existenz dieser Warlords ist ihrerseits ein Ergebnis des brutalen Konkurrenzkampfes über den Zugang zu Vorkommen seltener, aber für die moderne Hightech-Welt unerlässlicher Ressourcen. Da ist es fast nur noch eine Fußnote, dass die meisten hier „beschäftigten“ Arbeiter minderjährige Kinder sind, die nicht einmal über elementarste Grundrechte verfügen.

Wie Tesla und Panasonic Nevada kolonisieren

Wie ein „gigantisches außerirdisches Schlachtschiff“ sehe sie aus, seine Fabrik. Mit dieser Aussage trifft Tesla-Eigentümer Elon Musk unabsichtlich ins Schwarze. Die Gigafactory ist tatsächlich ein Schlachtschiff, welches nicht nur die natürlichen Ressourcen Nevadas und die Arbeitskraft der Menschen in den Städten Reno und Sparks ausbeutet. Nein, die Gigafactory und der gesamte TRIC-Komplex betreiben großangelegten Raub an öffentlichen Geldern zum Nachteil der Infrastruktur in gerade jenen Städten, in denen die meisten Arbeitskräfte der Gigafactory wohnen.

Dazu muss man wissen, dass der Tesla-Konzern selbst nur relativ wenig in die Anlage investiert. Der Großteil der privaten Gesamtinvestitionen kommt vom japanischen Elektronikkonzern Panasonic. Insgesamt 39 Milliarden US-Dollar hat das Unternehmen hier hineingesteckt, obwohl sich erst noch zeigen muss ob die Gigafactory sich aus kapitalistischer Sicht überhaupt rechnet. Panasonic steuert auch den Großteil des Knowhows bei. Immerhin 3.000 Arbeiter der Gigafactory sind bei den Japanern angestellt. Die restlichen 7.000 kommen von Tesla.

Viele US-Bundesstaaten hatten sich als Standort für die Gigafactory beworben. Die Schaffung von 10.000 neuen Arbeitsplätzen scheint in den krisengeschüttelten USA auf den ersten Blick als gutes Argument. Nevada schmeißt schon seit Jahren buchstäblich alle Steuer-Ressourcen auf das TRIC-Gelände, welches als „Public Finance Initiative (PFI)“ geplant wurde und betrieben wird. PFI bedeutet, dass der Staat private Projekte finanziert, die ihrerseits ihre Profite behalten und nichts von den ihnen gegebenen staatlichen Geldern zurückzahlen müssen.

Für die Gigafactory legte Nevada noch eine Schippe drauf. Über einen Zeitraum von bis zu 20 Jahren verschenkt der Bundesstaat 1,4 Milliarden US-Dollar an Tesla in Form von Steuererleichterungen und anderen Subventionen. Das ist eine rekordverdächtige Summe, die nun andernorts fehlt. Schulen und Straßen sind in einem bedauernswerten Zustand, weil kein Geld für deren Sanierung da ist.

Auch das Jobwunder ist nur auf den ersten Blick eines. Viele der 10.000 Jobs sind an dieser Stelle „neu“. Dazu sind viele der Beschäftigten der Gigafactory von außerhalb hierhergekommen. Die sehr gut bezahlten Spezialisten treiben nun in Reno und Sparks die Wohnungspreise hoch.

Immer mehr Alteingesessene können sich die hohen Mieten beziehungsweise Hauspreise nicht mehr leisten und müssen in inzwischen zum Bersten überfüllte Wohnwagen-Parks umziehen.

Tesla sei Dank.