„Die Konjunktur ist stabil“

QaLü III/MMXVIII

Es ist das typische Pfeifen im Wald. Im Frühjahrsgutachten der „führenden Konjunkturforscher Deutschlands“ wurde die Vorhersage für die Wirtschaftsentwicklung in Deutschland für 2018 auf 2,2 Prozent Wachstum und für 2019 auf weitere 2 Prozent Plus angehoben. Das deutsche Wirtschaftsministerium ist nochmals optimistischer und geht für die kommenden zwei Jahre von 2,3 und 2,1 Prozent Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus. 2019 werde man, so Wirtschaftsminister Altmaier, „nahe an die Vollbeschäftigung“ gelangen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) wiederum prognostiziert, dass das Welt-BIP 2018 und 2019 jeweils um 3,9 Prozent wachsen werde.

Natürlich ist auch mal von „Schatten über der Konjunktur“ die Rede. Doch grundsätzlich wird unterstellt, dass die kapitalistische Wirtschaft „irgendwie“ weiter wächst. Eine neue schwere Krise wird in der Regel ausgeschlossen. Wenn eine solche in Betracht gezogen wird, dann als ein Sonderfall; als Resultat eines besonderen Ereignisses, einer Fehlsteuerung – etwa als Ergebnis des Handelskriegs, den die dümmliche Trump-Administration mit China angezettelt hat.

Das ist eine Quartalslüge. Der Ablauf von Konjunktur und Krise ist entscheidendes Gen kapitalistischer Wirtschaft. Seit mehr als 200 Jahren, seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts, gibt es Konjunkturzyklen und zyklische Krisen. Seit 150 Jahren gibt es Weltwirtschaftskrisen. Seit hundert Jahren hat sich ein Weltwirtschaftszyklus herausgebildet, der 1929 bis 1933 in eine fürchterliche Weltwirtschaftskrise mündete.

Dieser Zyklus des Weltkapitals geriet mit dem Zweiten Weltkrieg und direkt nach dem Krieg etwas außer Tritt. Doch spätestens seit den 1970er Jahren hat sich diese Bewegung wieder eingestellt. Die Lunapark21-Grafik illustriert deren Verlauf ab dem vierten Nachkriegszyklus (in der Grafik als „NKZ“ abgekürzt). In der Grafik sind die Wachstumsraten des Welt-BIP, des US-BIP und des BRD-BIP abgebildet. So unterschiedlich diese Ökonomien sind, deutlich werden dabei drei Dinge: dass es erstens einen weitgehend synchronen Verlauf gibt; dass zweitens die Wachstumsraten im längeren Verlauf geringer werden; dass drittens die Zyklus jeweils in Rezessionen oder Krisen münden.

Seither Beginn des vierten Nachkriegszyklus erlebten wir

  • in Westdeutschland eine erste Nachkriegsrezession 1966/67. Das BRD-BIP lag 1967 nur knapp über Null
  • eine weltweite Krise 1974/75, die der sogenannten „Ölkrise“ 1973 folgte
  • eine Rezession 1980/82, in der insbesondere die internationale Autoindustrie erschüttert wurde
  • eine internationale Rezession 1990/91, die in Deutschland durch die „deutsche Einheit“ verzögert wurde und erst 1992/93 auftrat
  • eine internationale Rezession 2000/2001, in der der „neue Markt“ mit den IT-Unternehmen crashte (und es in Deutschland erneut eine leicht verzögerte Rezession gab)
  • und die schwere Weltwirtschaftskrise 2008/2009

Die Länge der Zyklen bewegte sich in der beschriebenen Zeit zwischen sechs und neun Jahren. Den bislang längsten Zyklus gab es 1982-1991. Das war die Ära unter US-Präsident Ronald Reagan, in der mit Privatisierungen und Liberalisierung die Globalisierung Fahrt aufnahm. Dies mündete dann in dem fast ebenso so langen nächsten Zyklus, der von 1992 bis 2000 andauerte, in dem der Zusammenbruch der nichtkapitalistischen Länder (UdSSR, DDR usw.) mit der Eroberung dieser Märkte für das Weltkapital das Wachstum beflügelte.

Die jüngste Krise 2008/2009 währte gut eineinhalb Jahre. Der aktuelle Zyklus begann erst 2009. Die Wachstumsraten liegen hier erneut niedriger als in vorangegangenen Zyklen. Richtig ist, dass die Dauer dieses Zyklus wieder eine größere ist; wir befinden uns im zehnten Jahr dieses Zyklus. Durchaus möglich, dass es im hier beobachteten Zeitraum der längste Zyklus des Weltkapitals wird.

Unmöglich jedoch ist, dass es zu einer „Verstetigung des Wachstums“ kommt. Sehr viel, eigentlich alles, spricht dafür, dass wir vor einer neuen weltweiten Krise stehen. Wofür außer dem Handelsstreit auch die Krise in den Schwellenländern Argentinien, Türkei und Brasilien und ein Rückgang der Autoverkäufe in China sprechen.

Apropos Wachstum: Es ist bezeichnend, dass die Kapitalseite und in gewisser Weise auch Gewerkschaften und andere fortschrittliche Kräfte in der bestehenden Gesellschaftsordnung darauf setzen, dass es ein weiteres Wachstum gibt. Dabei ist es wiederum das kapitalistische Wachstum selbst, das die weltweite Krise von Ökologie und Klima beschleunigt. „System Error“ nennt Florian Opitz dies in seinem neuen Film. Siehe: http://www.systemerror-film.de/