Alternativer Geschäftsbericht Deutsche Bahn 2020/21

18 Thesen – anstelle einer Zusammenfassung

Download des Alternativen Geschäftsberichts

  1. 15 Jahre Alternativer Geschäftsbericht

Der Alternative Geschäftsbericht Deutsche Bahn erscheint hiermit im 15. Jahr und als 14. Bericht. Es gab einen Ausfall 2020 – pandemiebedingt. Wir sind dabei von Mal zu Mal breiter aufgestellt – an diesem Bericht sind rund ein Dutzend Autoren, die fast ebenso viele Bahn-Initiativen vertreten, beteiligt (siehe Autoren- Verzeichnis S. 3). Der Bericht wird immer am Tag vor der Bilanzpressekonferenz der DB vorgestellt – damit die Medien-Leute auf dieses Event gut vorbereitet sind. Er ist elektronisch abrufbar (neue Website www.klimabahn-initiative.de). In dieser Kombination wie heute auf dem Podium wurde er auch 2019 im Haus der Bundespressekonferenz vorgestellt. Wir danken für die Gastfreundschaft in diesem (dbb-) Haus.

Ich unterteile meine Zusammenfassung in drei Teile: ERSTENS (Thesen 2–5) in die reine Bilanz 2021; ZWEI- TENS (Thesen 6–11) in unsere Feststellung: das Top-Management der DB AG fährt keine „starke Schiene“. Es dominiert das fatale „Weiter so!“. DRITTENS (Thesen 12-18): Wir haben konkrete Vorstellungen für eine Bürgerbahn und Klimabahn – und wir gehen dies 2022 konkret zusammen mit einem Dutzend Bahn-Initiativen an

2. Bilanz 2021 – Die DB sieht rot

Das vergangene Jahr 2021 war für die DB AG ein zweites Jahr mit tiefroten Zahlen und negativen Ergeb- nissen. Selbstverständlich respektieren wir, dass es dafür Faktoren von außen gab und weiter gibt. Doch die Folgen sind dramatisch – auch für die nächsten Jahre. Es gibt den addierten Verlust 2020/21 von rund 5 Milliarden Euro. Dass die Nettofinanzschulden bei knapp 30 Mrd. Euro verharrten – und nicht, wie vielfach berichtet, auf 35 Mrd. Euro anstiegen – dürfte mit kreativer Buchführung zusammenhängen. Es spricht einiges dafür, dass es auch 2022 Krisentendenzen geben wird – so als Folge eines allgemeinen Zinsanstiegs. Drei Krisenjahre werden bleibende Bremsspuren hinterlassen. (S.12ff)

3. Cargo wächst, bleibt aber im roten Bereich

Der Güterverkehr (Cargo) ist weiterhin Sorgenkind. Wobei das Güterverkehrsaufkommen (beförderte Tonnen) 2021 erheblich anstieg und auch bei der Leistung (Tonnenkilometer) wieder das 2019er Niveau erreicht wurde. Doch die Sparte bleibt defizitär – wenn auch, Frau Nikutta wird wissen, warum – mit einem gegen- über 2020 deutlich reduzierten Verlust. (S.18ff)

4. Nie und nimmer eine Verdopplung im Personenverkehr

Dramatisch sind die Ergebnisse im Personenverkehr. Hier gab es 2021 gegenüber dem Crash von 2020 so gut wie keine Erholung. Im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) – also hier DB Regio – gobt es sogar einen weiteren Rückgang der Reisendenzahl. Im Fernverkehr verharrt diese Zahl auf dem niedrigen Niveau von 2020. In beiden Segmenten liegen wir damit 2020 und 2021 bei weniger als 60 Prozent des Niveaus von 2018 oder 2019. Dass dabei nur der Fernverkehr rote Zahlen – hier sogar tiefrote Zahlen – schreibt, hat etwas mit der Struktur im Schienenverkehr und mit den Regionalisierungsgeldern im SPNV zu tun. Sicher ist: Ohne eine völlig neu aufgestellte Unternehmenspolitik sind die Ziele „Verdopplung der Fahrgastzahlen“ (von 2019) bis 2030 völlig illusorisch. (S.13ff)

5. Ein miserabler Arbeitgeber

Die Bahn-Oberen – und hier vorneweg Personalvorstand Martin Seiler – behaupten, dass es eine „Beschäf- tigungsoffensive“ geben würde. Dies ist ein ebenso inflationär gebrauchter wie in die Irre führender Begriff. Vergleicht man die Beschäftigten im produktiven Bahnbereich 2021 mit dem Niveau von 2000, so werden Unterbeschäftigung und Arbeitsverdichtung dokumentiert (S.23). Immerhin wurden seither die Leistungen deutlich gesteigert. Vor allem ist deutlich: Es gibt keine langfristig ausgelegte Politik zur Beschäftigungs- sicherung und zur qualifizierten Ausbildung. Es dominieren kurzatmige Aktionen, die zudem die Corparate Identity beschädigen. Noch zwei Tage vor Kriegsbeginn sagte Seiler im „Handelsblatt“, man werde jetzt „Oberleitungsbauer aus der Ukraine“ anwerben (S.25).

6. Das fatale „Weiter so!“: Jahr für Jahr weniger Infrastruktur

Entgegen den tausendfachen Behauptungen von einem Ausbau der Schiene setzt sich der Abbau bei der Infrastruktur fort. Selbst die Betriebslänge des Schienennetzes wurde 2021 gegenüber dem Vorjahr noch- mals gekappt – um 111 Kilometer Netz. Seit der Bahnreform 1991 sind es 19,1%. Weit gravierender empfin- det unser Team jedoch den Abbau in den anderen Bereichen (Gleislänge, Weichen, Infrastrukturanschlüsse) (S.21). Es bleibt dabei: Der Konzern DB AG schützt nicht, wie in der Verfassung (Art. 87) verlangt, die Infra- struktur. Er zerstört sie.

7. Hurra! In 93 Jahren ist das Netz komplett elektrifiziert

Ähnlich negativ die Bilanz bei der Elektrifizierung des Netzes. Das dokumentieren wir in diesem Bericht am Beispiel der Südbahn (Ulm-Friedrichshafen-Lindau; S.15ff). Seit 80 Jahren versprochen. Die veranschlagten Kosten gut verdreifacht. Am Ende Fahrtzeitverlängerung, ein abgehängter Inselbahnhof Lindau und „Diesel- löcher“. Bleibt es bei dem bisherigen Tempo der Elektrifizierung, dann dauert es exakt noch 93 Jahre, bis das gesamte Schienennetz elektrifiziert ist. Was ja in der Schweiz seit drei Jahrzehnten der Fall ist. (S. 36) Auch das Ziel der Ampel, eine Elektrifizierung von 70% bis 2025 ist illusorisch. Dabei arbeitet das DB-Ma- nagement mit einem originellen Trick: Das Netz wird Jahr für Jahr reduziert (und hier im nicht-elektrifizier- ten Bereich). Damit steigt der Elektrifizierungsgrad auf dem Papier automatisch. Traurig, aber wahr.

8. Nachtzüge-Renaissance – ohne die DB

Es gibt erkennbar eine europaweite Renaissance bei den Nachtzügen: neue Linien, neue Anbieter, neues – komfortables – Wagenmaterial. Im Markt führend die Nachbarbahn ÖBB. Doch die DB bleibt außen vor.

Und wiederholt die Lüge von der Unwirtschaftlichkeit des Nachtzugverkehrs. Wir schreiben bewusst „Lüge“, da diese Aussagen, wie mehrfach von uns dokumentiert, auf den von der DB selbst manipulierten Daten basieren. (S.62ff).

9. Deutschlandtakt

So gut der Sound beim Projekt „Deutschland Takt“ klingt – wir sehen die folgenden Gefahren: Das Bundes- verkehrsministerien und die Bahn-Oberen betreiben unter diesem Logo eine Fortsetzung der Beton-Bahn- Politik: Neue Höchstgeschwindigkeitsstrecken, neue sündhaft teure und 15-20 Jahre Bauzeit beanspruchen- de Tunnelprojekte und Zielfahrpläne, die zwar mit „Takt“ überschrieben sind, die aber den Schienenverkehr ziemlich sicher neu aus dem Takt geraten lassen, da viel davon „auf Kante genäht“ ist. Hinzu kommt: Die Finanzierung der D-Takt-Pläne mit rund 100 Mrd. Euro Gesamtkosten ist nicht gesichert. Unser Plädoyer: Keine Höchstgeschwindigkeitsstrecken! Deutlich weniger Tunnelbauten! Die Klimaziele müssen im Zentrum stehen (auch beim Bau)! Kleine und preiswerte Projekt mit hoher Effizienz haben Vorrang! (S.40ff)

10. Vier zerstörerische Einzelprojekte

Im diesjährigen Alternativen Geschäftsbericht konkretisieren vier Bahninitiativen, was in These 9 und 11 dargelegt wird: Die DB baut in Stuttgart (S.45f), in Hamburg-Altona (S.47f), in Frankfurt/M. (S.50ff) und in der Region Rosenheim (S.54ff) Schienenprojekte, die bahnzerstörerisch, klimafeindlich und sündhaft – unnötig – teuer sind. In allen vier Fällen nennen wir die Alternativen.

11. Tunnelbauwahn – mit Methode

In 150 Jahren Eisenbahn wurden auf dem Boden der aktuellen BR Deutschland Tunnel mit einer Gesamt- länge von 245 km gebaut. In den 36 Jahren seit her – 1985–2021 – wurde die Zahl der Tunnel-Kilometer dann um das 2,4fache erhöht und gleichzeitig die Länge des gesamten Schienennetzes um fast 20 Prozent gekappt. Macht das Sinn? Hat sich die Endmoränenlandschaft neu sortiert? Entstanden neue Mittelgebirge? Wir belegen, dass hier eine eierlegende Wollmilchsau – sprich Baulobby im allgemeinen und Herrenknecht im Besonderen zu Gange sind. Siehe S.58f.

Wie weiter?

12. Ampel & Koalitionsvertrag

Ein Fehler, der in der Öffentlichkeit immer wieder gemacht wird, besteht darin, den DB Konzern als „die Bahn“ zu sehen. Was die DB-Oberen auch gerne so darstellen. Damit werden die jeweils rund 45% Anteil der Nicht-DB-AG-Gesellschaften in den Bereichen Schienenpersonennahverkehr und Schienengüterver- kehr ignoriert. Gleichzeitig wird damit dem kritischen Umstand, dass diese „Privaten“ (und Scheinprivaten) auf einer Infrastruktur verkehren, die zu 100 % vom DB-Konzern kontrolliert wird, nicht Rechnung getragen. (siehe S.6ff; Grafik S.11) Vor diesem Hintergrund ist der Plan der Ampel-Regierung, zwei (der drei) DB-AG- Infrastrukturgesellschaften in einem neuen, gemeinnützig orientierten Unternehmen zusammenzufassen und jede weitere Gewinnabfuhr an die Holding zu unterbinden, sinnvoll (S.28ff). Wobei wir gespannt sind, wie das konkret umgesetzt wird – und wann.

13. Mehr Wettbewerb weist keine Perspektive

Vieles, darunter das Parteibuch des neuen Verkehrsministers, spricht dafür, dass Rot-Grün-Gelb bei der Bahn und dann vor allem im Fernverkehr auf „Wettbewerb“ setzt. Flixtrain und chinesische Investoren sitzen in den Startlöchern. Wir sehen dies deutlich anders. Die Abellio-Pleite 2021 (Kosten für den Steuerzahler:

1 Mrd. Euro!; siehe S.30f) zeigt, wie teuer das kommen kann. Wer wirklich einen sinnvollen Deutschlandtakt will, weiß, dass dieser mit „Wettbewerb“ zusätzlich erschwert und verteuert wird. Was wir stattdessen brauchen, sind eine angemessene Steuerung des Konzerns DB AG und ein Fernverkehrsgesetz, wie es im Grundgesetz seit Dezember 1993 gefordert wird. (S.33ff und S.32).

14. Klimaticket jetzt!

Das Tarifchaos bei der DB ist legendär. Die Stammgäste laufen der DB in Scharen davon – auch wegen Covid-19. Aber auch wegen der falschen Philosophie beim Ticketing (zu teure BC50 und BC100 und vor allem ein zu schmales Angebot bei diesen Mobilitätskarten). 2021 sank der Umsatz im Bereich BahnCard nochmals um 23 Prozent! Eine grundlegende Reform im Bereich Tarife ist nötig. In deren Mittelpunkt müssen stehen Transparenz und die erwähnten Mobilitätskarten. Sinnvoll wäre, dem Vorbild Österreich zu folgen und sofort ein Klimaticket einzuführen. (S.66ff).

15. Auslandsengagement sofort verkaufen!

In allen Alternativen Geschäftsberichten forderten wir: Die Deutsche Bahn muss sich auf ihr Kerngeschäft Schiene – und zwar Schiene in Deutschland – konzentrieren. Die Orientierung auf Global Player hat Bahnchef Hartmut Mehdorn 2000ff eingeführt. Was zum Projekt Bahnbörsengang passte. Ein Verkauf von Schenker, Arriva & Co. ist angesagt – auch zur Schaffung einer Unternehmenskultur, bei der Schiene, Umwelt und Klima im Zentrum stehen. (S.72ff).

16. Takt vor Tempo

Der Alternative Geschäftsbericht unterstützt die neue Initiative „Takt vor Tempo“ (auch „Malente-Weckruf“ genannt). Sie sieht grundsätzlich vor, auf Top-Geschwindigkeiten im Schienenverkehr zu verzichten und auf dicht befahrenen Streckenabschnitten die Geschwindigkeiten von Nahverkehr, Güterverkehr und Fernver- kehr gleich zu gestalten. Auf diese Weise können gewaltige Kapazitätsgewinne erzielt werden. Das ergänzt teilweise die Forderung nach Revision der Zielfahrpläne im Deutschlandtakt. Das steht zugleich in einem gewissen Spannungsverhältnis zu diesem. (S.60ff)

17. Bahn-Initiativen koordinieren sich

Wir unterstützen den Prozess der Koordinierung von mehr als zwei Dutzend Bahn-Initiativen und haben uns selbst in denselben mit eingebracht. (S.76)

18, KlimaBahn-Konferenz. KlimaBahn-Film. KlimaBahn-Initiative

Der Klimanotstand, die Krise des Bahnkonzerns und der Krieg in der Ukraine (der zu einer neuen Energiekrise führt) haben die Notwendigkeit einer KlimaBahn-Politik auf die Tagesordnung gesetzt. In diesem Sinn organi- sieren wir – im Bündnis mit einem Dutzend Bahn-Initiativen am 14. Und 15. Mai 2022 in Stuttgart einen Klima- Bahn-Kongress. In diesem Sinn ist ein KlimaBahn-Film in Entstehung begriffen – Regisseur Klaus Gietinger. In diesem Sinn projektieren wir eine längerfristige Arbeit und die Bildung einer Klimabahn-Initiative. (S78)

Dr. Winfried Wolf/Bürgerbahn statt Börsenbahn und Bahn für Alle

Autor u. a. von Abgefahren! Warum wir eine neuen Bahnpolitik brauchen (zusammen mit Bernhard Knierim; Köln 2019) und Verkehrswende. Ein Manifest (zusammen mit Carl Waßmuth; Köln 2021). Chefredakteur von Lunapark21

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