Wieder auf Liebe, Schnaps & Revolution am Tresen anstoßen

Gisela Notz (LP21-Redaktion)

„Aber über mich red ich nicht!“ Da geht’s mir ganz so, wie der Schauspielerin Therese Giehse, die das allen gesagt haben soll, die etwas über sie wissen wollten. Nun soll ich etwas über mich und die Corona-Zeiten schreiben? In den ersten Tagen kam ich mir vor, wie im Science-Fiction Film. Schließlich habe ich so etwas in den vielen Jahren, die ich auf der Welt bin, noch nicht erlebt. „Bleib zu Hause“, das war für mich nicht so schlimm (für viele Frauen schon), ich bin eh seit 13 Jahren im Home-Office: Wir haben einen großen Garten und auch sonst viel Freiraum und ich kann am Kanal spazieren gehen. Kaufhäuser und Flieger brauch ich nicht, ohne Friseur geht´s auch, ohne Kino schon schwerer und die drei Lokale, in denen wir öfter essen gehen, hatten zu. Das vermisste ich schon. Ich musste plötzlich täglich für mich kochen, auch weil – das war viel schlimmer – meine Vortragsreisen wegfielen. Nun hatte ich kein Publikum, kein Feedback und keinen Austausch mit den jungen Menschen. Die klugen Artikel, die mehr als täglich bei mir eintrudelten, von Kollegen, die alles über Corona wussten oder besser wussten, jedenfalls noch besser als der andere, konnten das nicht ersetzen. Sie gingen mir so lange auf die Nerven, bis ich sie nicht mehr gelesen habe. Ich hatte genug zu tun. Ich hatte viele Texte zu schreiben, junge und ältere Frauen zu trösten, die den Lärm ihrer Nachbarn nicht mehr ertragen konnten, und Omas aufzumuntern, die ihre Enkel nicht mehr sehen konnten. Ich lernte alle möglichen Video-Konferenz-Programme, halte Vorträge und sehe immer noch kein Publikum: Das sitzt nun weit weg, hinter dem Laptop und diskutiert per Zoom mit mir. Ich habe schon viereckige Augen.

Ein schönes Erlebnis hatte ich auch: Das Café Cralle-Frauenkneipen-Kollektiv in Berlin musste, wie alle Läden, schließen und bekam 5000 Euro Förderung. Damit, so denken sie, können sie über die Runden kommen. Sie baten diejenigen, die ihnen bereits Spenden zukommen lassen wollten, darum, Projekte, die dringend Geld benötigen, wie solche zur Gesundheitsversorgung von Geflüchteten in Griechenland, KüfA’s [Küche für Alle; d. Red.] in Bosnien, Serbien und NGO’s an den EU-Außengrenzen zu unterstützen. Projektbeschreibungen und Kontonummern waren dabei. Als Grund gaben sie an: „Solidarität funktioniert nur grenzenlos!“ Sie selbst freuen sich schon darauf, dass wir sie bei ihrer Wiedereröffnung unterstützen, uns gesund am Tresen treffen und mit ihnen auf „Liebe, Schnaps und Revolution anstoßen“. Eine schöne Perspektive.