Stirb langsam

Wie die Brüsseler Union an nationalen Fliehkräften scheitert

Mitte Oktober 2020 beschloss die ungarische Regierung, den russischen Impfstoff gegen Sars-CoV-2, „Sputnik V“, einzukaufen, wie Außenminister Péter Szijjártó in einer Videobotschaft der Presse mitteilte. Unmittelbar darauf reagierte der Sprecher der EU-Kommission, Eric Mamer, mit der Drohung, dass dieses Ansinnen die EU-Kommission zwingen werde, Maßnahmen gegen den russischen Impfstoff einzuleiten. Am 12. November erschien daraufhin eine Zulassungsverordnung für Corona-Impfstoffe aus dem Nicht-EU-Raum im ungarischen Amtsblatt, „wenn das Erzeugnis qualitativ entspricht“. Wenige Tage später trafen die ersten Proben des russischen Anti-Corona-Impfstoffs in Budapest ein.

Diese in der deutschen Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt gebliebene Episode zeigt, wie verhärtet die Fronten zwischen Brüssel und vielen EU-Mitgliedsstaaten sind. In den Pressemitteilungen der Europäischen Kommission ist mittlerweile schon voll Abscheu von den „üblichen Verdächtigten“ die Rede, wenn Ungarn, Polen oder Tschechien gemeint sind, nur um zu verschleiern, dass man mitten in der Endphase der Verhandlung um die Bedingungen des Austritts Großbritanniens steht; gar nicht zu reden von der EU-Ohnmacht vor den national verordneten Grenzschließungen und den Maßnahmenpaketen, die seit mehr als neun Monaten ohne jede Rücksprache mit Brüssel von den jeweiligen Regierungen getroffen werden, angeblich der Volksgesundheit wegen.

Im Angesicht des bevorstehenden großen Impfens, für das die EU-Kommission Milliarden von Steuergeldern für den schwedisch-britischen Konzern AstraZeneca und seinen deutsch-amerikanischen Konkurrenten BionTech-Pfizer bereits vergeben hat, wird auch deutlich, dass es ihr nicht um die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger geht (sonst würde man doch nicht gegen einen russischen Impfstoff Sturm laufen), sondern – wie gehabt – ums Geschäft, in diesem Fall wie in nächster Zukunft um jenes von Big Pharma.

Wenn der Mensch falsch wählt, wird er zumStörfaktor

Der Todeskampf der Europäischen Union ist eine langwierige Angelegenheit. Ihre Funktionsträger versuchen ihn – bar jeder Einsicht in die Wirklichkeit – hinauszuzögern und verlängern ihn dadurch. Mit Zuckerbrot und Peitsche soll ein gescheitertes Projekt künstlich am Leben erhalten werden. Milliardenversprechen für willige Mitgliedsländer auf der einen und Drohungen für Regierungen, die sich den Brüsseler Vorgaben nicht fügen wollen, auf der anderen Seite gehören zu den letzten noch verfügbaren Instrumenten einer angeblichen Werte- und Solidargemeinschaft.

Den Anfang vom Ende der Union hätte man – zugegeben im Nachhinein – bereits am 7. Juni 2001 erkennen können. Damals votierte die Mehrheit des einzigen EU-Landes, das für eine Verfassungsänderung zwingend eine Volksabstimmung vorsah, gegen tiefgreifende Änderungen wie die Zulassung von Mehrheitsentscheidungen in den Brüsseler Institutionen, wie sie kurz zuvor in Nizza beschlossen worden waren. 53,8 Prozent der Irinnen und Iren lehnten die Schritte hin zu einer supranationalen Staatlichkeit ab. Erst eine hyperventilierende Medienkampagne und eine konzertierte Gehirnwäsche an den Führern der beiden großen Parteien Fianna Fáil und Fine Gael, inklusive eines auf die Tränen drückenden TV-Interviews mit einem um den Europa-Gedanken flehenden Václav Havel, drehte in einer erzwungenen Wiederholungsrunde das Ergebnis.

Das definitive Fiasko Brüssels folgte dann im Jahr 2005. Weil sie durch Meinungsumfragen ihrer Sache sicher waren, ließen sich die französische und die niederländische Regierung dazu verführen, Referenden über die 2004 von allen EU-Regierungen unterzeichnete Europäische Verfassung abzuhalten. Damit sollte der Ratifizierung höchste, vom Volk bestätigte Legitimität verliehen werden. Am 22. Mai 2005 sprachen sich 54,8 Prozent der Franzosen und Französinnen dagegen aus. Zehn Tage später votierten 61,6 Prozent der niederländischen Bevölkerung gegen den Verfassungsvorschlag. Damit standen breite Mehrheiten von zwei Gründungsmitgliedern gegen die EU-Suprastaatlichkeit und die Aushöhlung nationalstaatlicher Kompetenzen. Berlin wehrte sich heftig, seinerseits die Bevölkerung befragen zu lassen.

Am 1. Juni 2005, dem Tag der abschlägigen Beantwortung einer Europäischen Verfassung durch die Niederlande, war eigentlich alles gesagt. In einfachen Worten: Die Europäische Union ist für großräumig wirtschaftende Konzerne da, nicht für die Menschen.

Es sollte nochmals über zehn Jahre dauern, bis eines der wichtigsten Mitglieder der EU die Austrittsoption wählte. Am 23. Juni 2016 erhielt das Kunstwort „Brexit“ – für „British Exit“ – eine Zustimmung von 51,9 Prozent. Bereits zuvor sprachen prominente EU-Euphoriker aus, was jedes nationale Referendum bestätigte: Brüssel hatte jede Strahlkraft auf Volk und Nation verloren. „Heute müssen wir zugeben“, so der damalige Präsident des Europäischen Rates Donald Tusk im Mai 2016, also noch vor dem Beschluss zum Austritt durch London, „dass der Traum von einem gemeinsamen europäischen Staat mit gemeinsamen Interessen, einer gemeinsamen Vision […], dass die geeinte Europäische Union eine Illusion war.“

Großbritannien und Westeuropa, das passte von Anfang an nicht zusammen. Von der berühmten Züricher Rede Winston Churchills bis zum Brexit spannt sich ein Bogen gegenseitigen Misstrauens und Belauerns, der immer wieder zerbrach. Als der vormalige und spätere britische Premier in seiner Rolle als Oppositionsführer am 19. September 1946 an der Universität Zürich für die „Auferstehung Europas“ plädierte, fügte er sogleich hinzu, dass Großbritannien außen vor bleiben werde.

Von der Kohle-Stahl-Union (EGKS) zog sich London noch vor ihrer Gründung zurück. Das europäische Währungssystem verließen die Briten gleich zwei Mal – 1979 knapp nach seiner Gründung, und 1989 nachdem der Spekulant George Soros das Pfund hinauswarf. Und nun der Brexit. Er ist drei Faktoren geschuldet: dem vergleichsweise starken einheimischen Kapital und seinen Möglichkeiten, außerhalb des EU-Raumes im Commonwealth of Nations mit seinen 54 Mitgliedsländern Geschäfte machen zu können; der geopolitischen Lage des Vereinigten Königreichs, das spätestens seit dem Zweiten Weltkrieg besondere Beziehungen mit den USA pflegt; und vor allem einer im EU-Vergleich bewussten Arbeiterschaft, die das System des Teilen-und-Herrschens verstanden hat.

Die anders als in Deutschland und Österreich übergangslose Öffnung des Arbeitsmarktes für Osteuropäer im Jahr der Osterweiterung 2004 ließ Hunderttausende Polinnen und Polen auf den britischen Arbeitsmarkt strömen. Ein extremer Konkurrenzdruck war die Folge.

Schon Karl Marx wusste im Jahre 1870, dass „die englische Bourgeoisie das irische Elend nicht nur ausgenutzt (hat), um durch die erzwungene Einwanderung der armen Iren die Lage der Arbeiterklasse in England zu verschlechtern, sondern sie hat überdies das Proletariat in zwei feindliche Lager gespalten. […] Der gewöhnliche englische Arbeiter haßt den irischen als einen Konkurrenten, der die Löhne und den standard of life herabdrückt. Er empfindet ihm gegenüber nationale und religiöse Antipathien. […] Dieser Antagonismus zwischen den Proletariern in England selbst wird von der Bourgeoisie künstlich geschürt und wachgehalten. Sie weiß, daß diese Spaltung das wahre Geheimnis der Erhaltung ihrer Macht ist.“

Wer in diesem 150 Jahre alten Zitat „irisch“ durch „polnisch“ ersetzt, weiß um den Hauptgrund für die Zustimmung von Lohnabhängigen zum Brexit im Jahr 2016 Bescheid.

Brüssels Todesvirus

So unterschiedlich die Gefährlichkeit des Corona-Virus für die Bevölkerung von Fachleuten eingeschätzt wird, so klar sind die negativen Auswirkungen der meist ohne Debatte verordneten Maßnahmen für das menschliche Zusammenleben in sozialer, wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht. Und das betrifft – mit der Ausnahme Schweden – alle EU-Mitgliedsländer.

Als noch tödlicher erweist sich der Umgang mit dem Virus für die EU als solche. Seit Anbeginn der mal total und mal etwas lockerer gehandhabten Lockdowns im März 2020 hat der starke Staat in Form des Nationalstaates die Führung übernommen. Einzelne Regierungen beschlossen und beschließen nach wie vor Grenzschließungen, ohne den jeweiligen Nachbarn, geschweige denn Brüssel von dem Vorhaben zu informieren. Berlin erließ Exportverbote für medizinische Produkte und hielt Schutzmasken und Schutzanzüge fest, die für den Transit nach Italien und Österreich bestimmt waren. Ursula von der Leyen musste hilflos zusehen, wie zu Beginn der Krise russische und chinesische Flugzeuge auf italienischen Flughäfen landeten, um das zu tun, was die ureigenste Aufgabe der Kommission gewesen wäre, Hilfe anzubieten, wenn sie gebraucht wird.

Von den vier Säulen der Europäischen Union, dem freien Verkehr von Kapital, Waren, Dienstleistungen und Arbeitskraft, blieb nur die erste unbehelligt und aufrecht. Warentransporte werden behindert, Dienstleistungen per nationale Erlasse verboten und die Arbeitskraft wird zum Spielball bürgerlich-autoritärer Ausnahmezustände; mal sperrt man sie im Namen der Volksgesundheit ein, mal wird sie als „systemrelevant“ beklatscht, durchgehend jedoch als unmündig behandelt, potenziell ansteckend.

Im Umgang mit dem Virus leistet Brüssel einen Offenbarungseid vor dem europäischen Publikum. Milliardenpakete für sogenannte Corona-Hilfen und Impfprogramme werden daran nichts ändern können. So entpuppt sich das im Juli 2020 auf Druck von Angela Merkel und Emmanuel Macron von Ursula von der Leyen beschlossene „Corona-Paket“ mit seinen 750 Milliarden Euro, wovon allerdings 100 Milliarden nur umgeschichtete Gelder sind, weitgehend als Schimäre. Es dient einerseits dazu, der politischen Linken (inklusive Sozialdemokratie) suprastaatliche wirtschaftliche Intervention als einen Schritt weg von der Austeritätspolitik der vergangenen Jahrzehnte vorzugaukeln. Tatsächlich werden an die Kredite und (verlorenen) Zuschüsse jedoch wie gehabt Reformbedingungen geknüpft, die etwa Italien veranlassen dürften, Kapital eher auf privaten Märkten aufzunehmen, weil es dort derzeit sehr zinsengünstig und ohne Bedingungen zu haben ist. Und was den Corona-Keynes ianismus betrifft, so darf dieser nicht mit linker Politik verwechselt werden, wie ein Blick auf die staatliche Nachfragepolitik unter Ronald Reagan Anfang der 1980er Jahre zeigt. Damals erkannte die Linke im Militär-Keynesianismus noch das dahinter liegende Kalkül: einen staatlich geförderten Aufschwung für die Rüstungsindustrie. Die (supra-)staatliche Anschubfinanzierung für die neuen Leitsektoren unserer Tage – Biotechnologie, Pharma- und Kontrollindustrien – wird von nicht wenigen als gesundheitspolitische Maßnahme missverstanden.

Als dann am 16. November Polen und Ungarn den gesamten Haushaltsplan der Europäischen Union für die Jahre 2021 bis 2027, dem auch das Corona-Paket zugeordnet ist, blockierten, war die Kommission – wieder einmal – düpiert. Warschau und Budapest wollten sich in Rechtsfragen nicht dreinreden lassen. Unter Androhung von Mittelkürzungen will Brüssel „europäische Grundwerte“ durchsetzen, von denen sie selbst weit entfernt ist; man denke nur an die fehlende Gewaltenteilung auf EU-Ebene oder die Tatsache, dass es dem EU-Parlament nicht einmal erlaubt ist, eigenständig Gesetze einzubringen, sondern diese nur im sogenannten Mitentscheidungsverfahren abzunicken. Die Doppelbödigkeit der Brüsseler Argumentation, wenn es einerseits um die eigene Struktur und andererseits um vermeintlich schwache periphere Mitgliedsstaaten handelt, schreit zum Himmel.

Gegen Russland geeint, gegen China ohne Chance

Eine der wenigen Gemeinsamkeiten, die Brüssel unter seinen Mitgliedsstaaten aufrechterhalten kann, ist der seit April 2014 bestehende Wirtschaftskrieg gegen die Russische Föderation. Halbjährlich werden seither Embargomaßnahmen gegen mehrere Branchen verlängert und dafür Gegenmaßnahmen aus Moskau in Kauf genommen. Freilich gärt es auch bezüglich des Feindbildes Russland hinter den Kulissen mächtig, wie nicht nur der einführend erwähnte Umgang mit dem russischen Anti-Corona-Impfstoff zeigt. Eine ganze Reihe von Regierungsvertretern verschiedener Länder äußern sich vor heimischem Publikum skeptisch bis ablehnend gegenüber der antirussischen Sanktionspolitik. Derlei Stimmen kamen und kommen aus Griechenland, Zypern, Ungarn, der Slowakei, Österreich und Italien. Auf EU-Ebene verstummen sie regelmäßig vor der deutsch-französischen Achsenpolitik, zu der Washington – auch in der Ära Trump – gedrängt hatte. Mit einem US- Präsidenten Joe Biden dürfte sich der Ton gegenüber Moskau noch verschärfen. Dem aufstrebenden Hegemon China begegnet Brüssel stimmlos. Theoretisch könnte dies der Einsicht geschuldet sein, dass man im globalen Konkurrenzkampf nicht mithalten kann, was tatsächlich eine positive Botschaft wäre. Es bestünde damit die Chance, Grundlagen für ein anders ausgerichtetes Europa zu erarbeiten. Souveränität in regionaler, nationaler, sozialer und kultureller Hinsicht könnte dabei eine zentrale Rolle spielen, ergänzt um internationale Solidarität. Statt auf Wettbewerb und Wirtschaftswachstum bauende Großraumideen müsste ein Konzept ökonomischer Subsidiarität verwirklicht werden. Kleinraum vor Großraum, ein Plädoyer für den Schutz von lokalen, regionalen, nationalen und internationalen Kreisläufen vor dem jeweils größeren, der freilich dennoch bestehen bliebe. Ein solches Europa müsste sich auch von seinen Jahrhundert e alten missionarisch-imperialen Ansprüchen verabschieden, sich selbst als Vorbild und Maßstab für Gesellschaften überall in der Welt zu betrachten. Damit wäre ein Ausgangspunkt für eine wahrhafte Friedenspolitik und für internationale Solidarität geschaffen.

Die realen politischen Kräfteverhältnisse zum Ende des Jahres 2020 sehen allerdings nicht nach der Verwirklichung solcher Ideen aus. Brüssels Stimmlosigkeit gegenüber Peking bedeutet wohl nicht, dass über ein neues Europa nachgedacht wird, sondern spiegelt eher die Ohnmacht wider, die auch in anderen Fragen vorherrscht.

Von Hannes Hofbauer ist eben im Promedia Verlag erschienen: „Europa – Ein Nachruf“


Kurznachrichten:

Corona-Blues

Die Krise verstärkt die Fliehkräfte in Europa. Es ist wie im Boxring: Die Starken werden stärker, die Schwachen schwächer. Wobei man im Ring die Gewichtsklassen (u.a. Fliegengewicht bis 52 kg; Schwergewicht bis 92 kg), auseinanderhält – nicht so in der EU und deren Umfeld. Insgesamt dürfte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der EU 2020 um gut 8 Prozent einbrechen; deutlich mehr als 2008/09. Unterdurchschnittliche Einbrüche gibt es in Deutschland (-6,0%), in den Niederlanden (-5,4%), in allen vier skandinavischen Ländern (Finnland, Dänemark, Schweden und Norwegen), wobei hier Finnland (-4,0%) am besten abschneidet (ein Unterschied hinsichtlich der spezifischen schwedischen Corona-Politik in Schweden existiert nicht).

Extreme Einbrüche erleben Griechenland (-9,5%), Frankreich und Großbritannien (beide -9,8%), Portugal (-10,0%), Italien (-10,6%) und Spanien (-12,8%). Entsprechend deutlich vergrößert sich die Kluft bei der Arbeitslosenquote. Sie reicht von 4,3% in Deutschland über 9% in Frankreich, 11% in Italien und 17% in Spanien und schließlich 20% in Griechenland. Die Krise wird die Struktur der EU zum Negativen verändern, durchaus auch als Folge des Versagens in der Corona-Politik.

Angaben nach: IWF-Oktober 2020.

Geht doch: Goldene Pässe

19 von 27 EU-Mitgliedsländern betreiben das interessante Goldene-Pässe-Geschäft: Gegen einen bestimmten Geldbetrag, der zwischen einer und fünf Millionen Euro schwankt, kann man sich einen EU-Pass kaufen. Etwas preiswerter sind Dauer-Visa. In einer Debatte im EU-Parlament am 22. Oktober 2020 argumentierten EU-Parlamentarier, dies böte „Kriminellen die schnelle Einreise“. Zu den häufigsten Nutzern gehören Personen aus China, Brasilien und den USA. Ein Beispiel: Zypern hat seit 2013 7000 Pässe an solche „Investoren“ vergeben. Der Inselstaat nahm dabei rund 17 Milliarden Euro ein. Auf die EU-Staaten mit solchen Programmen hochgerechnet, ergibt sich: Diese EU-Staaten nehmen jährlich zwischen 15 und 20 Milliarden Euro in diesem Geschäftszweig ein. Dagegen müsste man etwas unternehmen, oder? Richtig: Im Januar 2019 setzte die Europäische Kommission eine Arbeitsgruppe mit Vertretern aus allen EU-Mitgliedstaaten ein, um „gemeinsame Standards in diesem Bereich“ zu entwickeln. Nach vier Sitzungen im vergangenen Jahr ist die Gruppe 2020 jedoch noch nicht zusammengetreten.

Kritik an Mercosur-Vertrag

Der Europäische Gewerkschaftsverband für den Öffentlichen Dienst (EGÖD) ruft dazu auf, das EU-Mercosur-Abkommen zu verhindern. Das ist aktuell möglich, indem einzelne EU-Länder den Vertrag nicht ratifizieren (siehe S.18f). Im EGÖD-Aufruf heißt es: „Indigene Völker und Kleinbauern werden unterdrückt, wertvolle Ökosysteme in Brand gesteckt und […] Pestizide dominieren die neuen Felder“. Das Abkommen unterlaufe soziale Standards, da es „keinerlei Regelungen (enthalte), um Menschen- oder Arbeitsrechte durchzusetzen.“

Siehe: www.act.wemoveeu/campaigns/no-to-mercosur

Türkei: Kein Geld für Brot

Die soziale Krise hat sich 2020 in der Türkei aufgrund vieler Faktoren enorm verschärft: stark steigende Staatsschulden, massive Abwertung der Lira, schnell steigende private Verschuldung (600.000 Vollstreckungsbescheide 2020), ausbleibender Tourismus und Kriseneinbruch (BIP -6%). Laut einer aktuellen Studie reicht in 38% der Haushalte das Einkommen nicht mehr für den Lebensmittelbedarf. Während man zu Jahresbeginn für den Mindestlohn noch 2324 Brotlaibe kaufen konnte, waren es im November nur noch 1400.

Angaben nach: FAZ 6.11.2020