Es war einmal eine Wirtschaftsjournalistin in Führungsposition mit klarem Gespür dafür, was sich für Wirtschaftsjournalismus im neoliberalen Kapitalismus gehört. Ihr Name war Ileana Grabitz, und von Marktpreisen war sie zutiefst überzeugt. Im August 2019 schrieb sie auf ZEIT Online in einem Kommentar zu Plänen des Berliner Senats, die Mieten am Wohnungsmarkt zu deckeln: „Doch statt kurzfristig am Mietpreis zu doktern, müsste die Politik vor allem am Angebot ansetzen: Wenn Vermieter die Miete in schwindelerregende Höhen treiben können, liegt das vor allem daran, dass die Nachfrage das Angebot weit übertrifft.“

Für Neoliberale ist die Wohnwelt einfach: Preise bilden sich am Markt durch das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage. Das gelte auch an Mietwohnungsmärkten, wo die Mieten Preise seien. Wenn diese mancherorts nach oben schießen, dann sei dies eine logische Folge davon, dass es zu wenig Wohnraum für zu viele Menschen gebe. Es brauche also schlicht mehr Wohnraum, um das Problem zu beheben. Nun ist diese Feststellung für sich genommen nicht falsch. Zu hinterfragen ist aber eine Unterstellung, die Neoliberale damit verbinden: Die nämlich, dass Märkte gut und effizient seien, weshalb Preise sich frei von staatlichen Eingriffen bilden sollten – und alles andere ins wirtschaftliche Chaos führe. Das vermeintliche Chaos, das (nicht nur) Grabitz im konkreten Fall vorschwebt, umfasst unter anderem einen Einbruch der Immobilien-Investitionen und damit sogar einen Rückgang des Wohnungsangebots. Oh wei!

Diese Argumentation lässt außer Acht, dass Wohnraum keine Ware wie jede andere ist – und der Mietwohnungsmarkt kein Markt wie jeder andere. Hier kann das Angebot allenfalls sehr langsam auf eine höhere Nachfrage reagieren, denn der Bau von Wohnungen braucht Zeit. Ähnlich unflexibel ist auch die Nachfrage. Wer sich Kartoffeln nicht leisten kann, kann Nudeln oder Reis essen. Wer sich Autos nicht leisten kann, kann Fahrrad oder Bahn fahren. Wer sich eine Wohnung nicht leisten kann, der kann zwar woanders oder auf kleinerem Raum wohnen, etwa in Wohngemeinschaften – aber diese Möglichkeiten der Anpassung sind begrenzt. Wir können nicht nicht-wohnen.

Das führt dazu, dass Vermieter in bestimmten Städten über eine monopol-ähnliche Macht verfügen. Sie können (fast) jede Miete durchsetzen und so leistungslose, ökonomisch unsinnige Extraprofite einfahren. Immobilien (vor allem im Bestand) werden zu bevorzugten Spekulationsobjekten. Dies funktioniert auch deshalb so gut, weil Fläche begrenzt ist – eine weitere Besonderheit der Wohnungsmärkte. Begrenzte Flächen bedeuten begrenzte Möglichkeiten, neu zu bauen und so das Angebot auszuweiten. Das Problem eines zu geringen Angebots bei hoher Nachfrage lässt sich mancherorts gar nicht dauerhaft lösen.

Vor diesem Hintergrund kann ein klug ausgestalteter Mietendeckel monopol-ähnliche Extraprofite verhindern, es aber zugleich weiterhin erlauben, Erhaltungsinvestitionen zu finanzieren, Eigenkapital für den Neubau von Wohnungen aufzubauen und einen kleinen, begrenzten Profit einzufahren. Eine solche Deckelung der Mieten im Bestand kann den Neubau sogar befeuern – denn je geringer die Extraprofite aus Bestandswohnungen werden, desto attraktiver werden Investitionen in neue Gebäude, um die Gewinnmasse zu steigern.

Neoliberale wenden gegen die Deckelung von Mieten bisweilen auch ein, dass diese der Politik die Macht gebe, darüber zu entscheiden, wer in einer Stadt wohnen dürfe und wer nicht. Schließlich erhöhten gedeckelte Mieten die Wohnungsnachfrage über das Angebot hinaus, sodass politisch festgelegt werden müsse, wer zum (Ein-)Zuge komme. In der Tat: Dann braucht es andere, politische Kriterien zur Auswahl von Mieterinnen und Mietern (oder Wartelisten). Übersehen wird dabei allerdings, dass Politik in jedem Fall eine solche Entscheidung trifft. Auch der Verzicht auf eine Deckelung bedeutet nichts anderes, als zu akzeptieren, dass das Wohnen mancherorts auf eine bestimmte Klientel begrenzt wird – nämlich auf Haushalte mit hohem Einkommen. Alle anderen werden verdrängt oder bleiben außen vor.

Kai Eicker-Wolf ist Ökonom und arbeitet als Gewerkschafter in Frankfurt/Main. | Patrick Schreiner arbeitet als Gewerkschafter in Berlin und betreibt den Blog www.blickpunkt-wiso.de.

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