Die neuen Wohnungskonzerne: Überblick und bisheriger Widerstand

Block 3: Theorie

Die Bundesregierungen haben mit und seit der Ausplünderung der Ex-DDR mitgeholfen, auch in Westdeutschland öffentliche Wohnungen zu privatisieren. Seit Ende der 90er-Jahre haben Investoren vor allem aus den USA Wohnungskonzerne in neuen Größenordnungen aufgebaut. In den großen Städten sind die Mieten und noch mehr die Preise für Eigentumswohnungen explodiert – gleichzeitig mit der Stagnation der Arbeitseinkommen und der Ausweitung prekärer Arbeitsverhältnisse.

I. Wer verursachte 
den Wohnungs-Notstand?

Die Bundesregierung unter Helmut Kohl mit CDU, CSU und FDP schaffte 1988 die Gemeinnützigkeit der Genossenschafts- und Werkswohnungen ab und lockte zum Verkauf. Aber erst die SPD/Grünen-Regierung mit Gerhard Schröder und Joschka Fischer haben die Welle richtig in Schwung gebracht: Whitehall, Terra Firma, Deutsche Annington, Permira, Fortress, Cerberus hießen die „Heuschrecken“ aus New York und London. Sie kauften mit Steuervorteilen reihenweise große Wohnungsbestände auf – für Schnäppchenpreise ab 30.000 Euro pro Wohnung.

Beispiele: Die Bundesregierung verkaufte die 82.000 Wohnungen der Gagfah, der Wohnungsgesellschaft der Bundesanstalt für Angestellte (BfA) und 65.000 Eisenbahnerwohnungen. Die Berliner Landesregierung von SPD und PDS mit Finanzsenator Sarrazin verkaufte 65.000 Wohnungen, die Stadt Dresden unter FDP-Führung verkaufte 48.000 Wohnungen. Die CDU/FDP-Landesregierung von Nordrheinwestfalen verkaufte 91.000 Wohnungen. ThyssenKrupp verkaufte 48.000 Werkswohnungen, der Energiekonzern Eon 138.000. Noch 2012 hat die Grüne/SPD-Landesregierung in Baden-Württemberg 21.000 Wohnungen verkauft, ebenso 2013 die CSU-Regierung in Bayern unter Ministerpräsident Seehofer und Finanzminister Söder noch 33.000 Wohnungen.

Nach diesem Einstieg der Private Equity-Investoren wurden seit der Finanzkrise die Mitglieder der ersten Liga der neuen US-Investoren mit BlackRock & Co die bestimmenden Eigentümer aller 30 DAX-Konzerne in Deutschland, von Adidas über Bayer, Deutsche Bank und RWE bis Siemens und hunderter weiterer wichtiger Unternehmen – und auch der fünf größten Wohnungskonzerne. Diese sind aber nur die berühmte, bisher in der Öffentlichkeit immer noch weithin unbekannte „Spitze des Spekulanten-Eisbergs“.1

BlackRock & Co haben einzigartige Privilegien. Sie werden von den Finanzaufsichten der G7-Staaten, der EU und der EU-Mitgliedsstaaten offiziell als „Schattenbanken“ behandelt. Sie gelten rechtlich nicht als Banken und werden kaum reguliert. Zudem sind deutsche Behörden den hochprofessionellen, internationalen Versteckspielen dieser Investoren nicht gewachsen. Sie bekommen ihr Grundkapital von den Superreichen dieser Welt, von Unternehmens-Clans, Unternehmens-Stiftungen, Versicherungskonzernen, Top-Managern, teilweise auch von mittelständischen Kleinanlegern – Lehrern, Ingenieuren, Rentnern. Den kleinen Anlegern werden jährliche Gewinne bis 5 Prozent versprochen, den superreichen Anlegern allerdings bis über 10 Prozent, was „normale“ Geschäfte nicht einbringen.

BlackRock ist Berater der US-Zentralbank Federal Reserve (Fed), aber auch der Europäischen Zentralbank (EZB). Blackrock & Co profitieren daher extrem von der Nullzins-Politik der EZB: Sie können fast unbegrenzt Kredite bekommen, um Unternehmen, Banken und eben auch Wohnungen aufzukaufen. Auch in dieser Hinsicht kommen einfache Häuslebauer, Käufer von Eigentumswohnungen und mittelständische Wohnungseigentümer nicht mit.

Dasselbe passiert übrigens auch mit Ackerland: Genauso wie Immobilien gilt Ackerland als sichere spekulative Anlage. Internationale Investoren haben im Laufe des letzten Jahrzehnts deshalb auch verstärkt Ackerland in Deutschland aufgekauft, mithilfe von EZB-Krediten. „Land grabbing“ mitten in Deutschland: Das bekommen viele eingerostete Globalisierungskritiker gar nicht mit, die das für eine Praxis in Afrika halten. Die Preise haben sich während dieser kurzen Zeit in Westdeutschland verdoppelt, in der Ex-DDR – etwa in Mecklenburg-Vorpommern – verdreifacht. Viele Bauern können die Pachten nicht mehr bezahlen. Zugleich subventioniert die EU vor allem die große Agrarindustrie: 23.700 bäuerliche Betriebe mussten aufgeben.2

II. Die größten Wohnungskonzerne in Deutschland

Nach den „Heuschrecken“ der 2000er Jahre und nach der Finanzkrise kauften die noch größeren Kapitalorganisatoren wie Blackrock, Lansdowne, Massachusetts Financial, Fidelity, Capital Group, Allianz und auch der sich ach so sozial gebende norwegische Staatsfonds Norges die schon privatisierten Bestände auf und formten daraus Großkonzerne. In deren Kielwasser bilden weitere Spekulanten immer mehr kleinere, ständig wachsende, spezialisierte Wohnungskonzerne.

Vonovia: 486.000 Wohnungen

Dieser größte Wohnungskonzern in Deutschland hat 486.000 Wohnungen (darunter einige zehntausend in Verwaltung für andere Eigentümer). Die Vorgänger-Heuschrecken Terra Firma und Annington hatten durch Mieterquälerei ihr Image ruiniert. Deshalb verpassten die neuen Eigentümer BlackRock & Co 2015 beim Börsengang dem Konzern den Kunstnamen Vonovia. Die Vergangenheit soll vergessen werden.

Durchschnittliche Mietsteigerungen 2018: vier Prozent, das können in Einzelfällen auch 50 Prozent sein. Vorstandvorsitzender Rolf Buch verkündete stolz: Der Gewinn 2018 beträgt 1,07 Milliarden Euro, 15,8 Prozent mehr als im Vorjahr. Aus den Gewinnen in Deutschland hat Vonovia inzwischen 24.000 Wohnungen in Österreich und 37.000 in Schweden dazugekauft und hofft auf weitere Käufe in Macrons Frankreich.

Die Hauptaktionäre sind BlackRock, Norges, Lansdowne, AXA, BNP Paribas (BlackRock & Co sind auch Aktionäre bei AXA und BNP Paribas).

Deutsche Wohnen: 163.000 Wohnungen

Die Deutsche Bank hatte 1998 den Konzern mit einigen zehntausend Wohnungen im Rhein-Main-Gebiet gegründet. Durch Zukäufe sind es gegenwärtig 163.000 Wohnungen, davon 111.000 in Berlin. Zusätzlich hat der Konzern 2.600 Gewerbeimmobilien, Pflegeheime und Appartements für betreutes Wohnen. Hauptaktionäre: Massachusetts Financial, BlackRock und Norges.

LEG: 134.000 Wohnungen

2008 verkaufte die CDU/FDP-Landesregierung von NRW die 91.000 Wohnungen der Landesentwicklungs-Gesellschaft LEG. Trotz „Sozial-Charta“ wurden Mieten erhöht und Reparaturen zurückgefahren. Der Käufer, die US- „Heuschrecke“ Whitehall, brachte 2013 die LEG an die Börse, Gewinn für die Investoren in fünf Jahren: rund 1 Milliarde Euro. Dann kamen BlackRock & Co. Sie haben noch dazugekauft. Inzwischen gehören der LEG 134.000 Mietwohnungen in etwa 100 Städten. Der LEG-Wohnungsmarktreport 2018 protzt mit Erfolgsmeldungen: „Köln – Investmentmarkt mit steigenden Mieten und Kaufpreisen“, „Dortmund – Preiswerter Wohnraum wird knapp“, „Düsseldorf – Hohe Preise für Wohneigentum“, „Bonn – Angespannter Markt lässt Angebotsmieten weiter steigen“. Hauptaktionäre: Blackrock, Massachusetts Financial, Deutsche Bank, AXA (Blackrock ist auch Großaktonär bei Deutsche Bank).

Grand City Properties: 85.000 Wohnungen

Erst 2011 gegründet, hat der Konzern vor allem in Berlin, Köln, Dortmund, Hamburg, Bremen, Dresden und Leipzig bisher 85.000 Wohnungen zusammengekauft. Für das 1. Halbjahr 2019 gibt der Konzern einen Nettogewinn von 140 Millionen Euro und eine Steigerung von 7 Prozent gegenüber dem 1. Halbjahr des Vorjahrs an. Hauptaktionäre: Nach dem Gründer und Hauptaktionär Yakir Gabay, israelischer Banker mit Sitz in London, folgen BlackRock, Fidelity, Allianz sowie Temasek aus Singapur (BlackRock ist auch Großaktionär von Allianz).

TAG: 84.000 Wohnungen

Vor allem in nord- und ostdeutschen Städten hat TAG Wohnungen zusammengekauft. Dazu gehören 11.350 Wohnungen von der Treuhand-Liegenschafts-Gesellschaft TLG, einer Nachfolgefirma der Treuhand, die im Zeitraum 1990 bis 1994 Betriebe der Ex-DDR privatisierte. Großaktionäre: Massachusetts Financial, Capital Group, BlackRock, dazu auch die Bayerische Landesbank, die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder sowie der Investor Flossbach von Storch.

Adler Real Estate: 58.000 Wohnungen

Das Kapital des ehemaligen Unternehmens für Fahrräder, Motorräder und Büromaschinen wurde schrittweise in den lukrativeren Immobilienmarkt gesteckt. Seit 2013 wurden in Berlin die Wohnungsgesellschaften Accentro und Westgrund gekauft, dann Brack Capital aus den Niederlanden mit 11.000 Wohnungen in Deutschland. 2019 wurde der israelische Konzern ADO Properties geschluckt, der in wenigen Jahren in Berlin 24.000 Wohnungen zusammengekauft hatte.

Covivio: 41.600 Wohnungen

Französische Investoren und die Bank Crédit Agricole haben in den wichtigen Hauptstädten Europas – vor allem in Paris, Berlin, London, Mailand – Hotelketten aufgebaut, bauen co-working spaces (Büros und Werkstätten für innovative start-ups), kaufen Grundstücke und bauen darauf hochpreisige Eigentumswohnungen. In Deutschland wurden bisher 41.600 Mietwohnungen an Rhein und Ruhr hinzugekauft.

Bonava: Projektentwicklung

Der schwedische Konzern ist in Skandinavien, St. Petersburg/Russland, Hamburg, Berlin und Köln aktiv. Er gibt die Zahl seiner Wohnungen nicht bekannt. Er ist vor allem Projektentwickler: Er kauft Grundstücke, kleine Wohnungskomplexe und Einzelhäuser. Er lässt Eigentumswohnungen bauen und verkauft sie teuer, t.B. im gentrifizierten Stadtteil Köln-Ehrenfeld, Alpener Platz, wurden 45 Wohnungen mit 85 Quadratmeter gebaut und werden für je 481.000 Euro angeboten.

Akelius Residential Properties

Der schwedische Konzern Akelius kauft Einzelhäuser, baut die Wohnungen aufwendig um und vermietet sie. Er hat 50.000 Wohnungen in europäischen Städten, davon 20.000 in Deutschland. Angebote sanierter Wohnungen in Köln:

• Friedrichstraße 7, Köln-Altstadt, 2 Zimmer, 33 Quadratmeter, 810 Euro

• Aachener Straße 306, Köln-Braunsfeld, 110 Quadratmeter, 4 Zimmer, 1.960 Euro

• Simrockstraße 61, Köln-Ehrenfeld, 1 Zimmer, 21 Quadratmeter, 550 Euro.

Kleinere Wohnungskonzerne

Zu den kleineren Spekulanten gehören

• BGP mit 16.000 Wohnungen in den „wachstumsstarken Metropolregionen“ wie Berlin, München, Nürnberg, Düsseldorf;

• die britische Milliardärsfamilie Pears mit vermuteten mindestens 3.000 Wohnungen in Berlin;

• ADO Properties und Berlin Aspire aus Israel mit etwa 20.000 Wohnungen in Berlin (ADO wurde 2019 an Adler Real Estate verkauft).

Berkshire Hathaway

Warren Buffett, Chef der Spekulations-Holding Berkshire Hathaway (Miteigentümer: BlackRock) lässt über die Tochterfirma Rubina Real Estate in Berlin Luxus-Residenzen entwickeln und sucht dafür reiche Käufer aus Hongkong, Singapur und China.

BEWOCON: Luxus-Immobilien

Ähnlich wie Berkshire Hathaway agiert die Berliner Wohn Consult (BEWOCON): Für sie sucht der Ex-US-Botschafter in Berlin, der Banker John Kornblum, reiche Käufer aus den USA und Asien. Aus den Angeboten von BEWOCON:

• Komplex Penthouses City West: Penthouse mit 8 Zimmern und 314 Quadratmetern

• Properties mit 5 Zimmern und 378 Quadratmetern

• Living Spree: 4 Zimmer mit 201 Quadratmetern. Preis: jeweils einige Millionen. Das trägt zudem zum allgemeinen Wohnungsnotstand bei, weil diese Investoren die letzten und besten Grundstücke (viel Grün, Wassernähe) aufkaufen.

III. Die neuen Gewinnquellen

Das Problem ist nicht, dass „ausländische“ Investoren die Eigentümer von Wohnungen sind. Das Problem ist das asoziale bis kriminelle Verhalten solcher Investoren, potenziert durch ihre Kreditprivilegien und ihre unregulierte Marktmacht, verbunden mit der hohen Zahl an räumlich konzentrierten Wohnungen. Regierungen – ob christlich oder sozialdemokratisch oder wie in Berlin auch links lackiert – sind korrupte oder auch dumme, hilflose Komplizen und kommen bisher über kosmetische Gegenmaßnahmen nicht hinaus.

Gewinnquelle I: Konzentration 
in „Schwarmstädten“

Die Investoren kaufen, bauen, modernisieren gezielt in den Metropolregionen, genannt „Schwarmstädte“: Dort sind Wohnungen sowieso schon knapp und werden durch Zuzug noch knapper. Bei den häufigen Mieterwechseln sind massive Mieterhöhungen besonders leicht – bei 120 Interessenten findet sich immer einer, der nochmal ein paar hundert Euro mehr zahlt.

Gewinnquelle II: Modernisierungen

Die Modernisierungskosten werden nicht vom Eigentümer bezahlt, sondern von den Mietern. Sie müssen laut neuem Gesetz pro Jahr „nur“ 8 Prozent übernehmen (bisher 11%), als Aufschlag auf die Miete. Nach Abzahlung dieser Kosten wird die Miete allerdings nicht gesenkt. Beliebt: Instandhaltungen – etwa der Ersatz alter, brüchiger Fensterrahmen – werden gesetzwidrig in die Modernisierung eingerechnet. Bei Neuvermietung gelten Sozialcharta und Mietspiegel nicht.

Gewinnquelle III: Eigentumswohnungen

Ein Teil der Mietwohnungen wird – saniert oder nicht – in Eigentumswohnungen verwandelt und verkauft. Die meisten bisherigen Mieter haben dafür zu wenig Geld. Ein Teil der Wohnungen wird verkauft, ein Teil wird vom Investor selbst vermietet. Die Investoren kaufen zudem neue Grundstücke, bauen darauf neue Eigentumswohnungen und vermieten sie, ein Teil wird verkauft. Von 2008 bis 2019 sind die Preise für Eigentumswohnungen noch stärker als die Mieten gestiegen: In Berlin im Durchschnitt um 203 Prozent (in einzelnen Stadtteilen und Straßen um das Zehnfache), in München um 192, in Frankfurt um 177, in Stuttgart um 140 Prozent.3

Gewinnquelle IV: Umgehung des Vorkaufsrechts

Mieter haben bei der Umwandlung in Eigentumswohnungen ein Vorkaufsrecht. Investoren umgehen das auf vielfältige Weise: 1. Sie kaufen Wohnungen in besonders armen Stadtteilen, so Kreuzberg und Moabit in Berlin. Die Investoren kalkulieren, dass die Mieter hier sowieso kein Geld haben, um die Wohnung zu kaufen. 2. Wenn die Wohnungen unternehmensrechtlich zu einem Share Deal gehören (siehe weiter unten), wird das Vorkaufsrecht ausgehebelt. 3. Investoren verzögern die Angebote an die Mieter, sodass ein anderer Käufer den Zuschlag erhält. 4. Investoren schlagen dem Mieter einen überhöhten Preis vor, während den schon in Aussicht genommenen Käufern ein niedrigerer Preis angeboten wird. Diese Praxis wurde insbesondere beim Investor ADO Properties und seiner Tochterfirma Berlin Aspire nachgewiesen.4

Gewinnquelle V: Umgehung des Zweckentfremdungs-Verbots

Investoren beauftragen Plattform-Vermittler von privaten Wohnungen wie Airbnb mit der Vermietung an Touristen und sonstige Kurzzeitmieter. Drei Mietzahlungen à 100 Euro pro Nacht bringen mehr als eine noch so überhöhte reguläre Miete. Die Investoren kalkulieren damit, dass die unterbesetzten städtischen Behörden in Berlin, Köln, Hamburg, München keine ausreichende Kontrolle ausüben. Damit wird zudem der Wohnraum für Dauermieter verknappt, auch deshalb steigen die regulären Mieten.

Gewinnquelle VI: Überhöhte Nebenkosten

Vonovia kündigte den bisherigen Auftragsfirmen für Hausmeisterdienste, Reparaturen und Instandhaltung, Winterdienste und TV. Stattdessen gründete Vonovia eigene neue Tochterfirmen mit überhöhten Gebühren. In Mietverträgen werden langlaufende Strom- und andere Lieferverträge untergeschoben.5 Überhöhte Nebenkosten – zudem mit falschen Abrechnungen – werden zu einem eigenen Geschäftsfeld.6

Gewinnquelle VII: Steuerflucht nach deutschem Gesetz

Der deutschen Regierungen fördern die Wohnungsspekulation auch durch gesetzlich organisierte Steuerflucht. So sind etwa die 24.000 Berliner Wohnungen von ADO Properties auf 54 GmbHs aufgeteilt. ADO hält an ihnen jeweils 94,90 Prozent. Warum? Das sind die Share Deals: Wenn Vonovia, Deutsche Wohnen und ADO „nur“ 94,90 Prozent einer GmbH kaufen, der ein Wohnblock oder auch eine einzelne Immobilie gehört, brauchen sie die 6 Prozent Grunderwerbsteuer nicht zu zahlen. Sprengelstraße 39 GmbH, Kanalstraße 62 GmbH, Florapromenade GmbH sind solche ADO-Share Deals in Berlin.7 Das steigert den Gewinn und die weitere Kauflust der Investoren, während damit dem überschuldeten Berliner Haushalt jährlich viele hundert Millionen Euro zusätzlich verloren gehen (die Regierungsparteien SPD und Linke wissen das nicht oder leugnen es).

Gewinnquelle VIII: Internationale Steuerflucht

Alle Investoren wie BlackRock & Co bedienen sich der in Deutschland und der EU geförderten Formen der internationalen Steuerflucht.8 Das haben schon die „Heuschrecken“ der ersten Phase vorgemacht. Um bei ADO Porperties zu bleiben: ADO ist eine Holding mit Hauptsitz in Tel Aviv/Israel. ADO mit den Berliner Wohnungen hat als S.A. (Société Anonyme) den Konzernsitz für die deutsche Tochter in der Finanzoase Luxemburg. Die Finanztochter ADO Lux S.a.r.l. sitzt ebenfalls in Luxemburg. Die Töchter Joysun 1 und Joysun 2 (Joysun = Sonnenfreude) haben mit der Rechtsform B.V. ihren Sitz in der nächsten Finanzoase, in Amsterdam. Die Töchter Songbird 1 und Songbird 2 (Songbird = Singvogel) zwitschern gewinnfreudig in der übernächsten Finanzoase, mit der Rechtsform ApS in Dänemark. Für 2019 stellt ADO seinen Aktionären eine Dividenden-Erhöhung von 25 Prozent in Aussicht.9

Die Investoren schalten alle wichtigen Finanzoasen ein: Luxemburg, die Niederlande und Zypern innerhalb der EU, die britischen Cayman und Virgin Islands, den US-Bundesstaat Delaware und die Bermudas. Vielfach werden dabei verschiedene Briefkastenfirmen in mehreren Finanzoasen hintereinander geschaltet (Kaskaden-Konstruktion).

Das nutzen nicht nur BlackRock, ADO & Co für sich selbst und für ihre Konzerne wie Vonovia und Deutsche Wohnen. Sie organisieren das auch für ihre individuellen superreichen reichen Anleger. So hat etwa BlackRock als Hauptaktionär von Vonovia seine 8 Prozent Aktienanteile auf über 100 Briefkastenfirmen in einem Dutzend Finanzoasen verteilt: In diesen Briefkastenfirmen stecken die jeweils 50 oder 100 Millionen Dollar oder Euro, die die superreichen, anonymisierten Anleger BlackRock zur Vermehrung anvertraut haben. Damit werden die Staaten und Kommunen verarmt und haben noch weniger Geld, um selbst günstigen Wohnraum zu schaffen.

Gewinnquelle IX: Laufende Aktienspekulation

Die Investoren warten nicht auf die jährliche Gewinnausschüttung. Sie spekulieren laufend mit den Aktien, kaufen und verkaufen kleinere Aktienpakete, beeinflussen damit die Wertentwicklung, auch durch den kurzzeitigen Einsatz von Leihaktien.

Gewinnquelle X: Kein Betriebsrat, kein Tarifvertrag

Die großen Investoren wie Vonovia gründen standardmäßig für ihre Wohnungen in Deutschland eine Aktiengesellschaft nach EU-Recht, eine Societas Europaea S.E.: Darin gibt es kein gerichtlich einklagbares Recht, einen Betriebsrat nach dem deutschen Betriebsverfassungsgesetz zu gründen. Für die Beschäftigten bestehen kaum Tarifverträge.

Gewinnquelle XI: Absicherung durch Lobbyisten

Um diese Praktiken abzusichern, setzen die Investoren Lobbyisten ein. Beispiel: BlackRock als Großaktionär der fünf größten Wohnungskonzerne engagierte den ehemaligen CDU-Politiker Friedrich Merz. Er wurde zum Vorsitzenden der BlackRock Deutschland AG gemacht. Er begleitet Treffen von BlackRock-Chefs mit den Finanzministern, so mit Schäuble (CDU) und Scholz (SPD).10 Jürgen Fitschen, Ex-Chef der Deutschen Bank, wurde zum Vorsitzenden des Vonovia-Aufsichtsrates gemacht, „weil erstklassig in der Politik vernetzt“: Er soll aufpassen, dass die Mietpreisbremse nicht bremst. Hildegard Müller vom Zentralkomittee der Deutschen Katholiken wurde ebenfalls in den Aufsichtsrat geholt – die Kirche ist für das Absegnen von privaten Gewinnen immer nützlich. Und Vonovia – Konzernsitz in Bochum – sponsert zunächst für fünf Jahre den Fußballclub VfL Bochum. Vonovia-Flaggen wehen seit 2016 über dem „Vonovia Ruhr-Stadion 3.11

IV. Böse Folgen für die Mieter

• Mieten und Nebenkosten fressen bis zu 60 Prozent des Einkommens auf. Mieter müssen sich bei Ernährung und Lebensqualität einschränken.

• Zusätzlich steigen die Transportkosten zum Arbeitsplatz, weil ein Umzug in die Nähe des Arbeitsplatzes in der anderen Stadt zu teuer ist. Der Wohnungsnotstand ist auch ein Geld- und Zeiträuber.

• ALG II-Empfänger müssen einen Teil ihres ohnehin dürftigen Lebensunterhalts von 416 Euro monatlich abknapsen und für die Miete drauflegen, weil nach Jobcenter-Obergrenze keine bezahlbaren Wohnungen gefunden werden.

• Bei 100 Prozent-Sanktionen für ALG II-Empfänger kann auch die Wohnung verloren gehen. Gegenüber 2014 stieg bis 2018 die Zahl der Wohnungslosen um 150 Prozent auf über 800.000 an.

• 2017 wurden 53.600 Zwangsräumungen durchgezogen.

• Millionen Mieter haben Wohnberechtigungsscheine oder Anspruch darauf. Aber es stehen keine Wohnungen zur Verfügung: Der Rechtsstaat ist für die Unterklassen ausgehebelt.

• Das Unternehmer-Institut der deutschen Wirtschaft und die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ sorgen sich um den tiefen „Frust“ ihres Klientels im oberen Segment des Mittelstands: Bei Preisen von 600.000 – 800.000 Euro für eine nicht mal luxuriöse Eigentumswohnung in der Stadt können selbst gutverdienende Ehepaare das notwendige Eigenkapital nicht mehr aufbringen, selbst bei den heutigen Niedrigstzinsen. Die seit Adenauer wirksame Ideologie, dass „Wohneigentum die sinnvolle Alternative für Altersvorsorge und Vermögensbildung“ sei – sie funktioniere nicht mehr. Und deshalb sei „die Demokratie“ gefährdet12 – jedenfalls die Demokratie in der CDU-CSU-FDP-Version.

V. Kontrolle, Widerstand, Alternativen

Die Bundesregierungen von Kohl über Schröder bis Merkel haben das asoziale, monopolistische und teilweise gesetzwidrige Eindringen der Wohnungsspekulanten gefördert. Nennenswerter Widerstand kommt nur aus Teilgruppen der Betroffenen. Gewerkschaften und Mietervereine berappeln sich erst.

Notwendige Maßnahmen

Wenn die Wohnungsnot gestoppt und gewendet werden soll, müssen die Rahmenbedingungen geändert werden:

• Keine Nullzins-Kredite an Spekulanten durch die EZB

• Stopp der Steuerflucht und der Anonymisierung der wirtschaftlich Berechtigten

• Abschaffung der Share Deals

• Verbot von direkten und indirekten Wohnungs-Kartellen, Neufassung des Kartellrechts

• Bekämpfung der Wohnungs-Zweckentfremdung durch Plattform-Vermittler

• Bestrafung für falsche Nebenkosten-Abrechnungen

• Stopp für Luxussanierungen

• Keine Umlage von Modernisierungskosten auf die Mieter

• Gründung öffentlicher Wohnungs-Gesellschaften, öffentlich finanzierter Neubau

• Erhebliche Personalaufstockung in den Bau- und Aufsichtsbehörden der Kommunen

• Wesentliche Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns, Kontrolle seiner Umsetzung; Erhöhung der unteren Arbeitseinkommen überhaupt.

Initiativen

Die politisch wichtigste Initiative ist bisher „Deutsche Wohnen & Co enteignen!“ in Berlin. Sie hat allerdings den Fehler gemacht, vom Berliner Senat ein Enteignungs-Gesetz – mit Berufung auf die Grundgesetz Artikel 14 und 15 – zu fordern, statt selbst ein solches Gesetz zu entwerfen und dafür Unterschriften zu sammeln. Allerdings wurde damit der fünfjährige „Mietendeckel“ befördert, den der Berliner Senat aus SPD, Grünen und Linke beschlossen hat. Das muss nun in den anderen Bundesländern ebenfalls geschehen. Wenn Berlin allein bleibt, ist es wahrscheinlicher, dass der Mietendeckel durch Klagen der Spekulanten-Lobby rechtlich ausgehebelt oder abgeschwächt wird.

Zudem: Der Berliner Senat bietet keine Gewähr dafür, den Mietendeckel in allen Einzelheiten durchzusetzen. Der Kontrollaufwand ist groß, aber gerade in diesem Bereich fehlt das Personal. Investoren haben schon angekündigt, dass sie gegen Einschränkungen wie den Mietendeckel etwa das Mittel der Eigenbedarfskündigung einsetzen. Dabei ist die Tür für Betrug und Täuschung weit geöffnet: Ein Berliner CDU-Politiker hat allein in einem seiner Häuser schon sechs Eigenbedarfskündigungen durchgesetzt. Entfernte Verwandte, Au-pair-Mädchen, Großmütter werden für den Eigenbedarf vorgeschoben, um langjährige, auch alte Mieter hinauszuwerfen. Schon gegenwärtig geht der Deutsche Mieterbund von 80.000 Eigenbedarfskündigungen aus.13

Wegen des extremen Personalmangels – Folge des Privatisierungswahns – bedient sich der Senat bei der aufwendigen Sanierung und des Neubaus von Schulen des Finanzierungs- und Vergabemodells Private Public Partnership: Dabei schöpfen die vielen privaten Berater und vor allem die privaten Generalunternehmer mit ihren finanzierenden Banken hohe zusätzliche Gewinne ab, auch durch die Nutzung von befristeter und niedrig bezahlter Arbeit.14

Rückkauf nach Marktwert: Irrsinnig

Der Berliner Senat zieht unter anderem gegenwärtig eine kontraproduktive, geradezu irrsinnige Maßnahme durch. Im September 2019 kaufte er 5.800 privatisierte Wohnungen zurück. Er zahlte an den Eigentümer ADO Properties 920 Millionen Euro. Die Wohnungen hatte ADO erst 2015 von Deutsche Wohnen gekauft, für 375 Millionen. Gewinn in vier Jahren: Etwa 500 Millionen.15

2004 hatte der Senat aus SPD/PDS die 65.000 Wohnungen der Wohnungsgesellschaft GSW an die „Heuschrecken“ Whitehall und Cerberus verkauft, pro Wohnung eine Einnahme von 30.700 Euro. Jetzt beim Rückkauf zahlte der Senat pro Wohnung das Fünffache: 160.000 Euro. Den Kaufpreis brachte die städtische Wohnungsgesellschaft Gewobag auf, mithilfe eines 700 Millionen-Schuldscheins. Und die 5.800 Wohnungen sind mit 340 Millionen verschuldet.

Deutsche Wohnen, Vonovia, ADO, Akelius, TAG, Covivio, Grand City Properties, BGP, Pears, Adler Real Estate usw. haben über 250.000 Wohnungen in Berlin. Da sind die 5.800 nicht einmal der Tropfen auf den heißen Stein. Aber wenn das Land Berlin einen zinslosen staatlichen Kredit von 700 Millionen aufgenommen hätte: Wie viele gemeinnützige Wohnungen könnten damit gebaut werden?

Wohnen ist ein Menschenrecht

Und überhaupt: „Wohnen ist ein Menschenrecht!“ (Artikel 25 der Allgemeinen Menschenrechte) In Deutschland muss erst wieder bekannt gemacht werden, dass eine sichere und bezahlbare Wohnung zu den universellen Menschenrechten gehört. Auch ein gerechtes Einkommen, das den Unterhalt einer Familie in Würde ermöglicht, gehört – sogar den deutschen Gewerkschaften muss man das erst klarmachen – zu den Allgemeinen Menschenrechten (Artikel 23).

Daran orientiert sich die Europäische Bürgerinitiative „Housing for All!“ Sie kommt aus Wien, der europäischen Stadt mit den meisten öffentlichen Wohnungen: „Wir müssen dieser Spekulation radikal entgegentreten! Das zerstört unsere Gesellschaft, das ist der Boden der radikalen Rechten in Europa! Da müssen wir ein Zeichen setzen!“ so die Sprecherin der Initiative.16

Werner Rügemer lebt in Köln. Letzte Veröffentlichung: Die Kapitalisten des 21. Jahrhunderts. Gemeinverständlicher Abriss zum Aufstieg der neuen Finanzakteure, Köln 2018. In dem Buch findet sich ein 60-seitiges Kapitel: China: der kommunistisch geführte Kapitalismus.

Anmerkungen:

1 Werner Rügemer: Die Kapitalisten des 21. Jahrhunderts. Köln 2018, S. 12ff.

2 Preise für Ackerland haben sich mehr als verdoppelt, Frankfurter Allgemeine Zeitung 24.10.2019

3 Die große Angst vor einer Immobilienblase, Frankfurter Allgemeine Zeitung 2.10.2019

4 Die Aspire-Story: Berlin zum Verkauf, Berliner Zeitung 18.2.2019

5 Verbraucherzentrale NRW: Energielieferung per Mietvertrag, Meldung 3.9.2019

6 Die meisten Nebenkostenabrechnungen sind fehlerhaft, Spiegel online 28.2.2019

7 ADO-Geschäftsbericht 2018

8 Werner Rügemer: Die Kapitalisten, S. 27ff.

9 ADO Properties: Geschäftsbericht 2018 und Quartalsberichte I und II 2019

10 Friedrich Merz – Blackrocks Türöffner in die Politik, WDR Westpol 22.9.2019

11 Werner Rügemer: Die Kapitalisten des 21. Jahrhunderts. Köln 2018, S. 43ff.

12 Eigenheim wird zum Luxus, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 3.11.2019.

13 Gier findet Raum und Wege. 70Jährige wegen Eigenbedarf gekündigt – für Studenten-WG, Berliner Zeitung 9.10.2019; 80jährige Mieterin in Berlin -Rauswurf wegen Eigenbedarf? Der Spiegel 22.5.2019

15 Carl Wassmuth: Studie zu den Kosten der Berliner Schulbauoffensive und zu den Auswirkungen auf die Beschäftigten, Berlin 29.8.2019

16 ADO BERLINSIDERS: Abschluss eines Vertrages über den Verkauf eines Immobilienportfolios, 26.9.2019; Traumgewinn für Investor. Berlin kauft Wohnungen für knappe Milliarde.
https://www.n-tv./de 27.9.2019