QaLü IV/MMXVIII

„In Katowice wurden wirksame Maßnahmen für den Klimaschutz getroffen“

Die Kommentare nach Abschluss der Klimakonferenz in Katowice sind in der Regel verhalten positiv. Svenja Schulze, die deutsche Bundesumweltministerin, äußerte: „In Paris haben wir 2015 beschlossen, dass wir alle gemeinsam das Klima schützen wollen. Jetzt haben wir beschlossen, wie wir das [auch] tun werden“. Wirklich? Gab es in Katowice Beschlüsse zu konkreten Taten, wie die CO²-Emissionen reduziert oder zumindest deren beständiges Wachstum gestoppt werden könnten? Zu behaupten, es habe solche Klimaschutz-Beschlüsse gegeben, kommt einer Täuschung der Öffentlichkeit gleich, ist eine Quartalslüge. Die Katowice-Beschlüsse (siehe die Seiten 8-13) laufen faktisch auf ein „Weiter so“ hinaus.

Die QaLü-Grafik zur weltweiten Entwicklung der CO²-Emissionen ist deutlich. Seit der ersten internationalen Konferenz, auf der das Thema Weltklima debattiert wurde – das war 1992 in Rio de Janeiro – wurde der jährliche Ausstoß von CO² nicht nur nicht gestoppt. Er wurde seither um rund 50 Prozent gesteigert (von rund 24 Milliarden Tonnen 1992 auf knapp 37 Milliarden Tonnen 2017). 2009 gab es eine viel gefeierte Klimakonferenz in Kopenhagen. Auf dieser wurde deutlich, dass die Zeichen auf Sturm stehen. Doch nach 2009 wurde der Anstieg der CO²-Emissionen nur zeitweilig gebremst; insgesamt wuchs er seither um fast ein Fünftel oder um 20 Prozent. 2017 und 2018 wuchs er deutlich.

Seit Rio kam es zu einer massiven Strukturveränderung. 1990 konzentrierten die USA und die EU noch knapp die Hälfte aller CO²-Emissionen auf sich; der Anteil Chinas lag damals erst bei 10 Prozent. Die hoch industrialisierten Länder in Nordamerika und Europa hatten es damals und bis ungefähr 2005 in der Hand, durch deutliche Maßnahmen die eigenen CO²-Emissionen deutlich zurückzufahren und damit zugleich die Weltemissionen erheblich zu reduzieren. 2017 entfallen jedoch auf die USA und die EU nur noch knapp 25 Prozent. China konzentriert jedoch bereits knapp 30 Prozent auf sich (2017 waren es exakt 28,5%). Auf China und Indien zusammen genommen entfallen rund 35 Prozent aller CO²-Emissionen. Die Regierungen in Peking und in Neu-Dehli gehen davon aus, dass der von ihren Ländern ausgehende Ausstoß an Kohlendioxid noch mehrere Jahre lang – im Fall Chinas bis zum Jahr 2030 – steigen wird. Es ist unter diesen Bedingungen rein rechnerisch kaum vorstellbar, wo es die entsprechenden Reduktionen des CO²-Ausstosses geben könnte, mit denen diese weitgehend eingepreisten Anstiege wettgemacht werden könnten. Zumal die US-Regierung aus dem Pariser Klimaabkommen ausgestiegen ist. Zumal es in der EU kaum noch einen Rückgang an CO²-Emissionen gibt. Zumal der CO²-Ausstoß im wichtigsten EU-Land, Deutschland, erneut leicht ansteigt. Deutschland vereint auf sich immerhin 2,3 Prozent aller weltweiten CO²-Emissionen. Trotz Ende der Steinkohle-Förderung in Deutschland wird 2019 in Deutschland weiter Steinkohle in einem Umfang von rund 45 Millionen Tonnen importiert und verfeuert (der Anteil an der Stromerzeugung lag 2017 bei 13,6 %). Trotz Mehrheiten im Land für ein Braunkohle-Aus wird in Deutschland weiterhin Braunkohle in großem Maßstab abgebaut (Anteil an der Stromerzeugung 22%). Trotz Dieselgate, Feinstaub-Alarm und Debatten über eine Verkehrswende nimmt die Zahl der in Deutschland zugelassenen Pkw jährlich um mehr als eine halbe Million zu (2014 waren 43,8 Millionen Pkw, 2017 bereits 45,8 Millionen registriert.).

Im Jahresbericht 2018 des Vereins der Kohleimporteure (in Deutschland) heißt es nahezu höhnisch: „Totgesagte leben länger. Nach zwei Jahren mit rückläufiger globaler Steinkohleförderung und rückläufigem Welthandel hat sich der Markt deutlich erholt. […] In vielen Schwellen- und Entwicklungsländern werden neue Kraftwerke gebaut […] Der vornehmlich in Europa rückläufige Verbrauch wird dadurch kompensiert. […] Dies unterstreicht, dass derzeit nicht über Peak Coal zu reden ist. Vielmehr hat der Kohleverbrauch global ein Hochplateau erreicht.“[1]

Die Alarmstufe in Sachen Klimaerwärmung und Klimapolitik wird inzwischen gerade aus bürgerlichen Kreisen und aus dem Bereich der Wissenschaften unüberhörbar ausgerufen. Die Internationale Energieagentur (IEA), eher eine pro Energie-Lobby, legte Ende 2018 eine Studie vor, wonach es einen „anhaltenden Anstieg des CO²-Ausstosses“ geben würde. Und: „Setzt sich der Trend fort, ist der Klimawandel nicht zu bremsen.“ Die Weltwetterorganisation (WMO) veröffentlichte im November ihren Jahresbericht, in dem es heißt: „Es gibt keine Anzeichen für eine Umkehrung des Trends, der zu langfristigem Klimawandel, dem Meeresspiegelanstieg, der Versauerung der Meere und mehr extremen Wettersituationen beiträgt.“ Der Weltklimarat IPCC, das von den Vereinten Nationen eingesetzte Wissenschaftlergremium, erklärte im Vorfeld der Katowice-Klimakonferenz in einem Sonderbericht, dass das 1,5-Grad-Celsius-Ziel „nur noch mit radikalen Maßnahmen erreicht“ werden könne.

Hans Joachim Schellnhuber, Gründungsdirektor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung beschreibt in einem aktuellen Interview irritiert die kaum noch rationalen Reaktionen: „Es herrscht eine seltsame Gelassenheit. Wir steuern im Irrsinnstempo auf eine unbeherrschbare globale Situation zu, […] aber viele Medien berichten nur noch mit gequälter Beiläufigkeit darüber.“ Der Mann erwies sich 25 Jahre lang als eher zurückhaltender, aber engagierter Klimaforscher. Inzwischen hofft er auf eine „Weltbürgerbewegung“, die zwei vor zwölf dem Rad in die Speichen greift und sagt: „Ich dachte früher immer, es sei unpolitisch, den Einzelnen in die Pflicht zu nehmen. Aber jeder sollte verdammt noch mal tatsächlich etwas beitragen. Wir haben uns alle viel zu lange aus der Verantwortung gestohlen. Ja, wir müssen alle Kohlekraftwerke schließen, ja, Deutschland muss auf 100 Prozent erneuerbare Energien gehen, aber Sie und ich können von heute auf morgen beschließen, kein Fleisch mehr zu essen und keine Langstreckenflüge mehr zu machen.“[2]

Anmerkungen:

[1] Jahresbericht des Vereins der Kohleimporteure 2018; Seiten 1 und 56. https://www.kohlenimporteure.de/files/user_upload/jahresberichte/vdki_jahresbericht_2018.pdf In dem Bericht wird u.a. ausgeführt: „Unsere Argumentation ist keineswegs von Zweckoptimismus geprägt. Im Kapitel zur Klimapolitik wurde dargelegt, dass es keine globalen völkerrechtlich verbindlichen Minderungsziele gibt. […] Selbst ein deutscher Kohleausstieg hätte global nur marginale Auswirkungen. Die großen Verbrauchsregionen hegen überhaupt keine Ausstiegsabsichten. […] Die Washington Post vom 7. Februar 2018 wollte bezugnehmend auf das Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change in Berlin verdeutlichen, dass mit dem geplanten Zubau von Kohlekraftwerken die globalen Klimaziele kaum noch erreichbar seien. Damit wurden zugleich die ehrgeizigen Kraftwerksausbauprogramme in Weltregionen mit dynamischem Wirtschaftswachstum bestätigt, nachdem diese Entwicklung von Umweltorganisationen regelmäßig geleugnet wurde, um mit dem moralischen Zeigefinger auf europäische Kohlekraftwerke zeigen zu können. […] Zugleich zeigt sie [die Mercator-Studie; d. LP21-Red.] aber auch, dass viele Entwicklungspläne von Entwicklungs- und Schwellenländern weiterhin kohlebasiert sind, weil dies für diese Länder der vielversprechendste Weg ist, um Anschluss an die entwickelten Länder zu finden. Die globalen energiebedingten CO² -Emissionen werden sich […] von 32 Mrd. t im Jahr 2014 auf 35,7 Mrd. t im Jahr 2040 erhöhen. Dieses Wachstum ist den Nicht-OECD-Staaten zuzuschreiben und kompensiert die Minderungen in anderen Regionen, insbesondere in Europa.“

[2] Interview in: Süddeutsche Zeitung vom 15. Mai 2018