Neuer Feudalismus

Corona und die Gates-Stiftung

In der öffentlichen Diskussion zum Thema Covid-19 spielt Bill Gates immer wieder eine Rolle. Die Bill & Melinda Gates-Stiftung ist eine wichtige Geldgeberin für die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die Meinung über sie reicht von Verschwörungstheorien („Teil einer geheimen Weltregierung“) bis zu überschwänglichen Dankesbekundungen.

Kürzlich versuchte Thomas Gebauer, Sprecher von medico international, in einem Interview den Widerspruch zwischen diesen beiden Extremen durch einen verbalen Spagat aufzulösen, indem er einerseits die Ansicht vertrat, dass die Zwecke, für die die Gates-Stiftung Zuwendungen vergibt, „durchaus honorig seien“ und dass es „natürlich nicht um eine geheime Weltregierung“ gehe. Der „eigentliche, zu wenig wahrgenommene Skandal“ sei aber „eine Refeudalisierung gesellschaftlicher Verhältnisse“. Letzteres bringt die Sache auf den Punkt, denn der Streit, ob die Gates-Stiftung Gutes oder Schlechtes macht, verfehlt das Thema. Mit anderen Worten: Wenn man gegen den Feudalismus ist, diskutiert man nicht darüber, welcher König gut und welcher schlecht ist – es geht um das System.

Gebauer beklagt, dass das Budget der WHO nur noch zu 20 Prozent durch Pflichtbeiträge der Mitgliedsländer abgedeckt wird, während die restlichen 80 Prozent zweckgebundene Zuwendungen darstellen, mit denen die Geldgeber direkten Einfluss auf die Arbeit der WHO nehmen. Dadurch kommt es zu einer Dominanz kurativ-medizinischer Angebote, obwohl das Wohlbefinden der Menschen in erster Linie von den sozialen Umständen (Ernährung, Bildung, Hygiene, würdige Arbeit, Einkommen) abhängt, um die sich die WHO früher vorrangig gekümmert hat. Diese Verschiebung sei vor allem auf die Einflussnahme durch die Geldgeber, inklusive Bill Gates, zurückzuführen, so Gebauer. Schließlich hängt die finanzielle Entlastung der Reichen eng zusammen mit der Austeritätspolitik, die dann u.a. die Unterfinanzierung der WHO zur Folge hatte.

Dabei gibt es kaum einen transparenteren Geldgeber als die Gates-Stiftung: Auf ihrer Website sind über tausend geförderte Projekte bzw. Institutionen aufgelistet, mit Angabe von Thema, Jahr, Projektsumme und weiterführenden Informationen. Die „Themen“, die mit diesen Projekten gefördert werden, befinden sich u.a. in den Bereichen Landwirtschaft (1075 Projekte), Familienplanung (645 Projekte) und Impfstoffe (203 Projekte). Addiert man die Projekte mit jeweils einer Fördersumme von mehr als 30 Millionen Dollar, so wurde „landwirtschaftliche Entwicklung“ allein durch diese Großprojekte mit über 530 Millionen und „Familienplanung“ mit über 350 Millionen unterstützt.

Auf einer weiteren Unterseite sind die Unternehmen aufgelistet, in die die Stiftung investiert, um ihre Projektgelder einzuwerben. Unter den 22 Unternehmen, in die die Gates-Stiftung direkt investiert, befinden sich vorrangig Pharmakonzerne und Gentechnik-Unternehmen, inklusive – damals –25 Millionen Dollar Monsanto-Aktien (Wallstreet Journal vom 16. Oktober 2010).

Es existiert also ein Interessenkonflikt, der krasser nicht sein kann, was unter anderem darin zum Ausdruck kommt, dass die Stiftung massiv die Privatisierung von Saatgut und die Einführung der grünen Gentechnik in der „unerschlossenen“ Region Afrika sowie die Entwicklung von Medikamenten und Impfstoffen unterstützt. All das wird dann anschließend privat vermarktet. Die Unbekümmertheit, mit der die Gates-Stiftung diese Interessenkonflikte sichtbar macht, ruft die Assoziation wach, dass es sich hier um eine „too big to fail“-Stiftung handeln könnte. Kritische Akademiker sprechen von „hegemonischen Partnerschaften“ kapitalistischer Wohltätigkeitsbemühungen (Behrooz Morvaridi) bzw. in Anlehnung an den „militärisch-industriellen Komplex“ von einem philantropic-corporate-state complex (Ashok Kumbamu). Eine genauere Betrachtung dieser Konstellation bleibt einem späteren Beitrag vorbehalten. An dieser Stelle sei daran erinnert, dass kapitalistische Philanthropen unter Rahmenbedingungen reich werden, die eine Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums von unten nach oben fördert, und an deren Erhalt sie interessiert sind.

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