Konsum-Klima

Am 28. Juli 2022 war Erdüberlastungstag. Die Nachrichten-Redaktionen meldeten einen Tag früher als 2021 den Tag im Jahr, an dem weltweit alle Ressourcen verbraucht waren, die sich auf der Erde innerhalb eines Jahres regenerieren.

Der ökologische Fußabdruck verschiedener Gesellschaften und Länder ist durchaus unterschiedlich und die Daten ihres jeweiligen Erdüberlastungstages fallen entsprechend weit auseinander. Würden alle Bewohner der Erde leben wie die Menschen im Emirat Katar, wäre schon am 10. Februar all das aufgezehrt, was innerhalb eines Jahres nachwächst. Konsum auf dem Niveau von Deutschland brauchte drei Erden, um auszukommen – der Erdüberlastungstag für die Bundesrepublik ist bereits der 4. Mai.

Dieselben Agenturen, die den Verzehr der Erde durch ihre Bewohner:innen früher als im vergangenen Jahr ankündigten, meldeten einen weiteren schlechten Wert: Der Index für das Konsumklima in der Bundesrepublik zeige den niedrigsten Stand seit Beginn der Aufzeichnungen.

Konsumklima hat nichts mit Klima zu tun, sondern mit der Stimmung zum Konsum. Antworten auf drei Fragen geben Auskunft, was in Zukunft passiert – geschäftlich: „Was glauben Sie, wie wird sich die allgemeine wirtschaftliche Lage in den kommenden zwölf Monaten entwickeln? Wie die finanzielle Lage Ihres Haushaltes? Und neigen Sie zu größeren Anschaffungen?

Während seit 250 Jahrne verlässliche meteorologische Aufzeichnungen vorliegen, ermittelt die Nürnberger Marktforschungsgesellschaft GfK den Konsumklimaindex der Bundesrepublik erst seit 1980, als sich das wirkliche Klima der Erde durch den Weltverbrauch längst zu wandeln begonnen hatte.

Wer nun meint, Nachrichten-Redaktionen würden angesichts der Überlastung der Erde nachlassenden Konsum positiv werten, gar als Zeichen für unsere Erkenntnisfähigkeit feiern, wird enttäuscht: Erdüberlastung und nachlassender Konsum werden als gleichermaßen besorgniserregend kommuniziert. Eine Verbindung beider Mitteilungen findet im Kopf offenbar nicht statt.

Der Konsumklimaindex deutet an, warum wir das Klima haben, das wir durch unseren Konsum produzieren. Der durch Konsum verursachten Zerstörung der Erde steht geradezu eine Konsumenten-Pflicht zum Mehrverbrauch entgegen. Und das nicht, weil wir alle die Produkte brauchten, die wir weltweit herstellen, sondern weil nur diejenige und derjenige seinen Anteil am Konsum bekommt, der an der zerstörerischen Produktion der Konsumgüter als Kapitaleigentümer und als Arbeitskraft gegen Lohn mitwirkt.

Wenn sich das Konsumklima hebt, werden die Erde und ihre Bewohnbarkeit für uns schneller zerstört. Der Index drückt also aus, wie schnell wir das Klima konsumieren. Konsum-Klima sollte künftig das meteorologische Klima genannt werden, das wir durch unseren Konsum bewirken. Der Konsumklima-Index müsste denjenigen Minderverbrauch ermitteln, der die Erderwärmung verhindern hilft, und der durch schlechte Stimmung bewirkt, dass wir gut weiterleben können.

Jürgen Bönig findet manchmal die Fahrt auf der Geisterbahn der Stimmungen wenig ermutigend.