Freihandelskrieg

Auf dem G7-Gipfel in Kanada kam es zu keiner Einigung im Handelsstreit mit den USA. Trump beharrt auf Zollerhöhungen für Aluminium und Stahl.

Über seine Manieren und seine allgemeinen Ansichten muss hier nicht geredet werden. Beschränken wir uns auf die Ökonomie.

Zumindest eine der Begründungen für die Kampfzölle ist unehrlich: Es handele sich um Belange der nationalen militärischen Sicherheit. Immerhin sind NATO-Partner mit betroffen.

Es gibt wohl auch innenpolitische Gründe für Trumps Aktion. Internationales Auftrumpfen soll ihm Rückhalt zu Hause schaffen, darunter für die Republikanische Partei bei den Wahlen im November. Es geht ihm darum, die Sympathien der Arbeiter im Rustbelt zu behalten, deren Arbeitsplätze durch Freihandel bedroht sind.

Ob die Zölle auf Dauer der Volkswirtschaft der Vereinigten Staaten helfen? Eisen und Stahl sind Vorprodukte. Werden ihre Preise erhöht, verteuern sich auch US-amerikanische Fertigerzeugnisse, zum Beispiel Autos. Dann wäre es nur logisch, wenn irgendwann deren Einfuhr aus Europa ebenfalls durch Zölle belastet würde, wodurch der Handelskrieg sich verschärfte. Wer diesen letztlich gewinnt, lässt sich nicht vorhersagen. Nach der reinen Lehre des Wirtschaftsliberalismus müsste die Antwort lauten: niemand.

Hier gehört nun ein Fragezeichen hin. Der Umkehrschluss müsste ja lauten, dass der Freihandel bisher allen genutzt hat. Das ist ganz offensichtlich nicht der Fall. Er hat in den vergangenen Jahrzehnten den europäischen und globalen Süden benachteiligt. Nicht umsonst begann die Welle der internationalen Proteste gegen weltweite Ungerechtigkeit anlässlich der Tagung der Welthandelsorganisation in Seattle 1999. ATTAC ist eine Bewegung zur Zügelung der Freizügigkeit des Kapitals. Die Kämpfe gegen TTIP verlieren nicht ihre Berechtigung deshalb, weil Trump dieses Abkommen auch nicht will.

Es fragt sich auch, ob allein die Abwesenheit von Zöllen und Subventionen zu einem ausgeglichenen Außenhandelsverhältnis führt. Zu den Rahmenbedingungen gehört die Differenz in der Erstausstattung der im Wettbewerb zueinander stehenden Volkswirtschaften.

Versuchen wir dies am Beispiel der Bundesrepublik Deutschlands zu untersuchen. Seit ihrer Gründung genießt sie die Vorzüge einer zumindest impliziten – also nicht offen proklamierten – merkantilistischen Wirtschaftspolitik, die ihre Exporte begünstigt und die anderer Länder behindert. Zur Zeit der administrierten Wechselkurse im System von Bretton Woods war die D-Mark unterbewertet. Dies verschaffte Waren aus der Bundesrepublik einen Vorteil. Der Übergang zum Euro änderte daran nichts. Durch das von der rotgrünen Regierung forcierte und ihren Nachfolgekoalitionen betriebene Lohn-, Abgaben- und Steuerdumping haben deutsche Ausfuhren einen Vorteil. Hinzu kommen technologische Vorsprünge, die nicht auf unlauterem Wettbewerb beruhen, aber inzwischen zu einer pfadabhängigen Entwicklung führten, aus der man in Deutschland ganz gewiss nicht herauswill und die auch nicht einfach nachgeahmt werden kann. Der Euro hat schwächeren europäischen Volkswirtschaften die Möglichkeit genommen, sich zumindest zeitweilig durch die Abwertung einer eigenen Währung zu schützen. Die daraus resultierenden Krisen dämpfen den Kurs des EU-Gelds, wodurch die Ausfuhren aus der europäischen Gemeinschaft begünstigt werden, letztlich aber wieder vor allem die aus der Bundesrepublik. Deren Partner in der Europäischen Union werden durch Trumps Gegenmaßnahmen mitbetroffen, was ihre Zuneigung zu Deutschland auch nicht gerade erhöht.

Gewiss geht es nicht nur um die Bundesrepublik. Chinas Bekenntnis zum Freihandel resultiert aus den durchaus einseitigen Vorteilen, die es aus ihm zieht.

Für die USA galt dasselbe. Sie standen voll hinter dem Washington Consensus von 1990, der insbesondere die verschuldeten Länder Lateinamerikas unter das Diktat eines Freihandels zwingen sollte, bei dem die Vereinigten Staaten sich als künftigen Sieger sahen. Der Haken: Sie hatten nicht nur Schwächere unter, sondern auch aufstrebende Gleiche und vielleicht Stärkere gegen sich. Das war ebenfalls Ergebnis des Freihandels. Dieser scheitert nicht an Trump, sondern an sich selbst. Der US-Präsident stößt, was schon fällt.

Georg Fülberth lebt in Marburg an der Lahn. Er war an der dortigen Universität Professor für Politikwissenschaften. Sein „Seziertisch“ erscheint in Lunapark21 seit der ersten Ausgabe Anfang 2008.