„You can do anything“

Die gescheiterte Revolution des Donald Trump

Er war kein Intellektueller. Die Presse und seine eigenen Parteigenossen hatten ihn zunächst als ungebildet und als Gaukler verachtet, als Präsidentschaftskandidat hätte er keine Chance. Aber er besaß den Instinkt für die Stimmung und die Wünsche der einfachen Leute und verstand es, zu begeistern.

Und er wusste, wer Schuld daran trüge, dass Amerika auf der Weltbühne geschwächt erschien und dass die ausländische Konkurrenz seiner Wirtschaft zusetzte: das Establishment in Washington. Mit seinem Ruf „Make America Great Again“ fand er den werbewirksamen Ausdruck für die Sehnsüchte einer großen Zahl von Menschen und gewann die Wahl.

Als Präsident arbeitete er wenig, legte großen Wert auf Freizeit. Komplexen Argumenten seiner Berater war er nicht zugänglich. Er verbreitete dreist Unwahrheiten und log über Gefahren der Umweltverschmutzung. Er ließ Kontrollen und Reglementierungen von Banken und Fabrikation aufheben, senkte die Steuern für Reiche und für große Unternehmen. Und dennoch wurde Ronald Reagan wiedergewählt. Der 40. Präsident der USA startete seine zweite Amtszeit 1985, nachdem er in 49 von 50 Bundestaaten gesiegt hatte.

Donald Trump, die Nummer 45, hat sich von seinem Vorgänger manches abgeschaut. Auch an Haltung und Ton. Aber wenn Trump nicht weiter weiß, fängt er an zu brüllen und zu beleidigen, statt nur zu lächeln wie es sein Vorbild tat. Und wenn Reagan den Kopf während einer Rede zur Seite legte, wirkte er immer grundehrlich, während Trumps schiefes Haupt Verschlagenheit signalisiert. Der eine war gelernter Schauspieler, der andere ist ein Narziss.

Trump wollte aber nicht nur Epigone sein. Was er sich vorgenommen hatte, war nicht weniger als eine Revolution. Er rühmte sich, ein Genie als Geschäftsmann zu sein. Der Deal mit dem größtmöglichen Erfolg sollte Ideal und Modell für wirtschaftliches und politisches Handeln sein. Und so, wie Trump für jeden Deal bereit war, härteste Bandagen anzulegen, so stieß er auch als Politiker maximale Drohungen aus, wenn er es für opportun hielt, zum Entsetzen der Welt.

Regeln, Gesetze, Institutionen, alles was einem maximalen Profit entgegenstand, hätte geschleift werden sollen. Globale Erwärmung gab es nicht, Pandemie war eine Gemeinheit der Chinesen aber harmlos, Naturschutz überflüssig. Internationale Abkommen, zustande gebracht in mühevoller Arbeit vieler Jahre, brach er. Organisationen verweigerte er die Beiträge und ließ die USA aussteigen. Rüstungskontrollvereinbarungen kündigte er.

Jeden Kritiker und jede Kritikerin seiner Maßnahmen zieh er der Lüge. Die Presse, mit Ausnahme des ihm ergebenen Senders, verunglimpfte er fortgesetzt als Lügen verbreitend. Mitglieder seiner Administration, die ihm nicht bedingungslos folgten, schmiss er reihenweise raus. Die ihm blieben, mussten seine Lügen vertreten und zu allem bereit sein, und die mehr als hundert, die dabei kriminell wurden, begnadigte er am Ende seiner Amtszeit.

Er bekundete seine Sympathie für die Machthaber autoritärer Staaten. Er bekundete seine Sympathie für rassistische Gewalttäter im eigenen Land und er ließ Tausende von Migrantenkindern von ihren Eltern trennen und einsperren.

Seine Geheimdienste diffamierte er, wenn ihre Erkenntnisse nicht seinem Interesse entsprachen. Informationen ausländischer Dienste setzte er gegen seine Konkurrentin Hillary Clinton ein. Den ukrainischen Präsidenten nötigte er, gegen Joe Biden zu intrigieren.

Er hat es geschafft, das Justizministerium, das eigentlich für eine unabhängige Anwendung der Gesetze des Landes sorgen sollte, und den Senat zu korrumpieren.

Er schwang die große Abrissbirne, radikal wie es die Vereinigten Staaten noch nicht gesehen hatten. Mit Lügen spaltete er die Gesellschaft, hetzte Teile gegeneinander auf zum Zweck seiner Machterhaltung. Wären Abgeordnete dem Mob während der Erstürmung des Kapitols am 6. Januar in die Hände gefallen, Strick und ein Galgen waren vorbereitet, hätte Trump den Notstand ausrufen, die Zertifizierung der Wahl verhindern und den Kongress entmachten können. Das Märchen, in Wahrheit habe er die Wahl gewonnen, wäre Gesetz geworden. „Grab them by the pussy. You can do anything.“

Donald Trump war alles andere als ein Bewahrer, alles andere als ein Konservativer. Er hat die demokratischen Institutionen als eine einzige Verschwörung gegen das Volk dargestellt. Sein Ziel war es, den Staat zu zerstören, alles abzuräumen, was einem best deal entgegensteht. Er war kein Fechter für die Aufrechterhaltung kapitalistischer Produktionsweise. Deren Regeln waren ihm im Wege.

Four More Years, und er hätte die USA in eine Kleptokratie verwandelt, gelenkt von einer Mafia aus Behörden und Bossen. Er hat es nicht geschafft, amazing grace.


Unitary Executive: Eine unterhaltsame Theorie

Die Machtfülle des Präsidenten der USA gründet auf dem zweiten Verfassungsartikel, über dessen Auslegung unter Juristen aber gestritten wird. Vor allem George W. Bush hat den Text zu seinen Gunsten ausgereizt oder, genauer gesagt, sein Vizepräsident Dick Cheney hat Bush zu unerhörter Befehlsgewalt verholfen.

Das historisch wichtige Kapitel präsentiert äußerst amüsant der Film „Vice – Der zweite Mann“. Christian Bale und Amy Adams faszinieren über zwei Stunden als zielstrebiges Ehepaar Cheney. Entzückend dargestellt ist George W. Bush, und wer Machiavelli nicht lesen mag, bekommt von Donald Rumsfeld alles Nötige mitgeteilt. Den Film von Adam McKay aus dem Jahr 2018 gibt es natürlich auf DVD.

Der Streit unter den Rechtsgelehrten dreht sich um die „Theorie der zentralisierten Exekutive“, in deren extremer Interpretation der Präsident jede Führungsperson sämtlicher Exekutiv-Abteilungen nach Belieben feuern darf, was ihm ermöglicht, den gesamten Apparat der Exekutive neu zu organisieren und auf unbedingte Gefolgschaft zu trimmen. Unterstützt wird die Position durch eine Rechtsauslegung, nach der keine Abteilung der Exekutive eine andere verklagen kann, da unter dem Primat der zentralen Exekutive diese sich nicht selbst anklagen könne. Gestützt auf eine solche Argumentation hat Cheney die Entscheidung zum Irakkrieg und die Anordnung von Foltermethoden bei Gefangenenverhören legitimiert.

Die Gegenposition unter den Juristen erkennt die zentrale Exekutive unter dem Präsidenten in Hinblick auf den Kriegsfall an, bestreitet ihm aber den absoluten Zugriff auf die Abteilungen in normalen Zeiten. Lange Rede, kurzer Sinn, am Ende hängt es von den Gerichten ab, wer womit durchkommt. Richard Nixon kam 1974 nicht durch und musste seine Tonbänder rausrücken. André Geicke