Aus: Lunapark21, Heft 35
Wenn man manchen liberalen Medien – und auch einigen linken Kommentaren – glauben könnte, dann ist die politische Krise in der Türkei, die spätestens seit dem Sommer 2015 offensichtlich wurde und zuletzt in Putschversuch und Ausnahmezustand kulminierte, eine gänzlich unerwartete Überraschung: Die Ökonomie war wohlauf, in der Kurdenfrage lief alles bestens und in der Außenpolitik erst recht, das Land wurde immer und immer demokratischer – ehe sich ganz plötzlich alles änderte. Ist eine solche Geschichte plausibel? Waren die 14 Jahre AKP-Regierung „Aufstieg und Fall“ eines Entwicklungsmodells? Oder waren die ersten zehn Jahre der Regierung Erdoğan vielleicht doch nicht die Erfolgsgeschichte, für die sie nunmehr gern verkauft werden? Wo sind in dieser Geschichte die Klassen, die ökonomische Abhängigkeit der Türkei von den imperialen Mächten (USA und EU) und die blutigen Auswirkungen der Kriege im Mittleren Osten?