Nochmals zurück zu Donald in Davos

Oder: Ein aufschlussreiches Protokoll

Ein überwiegend satirisch verfasster Bericht, den Urs-Bonifaz Kohler für die aktuelle Ausgabe von Lunapark21 (Heft 41) schrieb und der den Auftritt des Siemens-Chefs Joe Kaeser bei einem Empfang, den US-Präsident Donald Trump am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos gab, zum Thema hatte, hatte für diese Zeitschrift unangenehme Folgen. Die Redaktion musste den Beitrag von der Website nehmen, dafür Sorge tragen, dass in Suchmaschinen die entsprechende Passage in dem Artikel nicht mehr auftaucht (wir lernen dazu: Es gibt eine unmittelbar wirkende „Suchmaschinenindexierung“ – ein Vorgang, der jedoch bei Facebook & Co. oft Wochen dauert…). In den Heften, die noch nicht ausgeliefert waren, nahmen wir auch eine „Korrektur“ in Form einer „Filzstift-Indexierung“ vor.

Inzwischen gibt es ein Protokoll des Davos-Empfangs des US-Präsidenten. LP21-Autor Kohler hat es ausgewertet. Er gelangt zu dem Ergebnis: „Fürwahr ein Dokument der Zeitgeschichte“. 

Wow! 10 Seiten Wortprotokoll eines Treffens des ziemlich mächtigsten Politikers des Planeten mit 15 ziemlich mächtigen europäischen Wirtschaftsbossen. Die sich auch als ziemlich beste Freunde ausgeben. Ein Protokoll, das öffentlich zugänglich ist – publiziert von „The White House – Office of the Press Secretary“. Die Mitschrift ist offensichtlich nicht autorisiert von der Tafelrunde, die sich an diesem Januar-Tag mit König Donald trafen.[1] An 26 Stellen im Protokolls – und immer bei Passagen, die den Knappen zugeschrieben werden; nie bei König Donald selbst – heißt es „inaudible“ [unverständlich]. Im Fall einer Autorisierung hätten die Betreffenden das Fehlende sicher überwiegend nachgetragen. Sollte offensichtlich nicht sein. Im Kopf des Protokoll steht gar „for immediate release“.

Da ist dieses bizzare Filmchen vom Juni letzten Jahres, als es in Washington bereits einmal eine vergleichbare Show gab: Damals stellte Trump sein Männer-Kabinett vor. Einer nach dem anderen polterte, flötete oder nuschelte – wörtlich oder sinngemäß – „big honour to be here“. Vize Pence buckelte förmlich: „Es ist das größte Privileg meines Lebens, diesem Präsidenten zu dienen“. In einem Kommentator der Basler Zeitung war die Rede von einer „nordkoreanischen Kultur“, die nun „im Polit-Zirkus von Washington“ eingeführt werde. Nun gab es halt sieben Monate darauf nordkoreanische Kultur in Davos. Wobei bei beiden Treffen derselbe Mann den Kim Jong Un gab. Oder eben König Donalds Tafelrunde.

In den ersten Minuten des Davos-Treffens darf der WEF-Organisator Schwab noch moderieren. Trump spricht ihn mal als „Professor“, mal kumpelhaft mit „Klaus“ an. Doch bereits nach wenigen Minuten ist Trump in Doppelfunktion aktiv: als Moderators und als Triumphators. Er lässt einen Knappen nach dem anderen auftreten, um zu huldige und die Gaben zu überbringen. Das Ganze wirkt wie in eine low-budget-soup opera; „House of Cards“ ist damit verglichen Hochkultur. So gut wie alle Firmenbosse erklären, dass sie vor allem in den USA produzieren. Kasper Rorsted von Adidas sagt beispielsweisen: „Amerika ist unser größter Markt. Und wir [unverständlich] 30 Prozent in den USA. Einige unserer besten Produkt-Designer sind US-Bürger. Gerade eröffneten wir eine voll automatisierte Schuh-Produktionsstätte in Atlanta im Bundestaat Georgia.“ Trumps Kommentar dazu „Great job!“. Das passt irgendwie nicht auf „vollautomatisierte Fabrik“. Aber sei´s drum.

Hiesinger von ThyssenKrupp ganz ähnlich: „Wir sind in unserem Aufzugs-Geschäft stark auf die USA konzentriert. 80 Prozent beruhen dabei auf lokaler, auf US-Fertigung. Besonders stolz sind wir, dass wir alle Aufzüge im Freedom Tower [dem höchsten Gebäude in New York] haben.“ Trumps Kommentar: „Wow!“

Genauso macht es Mark Schneider von Nestlé, der Vertreter unseres Großunternehmens, der auch gleich noch die Firmengeschichte amerikanisiert: „Was nur wenige Leute wissen: Nestlé wurde mit gegründet von amerikanischen Brüdern, die nach dem Bürgerkrieg in die Schweiz auswanderten. Heute beschäftigen wir 50.000 Menschen in 77 Fabriken in den USA. Fast alles, was wir verkaufen, stammt aus den USA selbst.“ Da haben wir´s! Das mit der Globalisierung ist alles bullshit – „everything is locally made“.

Im Durchschnitt erhält jeder Top-Manager 90 Sekunden Redezeit. Ok, Siemens-Joe erhielt deutlich mehr. Und beim Deloitte-Boss und dem Adidas-Top-Mann waren es gerade mal 15 bzw. 20 Sekunden. Eben Twitter-Formate. Am Ende von jedem Firmenchef-Auftritt hat immer König Donald das letzte Wort. Wobei sein Wortschatz ausgesprochen überschaubar ist. Zu Joe Kaeser, Siemens: „Oh, that´s a big thing! That´s very big. That´s fantastic!“ Zu Mr. Renjen, Deloitte: „Great company! Great job!“ Zu Mr. Suri, Nokia: “Appreciate it!” Zu Mr. Rorsted, Adidas: „Fantastic – great job!“ Zu Baumann, Bayer: „That´s really great! I take one [Aspirin] a day. I only take Bayer!“. Zu Mr. Tucker, HSBC: ”You people have done what you have done. Congratulations!” Zu Mr. Pouyanne, Total: „Appreciate it“. Zu Mr. Hiesinger, ThyssenKrupp: „Great! Great product! I have used your product!” [gemeint: Thyssen-Aufzüge]. Zu Mr. Saetre, Statoil: „Great job you´ve done!“ Zu Mr. Narisimhan, Novartis: “That´s very good!“ Zu Mr. Spiesshofer, ABB: „Sounds good! You´ll be just fine!“ Zu Mr. Brito, Anheuser-Busch InBev: „That´s fantastic! That´s good!“ Zu Mr. McDermott, SAP: „I want to congratulate you!“.

König Donalds Schlusswort ist dann verglichen mit den Einzelstatements geradezu überbordend. Es lautet: „Ich möchte mich bei allen bedanken! Sie leisten wirklich eine unglaubliche Arbeit; unglaubliche Jobs! Mit die größten Unternehmen der Welt; viele große Unternehmen der Welt. Und Gratulation!“[2]

Die Auftritte im Einzelnen sind überwiegend belanglos. Es gibt jedoch auch Interessantes. So hatte der Siemens-Chef dort das neue Engagement zur Entwicklung von Gasturbinen in den USA sogar als eine Folge von Trumps Steuerreform dargestellt.[3]

Skuril dann der Auftritt von Martian Lundstedt. Dieser wird vorgestellt als „president of the Volvo Group“. Mr. Lundstedt: „Wir sind stolze Besitzer von Mack Trucks“, dem US-Hersteller von schweren Lastwagen. Trump dazu: „Genau! Und die sind zu 100 Prozent US gefertigt.“ Es kommt zu einem Minidialog zwischen König und Knappe. Donald will wissen, welche Preisunterschiede es zwischen einem Mack Trucks und einem vergleichbaren Volvo-Lkw gibt. Knappe Lundstedt antwortete mit „both great“; irgendwie koste aber ein Mack „15 Prozent mehr“. Doch was alle in der Tafelrunde wissen, wird brav ausgespart: Vier Wochen zuvor ist der chinesische Autobauer Geely bei der Volvo Group eingestiegen; seit Ende 2017 ist der chinesische Milliardär Li Shufu mit Geely der größte Einzelaktionär von Volvo Group. Geely hatte ein Jahrzehnt zuvor bereits die Pkw-Sparte von Volvo komplett erworben – und erfolgreich saniert. Damit ist die Wiedervereinigung der beiden aufgespaltenen Volvo-Abteilungen, das Pkw- und das Lkw-Geschäft zu einer ernsthaften Option geworden, allerdings dann unter chinesischer Kontrolle. Womit allerdings auch Mack Trucks chinesisch werden würde. Gut vorstellbar, dass da Trump dann sein persönliches Veto einlegen würde. Let´s make Mack great again.

Recht offenherzig ist dann Bill McDermott von SAP. Nach den üblichen Floskeln über das Engagement des Software-Konzerns in den USA, sagt dieser: „Wir sind stolz mit ihnen [die Projekte] zu teilen, wenn Sie an die Army und die Navy denken und an alle diese Missionen, die diese am Laufen haben, um die Welt zu schützen. Sie laufen alle mit SAP.“

Eingangs von König Donalds Tafelrunde hatte Joe Kaeser sich mit den Worten vorgestellt: „Offensichtlich arbeite ich für Siemens.“ Da geruhte doch König Donald zu scherzen: „When he says he works for Siemens – he´s the president of Siemens! – Wenn er sagt, er arbeitet für Siemens … Er ist der Siemens-Chef!“ Joes Replik: „But don´t you work for your country? – Aber arbeiten Sie nicht für Ihr Land?“ Weiter im Protokoll-Wortlaut: „THE PRESIDENT: Yeah! We work for our country. That´s right. (laughter).“

König Donald und seine Tafelrunde lachten da gar herzlich.

Anmerkungen der LP21-Redaktion:

[1] Anwesend waren – in der Reihenfolge ihrer Auftritte: (1) Joe Kaeser (Siemens), (2) Puni Renjen (Deloitte), (3) Mark Schneider (Nestle), (4) Rajeev Suri (Nokia), (5) Martian Lundtstedt (Volvo), (6) Kasper Rorsted (Adidas), (7) Werner Baumann (Bayer), (8) Mark Tucker [Bank] HSBC), (9) Patrick Pouyanne (Total), (10) Heinrich Hiesinger (ThyssenKrupp), (11) Edgar Saetre (Statoil), (12) Vasant Nahrasimhan (Novartis), (13) Ulrich Spiesshover (ABB), (14) Brito (Anheuser-Busch InBev, (15) Bill McDermott (SAP).

[2] Im Original: „I want to thank everybody. Really, you have done incredible work, incredible jobs! These are some of the great companies of the world, many of the great companies of the world. And congratulations!”

[3] Kaeser laut Protokoll: “And since you have been successful with tax reform, we decided to develop next generation gas turbines in the United States. – Und da Sie mit Ihrer Steuerreform Erfolg hatten, trafen wir die Entscheidung, die nächste Generationvon Gasturbinen in den USA zu entwickeln.”

Originaldokument mit dem gesamten Tafelrunden-Wortlaut : https://translations.state.gov/2018/01/26/remarks-by-president-trump-to-the-world-economic-forum/