Harmloser „Vermögensverwalter“?

BlackRock als Finanzkrake und Organisator von Netzwerken

Der häufigste und größte Aktionär in Unternehmen am Standort Deutschland ist der US-Finanzakteur BlackRock Inc. Das hatte sich während der Kanzlerschaft von Angela Merkel (CDU) still und konsequent angebahnt. Erst als sich der ehemalige CDU-Politiker Friedrich Merz, Vorstandsvorsitzender der BlackRock Deutschland AG, im November 2018 plötzlich um den CDU-Vorsitz bewarb, wurde in deutschen Medien gefragt: Wer und was ist BlackRock? Der Multimillionär Merz selbst, aber auch die deutschen Leitmedien, präsentierten BlackRock als freundlichen, eher passiven „Vermögensverwalter“.

Tatsächlich ist BlackRock die größte Schattenbank der Welt, Lobbyist der Superreichen, Verkäufer krisenverursachender Finanzprodukte, größter Organisator von Briefkastenfirmen, Lobbyist für die Privatisierung von Renten und Mietwohnungen, Finanzier von politischen Einfluss-Netzwerken. Blackrock dereguliert Unternehmen, das Finanzsystem und die Politik der wichtigsten westlichen Staaten.

Die größte Schattenbank der Welt

BlackRock zählt zu den Schattenbanken, so die Einstufung durch den Internationalen Währungsfonds (IWF) und die westlichen Finanzaufsichtsbehörden.

Schattenbanken gelten nicht als Banken und unterliegen nicht den Bank- und Wettbewerbs-Regulierungen. Die Schattenbanken, zu denen Blackrock und einige Dutzend ähnliche Kapitalorganisatoren wie Vanguard, State Street, Capital Group, Wellington und T Rowe Price gehören, agieren in einer rechtlichen Grauzone.

BlackRock ist der größte Kapitalorganisator der westlichen Welt. Das eingesetzte Kapital von 6,4 Billionen US-Dollar beträgt das Doppelte des Bruttoinlandsprodukts, das die größte europäische Volkswirtschaft, Deutschland, im Jahre 2017 erwirtschaftet hat. Während das deutsche BIP dahindümpelt und gegenwärtig schrumpft, expandiert BlackRock sehr schnell: Hier besteht ein ursächlicher Zusammenhang.

Die Erfindung eines neuen Finanzprodukts

BlackRock-Gründer Lawrence Fink entwickelte an der Wall Street das neue Finanzprodukt, das später weite Verbreitung fand und zur Finanzkrise 2008 führte: Immobilien- und andere langlaufende Kredite in größerer Zahl bündeln, zu einem Wertpapier machen und weiterverkaufen. Die spekulativen Hypothekenpapiere wurden zu einem führenden Finanzprodukt. Es wurde von zahlreichen Banken übernommen, von Wirtschaftsprüfern testiert, von der US-Finanzaufsicht abgenickt, von den US-Ratingagenturen bestens bewertet und auch von EU-Banken wie der Deutschen Bank und deutschen Landesbanken gierig aufgegriffen und weiterverkauft. Bis 2008 wuchs so das eingesetzte Kapital von BlackRock auf 1,3 Billionen Dollar.

Größter Organisator von „dark pools“

BlackRock ist ein aktiver Deregulator. BlackRock ist zwar Großaktionär aller großen regulierten Börsen wie in Frankfurt, London und New York. Gleichzeitig betreibt BlackRock „dark pools“, dunkle, unregulierte Handelsplätze. Hier können Banken, Unternehmen, Versicherungen und sonstige Finanzakteure Aktien und sonstige Wertpapiere untereinander handeln. Die Teilnehmer dieser okkulten Parallelwelt bleiben anonym. Etwa 40 Prozent aller Aktiengeschäfte in den USA werden über dark pools abgewickelt.

Aufstieg mit der Finanzkrise

BlackRock hatte die Finanzkrise mitverursacht, wurde aber von der US-Regierung unter Präsident Brack Obama ab 2008 für die staatliche Rettung der Banken, auch diejenige des weltgrößten Versicherungskonzerns American International Group (AIG), beauftragt. AIG hatte die neuen „Wertpapiere“ gegen Gebühr versichert, konnte dann aber nicht zahlen. Anstatt AIG zahlte nun der US-Staat auch an europäische Banken wie die Deutsche Bank Milliarden an Entschädigung. BlackRock entschied über die Verteilung des Geldes und erhielt für die Abwicklung 180 Millionen Dollar Honorar.

Diese 180 Millionen waren peanuts. Denn BlackRock war mit dem Auftrag Top-Insider der westlichen Wirtschaft, bekam günstige Kredite und kaufte den Pleitebanken mit hohen Abschlägen Wertpapiere ab, die sie abgeben mussten. So war schon 2009 das eingesetzte Kapital auf 3,3 Billionen Dollar hochgeschnellt. Danach gingen die Aufkäufe von regulären Unternehmens-Aktien in den USA und weltweit weiter.

Gegenwärtig ist BlackRock über Aktienanteile weltweit Miteigentümer von knapp 18.000 Unternehmen. Dazu gehören 438 der 500 größten US-Konzerne, auch die Digitalgiganten Amazon, Google, Facebook, Apple und Microsoft, die meisten Banken der Wall Street und Westeuropas, die wichtigsten westlichen Rüstungs- und Chemiekonzerne wie Lockheed, BAE-Systems und Rheinmetall, Fluglinien wie Lufthansa und Ryan Air, die Konzerne der fossilen Energie wie RWE, Autokonzerne wie General Motors und Daimler, die größten privaten Gefängnisbetreiber, und in Deutschland buchstäblich alle DAX-Konzerne.

Agent einer superreichen Kundschaft

BlackRock arbeitet mit dem Kapital von Superreichen, Multimilliardären und Multimillionären. Die werden als High Net Worth Individuals (HNWI) und Ultra High Net Worth Individuals (UHNWI) bezeichnet. Unternehmer, Unternehmerclans, Topmanager, aber auch Unternehmensstiftungen, Pensionsfonds und Versicherungen gehören zur Kundschaft und erwarten hohe Gewinne.

Dafür agiert Blackrock auch als der weltweit größte Organisator der Steuervermeidung. Das ist nicht nur den Leitmedien, sondern auch den investigativen Journalisten der Süddeutschen Zeitung und des International Consortiums of Investigative Journalists (Luxemburg Leaks, Panama Papers, Paradise Papers) bisher nicht aufgefallen.

Wenn die HNWI- und UHNWI-Kunden ihre Millionen BlackRock anvertrauen und der Kapitalorganisator damit z.B. die 7,86 Prozent der E.ON-Aktien zusammenkauft und damit zum größten Eigentümer des „deutschen“ Energiekonzerns wird, dann lässt BlackRock allein für diesen Zweck 152 BlackRock-Briefkastenfirmen gründen. Sie sind über ein Dutzend Finanzoasen verteilt: In Wilmington im winzigen US-Bundesstaat Delaware – dort hat Blackrock selbst seinen rechtlichen Sitz -, in Luxemburg, den Niederlanden, auf der britischen Insel Jersey, in Singapur usw.

Einfluss-Instrumentarium in den Unternehmen

BlackRock hält in der Regel zwischen drei und zehn Prozent der Aktien eines Unternehmens. Aber BlackRock bildet immer mit Vanguard, State Street, Capital Group usw. mit zusammen zwischen 30 bis 40 Prozent den weitaus größten Block.

Zur Vermeidung des Eindrucks, dass sie sich öffentlich abstimmen, beauftragen und bezahlen BlackRock&Co die Abstimmungsberater ISS Corporate Solutions und Glass Lewis.

BlackRock scheut die Öffentlichkeit in den Aktionärsversammlungen und bleibt dort unsichtbar. „Wir nehmen Einfluss im Hintergrund“, verriet 2015 Deutschland-Chef Christian Staub der FAZ. „Wir sprechen nicht auf Hauptversammlungen oder stellen dort Anträge… Wir tauschen uns direkt mit Vorstand und Aufsichtsrat aus.“

Geschäftsmodell: Aktien als Spekulations-Material

BlackRock wartet nicht, wie die Quandts bei BMW auf die jährliche Dividende. Für BlackRock sind Aktien die Basis für ganz andere Geschäfte. Dazu gehört das Verleihen im großen Stil gegen Gebühr an Banken und andere Kunden. Damit wurden etwa die Cum-Ex-Betrügereien ermöglicht.

Zudem wettet BlackRock als größter Unternehmens-Insider der westlichen Wirtschaft auf jede Bewegung seiner Aktien, sei es nach unten oder nach oben. Als größter Insider der westlichen Wirtschaft kann BlackRock die Bewegung der Aktienwerte selbst verstärken, durch dosierte Käufe und Verkäufe.

An einem Stichtag im November 2018 wettete Blackrock mit einem Einsatz von 178 Millionen Euro auf den Abstieg der Aktien von 15 Unternehmen in Deutschland, an denen Blackrock Aktien hält: Software AG, Südzucker, K+S, Siltronic, GFT Technologies, Alstria, GerryWeber, Deutsche Euroshop, ADVA, RIB Software AG, Zooplus, Jost Werke, Stratec Biomedical, SLM Solutions GRP, ElringKlinger.

Die größte Finanzdaten-Verarbeitungs-Anlage

Dazu betreibt die größte Schattenbank der Welt auch die größte Finanzdaten-Verarbeitungsanlage der westlichen Wirtschaft: Aladdin. Mit Aladdin werden im Nano-Sekundenbereich alle Aktienwerte in allen Börsen der Welt untereinander abgeglichen. Durch roboterisierte millionenfache Käufe und Verkäufe werden Millionengewinne generiert, selbst wenn die Aktienwerte sich nur zwei Stellen hinter dem Komma unterscheiden. Aladdin übernimmt auch Aufträge für andere Kapitalorganisatoren, Banken, Versicherungen und auch Zentralbanken.

Wie BlackRock die Finanzaufsicht umgehen kann

So kann BlackRock das bisschen Regulierung, das es gibt, unterlaufen. Die deutsche Finanzaufsicht Bafin verhängte 2015 gegen BlackRock eine Geldbuße von 3,25 Millionen Euro, die höchste Geldbuße, die die Bafin jemals verhängt hat. BlackRock hatte bei Käufen und Verkäufen eigener DAX-Konzerne-Aktien die Meldepflichten nach § 21, 22 und 25 Wertpapierhandelsgesetz verletzt. Die Verletzungen hatten 2013 stattgefunden. Für dieses Jahr hatte die Bafin eine aufwendige stichprobenartige Prüfung durchgeführt.

Solche Verletzungen von Meldepflichten, wenn also die Konkurrenz zu spät von Aktienkäufen und -verkäufen erfährt, sind für BlackRock gewinnsteigernd. BlackRock zahlte die Geldbuße aus der Portokasse der deutschen Niederlassung. Die Bafin ist personell und technisch nicht in der Lage, die zahlreichen, meist roboterisierten Bewegungen von BlackRock-Aktien zu kontrollieren.

BlackRocks „Volksaktie“ als private Rente

Mittlerweile haben BlackRock&Co auch etwas für das „Volk“ entwickelt – das Volk soll für Notlagen vorsorgen: Aktien kaufen! Das populistische Finanzprodukt heißt ETF, Exchange Traded Fund, börsengehandelter Fonds. Eine besonders „volksnahe“ Variante von ETF sind iShares. Sie sind eine Wette auf die Entwicklung von Aktien-Indizes wie den deutschen DAX und den US-Index S&P500. Solche Scheine sind schon ab tausend Euro zu kaufen.

Auch in Deutschland wirbt BlackRock: „Die gesetzliche Rente reicht nicht mehr aus.“ Sie müsse privat aufgestockt werden, z.B. durch ETF/iShares. Dazu präsentiert BlackRock auf seiner Website Fotos von weißhaarigen, braungebrannten Rentnern und Rentnerinnen, die sorglos an südlichen Gestaden im strahlend blauen Meer planschen.

Politisches Netzwerke

BlackRock bildet politische Einfluss-Netzwerke in allen wichtigen Staaten.

BlackRock erhielt von Obama den Auftrag für die Koordination der Bankenrettung. Der BlackRock-Chef Laurence („Larry“) Fink galt als möglicher Finanzminister der Präsidentschaftskandidatin Clinton. BlackRock holte sich Mitglieder der Obama-Regierung in das Management. Nach anfänglicher Kritik an Trump lobte Fink: „Trump ist gut für die US-Wirtschaft und auch für die globale Wirtschaft.“ Das Political Action Committee (PAC) von BlackRock bespendet in Washington Abgeordnete beider Parteien. Dabei geht man ganz opportunistisch vor: Unter Obama wurden vorrangig die Demokraten bespendet, aktuell, mit Trump als US-Präsident, werden die Republikaner bevorzugt.

In Europa holte Fink als Einflussagenten etwa den Ex-Präsidenten der Schweizer Zentralbank, Philipp Hildebrand, in den internationalen Aufsichtsrat.

2016, gleichzeitig mit der Berufung von Merz zum Vorsitzenden des BlackRock Deutschland AG-Aufsichtsrats wurde Jean-Francois Cirelli zum Präsidenten von BlackRock Frankreich ernannt. Der Topmanager von Gaz de France war seit den Zeiten der Präsidentschaf von Jacques Chirac als Privatisierer der französischen Energiewirtschaft aktiv. Der britische Ex-Finanzminister der Tories, George Osborne, bekommt jährlich 750.000 Euro für einen Tag Lobbyarbeit pro Woche, u.a. für Steuersenkungen zugunsten von BlackRock-Finanzprodukten.

Für Vorstandsfunktionen in Deutschland greift BlackRock v.a. auf Führungspersonal regierungsnaher Unternehmen zurück. Christian Staub von Allianz/PIMCO wurde Deutschland-Vorstandschef von BlackRock, gleichzeitig verantwortlich für die Schweiz, Österreich und Osteuropa. Ihm folgte 2018 Dirk Schmitz von der Deutschen Bank. Ex-Deutsche Bank-Chef Jürgen Fitschen wurde 2018 Aufsichtsratschef des von BlackRock&Co beherrschten Wohnungskonzerns Vonovia.

Politisches Netzwerk: Europäische Kommission und EZB

Die Blackrock-Vertretung in Brüssel verzehnfachte seit 2011 bis 2018 ihre Lobby-Ausgaben von jährlich 150.000 Euro auf 1,5 Millionen Euro. Die Anti-Korruptions-Organisation Transparency International rechnete vor, dass sich EU-Finanzkommissar Jonathan Hill 2015/2016 mit Lobbyisten keines Finanzkonzerns so oft getroffen hat wie mit BlackRock. Die Organisation Finance Watch konstatiert, dass Kapitalorganisatoren wie BlackRock viele Millionen investieren, um Entscheider mit langen Stellungnahmen zu überhäufen und zu Veranstaltungen einzuladen, „um die Risiken ihrer Geschäfte kleinzureden.“

Die Brüsseler BlackRock-Lobbyisten unter Führung des britischen Ex-Finanzministers Osborne haben erreicht, dass die Europäische Kommission 2018 eine Verordnung zur privaten Rentenversicherung vorgelegt hat.

Mietexplosion in deutschen Städten

BlackRock&Co sind inzwischen die größten Eigentümer von privaten Wohnungskonzernen in Deutschland: LEG in Nordrhein-Westfalen mit 130.000 Mietwohnungen, Deutsche Wohnen mit 163.000, Vonovia mit 400.000 – in diesen drei Großunternehmen ist Blackrock der Hauptaktionär.

Vonovia&Co setzen auf „Schwarmstädte“: Sie kaufen, betreiben, modernisieren und wandeln Wohnungen in Eigentumswohnungen um, und zwar dort, wo der Zuzug und die Wohnungsnot am größten sind. Vonovia erhöhte den Gewinn für seine Aktionäre für das Jahr 2017 um 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr, ebenso für das Jahr 2018. So befördert BlackRock die Mietpreisexplosion in Deutschland und die Verarmung und Vertreibung vieler bisheriger Mieter und Familien.

Vonovia hat die Nebenkosten als zusätzliche Gewinn-Maschine ausgebaut. Den bisherigen Dienstleistern für Hauswartung, Gartenpflege, Heizungs- und Warmwassermessung, Reparaturen, Winterdienst und TV/Internet wurde gekündigt. Vonovia hat eigene Tochterfirmen gegründet. Aus zahlreichen Städten wie Berlin, Hamburg, Dresden, Hannover, Potsdam, Köln und Magdeburg melden Mietervereine: Durch das „Insourcing“ setzt Vonovia überhöhte Kosten an. Die Gewinne der Tochterfirmen stiegen laut Geschäftsbericht 2017 um 80 Prozent.

Monopolbildung, Rüstungsengagements und Billiglöhnerei

BlackRock&Co organisieren mithilfe ihrer gleichzeitigen Miteigentümerschaften Monopole: nicht nur bei Wohnungen, sondern auch bei Fluglinien, bei Banken und in zahlreichen Industriebranchen, zuletzt bei Bayer und Monsanto.

BlackRock, Miteigentümer der größten Rüstungkonzerne in den USA, in der EU und in Deutschland, profitiert von den wachsenden Rüstungsexporten etwa des Rheinmetall-Konzerns an kriegführende und völkerrechtsverletzende Staaten wie Saudi-Arabien.

BlackRock ist Großaktionär etwa des Weltkonzerns Amazon, der weltweit besonders aggressiv Gewerkschafts-, Arbeits- und Menschenrechte missachtet. Ähnlich organisiert Ryan Air Niedriglöhnerei für Kabinenpersonal und auch für Piloten, die als Leiharbeiter eingesetzt werden.

BlackRock ist nach dem Staat der größte Aktionär bei der Deutschen Post DHL. Die Bundesregierung hat erklärt, dass sie keinen Einfluss auf die Geschäfte nimmt. Die Deutsche Post beging 2015 Tarifflucht, brach überfallartig eine Vereinbarung mit der Gewerkschaft ver.di und zog mit Hilfe von McKinsey 49 vorgegründete Delivery-Tochterfirmen aus der Tasche. Bisher befristete Post-Beschäftigte bekamen das erpresserische Angebot, in diese Firmen unbefristet zu wechseln, aber zu wesentlich niedrigerem Lohn.

Dazu ausführlich und mit Quellenangaben: Werner Rügemer: Die Kapitalisten des 21. Jahrhunderts. Gemeinverständlicher Abriss zum Aufstieg der neuen Finanzakteure. Köln 2018, Papyrossa-Verlag, 357 Seiten, 19,90 Euro