Argentinien ist ungleich Griechenland?

Aus: LunaPark21 – Heft 17

Zweifellos ist eine Gleichsetzung der argentinischen Erfahrung mit Griechenland problematisch. Es gibt erhebliche Unterschiede. Dennoch ist ein Vergleich sinnvoll. Es heißt, die öffentliche Verschuldung in Argentinien habe zum Zeitpunkt des Kollapses nur 54 Prozent des BIP betragen, die griechische läge inzwischen jedoch bei 165 Prozent. Daraus kann man schließen, dass Argentinien die – dann per haircut reduzierte – Schuld leichter abtragen konnte. Man kann daraus aber auch folgern, dass Griechenland keine Chance mehr hat, ohne radikalen Schnitt und ohne Abkopplung vom Euro aus der Schuldenfalle zu kommen.

Es heißt, Argentinien habe immer eine eigene Währung gehabt; Griechenland jedoch sei Teil des Euroraums. Tatsächlich jedoch hatte Argentinien den Peso seit 1991 fest an den Dollar gebunden („peg“) und musste, wie Griechenland, viele Jahre lang mit einer gemessen an der eigenen Wirtschaftskraft völlig überbewerteten Währung leben. Die Abkopplung vom Dollar und die Abwertung des Peso stellte auch in Argentinien einen radikalen Bruch dar.

Es heißt, Argentinien sei Exporteur landwirtschaftlicher Güter; insbesondere von Soja. Der Anstieg des Sojapreises nach der Peso-Abwertung habe wesentlich zum Aufschwung beigetragen. Doch die Tatsache, dass Argentinien Rohstoffexporteur ist, ist auf längere Sicht gesehen eher ein Nachteil. Das Land ist damit enorm von den Weltrohstoffpreisen und den terms of trade (Verhältnis von Import – zu Exportpreisen) abhängig ist. Dass das Hauptexportgut Argentiniens dann auch noch genveränderte Sojabohnen sind, kann ein spezifischer Grund dafür werden, dass dieser Export auch einmal zusammenbricht, beispielsweise wenn diese Genmanipulationen praktische negative Wirkungen zeitigen. Griechenland hat mit dem Tourismus eine Branche, die faktisch – hinsichtlich der Leistungsbilanz – eine ähnliche Wirkung wie die argentinischen Exporte hat. Die Krisenanfälligkeit der Tourismusbranche ist deutlich geringer als die Krisenanfälligkeit von Rohstoffexporten und die Sonne über Hellas könnte länger scheinen als Gen-Soja boomt. Insgesamt ist die Struktur der griechischen Wirtschaft mit Reedereien, Werften, landwirtschaftlichen Produkten und einer Verarbeitungsindustrie für solche landwirtschaftlichen Produkte nicht schlechter als die argentinische in den Jahren 1999-2001. Der Lebensstandard ist auch heute noch deutlich höher als in Argentinien 2001-2002 (als in Argentinien mehr als 50 Prozent ein Leben unterhalb der Armutsgrenze fristeten); Die Ausbildung der aktiven Bevölkerung befindet sich in Griechenland auf deutlich höherem Niveau als in Argentinien vor zehn Jahren oder heute.

Es heißt, Argentinien sei größer wie Griechenland. Das trifft ohne Zweifel zu. Allerdings wird die aktuelle Isolation von Griechenland in den nächsten Monaten relativiert und möglicherweise beendet werden; Portugal, Spanien, Italien, Irland und Ungarn sind die nächsten Kandidaten für eine Staatspleite. Wenn eine griechische Regierung eine bewusste Bündnispolitik in diese Richtung betreiben würde, wäre dies eine große Chance. Das aktuelle Diktat der Achse Berlin-Paris würde erheblich relativiert, zumal dann, wenn Sarkózy die Wahlen verliert. Dann würde sich umgekehrt die Lage in Griechenland deutlich besser darstellen als diejenige Argentiniens nach 2001, als sich das Land zunächst mehrere Jahre lang in extremer Isolation befand.

Es heißt, die griechische politische Klasse sei korrupt und gekauft; es gäbe dort keine Figuren wie die Kirchners. Vor zehn oder zwölf Jahren gab es kaum ein anderes Land auf der Welt mit einer derart korrupten politischen Führung wie die argentinische. Die ehemals national orientierte peronistische Partei, die auch die traditionelle Arbeiterbewegung und die Gewerkschaften dominierte, war eine Ausverkaufspartei mit enger Anbindung an IWF und Weltbank geworden. Die Kirchners wiederum waren keine Lichtgestalten. Néstor Kirchner war eine Provinzgröße, die niemand auf dem Schirm gehabt hatte. Es waren auch nicht die Nestors, die den Bruch mit dem IWF und den Großbanken bewirkt hatten. Es waren in erster Linie die Fabrikbesetzungen und die Straßenrevolten, die dazu geführt hatten. Néstor Kirchner musste zum Jagen getragen werden. Und Christina Kirchner verfolgt durchaus immer wieder einen Kurs der Anpassung – und stößt dabei auf den Widerstand derer, die die soziale Basis für eine Politik der Unabhängigkeit von den Finanzmärkten und von den internationalen Großkonzernen bilden (siehe Info zu Zanon).