Rasse k. o.

Nun haben selbst die Hunde den Rassismus im Stich gelassen – um es geschlechtsneutral auszudrücken. Und das, nachdem sich bereits die Neandertaler abgewandt haben.

Was ist geschehen? Forscher:innen befragten Hundebesitzer:innen, ob die äußeren Merkmale der Tiere mit deren Verhalten korrelieren. Am Ende hatten sie Informationen über mehr als 18.000 Hunde erhalten, von denen fast die Hälfte „reinrassig“ war. Durch Analyse des Erbgutes bekamen sie heraus, welche Bereiche im Erbgut mit bestimmten Eigenschaften der Tiere korrelieren. Aber keine dieser Erbgutabschnitte erwies sich als typisch für bestimmte Hunderassen, bei denen äußere Merkmale gezielt weitervererbt werden.

Fazit der Untersuchung des Teams um die Biologin und Hundeexpertin Elinor Karlsson an der Universität von Massachusetts in Worcester, die im Mai im Wissenschaftsjournal Science veröffentlicht wurde:

„Die Rasse sagt wenig über das Verhalten eines Hundes aus.“

Selbst also bei Rassen, die durch gezielte Zuchtwahl durch den Menschen nach den äußeren Merkmalen der Tiere entstehen, lässt sich nicht von dem Äußeren auf das Benehmen schließen. Kampfhunde können verschmust sein, angeblich familienfreundliche Collies bissig.

Damit ist wohl auch der Sozialdarwinismus unter den Menschen erledigt. Darwin hatte sich ja die Frage gestellt, wie durch natürliche Zuchtwahl Artgrenzen zwischen Lebewesen entstehen, die verhindern, dass Tiere jenseits der Artgrenze miteinander Nachkommen kriegen können. Er redete dabei nicht von den Ähnlichkeiten im Aussehen von Menschen, die sich untereinander dem äußeren Anschein nach dadurch angleichen, dass sie wenig Kontakt zu anders Aussehenden, Fremden haben.

Der Neandertaler hat auf höfliche Art klar gemacht, dass die Unterscheidungen nach den äußeren Merkmalen, die seit der Neuzeit jahrhundertelang als Rassen bezeichnet wurden, weder mit den Artgrenzen noch mit der Überlegenheit oder Unterlegenheit der äußerlich ähnlichen Menschengruppen zu tun haben. Die Analyse des Erbmaterials aus Knochen hat im Gegenteil bewiesen, dass die Neandertaler nicht als unterlegene Rasse untergangen sind, sondern dass die meisten in Europa lebenden Menschen einen kleinen Teil Erbgut des Neandertalers in sich tragen. Dass sich die Neandertal-Spur gerade unter Europäern nachweisen lässt, liegt daran, dass Neandertaler nur bis Europa gekommen sind – vielleicht waren sie aber auch zu zurückhaltend und klug, um sich auf den Rest der Evolution einzulassen.

Die Väter und Mütter des Grundgesetzes waren vermutlich überzeugt, dass es Menschenrassen gibt, niemand sollte aber deshalb benachteiligt oder bevorzugt werden. Selbst Neandertaler und Hunde machen klar, dass im Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes der Begriff Rasse gestrichen und auch nicht durch die Steigerungsform rassistisch ersetzt gehört, sondern dass es ergänzend zu anderen Merkmalen von Menschen heißen sollte: „Niemand darf wegen … seines Aussehens, Gestalt oder genetischen Ausstattung … benachteiligt oder bevorzugt werden.“

Jürgen Bönig freut sich auf der Geisterbahn, dass wieder ein Schreckgespenst auf elegante Art entsorgt werden kann.