Ramstein Airbase

Zielscheibe im Pfälzerwald

Zahlen & Fakten

Ursprüngliche Nutzung : Ein provisorischer Start- und Landeplatz der deutschen Luftwaffe im Zweiten Weltkrieg, zehn Kilometer westlich von Kaiserslautern gelegen.

Derzeitige Nutzerin: Die US Air Force

Eröffnung : April 1951

Funktionen: Größter US-Luftwaffenstützpunkt außer-halb der USA, Logistikdrehkreuz, Kommandozentrale für den Drohnenkrieg

NATO-Rolle: Von Ramstein aus wird die Luftwaffe der NATO sowie der so genannte Raketenabwehrschirm befehligt.

Ukraine-Krieg: In Ramstein tagten internationale Geldgeberkonferenzen für die Aufrüstung der Ukraine

Am 3. März, Russlands Einmarsch in die Ukraine war da nur wenige Tage alt, strahlte der SWR einen kleinen Fernsehbeitrag über die Ramstein Airbase aus. Einige Anrainer:innen brachten ihre Gefühle gegenüber diesem Luftwaffenstützpunkt zum Ausdruck. „Wenn einmal der Knopf gedrückt würde“, sagte ein älterer Mann, „dann wären wir die ersten, die fort wären.“ Im selben Beitrag verweist Ralf Hechler, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Ramstein-Miesenbach auf die nunmehr 70-jährige „Verbandelung mit den Amerikanern“. Seine Antwort auf die Frage, was dieses Mal anders sei: „Weil man nicht weiß, was kommt.“

Diese Ängste sind nicht verwunderlich. Denn der Luftwaffenstützpunkt, er ist größer als die nahegelegene Ortschaft Ramstein, ist das Hauptquartier der US Air Force in Europa und Afrika. Von hier aus werden alle US-Flugplätze in Europa koordiniert. Über das in Ramstein stationierte 603rd Air and Space Operations Center können innerhalb von sieben Stunden Luftangriffe in ganz Europa und Afrika organisiert werden, potentiell auch gegen Russland.

Ramstein ist außerdem die Luftwaffenzentrale der NATO – das so genannte „Aircom“. Ihm unterstehen die Luftwaffen aller NATO-Staaten, also auch die deutsche Luftwaffe. Somit zeigt sich am Beispiel Ramstein zweierlei: Einerseits die deutschen imperialen Ambitionen, im Spiel der großen Weltmächte eigene Interessen durchsetzen zu können. Andererseits zeigen sich auch die Beschränkungen solcher Ambitionen, denn „Aircom“ steht vollständig unter US-Kontrolle. Die Ramstein Airbase ist exterritorial. Was immer dort geschieht – der deutsche Staat hat nichts mitzureden. Das wird im Bedarfsfall auch gerne als Entschuldigung genutzt. Die USA führen von Ramstein aus ihren globalen Drohnenkrieg. Die Regierung in Berlin verschließt davor die Augen und behauptet, von nichts zu wissen. Im Dezember 2005 geriet die Air Base wegen CIA-Gefangenenflügen in die Schlagzeilen: Des Terrors Verdächtigte wurden von hier aus in geheime US-Stützpunkte in Mittel- u nd Osteuropa geflogen, vielfach dort gefoltert und später meist in das extraterritoriale Sondergefängnis der USA nach Guantanamo auf Kuba verbracht.

Frontstellung gegen Russland

Eine wesentliche Funktion der Ramstein-Airbase ist ihre Frontstellung gegen Russland. Diese macht sich sowohl propagandistisch-politisch als auch militärisch bemerkbar. Politisch rückte Ramstein zuletzt am 26. April in das Licht der Öffentlichkeit. Auf einer von den USA organisierten Geberkonferenz diskutierten Vertretungen von 40 Staaten über militärische Hilfen für die Ukraine. Mit dabei auch die deutsche Verteidigungsministerin Lambrecht, die am Rande der Konferenz als Ziel vorgab: „Mittel- und langfristig müssen wir dafür sorgen, dass die Ukraine über eine gut ausgebildete und gut ausgerüstete Armee verfügt.“ Auf derselben Konferenz stimmte Deutschland erstmals der Lieferung schwerer Waffensysteme an die Ukraine zu. Derartige Lieferungen laufen zumindest teilweise über Ramstein, auch wenn die USA über die Wege, auf denen die an die Ukraine verschickten Waffen in das Land kommen, schweigen.

Eine Zwillingsschwester der Airbase Ramstein ist der nahegelegene US-Luftwaffenstützpunkt Spangdahlem. Dorthin wurden laut Informationen der Informationsstelle Militarisierung IMI in Tübingen Anfang April sechs Kampfjets EA-18 Growler aus dem US-Bundesstaat Washington verlegt. Diese Kampfjets sind darauf spezialisiert, gegnerische Luftabwehr zu stören. Mit ihrer Stationierung in Spangdahlem liegen sowohl Belarus als auch Russland in Reichweite dieser Flieger. Die NATO bezeichnet dies als eine rein defensive Maßnahme. Bestenfalls handele es sich hier um Vorwärtsverteidigung, was in Moskau allerdings sehr wahrscheinlich als Vorbereitung aggressiver Kriegshandlungen interpretiert wird. Dieser Eindruck dürfte durch die neuerliche Stationierung von zwölf F-35 Tarnkappenjets in Spangdahlem noch verstärkt werden.

Maßnahmen wie die Stationierung derartiger Kampfjets müssen außerdem im Kontext des so genannten Raketen-Abwehrschildes betrachtet werden, welcher ebenfalls von Ramstein aus koordiniert wird. Der Schutzschild ist ein wesentliches Aircom-Projekt der vergangenen Jahre. Es handelt sich dabei um ein groß-angelegtes Rüstungsprojekt, welches die NATO befähigen soll, von Russland aus anfliegende Atomraketen abzufangen und zu zerstören. Das vom Rüstungskonzern Lockheed Martin hergestellte System ist in der Praxis völlig ungetestet. Versprochen wird eine 100-prozentige Wirksamkeit, die aber bezweifelt werden darf. Und selbst wenn diese gegeben wäre, würde dies bedeuten, dass im Ernstfall etliche Kilogramm pulverisiertes Plutonium nach der Zerstörung von Atomraketen durch die Atmosphäre fliegen, mit drastischen Auswirkungen für die Gesundheit der Bevölkerung. Nicht zuletzt aufgrund dieses Schutzschildes ist es für den russischen Staat von strateg ischer Bedeutung, Ramstein im Kriegsfall ausschalten zu können. Und deshalb ist die Airbase auch das exponierte Ziel auf deutschem, wenn nicht auf westeuropäischem Boden.

Kein Krieg ohne Ramstein

Die Luftwaffe ist spätestens seit dem Zweiten Weltkrieg von strategischer Bedeutung für die industrialisierte Kriegsführung. Das bedeutet, dass kein von der NATO und den USA geführter Krieg der vergangenen Jahrzehnte ohne Ramstein ausgekommen ist. Die Bombardierung Vietnams durch US-amerikanische Bomber wurde von hier aus gesteuert, die Luftkriege in Afghanistan, Irak, Jemen und vielen anderen Staaten und Ländern ebenfalls. Daneben ist Ramstein die wichtigste Logistikdrehscheibe für das US-Militär überhaupt. Von hier aus werden die Truppenverbände mittels riesiger Herkules-Transportmaschinen in verschiedenste Kriegsregionen verlegt. Ramstein spielt somit heute dieselbe Rolle, die bis zu ihrer Schließung die Rhein-Main Airbase der USA am Frankfurter Flughafen spielte.

Eine wichtige Innovation der vergangenen Jahre ist der Drohnenkrieg. Der Einsatz bewaffneter Drohnen ermöglicht Luftschläge in weit entfernten Ländern, ohne dafür Kampfjets mit Besatzungen in die Gefechtszone schicken zu müssen. Die sitzen vor Computerbildschirmen in Ramstein, und verrichten ihre mörderische Tätigkeit aus größtmöglicher Distanz. Das Gefühl, in Wirklichkeit ein Computerspiel zu spielen, ist erwünscht, die so erzeugte Empathielosigkeit mit den Opfern der so durchgeführten Luftschläge gewollt.

Letztendlich übernehmen Kampfdrohnen und die Menschen, die sie steuern, auch Aufgaben, die traditionell von Todesschwadronen übernommen wurden. Durch die Auswertung von Handydaten kann von Ramstein aus der Standort von Personen identifiziert werden, deren Tod von der Regierung in Washington gewünscht wird. Sie können dann durch Drohnenbeschuss einer extralegalen Hinrichtung zugeführt werden. Derzeit trifft es „nur“ „Terroristen“ in Ländern der neokolonialen Welt. Doch je nach Zuspitzung weltweiter sozialer Auseinandersetzungen und Klassenkämpfe ist durchaus auch die derartige Hinrichtung etwa von kämpferischen Gewerkschaftsaktiven oder prominenten Personen in sonstigen missliebigen Bewegungen denkbar. Militarismus in all seinen Formen ist auch immer Klassenkampf von oben. In diesem Fall buchstäblich aus der Luft. Schon jetzt werden Kampfdrohnen gegen progressive Bewegungen eingesetzt, etwa durch den türkischen Staat gegen die kurdische Befrei ungsbewegung in Syrien.

Da ist es tröstlich zu wissen, dass trotz aller Mechanisierung auch die modernste Kriegsführung letztendlich von denkenden und fühlenden Menschen abhängt. Und diese Menschen sind zu Widerstand in der Lage. Die Bedeutung Ramsteins für den Drohnenkrieg wurde auch deshalb der Öffentlichkeit bekannt, weil Soldatinnen und Soldaten Whistleblower wurden und der Mordmaschine den Gehorsam verweigerten. Ein Beispiel, das massenhaft Schule machen sollte.

Christan Bunke schreibt seit knapp zehn Jahren die Rubrik „Ort und Zeit“ in Lunapark21.