Abrüstung – der größte Beitrag zur ökologischen Zukunftssicherung
Krieg zerstört Mensch und Um-welt. Leider eine Binsenwahrheit. Je- doch schon vor dem Krieg haben Militärapparate einen hohen Ausstoß von CO2 und anderen Treibhausgasen, sind Ressourcenfresser und führen zu enormer Umweltzerstörung. Zugleich entziehen sie dem Umwelt-, Klima- und Menschenschutz die dort dringend notwendigen Finanzen durch enorme Aufrüstungs- und Militärprogramme. Fast unbeachtet von der Öffentlichkeit führt sich das Militär als einer der schlimmsten Umweltsünder auf.
Denken wir an Truppen- und Waffentransporte rund um die Welt, wie z.B. an die sogenannte Ausbildungsfahrt der deutschen Kriegsfregatte „Bayern“, die Mittelmeer und Suezkanal durchquerte, ums Horn von Afrika ins pakistanische Karachi fuhr, um dann eine „Tankstelle“, den US-Militärstützpunkt Diego Garcia im Indischen Ozean anzulaufen.1 Sie zog ins westaustralische Perth weiter, läuft insgesamt ein Dutzend Häfen im indopazifischen Raum an, unter anderem Tokio.
Denken wir an Manöver wie Defender Europe 2021 oder Steadfast Defender 2021. Bei Defender Europe 2020 wurden 37.000 Soldaten, hunderte Panzer, über 13.000 Ausrüstungsgegenstände bewegt. Zwei Drittel davon wurden per Schiff und Flugzeug extra über den Atlantik gebracht. Nun werden auch noch Straßen und Brücken neu verstärkt, um Bundeswehr und NATO bei ihren Manövern die Durchfahrt zu erleichtern. Der Ausbau der transeuropäischen Verkehrsnetze muss mitbedacht werden. Die EU hat in ihrem Etat für „militärische Mobilität“ bis 2027 6,5 Milliarden Euro eingeplant.
Alle Waffentests sind Klimakiller und umweltschädlich. Ein Beispiel ist der wochenlange Moorbrand auf dem Bundeswehrgelände im Emsland vor zwei Jahren. Ein Waffentest hatte den Brand ausgelöst, der Landkreis rief den Katastrophenfall aus. Nach Einschätzung des Landesumweltministeriums in Hannover hat der Brand zu nachhaltigen Schäden für Umwelt und Tierwelt geführt.
Besondere Verbrechen an Umwelt und Menschen sind die 2100 Kernwaffentests. Es wird angenommen, dass sie weltweit ca. 300 000 Todesfälle zur Folge hatten2. Die Atomwaffenversuche sind verantwortlich für die radioaktive Verseuchung verschiedener Regionen. Auch über die ökologischen Gefahren von Atomwaffen, das Risiko eines Unfalls oder das ungelöste Problem der Endlagerung wird geschwiegen. Nach SIPRI gehören den neun Atomwaffenstaaten insgesamt 13.400 Atomwaffen. 3.720 sind sofort einsatzfähig, davon 1.800 in ständiger Höchstalarmbereitschaft.
Die steigende Produktion von Rüstungsgütern und ihre Verwendung sind mit enormen Klimaschäden verbunden. Die Profite werden von Aktionären angeeignet, die Folgekosten zahlt die Allgemeinheit mit Steuern.
Bisher wurde der CO2-Abdruck des Militärs auf Druck von USA und NATO in Klimaabkommen wie dem Kyoto-Protokoll 1997 und dem Pariser Klimaschutzabkommen 2015 ausgeklammert. Das führt dazu, dass die größten staatlichen Klimasünder aus dem Blickfeld der Klimabewegung, noch mehr aber aus dem der normalen Bevölkerung geraten sind. Die fehlende Datenlage hat zur Folge, dass die genauen Auswirkungen auf die Erderhitzung nur ungenau berechnet werden können, was den Blick auf den militärischen Klimasünder zusätzlich verstellt.
Rüstungsmoloch Pentagon
2019 sorgte die Studie von Neta Crawford von der Boston University für Schlagzeilen. Sie zeigte, dass das US-Militär der größte institutionelle Verbraucher von fossilen Brennstoffen weltweit ist. Sie kam zu dem Ergebnis, dass im Haushaltsjahr 2018 das US-Verteidigungsministerium 56 Millionen Tonnen an CO2-Emissionen zu verantworten hatte. „Damit gehört das Pentagon zu den 50 größten Kohlendioxid-Verursachern der Welt. Die Emissionen des US-Militärs sind größer als die von Dänemark, Schweden oder Portugal“, so Crawford. Rechne man noch den jährlichen CO2-Fußabdruck der US-Rüstungsindustrie hinzu, beträgt laut Crawford allein der jährliche CO2-Ausstoß sogar über 200 Millionen Tonnen.3. Seit Beginn des „Kriegs gegen Terror“ 2001 hat nach Schätzung der Cost-of-War-Studie das US-Militär 1,2 Milliarden Tonnen Treibhausgase ausgestoßen.4
Die US-Militärs wissen um ihre Rolle als Umweltverschmutzer. Auf der COP26-Konferenz in Glasgow soll Nancy Pelosi, Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, der Aussage zugestimmt haben, dass das US-Militär ein „größerer Umweltverschmutzer als 140 Länder zusammen“ sei. Darauf antwortete John F. Kirby, Pressesprecher des Pentagon, auf einer Pressekonferenz, dass man sehr wohl wisse, dass das Pentagon innerhalb der Bundesbehörden der größte Umweltverschmutzer sei und dass man deshalb die Klimakrise „sehr ernst“ nehme.5
Militärische Emissionen erfassen
Um die Vernebelung zu beenden, haben Friedens- und Umweltorganisationen, darunter die Ärzteschaftsorganisation IPPNW Deutschland und Teilnehmerinnen und Teilnehmer der UN-Weltklimakonferenz dazu aufgefordert, strenge Grenzwerte für Treibhausgasemissionen festzulegen und für das Militär keine Ausnahmen mehr zuzulassen. In der Petition „Stop Excluding Military Pollution from Climate Agreements“ verlangen sie Transparenz im Umgang mit dem CO2-Fußabdruck des Militärs, unabhängige Prüfungen der erfassten Zahlen und globale Abrüstung, bei den Atomwaffen ebenso wie bei konventionellen Waffen.
Laut einer Studie des Conflict and Environment Observatory im Auftrag der Partei „Die Linke“ im EU-Parlament betrug der CO2-Fußabdruck des EU-Militärs im Jahr 2019 etwa 24,8 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Das entspricht den jährlichen Emissionen von etwa 14 Millionen Autos. Deutschlands Militär allein trägt laut Studie 4,53 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent bei.
Ein Kampfjet vom Typ Eurofighter verbraucht 3.500 Kilogramm Treibstoff pro Flugstunde, entsprechend elf Tonnen CO2-Äquivalente. Das entspricht dem jährlichen CO2-Fußabdruck eines Menschen hierzulande – und auch der ist schon viel zu hoch. Im Jahr 2018 verbrachten die Eurofighter der Bundeswehr 10.480 Flugstunden in der Luft. Mehr als neun Millionen Bäume bräuchte es, um die umgerechnet dadurch freigesetzten 115.280 Tonnen CO2 zu speichern.
Die Militärs sind auch große Ressourcenverschwender, u.a. beim Landverbrauch. Sie sind Umweltzerstörer durch Fluglärm, Manöverschäden, Sprengstoffe, Munition, die Verseuchung von Truppenübungsplätzen mit Öl, Benzin und weiteren toxischen Stoffen. Insgesamt 25 Prozent der weltweiten Umweltverschmutzung führte SIPRI Mitte der achtziger Jahre auf den Militärbereich zurück.
US-Militär schützt die Erdöl- und Rohstoffindustrie
Das US-Militär wird häufig dafür eingesetzt, sicherzustellen, dass US-Ölfirmen weltweit Zugriff auf Rohstoffquellen, insbesondere Öl, haben, schreiben die „Nachdenkseiten“. Der Irakkrieg 1991 war ein Beispiel eines Krieges um Erdöl. Heute ist die militärische Unterstützung von Saudi Arabien durch die USA verbunden mit der Entschlossenheit der US-amerikanischen fossilen Brennstoffindustrie, den Zugang zu den Erdölvorkommen der Welt zu kontrollieren. Rund 1000 US-Militärbasen rund um den Globus befinden sich überwiegend in ressourcenreichen Regionen und in der Nähe von strategischen Schifffahrtswegen.6
Auch bevorstehende „Klimakriege“ zur „Abwehr“ von Klimaflüchtlingen und der Kampf um verbleibende Lebensräume, um Wasser und Rohstoffe, spielen eine untergeordnete Rolle in der Klimadiskussion. Die Zahl der Kriegsflüchtlinge und Vertriebenen und der Klimaflüchtlinge steigen. Auch diese Folgen müssen in der Klimadiskussion berücksichtigt werden. In einer Pressemitteilung des Pentagon (DoD) vom 21.10.2021 wird eine neue „Climate Risk Analysis“ vorgestellt. Dort heißt es: „Wie die Klimarisikoanalyse des DoD verdeutlicht, verändert der Klimawandel die strategische Landschaft und formt das Sicherheitsumfeld, wodurch sich komplexe Bedrohungen […] ergeben. Verschärft durch den Klimawandel beschädigen extreme Wetterereignisse zunehmend die Infrastruktur, unterbrechen die Versorgungsketten, beeinträchtigen die Einsatzbereitschaft und die Operationen der Streitkräfte und tragen zu humanitären Krisen und Instabilität auf der ganz en Welt bei.“ Aufschlussreich das Statement von Kirby auf der oben genannten Pentagon Pressekonferenz, wie die USA gedenken, damit umzugehen: „Wir glauben, dass der Klimawandel tatsächlich eine nationale Sicherheitsbedrohung ist, nicht nur wegen der Schäden, die unseren eigenen Einrichtungen zugefügt werden können, sondern auch wegen der Instabilität und Unsicherheit, die er an anderen Orten auf der Welt verursachen wird, die zweifellos in Zukunft militärische Unterstützung der USA erfordern werden“.7 Also noch mehr Krieg und damit mehr Umweltzerstörung durchs Militär.
Kriegsfolgen
Auch die Umweltfolgen nach den Kriegen werden in der Klimadebatte eher am Rande erwähnt. Meistens bleibt das ein Thema der Geschichtsforschung: „Alleine schon die chemischen Gifte, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Meeren lagern oder die Verstrahlung der durch Atombombenversuche und durch Atomrüstung geschädigten Regionen, die Todesfälle, Fehlgeburten und körperlichen Schädigungen an Menschen infolge des von der Nato im Balkan, am Golf und in Nordafrika massiv eingesetzten abgereicherten Urans […] sowie ähnlich katastrophale Folgen des Entlaubungskrieges der USA […] während des Indochinakrieges […], dem mehrere Millionen Vietnamesen und der Urwald mit seiner Belaubung zum Opfer fielen“, Bernhard Trauvetter führt uns die Schrecknisse vor Augen. „Dramatische Beispiele kriegsbedingter ökologischer Schäden sind die Golfkriege. Täglich verbrannten zwischen 300.000 und 700.000 Tonnen Öl – das entspricht einem Anteil von 3,5 bis 8, 1 Prozent des damaligen weltweiten Ölverbrauchs pro Tag.”8
Lockdown fürs Militär
Der Moloch Militär raubt Milliarden, die für Umweltschutz, Wohnen, Gesundheit, Bildung, Renten, für eine menschengerechte Stadtentwicklung notwendig wären. Die weltweiten Militärausgaben liegen bei 1,981 Billionen US-Dollar. In Deutschland sollen sie nach Nato-Planungen auf 80 Milliarden Euro steigen. 2019 stieg der Militärhaushalt von circa 38,5 Milliarden Euro auf 43,2 Milliarden. Der Haushalt für Umwelt, Naturschutz und „nukleare Sicherheit“ stieg von knapp 2 Milliarden Euro auf knapp 2,3 Milliarden Euro. „Die Staaten der Welt geben sechs Mal so viel für Militär aus wie für Klimaschutz“.9 Es ist offensichtlich, nur mit drastischer Abrüstung sind globale Nachhaltigkeit, Klima- und Ressourcenschutz möglich.
Anne Rieger ist Ko-Sprecherin Bundesausschuss Friedensratschlag
Anmerkungen:
1 https://www.derstandard.at/story/2000129651053/deutsche-fregatte-bayern-ein-schiff-auf-umstrittener-mission.
2 https://de.wikipedia.org/wiki/Kernwaffentest.
3 https://www.isw-muenchen.de/wp-content/uploads/2021/06/factsheet-ruestung-k.pdf.
4 https://watson.brown.edu/costsofwar/files/cow/imce/papers/2019/Summary_Pentagon%20Fuel%20Use%2C%20Climate%20Change%2C%20and%20the%20Costs%20of%20War%20%281%29.pdf.
5 https://umwelt-militaer.org/das-pentagon-und-der-klimawandel-ii/.
6 Die USA unterhielten nach eigenen Angaben im Jahr 2008 761 militärische Einrichtungen aller Teilstreitkräfte im Ausland. Die Gesamtzahl der Stützpunkte, auf die die USA jederzeit zurückgreifen können, ist jedoch höher, da Basen, für die lediglich Nutzungsrechte vereinbart wurden, sowie etliche Militärbasen, etwa im Irak, in dieser Statistik nicht enthalten sind. Experten schätzten die Gesamtzahl der Stützpunkte, auf die die USA jederzeit zurückgreifen können, auf ungefähr 1000.
7https://umwelt-militaer.org/das-pentagon-und-der-klimawandel-ii/.
8 Bernhard Trautvetter, DieKlimbewegung übergeht das Erfordernis der Friedensökologie, auf NachDenkSeiten: https://www.nachdenkseiten.de/?p=75064.
9 https://at.scientists4future.org/2021/11/09/die-staaten-der-welt-geben-sechs-mal-so-viel-fur-militar-aus-wie-fur-klimaschutz/.