Dollars und Träume. oder: Geben ist seliger als nehmen

Aus: LunaPark21 – Heft 18

Manchmal kommen selbst überzeugte Anhänger des American Way of Life ins Grübeln. 1983 gründeten zwei US-Senatoren, ein Demokrat und ein Republikaner, das „Center for responsive Politics“, um den Einfluss des großen Geldes auf die US-Politik zu untersuchen. Inzwischen ist www.opensecrets.org eine der besten Quellen zum Thema, mit Analysen, die weit über die Zusammenfassung der offiziellen Daten hinausgehen.

Noch im Vorfeld der eigentlichen Wahlkampagne veröffentlichte im Herbst 2011 das Center eine Studie zu den finanziellen Verhältnissen der US-Volksvertreter. Das Ergebnis: Selbst in Zeiten einer großen Krise geht es den Parlamentariern und Regierungsangehörigen nicht schlecht. Mag auch im Kreise seiner Minister Barack Obama nicht der reichste sein, immerhin bringt es Außenministerin Hillary Clinton auf ein Vermögen von geschätzt etwa 30 Millionen Dollar. Aber mit 7 Millionen ist auch der derzeitige Präsident kein armer Mann.

Nur um seinen Vizepräsidenten Joe Biden muss man sich ernsthaft Sorgen machen. Dessen Vermögen weist bei sehr kritischer Betrachtung vor allem Schulden auf, im besten Falle kommt er auf etwa 720000 Dollar. Damit steht er schlechter da als 90 Prozent der Parlamentarier in US-Repräsentantenhaus und Senat. Wie verschiedene US-Medien rasch aufgriffen, konnten die Volksvertreter ihre privaten Finanzen im Dienste der Nation durchaus verbessern, während die Mehrheit der US-Bürger sorgenvoll in die Zukunft schaut.

Grund genug für das „Center for responsive Politics“ genauer in die Kosten, Nebenkosten und Erträge der US-Politik zu schauen, denn: „Etwa 1 Prozent der Amerikaner sind Millionäre. Im Kongress sind es regelmäßig zwischen 40 und 50 Prozent, womit sich die gewählte Führung nicht um die wirtschaftlichen Nöte, die viele Amerikaner bedrücken, sorgen muss: von der Sicherung einer auskömmlichen Beschäftigung bis zum Unterhalt einer Familie. Entscheiden Sie selbst, ob diese Millionäre im Parlament Ihre wirtschaftlichen Interessen richtig vertreten.“

Wohlgemerkt: Es sind keine Feinde der USA, die da auch manchen Dreck aufwühlen. Die jährlichen Kosten dieser Forschung – zwischen 1 und 1,5 Millionen Dollar – werden von gutbürgerlichen Wohltätern aufgebracht. Fast die Hälfte kommt von der MacArthur Foundation eines ehemaligen Bankers und von George Soros „Open Society“-Stiftung. Aber gerade sie machen sich Sorgen, wie die von ihnen so gewünschte Kombination von erfolgreichem Kapitalismus und Demokratie zustande kommen kann.

Kosten einer Kampagne

Mit den Vorwahlen in Texas Ende Mai hatte sich der Multimillionär Mitt Romney endgültig als republikanischer Präsidentschaftskandidat durchgesetzt. Nun geht es darum, wer am 6. November die meisten Wahlmännerstimmen erreicht. Und damit geht es um Geld, um viel Geld. Wahlkämpfe sind teuer; ihr Ergebnis entscheidet über große Geschäfte. Allein die offiziellen Ausgaben der Wahlkampagne Barack Obamas beliefen sich 2008 auf gut 740 Millionen US-Dollar. Und neben dem Präsidenten stehen im November 2012 wieder ein Drittel der Senatoren und alle Mitglieder des Repräsentantenhauses zur Wahl.

In diesem Jahr mussten bisher vor allem die Republikaner tief in die Tasche greifen. Denn in den Vorwahlen haben allein die unterlegenen Kandidaten Ron Paul, Newt Gingerich, Rick Perry und Rick Santorum zusammen Ausgaben von gut 100 Millionen Dollar vermeldet. Mitt Romney kostete seine Kampagne bis Ende Mai schon 91 Millionen Dollar. Und auch der Amtsinhaber investierte schon einiges in eine mögliche zweite Amtszeit: 187 Millionen. Und dann sind noch etwa 550 Millionen Dollar, die bereits für die Wahlkampagnen zum US-Kongress ausgegeben sind.

Soweit die offiziellen Zahlen der Federal Election Commission (http://query.nictusa.com/pres/). Den im Falle der Präsidentschaftswahlen recht strengen Vorgaben folgend und von der politischen Konkurrenz argwöhnisch geprüft, geben sie einen Überblick über die Wahlkampfausgaben. Wenig überraschend bilden kleinere Spenden – bis 200 Dollar – die Grundlage der bisherigen Obama-Kampagne, auf sie entfallen mehr als die Hälfte des Spendenumfangs. Bei Mitt Romney sieht das anders aus: Mehr als 60 Prozent der Spenden kamen in Schecks von 2000 Dollar und mehr (http://www.fec.gov/disclosurep/pnational.do).

So umfangreich diese offiziellen Angaben aber auch sind, seit Juli 2010 bilden sie nur einen Teil der Rechnung. Anfang 2010 hatten höchste US-Gerichte entschieden, dass die bestehenden Regelungen zur Wahlkampffinanzierung eine Einschränkung der Meinungsfreiheit darstellen: Wo kämen wir hin, wenn man sein schönes Geld nicht mehr zur Verbreitung seiner Ideen einsetzen könnte! Seither sind bestimmte Political Action Committees (PAC) von allen Beschränkungen bezüglich der Annahme individueller Spenden befreit, wenn sie nur nicht ganz direkt zur Wahl eines Kandidaten aufrufen. Wer vermutet, dass diese Veränderung Einfluss auf den Erfolg der Tea Party im November 2010 hatte, liegt richtig. Aus nahe liegenden Gründen haben Journalisten für die neue Form großkapitalistischen Lobbyismus die Bezeichnung „Super-PAC“ erfunden.

Im goldenen Käfig

In diesem Wahlkampf wurden bisher über 570 Super-PACs angemeldet. Bis zum 1. Juni nahmen sie 218 Millionen US-Dollar an Spenden ein, wovon über 160 Millionen auf die entfielen, die sich selbst als konservativ verstehen. Jene, die mit einer Selbstbezeichnung als „liberals“ ihre Nähe zu den Demokraten deutlich machen, kamen gerade mal auf 45 Millionen. Das größte liberale Super-PAC „Priorities USA Action“ hat mit Spenden von bisher 10 Millionen noch nicht ein Fünftel dessen, was die größte konservative Spendenbüchse einnahm: 56 Millionen. Und das, obwohl allein der Chef des Filmstudios DreamWorks zwei Millionen und die Dienstleistungsgewerkschaft SEIU eine Million Dollar an „Priorities USA“ überwiesen haben. Doch mit Leuten wie dem Immobilienlöwen Bob J. Perry, der die republikanischen Kandidaten Rick Perry und Mitt Romney bisher mit 6,5 Millionen Dollar unterstützte, können sie nicht mithalten.

Ein Investition im üblichen Sinne sind die Spenden der Großkapitalisten sicher nicht. Ein gewinnbringender Rückfluß der Mittel wird nicht erwartet. Selbst wenn der geförderte Kandidat sich durchsetzen sollte, muss er auch noch anderen Interessen Genüge tun. Sie verstehen solche Zuwendungen aus ihrem üppigen Privatvermögen als Dienst am Gemeinwesen. Bibelfest, wie viele US-Amerikaner sind, wird ihnen die Bemerkung aus der Apostelgeschichte vertraut sein: „Geben ist seliger als nehmen!“ Aber was mittelalterlichen Ketzern als Aufruf zur Gütergemeinschaft, zum Kommunismus galt, begreifen sie als Chance, ihren privaten Reichtum richtig wirken zu lassen.

Denn der nehmende Politiker begibt sich in einen, wenn auch vergoldeten Käfig. Wie riskant der Weg zum großen Geld ist, das musste Mitt Romney am Tage der Verkündigung seines innerparteilichen Triumphs erkennen: Der Multi-Multimillionär Donald Trump stahl ihm die Show mit wiederaufgelegten Gerüchten über den Geburtsort Barack Obamas, den manche Rechte gern außerhalb der USA vermuten. Um seinem Ruf als gemäßigte Alternative gerecht zu werden, erklärte der Kandidat der Republikaner im Nachhinein, er freue sich über breite Unterstützung, könne aber nicht alle Ideen aller seiner Unterstützer teilen. Selbstverständlich hält Romney seinen Gegner Obama für einen geborenen US-Bürger. Doch seinem finanzkräftigen Unterstützer auf offener Bühne zu widersprechen, das traute er sich nicht. Auch wenn er selbst Multimillionär ist und von seinen alten Kollegen bei der Investmentgesellschaft Bain Capital noch immer gefördert wird.

Die New York Times fragte jüngst, ob denn eine amerikanische Wahl von reichen Individuen gekauft werden könne. Gemeint war, ob bei der Wahl zwischen zwei Varianten herrschender Politik am Ende rein private Vorlieben oder Interessen einzelner Milliardäre den Ausschlag geben könnten. Gemeint war nicht, dass die Struktur des gesellschaftlichen Lebens den effektiven Ausschluss der Bevölkerungsmehrheit von der politischen Willensbildung garantiert. Aber es geht um die Wahl zwischen verschiedenen Varianten herrschender Politik. Auch in der Politik gilt, dass Geld allein keine Tore schießt.

Sebastian Gerhardt, Autor in Berlin, bloggt nach Bedarf auf http://planwirtschaft.wordpress.com, immer eingedenk der Warnung Albert Einsteins: „Planwirtschaft ist noch kein Sozialismus.“ Hat sich jüngst entschlossen, endlich einen ordentlichen universitären Abschluss in Mathematik zu erwerben.

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