Die Füße der Reichen

Die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung, also 3,5 Milliarden Menschen, ist für zehn Prozent der weltweiten Emissionen durch Konsum verantwortlich – also die Hälfte aller Menschen auf Erden nur für ein Zehntel des gesamten Ausstoßes an CO2. Der ökologische Fußabdruck der reichsten zehn Prozent der Bevölkerung dagegen reicht für die Hälfte aller Emissionen auf der Erde. Und 63 Millionen Menschen, nämlich das reichste Prozent der Bevölkerung, sind für 15 Prozent des gesamten CO2-Ausstoßes verantwortlich.

Das ermittelte Oxfam anlässlich der 75. Uno-Vollversammlung auf Basis der Zahlen von 1990 bis 2015. Aber das Problem mit den Reichen ist eigentlich nicht ihr Konsum, so protzig er auch sein mag. Zugegeben, es nervt, wenn diejenigen mit hohen Einkommen mit dem SUV, ihren Zweit- und Drittwagen, zum Zigarettenholen spazieren fahren. Wie in Stuttgart, wo 36 Prozent der Haushalte kein Auto haben, aber 65 Prozent derjenigen mit hohem Einkommen zwei oder drei oder mehr Autos fahren.

Viel schlimmer wirkt sich aus, dass die reichen Geldbesitzer auch die Produktionsmittelbesitzer sind. Sie zwingen mit ihrer Kapitalakkumulation dem Rest der Welt auf, für ihre überflüssige und wachsende verschwenderische Produktion zu arbeiten. Und die Nicht-so-Reichen müssen darum betteln und bitten, dass sich ein Kapitalbesitzer findet, der sie arbeiten lässt und Lohn zahlt.

Dem Wunsch der Produktionsmittelbesitzer, immer neue und mehr Waren produzieren und verkaufen zu lassen, damit ihre Geldverwertung gelingt, lässt sich keine Konsumdiät entgegenstellen – der Grund, warum Produkte hergestellt, angepriesen und verkauft werden, ist einfach falsch.

Wirksamer wäre, den Reichen zu garantieren, dass sie Zeit ihres Lebens ihre bemerkenswert großen Füße in Eselsmilch baden, aus goldenen Wasserhähnen ihren Kamm benetzen und ihre Depressionen in Champagner ertränken können, meinetwegen auch in überdimensionierten Angeberkutschen fahren dürfen – wenn, ja wenn sie sich ansonsten aus der gesellschaftlichen Produktion heraushielten, ihres Besitzes an Produktionsmitteln verlustig gingen durch Vergesellschaftung und ansonsten das täten, was sie offenbar am besten können: dem Konsum frönen, vielleicht in dafür eigens zusammengestellten Trump-Towers, in denen sie sich gegenseitig ihre Spielzeuge vorführen dürften.

Die Lebensmittel für diejenigen Arbeitskräfte, die sinnlose Geschenkeshops betreiben müssen, PS-starke Autos und Elektroroller bauen oder Kriegsschiffe zusammenbasteln, wären immer noch in der Welt und könnten verbraucht werden, wenn all die überflüssigen Sachen nicht hergestellt würden, die ausschließlich der Kapitalakkumulation dienen und unserer Welt schaden.

Die großen Unterschiede in der Zerstörung der Welt durch Reiche und Arme zeigen gerade, dass es nicht um den Zugang zu Konsumgütern geht, sondern um die Verfügung über die Mittel zu ihrer Produktion.

Jürgen Bönig hätte den Geist aus der Lunapark21 Nr. 50 wieder hervorholen können: Unter Corona-Bedingungen erscheint das als lebensnotwendig, mit dem jemand Geld verdienen kann.

Zahlen aus:

Oxfam: Even it up, Time to End Extreme Inequality October 2014

Winfried Wolf, Heiner Monheim, Wolfgang Hesse: Stuttgart 2030, Eine Stadt für die Menschen, Stuttgart 2020.